Presseschau vom 22. Juni 2017 – Die Medien kommentieren die Berufung von Nicolas Stemann und Benjamin von Blomberg nach Zürich

Positive Erwartungshaltung

Positive Erwartungshaltung

22. Juni 2017. Die Medien kommentieren die Berufung von Nicolas Stemann und Benjamin von Blomberg nach Zürich.

Ihre "Idee eines Regiekollektivs" umzusetzen, dazu seien Stemann und von Blomberg von der Findungskommission einstimmig berufen worden, schreibt Alexandra Kedves im Zürcher Tages-Anzeiger. "Am Schauspielhaus solle auf diese Weise ein Ort entstehen, an dem der Theaterprozess als eine im Kern partizipative und soziale Kunstform wieder erlebbar sei und die Gesellschaft widerspiegle", fasst sie Stemanns Vision zusammen. Sowohl für eine Doppelspitze und auch die Verjüngung der Leitung gäbe es in der Schweiz positive Beispiele, so Kedves: "Eine positive Erwartungshaltung ist also durchaus angesagt."

"Zürich leistet sich Aufbruch", schreibt Daniele Muscionico in der Neuen Zürcher Zeitung (21.6.2017). "Die Revolte wandert in den Taschen der beiden aus München mit ein – es ist das Denk- und Produktionsmodell Lilienthal an den Münchner Kammerspielen: Internationalität ist ein Stichwort, Koproduktionen ein anderes. Ein Stadttheater im Spannungsfeld zwischen Performance, Experiment und Pflege des Ensembles."

"Diese Orientierung an politischen und sozialen Konflikten und freien performativen Erzählformen birgt natürlich die Gefahr, das angestammte, in Zürich durchaus 'älter' zu nennende Theaterpublikum zu verprellen", so Till Briegleb in der Süddeutschen Zeitung. "Der Neuanfang, den das Duo Stemann und von Blomberg vorschlägt, könnte stattdessen ein junges urbanes Publikum locken, das sich aber primär digital vernetzt erlebt und vom Theater als relevanter Kunstform erst noch überzeugt werden will."

In der Frankfurter Allgemeinen Zeitung kommentiert Simon Strauß: Stemann verkörpere "alles, was das Theater im Moment nicht brauchen kann, was es sogar gefährdet und klein macht: Selbstgefälligkeit, Hochmut und einen ungezähmten Zynismus". Unter Theatermachen verstehe er vor allem "spaßbürgerliche Dekonstruktion": "Statt Distanz auszuhalten, das Theater als eine Gegenwirklichkeit zu begreifen, entwickelte er eine Technik der vulgärrealistischen Vereinfachung, immer abgefedert durch einen ironischen Blick, nie zu verunsichern von Textinhalten und ihren tieferen Bedeutungen." Strauß’ Fazit: "Unter dem wehenden Banner der Identitätspolitik stehen einem im Moment offenbar alle Türen offen." Außerdem wirft er Stemann, der im Februar dieses Jahres zum Leiter des Studiengangs Regie an der Zürcher Hochschule der Künste ernannt wurde, Ämterhäufung vor. Diesen Vorwurf weist Peter Haerle, Präsident der Findungskommission und Kulturdirektor der Stadt Zürich, in einer E-Mail an die Redaktion der FAZ, die nachtkritik.de vorliegt, zurück. Haerle bittet die FAZ ferner um eine Richtigstellung. Stemann habe in der Medienkonferenz klar mitgeteilt, dass er die Professur an der ZHdK auf den Beginn der Intendanz abgebe.

"Die Entscheidung für Nicolas Stemann und Benjamin von Blomberg ist eine sehr gute, eine mutige Wahl", findet ebc auf Spiegel Online. "In Zeiten, in denen sogar der einst als Erneuerer gefeierte und drei Jahre später nach einigen Querelen zum Rückzug bewegte Regisseur Christoph Marthaler nach 13 Jahren Bann wieder für eine Produktion als Gast am Haus willkommen geheißen wird, könnte sich das konservative Schauspielhaus Zürich von alten Theaterzöpfen verabschieden wollen."Möglich sei aber auch, dass Zürich an den zukünftigen Arbeiten des frisch gekürten Theater-Powerduos mindestens so zu knabbern hat wie München an Werken des Intendanten der dortigen Kammerspiele, Matthias Lilienthal.

(geka / eph)

Kommentare  
Presseschau Stemann/Blomberg: andere Brille
Was für eine merkwürdige Lesart der komplexklugen Arbeit von Nicolas Stemann. Wie schade, dass sich Herr Strauß hier einem anderen als offenkundig voreingenommenen Blick verweigert. Man muss nicht alles gut finden oder verstehen, was und wie er es angeht, aber das, was Simon Strauß Stemann da andichtet, macht er doch gerade nicht. Vielleicht mal eine andere Brille aufsetzen?
Presseschau Stemann/Blomberg: prägt die Theaterlandschaft
wirklich merkwürdig. dieser artikel könnte auf so viele leute zutreffen, aber nicht auf stemann. er ist ein kluger und fleißiger und gründlicher und eitler denker und arbeiter. er wird sich mit sicherheit mit voller kraft reinwerfen und weiterhin die theaterlandschaft bereichern und als dozent und intendant auch maßgeblich prägen.
Presseschau Stemann/Blomberg: Presseschau????
Frage an die Redaktion: Wenn es eine Presseschau ist - wieso referieren Sie dann nicht die vielen anderen Kommentare? Ich habe bislang nur sehr begeisterte Stimmen gelesen und bin irritiert, dass hier lediglich die einzige negative referiert wird. Können Sie die Gründe dafür kurz erläutern?

(Werte*r 23: Richtiger Einwand, und ich kann sagen: Ist in Mache! Allein, es sind der Hände zwei nur, der Artikel viele... Bitte später nochmal nachsehen! eph)
Presseschau Stemann/Blomberg: Praxisferne Schauspielschulen?
Interessant ist der letzte Satz der Meldung. Er klingt auf den ersten Blick plausibel. Man muss sich nur vor Augen halten, was die Alternative (und an manchen Schauspielschulen die Regel ist): dass dort Leute unterrichten, die kein Theater haben will. Bei ihnen kommt zur mangelnden Praxiserfahrung, dass sie fast stets drittklassig sind. Genau deshalb müssen sie lehren, was ihnen kein Theater zutraut.
Presseschau Stemann/Blomberg: Falsches Credo
Also ich kamn dem FAZit von Strauß nur komplett zustimmen. Ich bin weder verwandt noch verschwägert mit dem einen oder dem anderen. Ich kenne sie nicht persönlich. Ich habe einfach nur recht viele Arbeiten von Stemann gesehen und dann auch damit aufgehört. Das Credo des politischen Regisseurs, daß er sich gerne auch selbst anheftet ist einfach nur lächerlich. Die Arbeiten sind vom politischen Theater so weit entfernt, wie ich von einer Mondlandung.Ich habe in der Tat in den letzten Jahre nur eitles Selbstdarstellungstheater gesehen. Nach dem Motto : Ich kann auch noch ein bißchen schlecht Gitarre spielen und zeig Euch das jetzt mal auf der Bühne. Ob das Zürich braucht...ALSO
Presseschau Stemann/Blomberg: Selbstgefälligkeit, Hochmut und Zynismus
Ich kann Herrn Strauß nur recht geben:Ämterhäufung ist ein berechtigter Vorwurf. Selbstgefälligkeit, Hochmut und Zynismus drei treffende Beschreibungen - allerdings möchte ich dazu bemerken, dass gerade diese drei, besonders gut nach Zürich passen.

Liebe Kommetator*innen,

diese Presseschau wurde nach der Veröffentlichung dieses Kommentars aktualisiert. Der Vorwurf der Ämterhäufung scheint nicht berechtigt. Peter Haerle, Präsident der Findungskommission und Kulturdirektor der Stadt Zürich, hat in einer E-Mail an die Redaktion der FAZ, die nachtkritik.de vorliegt, um eine Richtigstellung gebeten. Stemann habe in der Medienkonferenz klar mitgeteilt, dass er die Professur an der ZHdK auf den Beginn der Intendanz abgebe.

Viele Grüße
miwo/Redaktion
Presseschau Stemann/Blomberg: Eitler Denker?
@ Enna: Was ist denn ein "eitler" Denker? Was meinen Sie mit "eitel"? Muss man, um denken zu können bzw. muss man als Denker eitel sein, um darin gut zu sein? "Eitel" ist meines Erachtens doch üblicherweise ein Begriff, der sich allein auf das Äussere bezieht. Nicht auf den inneren Reichtum des Denkens, Fühlens usw. Ob jemand nun eitel ist oder nicht oder nur manchmal, ist doch egal.
Presseschau Stemann/Blomberg: Kummerspiel-Köpfe
In der Kleinstadt Zürich nun Lilienthals verantwortliche Kummerspiel-Köpfe als Intendanten. Was für eine Wahl. Noch mehr Geld, noch weniger Zuschauer. Und nach fünf Jahren können erst die Kammerspiele kann anschließend das Zürcher Schauspielhaus reanimiert werden. Viel Spaß Zürich!
Presseschau Stemann/Blomberg: Autoritär-apodiktische Abwertung
Die Zeilen von Simon Strauß in der FAZ sind ja keine Meldung, sondern ein Kommentar, überschrieben schon tendenziös mit dem einzelnen Wort "Gefährlich".
Darauf folgt dann eine autoritäre und apodiktische Abwertung der Arbeit Stemanns, die in der raunenden Bemerkung gipfelt, dass nicht allein künstlerische Gründe, sondern vor allem auch das "Banner der Identitätspolitik" zur Berufung beigetragen hätten.
Ich finde das sehr unangenehm im Ton und in der Einschätzung. Wie schon in seiner extremen Kritik des Dresdner "Othello" zeigt Strauß sich als ein Erbe Stadelmaiers; nämlich in einer dem intelligenten Feuilleton unangemessenen Haltung, die ganz genau weiß, wo es lang zu gehen hat und alles mit Verächtlichkeit straft, das sich in eine andere Richtung begibt.
Man hätte ja ohne weiteres und aus der eigenen Warte Risiken ebenso wie Chancen der neuen Intendanz beschreiben können. Das wäre imho angemessen und guter journalistischer Stil. Stattdessen weiß man schon jetzt, wo und wie und warum es ab 2019 schief gehen wird.
So sad.
Covfeve.
Presseschau Stemann/Blomberg: Beispiel München
Was ich wirklich nicht verstehen kann ist, dass die Findungskomission die seltene Gelegenheit hatte, sich die Situation in München an den Kammerspielen anzuschauen. Der Chefdramaturg verantwortet doch das Programm zum größten Teil und der Hausregiesseut Stemann hat doch auch schon einige Arbeiten dort gezeigt. Das Theater ist leer, die AboMenschen vetrieben aber kein neues Publikum hinzugewonnen. Und das kleine Zürich am See, die Stadt des Geldes, ist doch so ähnlich zu München, nur viiiiiel kleiner. Welche Menschen sollen dann denn dort ins Theater gehen, frage ich mich. Oder steckt dahinter eine Art Abwicklungsmethode der Politik!? Unausgesprochen natürlich. Denn wenn die Theater erst einmal leergespielt sind, siehe in München, dann beginnt doch das fröhliche Mittel streichen und es wird kein Aufschrei des Publikums geben. Im Gegenteil, Stille.
Presseschau Stemann/Blomberg: Geldhahn
Dem Kommentar Nr 10 ist nichts hinzuzufügen.
Es ist wirklich zu befürchten, daß auf diese Art und Weise der Geldhahn langfristig zugedreht wird.
Ist sich Kulturreferent Küppers in München bewusst, daß er der "Totengräber" eines der berühmtesten Sprechtheater ist.
Stemann und Blomberg weg aus München ist wunderbar nur: wer wird folgen ?
Kro
Presseschau Stemann/Blomberg: Neue Zeiten
Lieber #10 und lieber #11,
Das sind keine wirklich guten Argumente, die ihr da anbringt. Schon Brecht beschrieb in "Neue Technik der Schauspielkunst", dass sich Theaterschaffende nicht in einen Abhängigkeit gegenüber dem Publikum begeben sollen und er beklagte die "Lieferantenstellung" die man gegenüber dem Publikum einnehme bei den meisten Theater. Neue Zeiten erfordern neue Techniken, und wir leben - wer würde das bezweifeln - in "neuen Zeiten" - es ist absolut nachvollziehbar, dass man jenes Publikum ins Auge fasst, das nachrücken wird, d.h. die jungen Menschen und die Neuzugezogenen. Dass da viele der (leider nicht mehr neugierigen) älteren ZuschauerInnen ausbleiben, ist nicht zu vermeiden - und spricht nicht gegen die Macher dieser Theater. Im Gegenteil. Wenn man die "Kammerspiele" kritisieren will, dann muss man andere Argumente anbringen. Aber die Argumente, die ihr da anbringt, kommen aus der Mottenkiste des Ressentiments und fallen auf euch zurück.
Presseschau Stemann/Blomberg: Trugschluss
Ja aber moment Mal, lieber Herr Schwarz - Sie merken schon, dass, obwohl Sie Brecht anführen, sich in gleiche argumentative Schleife begeben, die Sie Ihren Vorkommentatoren vorwerfen? Auch Theater für 'junge Menschen' (wer das auch immer sein soll, persönlich halte ich das für eine Ausrede) ist Theater im Sinne einer - wie Sie sagten - Lieferantenstellung. Anders kann man das nicht sagen und hätte Brecht es wohl selber auch nicht verstanden.
Ziel von Theater oder Kunst im Allgemeinen kann hier doch nicht das richten nach einer (ich würde sagen: imaginierten) Jugend sein, weil da angeblich die Zukunft liegt? Das ist mir ein etwas zu unvorsichtiger Umgang mit dem was Zukunft sein kann und Kunst sein muss.
Presseschau Stemann/Blomberg: nicht nur biologisch jung
Mit "jung" meine ich selbstverständlich nicht nur (aber auch) biologisch jung, sondern natürlich auch eine Zuschauhaltung, die "jung" ist - d.h. neugierig ist und offen für die Versuche, die sich aus sich verändernden technologischen und sozialen Bedingungen ergeben. Alte Menschen, die mit "jungen" und "neugierigen" Augen auf die sich verändernde Welt schauen, schliesse ich selbstverständlich in dieses "Jungsein" mit ein. Aber dieser Blick auf die "Quote" wird den Aufgaben dieser Theater nicht gerecht. Diese grossen und stilbildenden Theater müssen experimentell sein, sie müssen Dinge wagen, Fehler machen - mit dem Risiko auch gewisse Zuschauereinbussen zu generieren. Wenn die Kammerspiele in diesen ersten Jahren immer nur volles Haus hätten, das wäre unheimlich. Das ist unmöglich mit dem Ansatz. Erst recht, wenn dieses Theater auf der Suche nach einem neuen Publikum sind (und diesen Auftrag ja auch von der Politik erhalten haben). Es gäbe sehr viel andere Dinge, die man kritisieren könnte am von Lilienthal beeinflussten neuen Stadttheater (meiner Ansicht nach legen dieses Theater einen viel zu grosse Fokus auf die CEOS (= die Regisseure) - und das auf Kosten der SpielerInnen und reproduzieren so einen neoliberalen "Geniekult" (sehr vereinfacht gesagt). Aber ganz sicher kann man diesen Theater nicht den Willen zum Experiment, zu neuen Formen vorwerfen. Dieses Bekenntnis zum Experiment gehört zum Auftrag, zu dem auch die Erschliessung neuer Publikumssegmente gehört. Und wenn in Zürich nun auch experimentiert wird mit diesen neuen Herstellungsformen und neuen Hierarchieformen - dann ist das doch nur zu begrüssen. Um es noch einfacher zu sagen: Es ist sehr wichtig, dass die Theater gewisse Dinge wirklich ausprobieren und nicht immer nur drüber reden.
Presseschau Stemann/Blomberg: Mottenkisten
Die «jungen Menschen» - so wie ich sie immer wieder erlebe - ticken auch ganz anders als Samuel Schwarz und manche andere sie sich denken. Der Diskurs um Theaterformen interessiert sie nicht die Bohne, die gesellschaftliche Relevanz einer, sagen wir, Stemann-Jelinek-Inszenierung geht ihnen am A... vorbei. Sie wollen erreicht, berührt, verführt werden, und zwar ganz unmittelbar. In Berlin waren sie in den letzten Jahren besonders häufig an den beiden Häusern anzutreffen, die in Insiderkreisen naserümpfend als mehr oder weniger altbacken zur Kenntnis genommen wurden, nämlich im BE und in der Schaubühne. Auch das Gorki hat mit seinen zupackenden Multikulti-Komödien viele Junge erreicht. Auf allen drei Bühnen darf noch in Kategorien gedacht werden, die andernorts längst abgeschafft wurden: Figur, Identität, Geschlecht, Herkunft, Konflikt, Handlung - Storys eben. Erklär mal einem 17jährigen, warum heute am Theater keine Story mehr erzählt werden kann. Ich geb einen aus, wenn er oder sie es begreift.
Presseschau Stemann/Blomberg: Storytelling
Das ist nun aber wieder mehr als nur billig, wenn das gutgemachte "Storytelling" hier von ihnen in Stellung gebracht wird gegen die gesellschaftliche Notwendigkeit des "Experiments". Ich meine, ja, ganz sicher muss das hochsubventionierte Theater grundsätzlich mehr leisten als nur das zu reproduzieren, was in restaurativen Kreisen als "gute Geschichte" gilt. Zudem ist auch eine Erzähltechnik, die mit Montage und aussersprachlichen Mitteln arbeitet ebenso "Storytelling" (das wissen ja grad wohl die junge Leute heute am besten, die sich sprunghafte Manga-Erzählweisen gewohnt sind). Wo kämen wir da hin, wenn wir nur noch "gute Geschichten" spielen liessen, von SchauspielerInnen, die ihre "Identität" verhandeln mit der "Identität" ihres Seins. Wenn sie nun andeuten wollen, dass am Maxim Gorki nur deshalb die jungen Leute gerne hingehen, weil die SchauspielerInnen dort brav ihre Identität verhandeln mittels hübsch gemachter Well-made Migrations-Komödien, dann haben sie den Ansatz des Maxim Gorki Theaters glaub ich nicht verstanden, resp. missbrauchen dessen Credibility, um damit "experimentelle Ansätze" a la "Jelinek" zu diskreditieren (ein unerträgliches Klischee übrigens, erst recht verbunden mit Kraftausdrücken wie am A....). Die jungen Leute, die ich meine, das sind weniger die Söhne und Töchter gutbürgerlicher Familien, sie sich am BE eine "gut erzählte Geschichte" anschauen wollen, von "guten SchauspielerInnen" gespielt. Ich spreche von den jungen Leuten, die sich über die Problematiken von Repräsentanz und Darstellung Gedanken gemacht haben und die hungrig sind nach neuen Lösungsansätzen (und weniger nach der ewigen Wahrheit "guter Geschichten"). Diese Zielgruppe ist vielleicht kleiner als die LiebhaberInnem klassischer "guter Geschichten", aber sicher gross genug, um diese Theater gemäss den Zielsetzungen zu füllen. Für die LiebhaberInnen ungebrochener auf Aristoteles aufbauendem "gutem Storytelling" gibt es ja immer noch HBO, Amazon, Netflix - und natürlich auch die Privattheater (und wohl auch bald Moritz Rinkes neues BE). Die LiebhaberInnen von dieser Art "guter Geschichten" kommen schon zu ihrem Opium, keine Sorge. An den erwähnten öffentlich finanzierten Stadttheatern in München und Zürich geht es aber um was anderes. Und dieses "andere" wird nun eben dort gemacht. Und das ist folgerichtig.
Presseschau Stemann/Blomberg: an den 17-jährigen
@15: "Sieh mal, nach meiner Erfahrung ist das Leben so flüchtig, so brüchig und so widersprüchlich, dass es sich nicht in eine Story mit Anfang, Mitte und Ende pressen lässt."
Presseschau Stemann/Blomberg: Zitat Moritz Rinke
Lieber Herr Schwarz, auch wenn Sie von Moritz Rinke und dem Theater, das er gerade mit vorbereitet, gar nichts halten, so sind mir beim Lesen Ihrer Zeilen trotzdem gerade ein paar Worte von eben jenem Rinke eingefallen, die vor ein paar Tagen in der Süddeutschen Zeitung zu lesen waren: "Wenn wir nicht mehr erzählen, sind wir geliefert. So ähnlich sagte es sogar der Pfarrer bei der Trauerfeier für den großen Dramatiker Tankred Dorst in der Berliner Luisenkirche. Ein Theater ohne Autoren, ohne Stücke, ohne Geschichten und dramatische Situationen, das wird nicht nur irgendwann die Schauspieler verlieren, sondern ganz bestimmt auch die Zuschauer. Die sind nämlich keine "Postmenschen", die Zuschauer kommen wirklich aus Fleisch und Blut an die Abendkasse." - Ich zitiere das deswegen, weil ich glaube, dass Ihre Forderungen an ein Theater ziemlich weit entfernt sind von dem, was doch sehr viele andere Menschen von Theater heute erhoffen. Theatermacher sind nicht dazu verdammt, alles korrekt und vermeintlich richtig zu machen. Denn jeder findet was anderes richtig.
Presseschau Stemann/Blomberg: an den 17-Jährigen
@15
auch an den 17jährigen: "Neinnein, es stimmt zwar, aber es stimmt auch nicht, glaub das – aber glaub es auch nicht – Jede Geschichte hat einen Anfang und eine Mitte und ein Ende. Der Anfang der Geschichte ist ihr Beginn, der Beginn des Erzählens. Und die Mitte ist das, worum sie kreist, gleich, ob die Mitte der Geschichte überhaupt Erwähnung findet oder ob sie durch die ganze Erzählung hindurch beschwiegen wird. Und das Ende der Geschichte ist einfach das Ende des Erzählens, ihr Ausatmen. Das kann in einem Decrescendo erfolgen oder in einem schwächer werdenden, stoßartigen Nachsetzen, Wort für Wort, bis die Luft der Erzählung wegbleibt. Es kann ein wütend erschöpftes Schlusswort sein, oder ein Hauch, der das Anschwellen eines neuen Atemholens, für das dieser Jetzt-Moment der Aufmerksamkeit nicht mehr ausreichen wird, erahnen lässt. Das Geschichtenerzählen ist ein Meer. Es fängt überall in jedem Moment an und hört gleichzeitig in jedem Moment überall auf. Und wenn du das Gefühl hast, jetzt eine Geschichte gehört und begriffen zu haben, ist das der Moment von Meer, der dir gehört, dir ganz allein - "
Presseschau Stemann/Blomberg: Generationswechsel
Es liegt mir fern, hier ausschließlich nur noch gutes Storytelling zu fordern. Und ich freu mich auch über die Statements an die Adresse meines imaginierten 17jährigen. Mich stört aber, dass hier wieder einmal so getan wird, als ließe sich das Theater als Disziplin und als Betrieb neu erfinden. Ganz so, als ob sich kein anderes Haus die eine oder andere Frage jenseits der Quote stellen würde. Das Gegenteil ist doch der Fall: Mir ist kein Theater bekannt, welches das nicht täte. Es ist doch banal: Hier wurden neue Leute an einen der fettesten Töpfe, die der Kulturbetrieb zu vergeben hat, geführt. Sie haben ihr Konzept, sie betreiben ihr eigens Marketing - so kann ich mir zum Beispiel auch erklären, warum hier ein angeblicher «Generationswechsel» beschworen wird, wo doch die scheidende Intendantin grade mal 5 Jahre älter ist als der Prominentere ihrer Nachfolger. Wir halten uns alle für unverwechselbar. Am Ende wird man uns daran messen müssen, was wir liefern. Ich wünsche mir für Zürich ein vitales, auch glamouröses Schauspielhaus, das die Leute bewegt und natürlich auch Quote macht. Wenn das nicht gelingt, dann teile ich die Bedenken von #10. Man wird bald nicht mehr nur den 17jährigen erklären müssen, warum das Schauspielhaus so hoch subventioniert wird. Dann kann es plötzlich um alles gehen, nicht nur um ein Experiment, das vielleicht in Ehren gescheitert ist. In diesem Sinn wünsche dem Team um Stefan/Blomberg von Herzen alles Gute - und dass die sprichwörtliche Post abgeht!
Presseschau Stemann/Blomberg: irritierende Gedankenbilder
#18: Ja, das haben sie natürlich richtig erfasst, dass ich auf diesen Text von Moritz Rinke anspielte. Aber: Ich glaube niemand über den wir hier reden, hat wirklich im Sinne das "Geschichten erzählen" und schon gar nicht die "SchauspielerInnen" abzuschaffen. Aber die Frontstellungen und Polemiken gegen das Experiment, gegen die Montage-Technik, gegen die Brüche, gegen die Verfremdungen und diese Lobpreisung eines scheinbar warmherzigen "menschlichen" Storytellings - kommen parallel zu Bestrebungen, eine bestimmte Theaterkukltur als "deutsch" oder "deutschsprachig" und eben auch "weisshäutig" zu definieren und das Experiment mit Montagen, Brüchen, Diversität und antirassistischer Besetzungepolitik zu diffamieren. Siehe Debatte über BE-Ensemble. Das macht mich (und andere) skeptisch. Erst recht, wenn ein solches nostalgieschwangeres Erzähl-Theater mit diesem banalen Repräsentations-Konzept dann auch noch in Verbindung zu "guter Quote" gebracht wird.
#20 Jedem Theater ist zu gönnen, wenn es gut besucht ist. Trotzdem müssen wir uns sehr stark darin üben, dem potentiell wütenden 17jährigen (wie auch dem dem potentiell wütenden Bauer mit der Mitgabel) erklären zu können, warum das experimentelle Stück über - sagen wir mal - "Robotik und Superintelligenz" wichtiger ist für die Entwicklung der darstellenden Künste und die Entwicklung der Zuschaukunst als der nette Schwank von XY, der potentiell gut besucht wäre ( wie dutzendmal bewiesen). Und das gälte eben erst recht, wenn dieses Projekt und Robotik und Superintelligenz leider NICHT gut besucht wäre. Natürlich übertreibe ich jetzt absichtlich mit dieser Zuspitzung. Aber unsere Stadttheater sind vieles, aber ganz sicher keine Aufwärm-Stationen dramatischer Konzepte, die sich als publikumstauglich erwiesen haben. Diese Theater müssen dauernd ausprobieren, scheitern dürfen, und müssen Neues wagen. Zudem: dass man auch mit neuen Formen viel ZuschauerInnen erzeugt, beweisen ja viele dieser an diesen Häusnern arbeitenden KünstlerInnen Tag für Tag. Was mich aber sehr irritiert an der Argumentation von ihnen und Kollege #18, ist also nicht die sicher aufrechte Liebe zum "Storytelling" und "guten Situationen" sondern diese Gedankenbilder zorniger SteuerzahlerInnen, die ein nicht so quotenreiches Stadttheater in Frage stellen könnten und denen man nicht mehr erklären könnte, warum so ein experimentelles Theater keine "Quote" macht und trotzdem nötig ist. Doch, das müssen wir können. Wenn wir das nicht mehr könnten, ja erst dann hätten wir diese Zuschüsse vielleicht nicht mehr verdient.
Presseschau Stemann/Blomberg: Theater statt Weiterbildungsworkshop
Also "wir", Theatermacher, müssen das nicht erklären können, lieber Samuel Schwarz. Kritiker und im Höchstfall Dramaturgen müssen das erklären können. Alle anderen am Theatermachen Beteiligten müssen es machen. Und zwar überzeugend machen. Aufmerksamkeit fesselnd. Ich zum Beispiel will kein Stück über Robotik und Superintelligenz sehen, weil ich da jeden Tag in allen größeren und kleineren Zeitungen mindestens 25 % Anteil vom Gesamtberichtsumfang da angebrüllt werde mit Bedeutung. Ich will auf andere Weise repräsentiert sehen/spüren durch Theater, wie Robotik und "künstliche Superintelligenz" unser zeitgenössisches Leben prägen, eine gewiss nicht mehr wegzudenkende Rolle in ihm spielen. Ich will das Gefühl haben, im Theater zu sein undoder Theater zu erleben und nicht im Weiterbildungsworkshop für Mitarbeiter von Konzernen, die sich schon mal mit Kasperlehastenichtgesehn auf den Abbau ihrer Arbeitsplätze beruhigend unterhaltsam einstimmen lassen- Solch ein Theater experimentiert nämlich in erster Linie damit, wie weit ich mit meiner Abschaffung als Mensch einvernehmlich mit der Gesellschaftspolitik gehen kann - Kann sein, dass andere und sogar sehrsehr viele andere diese Art von Theater brauchen. Ich brauche es nicht.
Presseschau Stemann/Blomberg: Plan A für die große Bühne
Ich hoffe ja, dass Sie nicht recht haben, Samuel Schwarz, und dass die Herren Stemann/Blomberg neben Experimenten auch noch ein paar Rezepte bereithalten, wie sie die stolzeste und traditionsreichste Schauspielbühne der Schweiz in ihrer Tradition und ihrer Bedeutung weiterführen. Für einen Ticketpreis von ca. 100 Franken auf den guten Plätzen im Pfauen will man was geboten kriegen! Schauspiel, Handwerk, state of the art! Zum Experimentieren gibt es doch Studiobühnen. Stemann kann als Regie-Prof der ZhDK die Stadt ja sogar flächendeckend mit seiner Experimentaldramaturgie überziehen. Da erwarte ich einen Plan A für die große Bühne! Ich kann absolut nicht nachvollziehen, was daran falsch sein soll, wenn die Züribärg-Klientel, wenn sie nicht eh schon vertrieben wurde, auch mal wieder den Weg in den Pfauen findet. Umgekehrt kann ich jeden verstehen, der sich an seinem freien Abend nicht von gesellschaftspolitisch und sozialpädagogisch (über-) ambitionierten Theaterkünstlern bearbeiten lassen möchte und seinen Hunderter dann doch lieber in die Oper oder ins Bernhardtheater trägt, denn da spielt wenigstens auch noch Musik. - Keinem Theaterprofi aus dem Anglo-Amerikanischen Raum würde es einfallen, hochmütig auf die Unterhaltung hinabzublicken, schon gar nicht auf die gut gemachte, und sich verächtlich über sie zu äußern. Ich dachte eigentlich, das hätten wir auch hierzulande hinter uns.
Presseschau Stemann/Blomberg: Ablenkung
Liebe D. Rust, Das Beispiel mit dem Stück über "Robotik und Superintelligenz" war doch nur ein fiktives futuristisches Gegenbeispiel zu dem "guten Stück", das dieses imaginierte Zuschauerwesen anscheinend so sehr begehrt. Sich nun darüber dezidiert zu unterhalten, lenkt nur ab.
Presseschau Stemann/Blomberg: Frage
nur eine Frage: was können beide Herren in Zürich machen, was sie zurzeit an den Kammerspielen nicht machen können? Man kann die Feage auch umdrehen. Beide haben sich ja aktiv um die Position in Zürich beworben.
PPresseschau Stemann/Blomberg: Geschichten erzählen
Zum Erzählen von Geschichten auf dem Theater:

Die Skepsis gegenüber aller Narration ist verständlich: Geschichten sind immer auch Konstruktionen, und in der Welt von heute sind die Gefahren der Vereinfachung und der ideologischen Manipulation gewaltig. Verständlich, aber nicht akzeptabel. Die Skepsis entstammt dem postmodernen Denken, das in seinen ursprünglich linken Intentionen Machtstrukturen dekonstruieren und das Subjekt von eingeengten, semantisch benennbaren Determinationen befreien wollte. Es brachte eine unbezweifelbare Erweiterung des Kunstbegriffes und damit der Wahlmöglichkeiten des Künstlers; aber das hatte in einer ersten Etappe die Moderne auch schon getan. Dafür ist er, der Künstler, nun eingesperrt in die Käfige der performativen Selbstreferenz, die an die Stelle mimetischer Referenzen getreten ist. Die Postmoderne kennt keinen Fortschrittsbegriff mehr, keine zielgerichtete Utopie oder Programmatik, keinerlei "Geschichtsgläubigkeit" will sie zulassen.

Stegemann schrieb über postdramatisches Theater: "Der Text wird zu einem Bestandteil unter anderen, seine Dramaturgie strukturiert weder die Theaterereignisse, noch wird darin eine Geschichte erzählt." Meine Überzeugung ist: Es sollten Geschichten erzählt werden! Mag man sie von hinten nach vorn erzählen wie Volker Braun in seinem "Guevara", man mag sie meinetwegen fragmentieren, man mag mehrere Geschichten verfremdend aneinanderkoppeln wie Brecht im "Kreidekreis", man mag sie beim Erzählen kommentieren oder sie durch epische Gegentexte, die wieder Geschichten sind, unterbrechen (wie es Heiner Müller in "Zement" oder im "Auftrag" tut) oder man mag sie durch Präsentation von Dokumenten erzählen; oder sei es nur, daß die Anwesenheit der Geschichten in Texten wie zum Beispiel "Herakles 2 oder Die Hydra" (in Müllers "Zement") immerhin spür- und erlebbar wie auch strukturell nachweisbar bleibt, indem auf sie gedeutet wird als ein durchscheinendes Ganzes. Jedenfalls: So lange es ein Bewußtsein vom Gestern und ein Arbeiten am vorgestellten Morgen gibt – nicht zu verwechseln mit der Chimäre eines "Ziels der Geschichte" ! – müssen Geschichten erzählt, und das heißt auf dem Theater: gespielt werden. Geschichte, Historie manifestiert sich in von Menschen erlebten und bewirkten Geschichten. Denn jede erzählte Geschichte, aus Vergangenem in Gegenwärtiges führend , enthält auch die Möglichkeit des Anderen - des anderen Verlaufs - und wird so zu einem möglichen Ort von Utopie. Geschichtsbewußtsein und Geschichten erzählen sind untrennbar. Und: Die großen Mythen der Menschheit sind erzählte Geschichten und nur als solche existent. "Mythen sind Geschichten von hochgradiger Beständigkeit ihres narrativen Kerns und ebenso ausgeprägter marginaler Variationsfähigkeit.“ (Hans Blumenberg).
Presseschau Stemann/Blomberg: Theater des Grauens
@25: Ganz sicher blickt niemand hier hochmütig auf "Unterhaltung" herab. Also ich sicher nicht. Ich liebe die Schmutzränder der leichten Muse. Nur: welche der leichter Musen? Ich kenne da mehrere! Es stellt sich also die Frage, welche Theaterdroge jemanden "unterhalten" kann. Theateraufführungen, die einen "Hunderter" kosten und die jene Unterhaltung bieten, die sich der Züriberg scheinbar so sehr zurückwünscht..ja, das ist wohl nicht das richtige für die diversere Zielgruppe, die man erreichen will. Sie wünschen sich mehr Jeunesse dorée-Sexyness für die Zürcher GrossbürgerInnen? Aber das bietet doch Nicolas Stemann ganz sicher immer wieder. Da müssen sie sich eigentlich keine Sorgen machen. Krass erscheint mir nur, dass schon nur der Ankündigung eines sanft kollektiveren oder partizipativeren Ansatz solche solche Aengste auslöst.. und vor allem scheinbare Alternativlosigkeiten. Sie wollen also die Rückkehr des die leichte Muse liebenden reichen Züriberglers in den Pfauen ( der aus ihrer Sicht wegen zu grosser Kopflastigkeit von Frau Frey "vertrieben" worden ist). und umgekehrt (häh, ist das nicht das gleiche?) wollen sie die vermehrte Zuwendung zu glanzvoller Musik und von Belehrung befreiter Unterhaltung? Und das alles zu Ticketspreisen von 100.- Jesus. Was für ein Theater des totalen Grauens wünschen sie sich denn da herbei? Und für eine solche grossbürgerliche liederliche elitäre - die guten Tradition des Hauses verschmähende - Verschwendungsbude sollte die öffentliche Hand so viel Geld ausgeben? Nein. Da wiederum wäre ich dagegen. Da sind mir die neuen Pläne symphatischer.
Presseschau Stemann/Blomberg: Ängste
@ 26 - Und so schreiben wir munter aneinander vorbei. Meine einzige Angst ist die, die auch in #10 geäußert wurde: Nämlich, dass das Schauspielhaus leer gespielt und plötzlich grundsätzlich infrage gestellt werden wird. Ich glaube eine gewisse Entfremdung zwischen Theaterhäusern wie dem Schauspielhaus Zürich und ihrem potentiellen Publikum zu bemerken. Und ich neige zu der in der FAZ geäußerten Meinung: Dass Stemann/Blomberg womöglich die falsche Medizin sind, um diese Entfremdung zu überbrücken. Die Zeit wird es zeigen. Ich hoffe wirklich, dass sie reüssieren. Die partizipative Leitung und was da sonst noch an Heilversprechungen durch die Luft wabert, ist mir herzlich egal. Ich will gutes Theater sehen. Darüber, was das nun konkret ist, sein kann, lässt sich natürlich trefflich streiten, und ich könnte Sie jetzt ebenso mit Unterstellungen zuschütten von wegen modernistischem Worthülsen-Tennis und so, aber das lassen wir lieber. Ich wünsche mir, dass wir beide nicht die einzigen sein werden, die sich ab 2019 über das Programm im Schauspielhaus aufregen. Denn erst die Gleichgültigkeit ist der Tod, und sie lauert inzwischen hinter jeder Ecke. Bis dahin empfehle ich mal einen Blick auf die Preise, die ein reguläres Ticket im Pfauen kostet: Kategorie A, Andorra, diesen Donnerstag, 108 Franken. Das Musical in der Maag-Halle gibt's günstiger - und es erwirtschaftet Gewinne.
Presseschau Stemann/Blomberg: Nummern
Mein letzter Beitrag war eine Replik auf Sebastian Schwarz, der auf meinem Bildschirm auch mal die Nummer 26 hatte. Für den erhellenden Text von Gottfried Fischborn möchte ich mich bedanken.
Presseschau Stemann/Blomberg: mimetische Referenz
@26: Ja, danke für diesen wichtige erweiternden Beitrag. Ja, es ist so, dass die performative Selbstreferenz die mimetische Referenz ersetzt hat - und ein neues Gefängnis für die Künstlerinnen sein kann. Schade ist nur, dass ähnliche Argument dann sehr oft benutzt wird, um eben die neuen Ansätze als "neoliberal" zu simplifizieren. Mit diesem Vorwurf - grad Herr Stegemann macht das sehr oft - schüttet man das Kind mit dem Bade aus. Dass es eben auch eine Erweiterung des Kunstbegriffs und der Wahlmöglichkeiten gegeben hat durch die neuen Produktionsformen, wird dann gezielt unterschlagen (nicht von ihnen hier, aber von anderen). Dies, damit PR gemacht werden kann für eine Rückkehr zu einer nostalgieverklärten scheinbaren besseren, bewährten Struktur mit Intendant, Autor, Regisseur & (weisshäutigen) Musen. Diese Tendenz finde ich wirklich gefährlich. Wenn das vermehrt passiert, werden sich die sehr viele Leute vom dem Medium Theater entfremden ( schon ich hasste es in den 80ern, diese Sorte altmodischer Theaterstücke zu sehen als Teenager mit der oldschool Produktionsweise, das wird heutigen Jugendlichen erst recht so gehen). Wir können nicht mehr zurück ins 20. Jahrhundert, wenn wir diese Häuser retten wollen
Presseschau Stemann/Blomberg: falsch
Nach meiner Seh-und Besuchererfahrung, ist die Behauptung, dass Junge Menschen im Theater unbedingt den neusten Shit sehen wollen, schlicht und ergreifend FALSCH!!!
Das zeigt jede Publikumsdiskussion und auch auch die Besucherzahlen gerade konventionellerer Aufführungen.
(Schaubühne Berlin z.b)
Das junge Publikum( die Ausnahme bestätigt natürlich die Regel)
will mehrheitlich Narative, will Geschichten, Identifikation, Emotion.
Ob sie damit den rechten Geschmack beweisen sei dahingestellt, nur sollte die Behauptung, die Inovation, das Neue im Theater, würde von der Jugend gefordert und gewollt, nicht dauernd wiederholt werden.
Die innovativsten, wildesten Regisseure sind doch wie Castorf und Fritsch kurz vor der Rente, oder im Falle von Stemann und Blomberg (ebenso wie Herr Schwarz) zumindest im mittleren Alter.
Oder ist 50 das neue 25?
Manchmal will 'die Jugend' eben genau das Gegenteil von den Eltern, auch wenn selbige sich sehr jung fühlen.
Presseschau Stemann/Blomberg: Platz für die Weltveränderer
Liebe PinkePinke, ja, das mag schon stimmen, dass viele junge Leute in die klassischen Theater strömen...aber wir sprechen doch von den gestaltenden jungen Leuten, den MacherInnen und ihrer Entourage... die wollen (sehr oft) neue Wege gehen... die Rede ist also nicht von den angepassten, zufriedenen jungen Menschen, die gerne Theateraufführungen einer bestimmten Tradition sehen wollen (wie westliche Touristen in China die Peking-Oper anschauen gehen), sondern die Rede ist hier von den unzufriedenen jungen Menschen, die die Welt verändern wollen. Die gibt es. Und die sollten diese Zukunft doch auch gestalten dürfen und nicht nur für Castorf und Ostermeier Tee kochen. Die sollen von mir aus gerne den Zorn der zufriedenen glücklichen Menschen ihres Generation auslösen, die doch nur so gerne eine "richtige" Aufführung sehen würden. Mit echten Kerlen und echten Weibern. In schönem Licht. Und gutem Text.
Presseschau Stemann/Blomberg: Relationen
Mir ist klar, dass diese Diskussion sich von ihrem Gegenstand entfernt, ich möchte aber doch nochmal nachfassen. Herr Schwarz: Mit Stemann/Blomberg werden in zwei Jahren zwei weiße Männer das Zürcher Schauspielhaus von einer weißen Frau aus Zürich übernehmen. Worin besteht nun genau der Fortschritt in Richtung weniger patriarchal und in Hinblick auf eine weniger rassistische Besetzungspolitik? - Und zum Thema Generationswechsel: Vor 12 Jahren hat ein 42 Jahre junger Mann namens Matthias Hartmann das Zürcher Schauspielhaus von seinem Vorgänger Christoph Marthaler (damals 54) übernommen. Auch damals sprach man von einem Generationswechsel. Nun kommen also Stemann/Blomberg, im Altersdurchschnitt immer noch älter als Hartmann damals (Er ist gleich alt wie Barbara Frey, also heute nur unwesentlich älter als Stemann), und sie kommen von einem Theater, das in diesen Tagen zum ersten Mal seit langem einhellig gute Kritiken bekommen hat. Wer verantwortet nun diesen sicherlich verdienten und überfälligen Erfolg? - Richtig: Christoph Marthaler, heute 67 Jahre alt. Folgende Frage drängt sich mir auf: Worin besteht jetzt eigentlich konkret der Generationswechsel?
Presseschau Stemann/Blomberg: Theater revolutioniert nicht
Dürfen die alles Herr Schwarz, diese jungen Menschen. Am besten fangen die damit an, dass sie demonstrativ erst gar nicht ins Theater gehen. Dass Theater kein Revolutionsersatz ist, merken die nämlich sehr schnell auch an der aufregendsten Arbeit eines beinahe Gleichaltrigen, der lieber vielleicht Red Bull trinkt beim Proben als sich Tee kochen zu lassen.
Weil die beinahe gleichaltrigen jungen Menschen von dieser Arbeit nämlich auch keine bessere Berufsperspektive, keine liebevollere Beziehung und keine gerechtere Verteilung der ökonomischen Ressourcen in dem Staat dessen Bürger auch sie sind, bekommen.
Ich weiß nicht, wer Ihnen beim Proben den Tee oder Kaffee kocht, aber wenns keiner tut, könnte es daran liegen, das Castorf, Ostermeier und andere wissen, dass bei allem was sie tun ihr Theater keine Verhältnisse revolutioniert und auch aus Zuschauern keine Revolutionäre macht. Und dieses durchaus belasten könnende Wissen aushalten. (Vielleicht ist das ja Blasen- und Nierentee den die serviert bekommen, weil ihnen diese ihre Wahrheit so an die Nieren geht und ihnen nähere Menschen das ahnen oder wissen?)
Sie scheinen das hingegen noch nicht zu wissen.
Herzlichen Glückwunsch.
Presseschau Stemann/Blomberg: Beschäftigung mit der Schweiz
lieber Herr Schwarz
Ich staune über ihre Gewissheit auf der 'richtigen Seite' der 'Erneuerung' zu stehen und zu wissen, dass die'Jungen Menschen' welche die Welt verändern wollen, das nun genau in Ihrem Sinne tun werden.
Vielleicht haben die beim Teekochen ja auch eine unbändige Lust nach Kerlen und Weibern und guten Texten gekriegt!
Vielleicht haben die genausowenig Lust sich den Ideen und Vorstellungen der Generation um die 50 zu beugen, wie Sie es seinerzeit hatten und wollen ums verrecken wieder Narative.
Wer weiss.
Ich bin mir bei gegenwärtigen Weltituation, welche sich von den Postmodernen Neunzigern und Nullerjahre doch gewaltig unterscheidet, ganz und gar unsicher wohin die Reise geht und auch wohin sie gehen SOLL!!!
Für ZÜRICH würde ich mir jedenfalls eine klarere und mutigere Beschäftigung mit der Schweiz und vor allem mit den Schweizern wünschen.
Dann kommen dieselbigen auch schauen.
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