Presseschau vom 29. Mai 2017 – In der Welt vernichtet Stefan Grund das diesjährige "Theater der Welt"-Festival

Peinlich, peinlich

Peinlich, peinlich

29. Mai 2017. Als "Himmelfahrtskommando, das gründlich von der Politik vereinnahmt wurde" beschreibt Stefan Grund das diesjährige Theater der Welt-Festival nach seinem Eröffnungswochenende in einem langen, äußerst kritischen Artikel in der Welt.

Und stellt als ersten Skandal dar, wie Hamburg als Austragungsort überhaupt zustande kam: "Festivalleiter Joachim Lux, Intendant des Thalia, beantragte die Ausrichtung für 2017 beim Internationalen Theaterinstitut (ITI) in Berlin, das seit 1981 als Veranstalter fungiert. Der aktuelle ITI-Präsident ist praktischerweise Joachim Lux selbst. Er bewilligte sich das Festival."

Nun sei Lux zwar nicht alleiniger Kurator des Festivals, aber die zweite Hamburger Institution (Kampnagel), die er dazu geholte habe, befinde sich in der gleichen Verstricktheit wie sein Thalia: "Beide Häuser konkurrieren sonst mit eigenen Festivals, deren Mustern sie eins zu eins folgten, weil es ihnen auch finanziell Vorteile brachte", so Grund. "Dem Sommerfestival auf Kampnagel stehen die Lessing-Tage vom Thalia-Theater gegenüber. Wie dort steuert Intendant Lux auch bei Theater der Welt alte Kamellen und ein neues Stück aus dem eigenen Repertoire zum Festival bei."

Zu viel Geld?

Zur Finanzierung des Festivals schreibt Grund: Üblicherweise gäben Stadt und Land je eine Million Euro. "Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) spendierte als Regierungschef zwei Millionen. Außenminister und Parteifreund Sigmar Gabriel steuerte zwecks künstlerischer Völkerverständigung 1,2 Millionen bei." Dazu kämen – wie immer – 800.000 Euro von Kulturstaatsministerin Monika Grütters, außerdem habe Lux aber noch gemeinsam mit der damaligen Hamburger Kultursenatorin Barbara Kisseler "Sponsoren zu großzügigen Gesten bewegt. Private Förderer wie Michael Otto und Hamburger Stiftungen spendeten weitere 725.000."

Einnahmen und Publikumsinteresse dürften damit Nebensache sein für das Kuratorenteam, so Grund, und stellt das in einen Zusammenhang mit dem Festivalprogramm, das "geschrieben im möglichst politisch korrekten, leider völlig unverständlichen Avantgardekünstlerjargon" "denn auch eher verwirrend als erhellend" sei. "Wegen des schleppenden Vorverkaufs" böten die vier Kuratoren eine tägliche Telefonsprechstunde an. "Die Intendanten erklären potenziellen Besuchern persönlich, worum es sich eigentlich bei den Aufführungen im Einzelnen handelt", schreibt Stefan Grund und wird noch einmal sehr deutlich: "So peinlich war noch kein Theaterfestival."

(sd)

 

nachtkritik.de begleitete das Theater der Welt-Eröffnungswochenende mit Nachtkritiken zu Lemi Ponifasios Die Gabe der Kinder, dem chinesischen Gastspiel 500 Meters vom Paper Tiger Theatre Studio sowie Kornél Mundruczós Gerhart-Hauptmann-Inszenierung Die Weber am Thalia Theater. Ishvara von Tianzhuo Chen wurde schon nach der Premiere bei den Wiener Festwochen besprochen.

 

Am 2. Juni 2017 um 11:48 wurde der vorletzte Absatz dieser Presseschau verändert – vorher war dort vom Vorwurf der Überfinanzierung des Festivals die Rede, den Stefan Grund in seinem Artikel aber nicht explizit hervorbringt, sondern der in der Interpretation der zusammenfassenden nachtkritik-Redakteurin sd lag.

 

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