Die Verbindung ist schlecht

von Theresa Luise Gindlstrasser

Wien, 11. Mai 2017. Anfangen tut's mit einem Video. Projiziert auf weißen, raumhohen Vorhang. Eine ästhetische Heldenerzählung mit Nahaufnahmen, Zigarrenrauch und Holzmobiliar. Kommentiert von einer satten, seriösen Stimme. Love Prenner, "neither man, nor woman", arbeitete als Anwältin "in a man's world". Prenner lacht, weint, lacht, weint und singt pompös. Prenner öffnet Waschmaschinen, isst Kuchen und rezitiert Gedichte. Dann ist's Video aus, der Vorhang geht auf.

Bara Kolenc und Atej Tutta haben ihrer Performance "Metamorphoses 3°: RETORIKA" seit deren Einladung zum Stückemarkt beim Theatertreffen 2016 offenbar einen neuen Anfang vorangestellt. Suggeriert die Recherche in alten Berichten. Premiere war jedenfalls 2015 in Ljubljana gewesen. Und für den Pitch des Folgeprojektes erhielten Kolenc und Tutta den erstmals vergebenen Werkauftrag des Stückemarktes. "Metamorphoses 4º: BLACKHOLES" sollte 2017 am Schauspiel Dortmund realisiert werden. Recherche in diese Richtung deutet an, dass die Sache auf 2018 verschoben wurde.

Mit Ovid und Aristoteles im Matratzenlager

Die wieder nächste Recherche, nämlich die nach Love Prenner, suggeriert dann nicht mehr gar so viel. In der Übersetzung (aus dem Slowenischen) verstanden: Ljuba Prenner war "Politiker, Rechtsanwalt und Schriftsteller" (Wikipedia). Im brut wiederholt das Video Jahreszahlen wie "1947" oder "1974", erzählt vom Berufsverbot unter Tito und davon, dass Prenner nicht nur als Anwältin, sondern irgendwie darüber hinaus wirken wollte. Sind spärliche Infos für so eine Heldenerzählung. Dabei steht im Programmheft geschrieben: "Dr. Ljuba Prenner – ein moralisch und politisch höchst umstrittener transsexueller Anwalt im Nachkriegsjugoslawien". Von dieser "wahren Lebensgeschichte" ausgehend soll die Performance "die Mechanismen der medialen, politischen und juristischen Rhetorik hinterfragen". Und zwar in Anlehnung an Ovids "Metamorphosen" und "Aristoteles 'Kunst der Überzeugung'".

Metamorfosis3Retorika2 560 Ph Tutta uHallo! Könnt ihr mich hören? © Ph. Tutta

So ein Schmafu! Datenschnipsel erzählen keine Lebensgeschichte, dass jemand Anwältin war, ist noch keine juristische Rhetorik – und was um alles in der Welt haben Ovid und Aristoteles in diesem Pressetext verloren? Vor allem aber: Hinterfragt wird da nix. Ausgebreitet schon. Und zwar Bilder der These: Wir haben eine "erschütterte Beziehung zur Kommunikation". Deswegen so viel Nebel im brut. Wenn sich der Vorhang öffnet, dann wabert der erstmal gelassen Richtung Publikum. Matratzen fallen um, eine Frau steht dahinter. Sie tritt zum Mikrophon, setzt an: "The government". Und wird unterbrochen, von betäubendem Lärm. Nochmal und nochmal, dann Szenenwechsel. Umbau. Europahymne. Zwei Männer mit Schuhen schieben Matratzen zwischen zwei barfüßige Frauen, die lassen's geschehen. Ich höre: "You never say what I want to hear". Sie verstehen einander nicht, ist höchstwahrscheinlich der Matratze Kern.

Die Wiederholung der These

Mehr Nebel, mehr Mikrophone, Zitate von Einstein, Lenin, Twain und Wittgenstein. Alles gleichzeitig. Nichts zu verstehen. Markante Lichtwechsel, Stimmungen, die aufgebaut werden, nur um dann auch schon wieder abgebaut zu werden. "And I scream and everything around me will remain silent", brüllt eine Performerin dem eigenen Echo entgegen. Lauter und lauter, ist's plötzlich genug. Das nächste Bild: "Joy, Hashtag, deutsche Grammophon", heldenerzählungs-ernst ins Mikro genuschelt. Richtungslos und monoton: Zitate aus Prenners Briefen, dann zwei Männer, dazwischen die Frau. Sie schreien sie nieder, werfen unter Zurschaustellung von Männlichkeitspathos Matratzen herum.

Bei solchen Bildern ist es um unsere "Beziehung zur Kommunikation" wahrlich erschütternd bestellt. Die Wiederholung der These, mal ins Laute, mal ins Vernuschelte, mal ins Zusammenhangslose gedreht, ergibt nichts anderes als die Wiederholung der These. Zu kryptisch die Erzählweise, als dass sich erschließen könnte, was Ljuba Prenner in dieser Angelegenheit verloren hat. Die schwulstigen Floskeln des Programmheftes dazu genommen, ist's ein Abend, der die Sprache hochgradigst unterschätzt.

Metamorphoses 3°: RETORIKA
von Bara Kolenc und Atej Tutta
Konzept und Realisierung: Bara Kolenc und Atej Tutta, Dramaturgie: Pia Brezavšček, Licht: Peter Pivar, Ton: Jernej Černalogar und Jure Vlahovič, The Rumours Song Original Score: Matevž Kolenc.
Mit: Bara Kolenc, Sanja Nešković Peršin, Rebeka Radovan, Matej Markovič, Jošt Pengov-Taraniš.
Dauer: 1 Stunde und 15 Minuten, keine Pause

www.brut-wien.at

 

Kommentar schreiben