Petition gegen Chris Dercons Pläne für die Berliner Volksbühne
Neuer Gegenwind
30. Juni 2017. Die Theaterwissenschaftlerin und Kuratorin Evelyn Annuß hat auf der Plattform change.org eine Petition gestartet. Darin fordern die Unterzeichner*innen unter anderem Berlins Regierenden Oberbürgermeister Michael Müller und den Senator für Kultur Klaus Lederer auf, die Zukunft der Berliner Volksbühne neu zu verhandeln.
Dem ab der nächsten Spielzeit amtierenden Intendanten Chris Dercon werfen sie unter anderem vor, dass in seinen Plänen weder ein eigenes Ensemble noch ein Repertoirespielbetrieb vorgesehen sei.
"Vor diesem Hintergrund fordern wir den zuständigen Kultursenator Klaus Lederer auf, die Erfüllung des auch vom Regierenden Bürgermeister Michael Müller immer wieder unterstrichenen Auftrags (dauerhafte Ensemblestrukturen mit vor Ort erarbeiteten Produktionen, eigenes Repertoire) zu überprüfen und unter Einbeziehung der Stadt die Diskussion um die Zukunft der Volksbühne neu zu führen, um einen entsprechenden Spielbetrieb an einer der wichtigsten Berliner Bühnen sicherzustellen."
Unter den 99 Erstunterzeichner*innen sind viele prominente Künstler, Autoren, Journalisten und Wissenschaflter wie Hartmut Böhme, Christina von Braun, Dietmar Dath oder Hans-Thies Lehmann. Der ganze Text und die Liste der Unterstützer*innen ist hier nachzulesen.
Vorauseilende Antwort
Noch vor der Verbreitung der Petition sendete das Pressebüro der kommenden Leitung der Volksbühne gestern eine Pressemitteilung aus. Darin weist Pressesprecher Johannes Ehmann die erhobenen Vorwürfe im Namen von Chris Dercon und seiner Programmdirektorin Marietta Piekenbrock zurück. Die Ensemble- und Repertoire-Struktur werde nicht abgeschafft. "Die Premieren der Eröffnungsmonate werden schon ab Januar 2018 wieder als Repertoire in das Programm der Volksbühne aufgenommen, als Einzeltermine oder in kleineren Serien."
Nicht ein Festivalbetrieb, sondern nachhaltiges Arbeiten und gemeinsame Entwicklung neuer Regieformen in der Tradition der Volksbühne seien das Ziel der neuen Leitung. "Dass sich diese Strukturen noch nicht klar im Programm der ersten vier Monate ablesen lassen, ist auch dem Umstand geschuldet, dass von einem geordneten Intendantenwechsel nicht gesprochen werden kann." Bis heute seien auf Anweisung der gegenwärtigen Theaterleitung nur sehr beschränkt Besichtigungen mit Künstler*innen möglich, sowie die Nutzung von Proberäumen und Studios am Rosa-Luxemburg-Platz nicht gestattet.
(miwo)
Update, 30. Juni 2017, 20:41 Uhr: Die Liste der Erstunterzeichner war bei Veröffentlichung der Online-Petition fehlerhaft. Dazu die Initiatorin Evelyn Annuß in einer Presseaussendung: "Sehr geehrte Damen und Herren, wegen eines Kommunikationsfehlers landeten anstelle von Navid Kermani, Petra Moser und Teresa Kovacs gestern drei Namen von der Presseliste (Eva Behrendt, Tobias Rapp und Franz Wille) auf dem Offenen Brief. Entschuldigen Sie das Missverständnis."
- Chris Dercon vertritt sein Programm vor dem Kulturausschuss des Abgeordnetenhauses
- Bericht über die Programm-Pressekonferenz der kommenden Volksbühnen-Leitung
- Video-Interview mit Chris Dercon über sein Programm der ersten Spielzeit
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Zwecklos!
ach, lieber herr lederer, lieber herr müller, würden sie doch ALLE verträge so vorbildlich einhalten - sie würden einen sehr praktischen dienst für das vertrauen der menschen leisten - sie würden die interessen einer beachtlichen anzahl von menschen - vom hartz4-empfänger über studenten bis zur spitze der künstlerischen intelligenz (auch international) vertreten, welches nicht nur inhaltlich ihre volle berechtigung hat, sondern auch als zeichen von gelebter demokratie zeigen.
die volksbühne ist mehr als nur ein theater, dessen intendant schon "zu lange" im dienst ist (ist doch mit der bundeskanzlerin und ihrer amtszeit etwas vergleichbar) ...
berlin braucht DRINGEND dieses theater für seine lebendigkeit und ihren charme und der beitrag dieses theaters in seiner geschichte zeigt dies fast einmalig auf der welt
diese von ihnen getroffene entscheidung ist in den augen vieler offensichtlich falsch und sieht wie die laune eines "vertragsmächtigen zauberlehrings" aus, der KEINE AHNUNG über die konsequenzen hat
WAS für eine konkrete leistung wurde denn für die zwei mille zum "radikalen neustart der kontinuität" erbracht??? leeres gestammel ... "walle walle wasser fließe ...." ???
meister erscheinen sie - bitte - im interesse vieler menschen der stadt
Die Entscheidung für einen Intendantenwechsel verfolgte ja wohl vor allem die Absicht, ein "Ärgernis" und eine "Störung" zu beseitigen. Die Weigerung der Regisseure, ihre Inszenierungen auch unter Herrn Dercon spielen zu lassen, unterstützt diese Absicht. Sind die Verweigerer so von ihrer Bedeutung tief durchdrungen, dass ihre Eitelkeit keine andere Lösung zuließ? Bei der bei vielen Theatermachern zu beobachtenden Selbstüberschätzung gegenüber Autoren und Komponisten eine fast überflüssige Frage.
Rein formal rechtlich ist der Wechsel in Ordnung. Apropos Recht. Ich kenne die Verträge nicht, aber besitzen Regisseure, die wie alle anderen Beteiligten bezahlt wurden, überhaupt ein alleiniges Verfügungsrecht? Hat dieses nicht das Theater und damit auch der Senat von Berlin? Die Absetzung einer Inszenierung ist auch ein ökonomischer Verlust. Interessiert das jemanden?
Vermutlich haben meine Fragen in dieser aufgeheizten Debatte, die Züge eines Kulturkampfes trägt, keine Chance auf eine sachlich Erörterung. Aber die Messen sind sowieso gesungen.
Worauf beziehen Sie sich, wenn sie von "Ärgernis" und "Störung" schreiben?
#4: Die Debatte trägt nicht Züge eines Kulturkampfes, sondern sie ist definitiv Ausdruck eines Kulturkampfes. Es gehört zu den Wesensmerkmalen des Künstlertums, das Künstler sich überschätzen oder unterschätzen, aber selten ihrer selbstgewiss gewiss sind (die Dopplung ist beachsichtigt). Zwischen Theatermachern und Autoren/Komponisten ist nicht das Problem das der Selbstüberschätzung, sondern das der lange kultivierten Selbst-Überhebung gegenüber (Noten)Text-Autorenschaft.
Und das Problem des Theaters ist - wie Fritsch m.E. bei seinem Weggang von der Volksbühne treffend sagte: dass die Politik sich über die Künste erhebt - Und das ist nun nicht eine ökonomische Selbstüberschätzung, die kann die Politik da gar nicht haben, sondern ganz klar eine ideologisch motiviert intellektuelle und moralische.
Für diese braucht es - wie sehen es daran, dass die geschaffenen Fakten bereits weiter zurückliegen und sich auf sozialdemokratischen Kissen gebettet haben - keine AfD-Mehrheit. Die vermeintlich kulturfeindliche AfD ist nur die Ausrede dieser kunstfeindlichen Politik. Die uns damit vorgaukelt, dass wir mit ihr das vergleichsweise geringere Übel wählen, wenn wir wählen.
Ich bin gegen solche Petitionen und werde sie niccht unterschreiben. Aber ich bin nicht dagegen, dass man die Politiker auf jeden Fall wissen lässt, was man von ihrer Politik der intellektuellen und moralischen Selbstüberhebung hält. Oder auch von ihrer Feigheit vor dem Freund. Durchaus auch auf noch nicht ausgetretenen Pfaden. Ich will eine Politik, die von selbst weiter denkt. Und nicht erst in Folge von öffentlichem Kastendenken-Druck. Ich bestehe auf solch einer Politik. Ich werde sie nicht aus ihrer Verantwortung für die Kunst entlassen, indem ich Kompetenznachhilfe-Petitionen an sie richte.
(Es handelt sich um drei Namen, die versehentlich aus dem Presseverteiler in die Unterzeichnerliste gerutscht sind. Dafür fehlten die Namen Navid Kermani, Petra Moser und Teresa Kovacs. Die Information dazu ist als Update in der Meldung eingefügt. Der Fehler ist längst korrigiert und die Initiatorin der Petition hat sich entschuldigt. Mit freundlichen Grüßen, chr & sle für die Redaktion)
sehr interessant, was sie schreiben. die hellsichtigkeit ihrer lesart ist ganz bestimmt auch bei dem politisch-verantwortlichen "störungsbeseitiger" des senats als einzigem außer ihnen und dem mann aus der zukunft erfaßt worden. respekt!! von allen deren "selbstvergewisserungsbedürftigen" kritikern kann man das nicht verlangen - die sollten deshalb schweigen - vertrauen und folgen, denn was sie real an theater+ensembleleistung gesehen haben - hat ja wohl die gleiche bedürftigkeit und muß "radikal beendet und korrigiert" werden, genau wie die gefährlichen begleistörung durch publikumsströme in ein täglich ausverkauftes haus mit ost-symbolik
DAS ALLES ist wirklich zu fremd und ärgerlich ... theater, welches stört, kann doch locker angetanzt werden ... und wenn es übergriffig wird, weiß ja jeder hellsichtige, was dann passiert
sie haben die zukunft verstanden! danke! störungen beseitigt und bedürftikeitsäußerungen ignoriert.
Das ist doch dieselbe form von ungezügelter Unfreundlichkeit, die wir allem, was fremd diesem Land fremd ist erst einmal angedeihen lassen, bevor wir uns viel zu spät besinnen. trennen wir doch einmal den politischen Vorgang der Ablösung Castorfs, die form- und stillos war, von der Initiierung Dercons, der dafür doch überhaupt nichts kann.
Was die gedankliche Setzung betrifft, ähneln sich die Programme von Übervater Castorf und Widersacher Dercon zudem mehr als vielen lieb ist. wir werden es im laufe der nächsten Monate erfahren. Lederer kann ja geschlossenen Verträgen nicht ohne weiteres die Luft rauslassen, jedem Anwalt und jedem Gericht wäre es eine Genugtuung den rechts-zustand wieder herzustellen - soviel zu dieser Seite der Medaille.
Ich wünschte dieses Berliner Jammern auf hohem Niveau würde sich ein wenig auch auf die kulturelle Substanz der Nicht-Metropolen richten, wo Theater zersägt (Rostock), wild fusioniert (Mecklenburg-Vorpommern) oder regelrecht von ihrem Geschäftsführer von innen zerstört werden (Halle).
Da gibt es keine Petition und keine Solidarität, aber ein ganzes Theaterland muss nun mit-petitionieren, weil sich einige Intellektuelle dieses Landes in die Hosen machen, weil sie sich demnächst nicht mehr am Lagerfeuer des vergangenen Volksbühnen-Diskursraumes ihre Seelen massieren lassen können,
anstatt gegen den Hass, gegen den Rechts-wahn, gegen die Verdummung durch die Massenmedien, gegen die Fremdenfeindlichkeit, und generelle Unfreundlichkeit, Selbstgerechtigkeit und Willkür, gegen die Gleichschaltung des Denkens, die Hochmut und die Zerstörung der Umwelt anzuschreiben, bis die Tastaturen glühen.
Warten wir doch bitte erst einmal ab, was Dercon macht. Und seien wir nicht wieder unfreundlich, und treiben Menschen, die Gäste Berlins sein sollten, Künstler, Theatermacher in eine Enge, die ihnen nicht gerecht wird.
"gegen den Hass, gegen den Rechts-wahn, gegen die Verdummung durch die Massenmedien, gegen die Fremdenfeindlichkeit, und generelle Unfreundlichkeit, Selbstgerechtigkeit und Willkür, gegen die Gleichschaltung des Denkens, die Hochmut und die Zerstörung der Umwelt anzuschreiben ..."
warum habe ich (und nicht nur ich) nur das gefühl, das genau dies in der volksbühne passiert ist und jetzt durch dercon verhindert werden soll? ... (...) ... sie scheint dies ja nicht zu stören, dabei geht es NUR!!! darum ... und wenn sie mal auf die landkarte schauen, dann wissen sie wo halle und rostock liegen und auch dass es kaum noch eine einzige politische oder wirtschaftlich relevante personalie ost gibt ... und dieses seit jahrzehnten ... nix mit freundlich ... nur geld und ideologie ... die jetzt auch einzug in die kunst(vermarktung) halten soll
Für mich ist es so: spätestens seit dem Bekanntwerden des Wechsels habe ich auf eine (öffentliche) Debatte aus der Kunst gewartet. Ich dachte: sicherlich ist das ein spannendes Thema, bei dem manch' interessiertem Schaffenden oder Theoretiker die Synapsen anschlagen. Gerade WEIL sich die Kunst vermehrt ins Performative bewegt, ins Politische, WEIL (die Auflösung der) Nationalismen auch und natürlich dort so ein widersprüchliches wie reiches Thema sind. Und es kam einfach lange lange NICHTS.
Jetzt nimmt sich mal ein Thread hier und da des Themas an und ich bin... schockiert. Die Diskussionen z.B. auf nachtkritik.de waren sicher oft emotional, bevorurteilt oder grenzwertig. Deswegen nehme ich dieselben Reaktionen "von der anderen Seite" nicht so zu Herzen.
Dennoch wurden auf dieser Website hier oft schlaue Analysen und Argumente erarbeitet die meine Perspektive erweitert haben. Zusätzlich ist es ja ein freies Forum bei dem man sich beteiligen kann, das Gespräch lenken, widersprechen kann- wenn man es denn will.
Ich stelle jedoch (erneut) fest, daß es in den Kunst-Threads stets um Äusserlichkeiten geht: die Frakturschrift auf den Plakaten, den Status von Castorf, die OST-Schrift auf dem Dach, die symbolischen Bilder des Abbaus, das Schreien auf der Bühne. Manchmal geht es um gesellschaftlich relevante "Äusserlichkeiten" (um es mal bewusst provokant zu formulieren) wie der Ratio Mann-Frau oder der Einbeziehung von anderen Kulturen auf und hinter der Bühne.
Das sind alles diskussionswürdige und im Fall der letzten beiden Beispiele wichtige Themen.
Es geht aber nie um Theater, oder Inhalt, oder Form (wie Holger Syme es ja auch schon beschrieb). Es geht aber auch nicht um Kunst und wie diese sich auf Theater zubewegt oder sich mischen kann. Es wird kein bewusster Kontakt mit Theatermenschen gesucht um einen öffentlichen Austausch zu starten (selbst unabhängig von der VB Diskussion). Stärker noch, es scheint mir, daß teils noch nicht einmal in Erwägung gezogen wird, daß es da eine andere Kunstform gibt die eigene Gesetze, Regeln und Geschichte kennt. Weil jeder schon mal im Theater war?
Zudem fällt auch das Statusdenken unangenehm auf, es geht weniger um Argumente an sich, sondern WER das Argument formuliert.
Ich stelle mir vor wie es wäre in eine Ausstellung zu gehen und so Sachen zu sagen wie "das ist aber ein komischer Betonboden", oder "in dem Video spricht ja niemand", oder "ich mag keine Vierecke, warum hängen da Vierecke".
Solche Leute gibt es natürlich, und man macht sich zurecht darüber lustig, oder setzt zu einer nicht enden wollenden Geschichtslektion an.
So ein gutes Prinzip ist ja: wenn Dich etwas irritiert, dann ist das eine Einladung Dich mehr damit zu beschäftigen.
GERADE deswegen bin ich zutiefst beunruhigt, definitiv frustriert, daß -zum Teil von mir respektierte- Professionelle zwar Irritationen erfahren, diese dann aber nicht hinterfragen oder sich damit beschäftigen. Auch die Infragestellung der kritikfähigkeit des Publikums bereitet mir schwere Kopfschmerzen.
Wenn doch schon soviel gepoltert wird, also eine grosse Aufmerksamheit da ist, wäre es doch konsequent einzuhaken und Verknüpfungen herzustellen.
Jetzt ist es bestellte akzeptierte "AvanTgarde", also Konsens.
Was gelehrt wird, ist nicht mehr NEU:
In diesem Sinne.
chance vertan.
SCHADE
aber diese wissenschaftler-nicht-theater-künstler-nabelschau-vereinigung, die sich da viel zu spät und - wie man beim lesen der petition lesen muss - fachfremd da wichtig tut, finde ich wirklich peinlich...
- standing ovations - ist das nun das kriterium für kunst. befinden wir uns im stadion? korrekt, neuerdings in der volksbühne: ole ole. an das trikot und ins theater!
- deutsches sprechtheater - kanns nicht mehr hören. wo steht denn überhaupt dass die volksbühne das leisten muss. again, auch hier schwingt der deutsche leitkultur gedanke mit, weit rechts abgekommen meine lieben.
- ensemble - die volksbühne war ein antistadttheater, zuletzt ungefähr 10 köpfe fest im ensemble, ansonten kollektive. wieso muss es auf einmal wie eine schaubühne oder das BE aufgestellt sein. heuchlerisch.
peinliche aktion.
"An der Volksbühne hatten wir das modernste Stadttheaterkonzept der Welt mit einem riesigen Ensemble frei assoziierter Künstler, das von einem Hochleistungs-KBB gemanagt wurde – mit Produktionsstrukturen, die auf künstlerischen Familien beruhen, die viele Jahre und Jahrzehnte zusammengearbeitet haben. Das wird aufgelöst mitsamt dem Know-how, wie man aus diesen sehr spezifischen, an künstlerischen Interessen orientierten Infrastrukturen einen Repertoirespielplan für mindestens zwei Spielstätten mit Nebenspielstätten generiert. Momentan kann man noch nicht sagen, ob die Volksbühne unter Dercon ein Repertoire produzieren wird oder ob sie sich in Zukunft eher wie das Théâtre Vidy in Lausanne definiert: als Produktionshaus mit eigenem Spielplan, das mit einer Stadttheaterinfrastruktur Produktionen entwickelt, die dann im Netzwerk touren."
Ich verstehe die Petition so, dass die Politik hier einmal genau prüfen sollte, ob der zerstörerischeSystemwechsel sich mit der Bestimmung der Volksbühne, wie sie der Haushaltsplan definiert, verträgt. Die der Publikation der Petition "vorauseilende" Presseerklärung von Dercon, über deren hohle Rhetorik hier leider gar nichts gesagt wird, bestätigt, dass es hier ein Problem gibt.
Ich bin immer wieder geschockt, wie kleingeistig und kurzsichtig man sein kann.
"Das Wissen um die Vergeblichkeit darf man nicht verlieren."
Frank Castorf
"...ein Foto, aus einer Theaterzeitschrift kopiert, es zeigt eine lange Tafel, an der viele Menschen sitzen. Ganz vorn im Bild prosten zwei Herren auf der einen Seite des Tisches einem Herrn auf der anderen Seite zu.
Das Bild ist vom 30. Dezember 2014, aufgenommen in der Volksbühne, deren 100. Geburtstag an dem Tag gefeiert wurde. Die zwei Männer links am Tisch sind Tim Renner, damals Berliner Kulturstaatssekretär, und Chris Dercon, damals Direktor der Londoner Tate Gallery. Der Mann rechts am Tisch ist Frank Castorf, zu dem Zeitpunkt seit 22 Jahren Intendant der Volksbühne.
Castorf habe nicht gewusst, wer da mit ihm anstößt. Aber Dercon, davon ist auszugehen, wusste, dass er den Mann, dem er sein Glas entgegenhielt, bald ablösen würde.
Das Bild hängt da als Kommentar zu dem, was sich in den vergangenen zwei Jahren zu dem wohl unschönsten Stück der Berliner Theatergeschichte entwickelt hat."
– Quelle: www.berliner-zeitung.de/27889368 ©2017
"Die Punk-Partisanen gehen, es kommen die Kollaborateure
Das schlimmste, was dem deutschen Theater seit Hitler passiert ist."
(Boleslaw Barlog)
www.heise.de/tp/features/Die-Apokalypse-der-Republik-Castorf-3760719.html
Sie reduzieren Demokratie und Freiheit auf den stillen Konsens. Wenn Hass und Wut nicht mehr als genuiner Antrieb in die Kunst und Politik gehören, dann "Gute Nacht". Dann leben wir in einer schönen, neuen eiTunes-Kunst-Wohlfühloasen-Blogger-Welt.
Es nervt mich aber unsäglich, wenn Hass und Wut in diesen Feldern so gern als einzige genuine Antriebe vorausgesetzt/gestattet und zum wichtigsten Maßstab bei der Kunstbeurteilung erhoben werden.
Es wäre sehr nett, wenn Sie noch ein, zwei weitere Antriebe erwähnen würden, bevor Sie aus Angst vor jeglichem stillen Konsens, und sei es nur der in einem Detail, der Demokratie und Freiheit "Gute Nacht" sagen...
Ansonsten habe ich nur von Ferne die Verabschiedungsmassen und auch die Rede von Castorf wahrgenommen. Und mir war beides nicht angenehm (was die Wohlfühloasen-Welt doch sehr relativiert), wenngleich ich Verständnis habe, wenn das in der Emotionalität nicht angenehmer und souveräner über die Bühne und aufm Platz geht... Das Geschenk von Lederer war allerdings hochsinnig und hinreißend anteilnehmend- Und es bleibt auch mein Eindruck: dieses Haus sollte unbedingt weiter und dicht bespielt werden von Leuten, die sich da als Macher vom Keller bis zum Dach und von Vergangenheit bis Zukunft zu Hause fühlen, nicht von Besuchern und Menschen, die Veranstaltungslogistik für Dramaturgie und die hauptsächliche Organisation von ausgewählten Gastspielen für Theatermachen halten.
Unf was immer gar keiner mitteilt: Was wird aus der Technik-Mannschaft und der Werkstättenbesetzung? Was wird aus Kaiser? Ich fände es toll, wenn die das mal auflisten würden: "Ich, Sowieso, mache ab morgen das uns das" - Kann man sowas nicht hier in irgendeinem Blog organisieren? Damit die Leute auch ein Gesicht bekommen. Ein konkretes. Auch für Nicht-Volksbühnen"bewohner".
Aber: Wenn Sie genau beobachtet hätten, dann war mein bescheidenes Kommentar eine Replik. Nicht mehr. Und so muss ich einfach sagen:
Nein: Ich habe überhaupt keine Angst.
Nein: Ich "ergänze" nicht. Diese intellektuelle Kraft traue ich Ihnen zu: das können Sie selbst. Denn nirgendwo steht geschrieben, dass "Wut und Haß" die einzigen und wichtigsten Antriebe der Kunst und Gesellschaft seien - das hat niemand gesagt (von #1-#34)
www.zeit.de/video/2017-07/5491058679001/frank-castorf-in-aller-freundschaft
Im Fussball ist - da sind wir uns sicher alle einig - das Nachtreten eines Gefoulten, selbst eines übelst Gefoulten, nicht nur völlig sinnlos, sondern auch zurecht streng verboten. Gibt sofort Rote Karte.
Warum soll das Nachtreten via Petition im Theater plötzlich erlaubt, oder sogar sinnvoll sein.
Und vor allem: Wieso 2 Jahre später, bzw. zu spät????
1) Nachtreten ist physische Gewalt. Eine Petition ist ein legitimes Mittel öffentlicher Debatte.
2) Foulen im Fußball ist ein strafbarer Regelverstoß. Wo bitte ist diese Petition strafbar?
Vielleicht ist Ihr Einwand eher eine Art Schwalbe, um im Bild zu bleiben: Das Vortäuschen eines Regelverstoßes um die "gegnerische" Mannschaft in Misskredit zu bringen.
Und zur Frage "2 Jahre zu spät": Wie denn nun? Als damals das Rennersche Vorgehen kritisiert wurde, hieß es "Wartet doch mal ab, liebe Kritiker". Wenn es jetzt heißt "Jetzt ist es zu spät", scheint die innere diskursive und demokratische Uhr irgendeinen Gangfehler zu haben.
Nach dem Spiel ist vor dem Spiel!
Dieser Sachverhalt kommt in der Petition nicht zum Ausdruck. Dort heißt es lediglich: „...die Volksbühne steht für einzigartige, international anerkannte Formexperimente im deutschsprachigen Sprechtheater, deren Entwicklung ohne die nachhaltigen Produktionsbedingungen, die das Modell Volksbühne bislang getragen haben, nicht denkbar sind.“ Formexperimente und Produktionsbedingungen sind aber, mindestens in einem Theater, die Resultate politischer Überzeugungen, nicht ihre Ursachen. Den Mut, für den Erhalt der Volksbühne als einem – seiner Tradition gemäßen – linken Volkstheater offen zu plädieren, hat die Petition nicht, sie versteckt sich absichtsvoll hinter Haushaltsplan- und Kulturbetriebsformeln, die so unspezifisch sind, daß sie für jedes Theater in Anspruch genommen werden können. Darum werde ich sie nicht unterschreiben.
Obschon ihr Programm schwach ist, eine Mogelpackung. Sie haben aus mannigfaltigen Gründen zunächst einmal versagt. Ob sie das je aufholen können, ich habe berechtigte Zweifel.
Doch wenn ein Theater „links“ ist, nur weil es von einem linken Politiker betrauert wird, dann sollte Lederer jetzt handeln. Er hat alle Werkzeuge in der Hand. Er sollte sie anwenden.
Wäre ich ein Linker, wie Lederer, würde ich eine Kündigung formulieren, mit allen Konsequenzen. Aber was ist schon eine „linke Kündigung“.
Niemand versteckt sich mehr hinter irgendwas in diesem Konflikt. Da reden Sie Unsinn. Alles liegt offen auf dem Tisch. Es gibt Handlungsbedarf, aber die Handelnden fehlen. Plötzlich fallen sie alle aus.
Man könnte ab jetzt selber Schaden nehmen. Das würde einen ja kränken. Der Sündenbock hat seine Rolle unfreiwillig gespielt. Nun versagt der Denunziant.
Was für ein Schauspiel!
Die Petition spricht neudeutsch von „sachfremdem Top-down-Beschluss“, von der Position her stimme ich ja zu und finde es tröstlich, in den Grundrechenarten bestätigt zu werden, dass Null durch viele Renommierte im Ergebnis genauso Null ist wie Null durch ein Unmaßgeblicher.
Aber ich wollte diesen Thread eigentlich nutzen, um nachtkritik für den Hinweis auf den interessanten und – auch ich kann neudeutsch - „thought-provoking“ Beitrag von Andreas Hahn und Alexander Reich in der „Jungen Welt“ zu danken, die nicht zu meiner Standardlektüre zählt. Das begann mit meiner ähnlichen Sicht auf Castorfs „Solness“, wie sie Hahn und Reich verführerisch vortrugen. Überhaupt fand ich den Beitrag deutlich besser als zum Beispiel den von Robin Detje in der „Zeit“ am 09.06.17. Und der „Jungen Welt“ bessere feuilletonistische Qualitäten zu bescheinigen als der „Zeit“, das ist schon was. Wenngleich: Sind nicht beide Artikel, auf ganz unterschiedliche Art, von Gift durchtränkt? Was für ein Facettenreichtum: Für Detje ist Castorf ein Ostler mit seiner gesamten „Verachtung für Konsum und Kapitalismus und Amerika“, „die einen Teil ihrer Wurzeln uneingestandenermaßen im Nationalsozialismus hat, für Hahn und Reich ist er, der „preußisch kleinbürgerliche (Castorf über Castorf)“ Partisan, immer noch ein Republikverräter
Ja, da fühle ich die geistige Verwandtschaft, die Vertrautheit, als Feind und „Entsteller“ des marxistisch-leninistischen Gesellschaftskonzeptes wahrgenommen zu werden. Selbst meine unmaßgeblichen Niederschriften, die nur in Briefen mitgeteilt wurden, waren – Dank an die erste Runde bei BStU – sogar Gegenstand zweier StaSi-Gutachten. Am 03.09.1987 legte die Hochschule des MfS, Sektion Marxismus-Leninismus, Lehrstuhl Marxistisch-leninistische Philosophie in einer „Einschätzung der Niederschriften des Dr. Günther, Claus“ dar, dass in diesen in „abstrakter und äußerst chiffrierter Form“ der Ansatz verfolgt werde, „daß der Marxismus-Leninismus bestenfalls nur eine ‚Heilslehre‘ unter anderen mit entsprechendem absoluten messianischem Anspruch ist, die aber – weil nur ‚wahrscheinliches‘ Wissen je erlangt werden kann – realpraktisch zu keinem Zeitpunkt in eine Einlösung des in ihr Behaupteten bzw. durch sie zu Erstrebenden überführt werden kann“. Wow, Stasi, das ist mir neulich eingefallen, als Wuttke-Faust („Habe nun, ach!“) über DDR-Gesetzestexten verzweifelte. Hallo, Herr Detje, ab in den Keller, wo Frank Castorfs Stasi-Opferakten vor sich hingilben. Da sind vielleicht Juwelen der Interpretationskunst versteckt.
Hahn und Reich beschließen ihren Essay – auch nicht sehr nett - mit Bezug auf die „Kabale der Scheinheiligen“, dass alle Manuskripte und Briefe Molieres im Laufe der Zeit auf rätselhafte Weise verschwanden, „außer zwei Blättern Papier, auf denen der Wanderkomödiant irgendwann einmal den Empfang von Geld für seine Truppe quittiert hat“. „Ein zukunftsweisendes Beispiel für die überlegene Überlebensfähigkeit von Buchhaltung und Quittung im Vergleich zur Kunst, das als Epilog der Castorf-Volksbühne dienen darf.“
Ich möchte dem entgegenhalten, dass Fürst Carl August von Weimar seine Hofdichter Schiller und – mit geringerer Distanz - auch Goethe letztlich nur für Lakaien und Untertanen hielt, die man herumzukommandieren hatte. Nach meiner Überzeugung ist der Kern der größten deutschen Dramen „Faust“ und „Wallenstein“ die Auseinandersetzung mit dieser so nahen Form absolutistischer Macht. Und es spricht für die Überlebens- und Durchsetzungsfähigkeit der Kunst, dass Goethe und Schiller, „Faust“ und „Wallenstein“ aktuell und lebendig, dass sie ‚Welterbe‘ sind, während jener Fürst allenfalls zum blassen Umriss im Schatten der Dichter wurde.
In diesem Sinne wünsche ich, dass Hahn und Reich Propheten sind, wenn sie schreiben, dass die „Kabale der Scheinheiligen“ Castorfs Verhältnis „zu wem gleich noch mal?“ behandelt.
Für Sie ist Theater (wie Sozialpolitik, wie Erziehung, wie Literatur), folgt man Ihrer Argumentation, per se eine linke Institution?
Und zwar exakt deshalb, weil es immer die Möglichkeit bietet, Theater über "kritisches" Theater hinaus zu machen? Weil es per se gesellschaftspolitisch ein also Platzhalter der freiheitlich-demokratischen Utopie ist?
Und: Wäre es dann nicht möglich, dass eine eindeutig linke Kulturpolitik darin bestünde
1. bestehende Theaterinstitutionen in JEDEM Fall zu erhalten und
2. Eher in Ihrem Sinn linke Intentionen bei den einberufenen künstlerischen Leitungen als irgendwie vage kritische zu bevorzugen? (Und zwar in genau dieser Entscheidungs-Priorität)
Wäre es so, müssten sie bei Folgeintendanten eine Art Gesinnungsprüfung vornehmen. - Am Beispiel Dercon wurde dies ja öffentlich versucht, ihn zu disqualifizieren, weil er die falsche Gesinnung habe und somit ein "linkes" Theater nicht leiten könne. Darüberhinaus wurden auch andere Gründe genannt, sicherlich, aber diese öffentliche Gesinnungsprüfung bleibt der eigentliche Skandal.
Oder doch das von Wolfgang Heinz und Paryla angeführte von diesen äußerst erfolgreichen theatergetriebenen Kinoübernehmern, denen - gestützt durch laute Wiener Presse-Stimmen - ihr erfolgreiches Mitbestimmungstheater (1200 Plätze, soweit ich erinnere gelesenen zu haben in einem Buch über das Theater am Schiffbauerdamm? Oder in einem nachgelesenen Gespräch mit Heinz?) durch die Stadt Wien nach Abzug der Besatzungsmächte so schnell wieder abhanden kam, wie sie es einst von der russischen Besatzungsmacht erobert hatten. Es währte keine 10 Jahre (1948 bis 56) als Theater und wurde dann als Kino (59) ganz schnell abgerissen. Bevor es als Theater noch Erinnerung der Wiener bleiben konnte... Paryla und Heinz, die in ihm u.a. den Brecht-Boykott nicht mitspielten, fanden nach der Theaterschließung des in breiteren Schichten der Wiener Bevölkerung beliebt gewordenen Theaters in Österreich keine Anstellung mehr. Und sie wurden dann von Wolfgang Langhoff, mit dem sie im Zürcher Exil gewesen waren, in Berlin im DT und auch am BE aufgenommen. Sie hatten einen sehr guten Spielplan - und besonders einfallsreiche Nebenprogramme für die damalige zeit - der keine Ideologien geradlinig bediente und sowohl Zeitgenössisches als Klassisches, österreichische UND russische UND amerikanische Autoren, Brecht UND Bronnen, Shakespeare UND Tschechow spielte. Das war in der damaligen Nachkriegssituation mutig und widerständig gegen die Besatzungsmachtpolitik, die sich in einem nunmehr kalten Krieg durchaus auch in Österreich fortsetzte. Und in dem so manches deutschsprachige Theater im Wesentlichen die der jeweiligen Besatzungsmacht genehmeren Stücke spielte...
Es war der Kunst verpflichtet und vielleicht genau deshalb als kommunistisch von der bürgerlichen Presse verschrien? -
Es ist doch nur eine kleine Mühe, das zu schreiben. Hier lesen nicht nur Theaterkenner sondern auch Theaterliebhaber oder einfach nur Neugierige. Das ist doch schade, wenn die Nichtkenner immer auf Wikipedia als scheinbar einzig gültige Instanz in allen Fragen verwiesen werden von Leuten, denen das Schreiben doch gut und leicht von der Hand geht...
Und was bitte schön war am „Klein Eyolf“ (gesehen in Bochum) von Fritz Marquardt „links“. Und selbst wenn die Inszenierung „links“ war, hat jedes Publikum seine eigene Lesart, und die muss nicht ident sein mit der Absicht des linken Theatermachers.
(...)
Dann doch lieber Dercon, als diese Art von Tradition. Und lieber fahre ich einen Tesla von einer neoliberalen Mumie als einen Trabanten, der sich unaufhörlich mit nur einem Begriff links um sich selbst dreht.
Gerade eben zum Beispiel ist die ehemalige DDR Gewerkschaftsschule in Bernau zum Bauhaus-Weltkulturerbe berufen worden. Als Baudenkmal geht das ja. Da sind die Menschen, die darinnen gelernt haben gut zu vernachlässigen. Mein Vater hat dort gelernt. Nach seiner in Etappen absolvierten Tischler- und Zimmermannslehre 6 Jahre lang hat er dort gelernt, Gewerkschafter für Bauleute in der holzverarbeitenden Industrie und im Handwerk zu werden und genug Bildung zu bekommen, dass er ohne Abitur daran anschließend noch ein Bauingenieurs-Diplomstudium an einer Technischen Universität absolvieren konnte. Fünf oder sieben Jahre lang, ich weiß nicht mehr, er war der Familie in der Lern-Zwischenzeit abhanden gekommen... Danach gehörte er zur sogenannten "Intelligenz", aber er wusste immer noch nicht, was das ist. Und genau dafür habe ich ihn und haben andere ihn auch geliebt. Wenn mir möglicherweise in der DDR zum Nachteil gereichte, dass der unintelligente Mann zur Intelligenz gehörte, so gereicht es mir wahrscheinlich als Bundesbürgerin und meinen Kindern als Bundesbürgern und vielleicht sogar noch deren Kindern zum Gestaltungsteilhabe-Nachteil, dass sie den Mann geliebt haben, obwohl er immer nur hingebungsvoll nachweislich an - wie ja jeder weiß, Hirnwäscheanstalten gelernt hatte.
„VOR-PREMIERE VON 10.000 GESTEN IN MANCHESTER
Großer Erfolg für Boris Charmatz in der vergangenen Woche beim Manchester International Festival. Bei der Vor-Premiere seiner neuen Choreografie 10.000 Gesten, einer Produktion der Volksbühne, gab es Standing Ovations des Publikums und begeisterte Kritiken. 10.000 Gesten für 24 Tänzer*innen ist das Herzstück von A Dancer´s Day, der 6-stündigen Choreografie für Tänzer und Publikum, die am 14. September in Hangar 5 auf Tempelhof uraufgeführt wird. “Boris Charmatz’s show tests the limits of how we experience dance. A thrilling blizzard of movement“ (Judith Mackrell in The Guardian); “There’s a bewildering impression of chaos, but also the sense of a calm centre at the heart of the storm. There’s so much happening, it is hard to watch, impossible to grasp. This sense of unstoppable momentum grips 10,000 Gestures“ (Sarah Crompton im Observer). “Arresting, exhilarating and challenging - Boris Charmatz and his troupe offered up a thought-provoking dance performance. 10,000 Gestures is a triumph” (Simon Binns in den Manchester Evening News).“
Darunter leide ich, dass eine der wesentlichen Premieren im Hangar gar nicht spezifisch für die Volksbühne produziert werden, sondern von vornherein dazu gedacht sind in den Festivalbetrieb weltweit eingespeist zu werden. Berlin ist als Produktionsort, die Volksbühne ist dabei zweitrangig. Wir bekommen die Premiere sozusagen als zweite Wahl zu sehen. Die Volksbühne als originärer Produktionsort ist nicht mehr vorgesehen, eben als ein Ort, wo für Berlin produziert und von Berlin ausgehend die Arbeiten ihre Kreise ziehen. Die Eröffnungspremiere von Charmatz ist schon längst in Manchester abgesegnet, Berlin spielt da keine so große Rolle mehr. Und in diesem Konflikt sind mir die Begriffe „Links“ und „Rechts“, wie Steckel sie anwendet nur bedingt wichtig. Sie sind historische Denkfiguren, die mit dem eigentlichen Konflikt wenig zu tun haben. Niemand versteckt sich hinter den Produktionsformen in dieser Petition, denn sie sind das Problem, nicht die politische Gesinnung. Mehr als die Hälfte aller angekündigten Produktionen entstehen auf Grundlage dieses „Manchester-Verfahren“. Das finde ich beklagenswert und mit den Anforderungen des Senats, neben dem nicht vorhandenem Ensemble und Repertoire, so nicht vereinbar.
Genau, lieber Baucks. Und Dercon und seine Mannschaft leugnen immer wieder, neoliberal zu sein. Aber sie bedienen mit ihrer Programmierung einen weltweiten Markt. Schon die Form dieser Pressemitteilungen ist nichts Anderes als Marketing ("großer Erfolg, begeisterte Kritiken"). Es geht nicht mehr um Inhalte, es geht nur noch um den Markt. Ich verstehe nur nicht, warum jemand wie Dercon das nicht kapiert. Oder er kapiert es, aber er sagt ständig etwas Anderes.
Man kann einem Künstler oder Kurator nicht vorhalten, dass er international agiert. Und in dem Sinne begreift sich Dercon wohl als Kosmopolit. Daran ist nichts Verwerfliches.
Ich wende mich dagegen, dass die Volksbühne zu einem Durchlauferhitzer für internationale Kunst wird, zu einer profillosen Drehscheibe des internationalen Kunstmarktes.
Ich wünsche mir, dass an der Volksbühne internationale und kosmopolitische Kunst originär produziert wird. Und nicht, dass sie zum Umschlagplatz für internationale Kunst wird, die überall produziert sein könnte, und die man nur umetikettiert, in neuen Varianten und Versatzstücken immer wieder anders montiert, um sie als Eigenproduktionen oder Berliner Premieren verkaufen zu können.
Was nicht in Berlin an der Volksbühne produziert wurde, ist auch keine Berliner Produktion. Es ist erheblich, ob eine Berliner Produktion internationalen Rang erlangt. Oder ob eine internationale Produktion mal durch die Volksbühne geschickt wird, damit die Berliner das auch mal sehen. Das ist ein wichtiger Unterschied. Der Etat der Volksbühne ist nicht dazu da, englische Produktionen in Manchester zu finanzieren, die dann auch mal an der Volksbühne gastieren. Sondern, die Volksbühne produziert und schickt ihre Produktionen auf den internationalen Markt von Berlin aus.
In allen anderen Strukturen wird die Volksbühne zum Gastspielhaus ohne Ensemble und Repertoire. Man muss kein Neoliberaler oder Linker sein, um das zu erkennen. Ich arbeite nicht für den Sieg eines dieser beider Lager. Das liegt mir fern. Es geht darum, dass ein Kosmopolit wie Dercon offensichtlich kein Gefühl für Berlin entwickelt hat, nicht hier angekommen ist, sich nicht mit Berlin identifiziert und den Etat des Hauses lieber in den internationalen Markt einspeist, weil er sich in Berlin nicht beheimatet fühlt. Natürlich wird Dercon das wahrscheinlich süffisant leugnen, aber ich denke, das glaubt ihm niemand mehr.
"‘What if Women Ruled the World?’ was created by Yael Bartana with a team including British playwright Abi Morgan, Royal Court artistic director Vicky Featherstone and the set was designed by Saygel and Schreiber with lighting by Jackie Shemish. It played for four nights at Mayfield and was commissioned and produced by Manchester International Festival, European Capital of Culture Aarhus 2017 and Volksbühne Berlin."
(Quelle: Entertainment technology news in the web: www.etnow.com/news/2017/7/tube-invests-in-new-sennheiser-d6000-system)
Dercon hat der neuen Volksbühne noch kein Gesicht gegeben und hat es zugleich schon verloren. Das kann er nicht mehr aufholen. Erst, wenn er hier eine Marke geschaffen hat, kann er damit international reüssieren und nicht umgekehrt.
Das Team Dercon tritt gleich international auf, um Berlin zu beweisen, dass es Berlin gar nicht braucht. Was Dercon zeigt, hat sich längst woanders durchgesetzt, ganz ohne sein Zutun. Und wenn sich nun die Berliner Kritik gegen ihn stemmt, dann ist sie längst international widerlegt. Er lockt sie absichtlich in die Provinzfalle. Nun, bei soviel internationalem Erfolg, müssen sie ihm zu stimmen.
Es ist der Versuch, die Kritik in die Knie zu zwingen, sie verstummen zu lassen.
Dercon sagt damit: Meine Künstler/innen sind längst durchgesetzt. Euch brauch ich gar nicht. Berlin brauche ich nicht. Berlin braucht mich.
Falsch. Berlin weiß längst wer Charmatz oder Ingvartsen sind. Wir brauchen da keine derconsche Nachhilfe.
Zugleich schummelt sich Dercon so an seiner Hauptaufgabe vorbei, dem Haus ein neues Profil zugeben. Es ist ein offener Betrug. Und man muss schon große Lust daran haben, wie ein Tartuffe, gleich eine ganze Weltmetropole auf´s Kreuz legen und hintergehen zu wollen, und seine List dabei nicht einmal zu verbergen.
Welche Art der Befriedigung Dercon daraus zieht, man weiß es nicht. Seiner Aufgabe wird er nicht gerecht und die Vorgaben des Senats erfüllt er nicht. Das sollte Konsequenzen haben. 20000Tausend Unterschriften sind kein Pappenstiel. Das dürfte der Kern der bisherigen Besucher der Volksbühne sein, der da ratifiziert hat. Aber wie immer hat Berlin einen schwachen Kultursenator, der sich lieber nicht an seinen Wahlversprechen messen lassen möchte.
Höhepunkte aus dem Programm: Brit Rodemund und Christopher Roman vom Dance On Ensemble tanzen William Forsythes Duett Catalogue (First Edition), Raphaëlle Delauney adaptiert Roman Photo von Boris Charmatz zusammen mit dem P14 Jugendtheater der Volksbühne, Marie Houdin und Raphael Hillebrand inszenieren einen Giant Soul Train und Anne Teresa De Keersmaeker tanzt Violin Phase und mit Boris Charmatz einen Auszug aus ihrem gefeierten Duo Partita 2. Unterschiedliche Protagonisten der Tanzszene aus Berlin und anderswo sind beteiligt: Die Staatliche Ballettschule Berlin, die Hip-Hop Kids der Flying Steps Academy, Studierende des HZT Berlin, das BEM Folk Dance Ensemble in Zusammenarbeit mit dem Konservatorium für Türkische Musik Berlin. Den Dancefloor bespielt DJ Alex Murray-Leslie von den Chicks On Speed.
Es ist ein einziges Patchwork aus schon Vorhandenem und eventuell neu Hinzugefügtem, aufbereitet zu einem neuen Medley. Es macht einen vollkommen ratlos. Ich sehe mich schon mit hängendem Kopf auf meinem Weg nach Tempelhof, mit der akuten Angst im Nacken, wiederum enttäuscht zu werden. Aber angetrieben von meinem Restanstand, die Veranstaltung wenigstens zu besichtigen. Ich kenne mich. Zwei Stunden zuvor hadere ich mit mir, ich muss ja nicht hingehen, aber der Eintritt ist ja frei. Man versucht sich von allen Vorurteilen zu lösen, aber es gelingt einem nicht. Man möchte unbelastet dort hingehen, aber man ist sich sicher, das wird nicht funktionieren. In meinem Kopf übersetze ich mir dies kleine Zitat in den Schauspielbereich und frage mich, wie so ein Potpourri wohl aussehen würde. Bruno Ganz spielt noch einmal mit Edith Clever...(First Edition) ...und natürlich macht der Jugendclub XY dabei mit.
Wo, verdammt nochmal, ist da der Focus?! Ach egal! DJ Alex und die Chicks On Speed sind auch da. Vielleicht sollte ich mir, statt einem Picknickkorb, etwas Christal Meths im Görli organisieren auf meine alten Tage. Ich spüre jetzt schon, wie meine Beine und Arme auf dem Weg zur U-Bahn erlahmen werden, aber da muss ich jetzt durch, durch diese Eröffnungsveranstaltung Anfang September. Hoffentlich treten nicht auch noch Funkenmariechen auf. Augen zu und durch. Es wird sicherlich ganz toll. Huhuhuhu. Gib dem ganzen doch eine Chance! Phuuu! Ich bin jetzt schon kaputt. Wenn man sich selber um den Verstand bringen will, ist das die richtige Dosis, den Glauben an eine neue Volksbühne vollkommen zu verlieren. Es gibt ja nicht mal einen verbindlichen Titel für diese Performance. Es klingt nach Vierfruchtmarmelade und Brei. Du weißt nie, isst du gerade eine Kirsche, eine Erdbeere oder ist es doch eine Johannisbeere? Es ist der berühmte Pudding, den man nicht an die Wand nageln kann, denn man aber unbedingt essen muss, falls man es sehr süß und fluffig mag.
Es wird noch schlimmer, damit da wirklich ganz Berlin tanzt, gibt es im voraus bei Youtube ein paar moves zu lernen.
bit.ly/2uDvgMy
Viel Spaß, Herr Baucks! Und dress to impress!
Jetzt kommt mal Abwechslung. Welchen Sinn hat es, Dinge ungesehen zu diffamieren, nur weil sie mal anders sind?
das ist im zweiten Absatz wirklich eine anrührende Beschreibung. Man will nicht gehen, geht doch, bloß um seine Voruteile bestätigt zu sehen, oder schlimmer.
Die Beschreibungen ähneln dem Programmheft der Wiener Festwochen und denen des HAU - es ist der finale Sieg der Hildesheimer und Gießener Schulen, deren Theater wenig bewegt, aber viel Wind macht.
Im Rahmen dieser HAU, Neue Volksbühne, Radialsystem, Mousonturm, et al Blase von 30 Künstler/Innen und maximal 3000 Symphatisanten (die gleichzeitig das Publikum konstituieren) spielt sich alles ab. Der Rest ist Kuratorengewäsch einmal durch den Genderwolf und Kolonialismuswolf gezogen - in neue künstliche Därme verpackt essen sie seit 20 jahren diesselbe Performancewurst. Wechseln tut bloss der Grillmeister.
Das die Bundeskulturpolitik so blöd ist an das Geschwurbel zu glauben sieht man nun beim Programm "Immersion" der Berliner Festspiele. Viel Geld wurde für ein Programm zur Digitalisierung der Kulkturlandschaft zur Verfügung gestellt. heraus kamen Vinge und Meese, hineingeschwurbelt in eine vage Idee von "Immersion", die wiederum irgendwie mit Virtualität zu tun haben soll.
Schöner Abgesang auf das "Zeitalter der Kurator/innen" - am Ende werden sie zu programmierten Bots, die man kauft, um sich seine Träume antragsgerecht zurechtzuschwurbeln.
Tja, nur wem hilft das eigentlich? Der Kunst? Wohl kaum.
In Berlin werden Volksbühnenintendanzen aber über 2 Jahre VOR dem ersten Vorhang in Bodenlose verurteilt.
Das sollte es in einer aufgeklärten Gesellschaft nicht geben.
Alles weitere besprechen wir 2020.
als Castorf kam, ging es darum eine Jahrhundert Frage zu lösen. Das kann Zeit kosten. Bei Dercon geht es um eine Marktfrage. Drei zwei eins. Entscheidung dauere drei Sekunden!
Also: was Sie da schreiben, ist bei allem Respekt dann doch ziemlich unsinnig.
Castorf war ein in seiner Handschrift damals bereits ganz klar definierter Regisseur - die Frage war "nur", ob das Publikum kommt.
Chris Dercon ist ein Kulturmanager, dessen Qualität in der Berufung von Sub-Intendanten liegt, die dann wiederum Kunstschaffende an Land ziehen.
Das ist ein komplett anderer Vorgang.
Tatsache ist doch, das Bestehendes zerstört wurde und niemand im Moment weiß, ob daraus etwas Neues entsteht.
Ich gebe Ihnen jedoch Recht: wir sollten alle Muße und Gelassenheit genug besitzen, abzuwarten ob überhaupt und was da kommen wird.
Seien wir alle ehrlich: die Zweifel sind selbst aus großer Distanz groß.
Beste Grüße
(Liebe*r Stefan, gucken Sie mal hier: www.volksbuehne1718.berlin/de/ – freundlich, d. Redaktion)
Warum hat diese Stadt es verdient, kein Vertrauen in kreative Theatergestaltungen zu haben ?
Wer wuenscht sich einen Kulturkonsum, der das Herz Berlins erheblich verstummen laesst ? Wir Theaterschaffende, sind nicht gegenlaeufig zur Kunst geeicht !!! Wir sind Kuenstler/Innen, die neue Trends und Innovative Projekte foerdern. Wenn Politiker sich als Kreative verstehen und alles abschaffen, was fortschrittlich innovativ oder experimentell unsre Buehnen mit Publikum fuellt, dann stimmt das Kulturverstaendnis der Berliner nicht mehr mit der deutschsprachigen Tradition ueberein ? Sind wir Theaterschaffenden als Buerger/Innen nun Exilanten per se? Treten wir in die Warenwirtschaft ein, die Politiker regional foerdern und muessen abtreten ? Beste Gruesse aus dem Off...Wir Leben auch ohne offizielle Kuendigungen und Foerderprogramm der kommunalen Politik...vielleicht sollten wir unsren Marktwert ganz anders darstellen und verkaufen ? MfG U
"Welchen Sinn hat es, Dinge ungesehen zu diffamieren, nur weil sie mal anders sind?"
Ich möchte niemanden diffamieren! Aber Chris Dercon fängt eben nicht bei null an. Das Problem ist nicht, dass er (um Ihre Wort aufzugreifen) anders ist. Das Problem ist, dass er in herausgehobener Stellung daran mitgewirkt hat, dass es die Castorf-Volksbühne nicht mehr gibt.
Es war seit 2015 klar, dass die Künstler/innen der Castorf-VB nicht einfach weitermachen würden (als ob nichts geschehen wäre), wenn Tim Renner einen Ausnahmeintendanten und -künstler Castorf schasst und in einem grandios desolaten Prozess einen neuen Intendanten ausruft. Dazu hat sich Dercon nicht verhalten! Er beharrte bis zuletzt auf seiner Ausrufung. Ich vermute: Er wollte das Brand. Ich denke: Er nahm inkauf, dass die Castorf-Truppe dabei draufgeht. Oder wie erklären Sie es, dass strukturell die Renner-Entscheidung bis heute unverändert fortbesteht?
Dies ist der Geburtsfehler des Intendanten Dercon. Und der bleibt, weil er das "ausgesessen" hat bis eben Rad, OST, Castorf und Truppe von dannen zogen. (Denn die gehören eben zusammen und kann man nicht marktkonform cherrypicken.) Neben inhaltlichen, künstlerischen Fragen, über die man auch streiten kann, ist Dercons stures Beharren nach einem hochproblematischen Prozess für mich der Grund, hier nicht Tee zu trinken und zu warten.
Denn das haben die Renner-Freunde schon vor Dercons Nominierung gesagt: "Abwarten, kann doch alles gut werden." Wer das sagt, hat vielleicht nicht verstanden, wie diese Stadt, wie die Berliner Schnauze, wie seine Geschichte, wie das Nichtkonforme zusammenhängen.
kunst und markt schließen sich aus
jede progressive politik schützt den dafür erforderlichen freiraum - notfalls auch vor sich selbst, weil es sonst keine KUNST mehr geben kann, sondern unterhaltsame politische events in einem hamsterrad, in welches kein künstler freiwillig und unbeschadet einsteigt - nur ein marktteilnehmer
castorf hat diesen spagat lange geschafft - das ist sein verdienst und sein ende gleichzeitig. die unterstützer der petition engagieren sich für KUNST - einen freien und geschützten raum für dessen entfaltung, weil sie wissen, dass dieser nicht einfach nur wie ein marktplatz vollgestopft und zum konsum angeboten werden kann dabei geht es um wesentlich mehr als um zwei personen, die unterschiedliche haltungen repräsentieren - doch darüber hört und liest man wenig und so sieht es tendenziell so aus, als würde "kulturpolitisch-vertragsmäßig" ein ganz demokratischer akt seinen bürokratischen weg gehen : die kunst an der hand der bürokratie ... das wird dann ohne spagat von alleine laufen ... und ich weiß auch, wohin ...
Aber: Wie kommen Sie auf die Zahl 50.000?
Und: Wo sind denn eigentlich die 20.000 Unterschriften *für* Dercon?
Das sagt Wikipedia: "Wird eine Petition innerhalb von vier Wochen nach Eingang (bei öffentlichen Petitionen rechnet die Frist ab der Veröffentlichung im Internet) von 50.000 oder mehr Personen unterstützt, wird über sie im Regelfall im Petitionsausschuss öffentlich beraten. Der Petent wird zu dieser Beratung eingeladen und erhält Rederecht."
de.wikipedia.org/wiki/Petition
Ich werde diese Eröffnungspremiere schwänzen und den Kritikern überlassen, und lieber einen Tanzkurs an der Volkshochschule Reinickendorf buchen, da guckt wenigstens keiner zu, den es sind geschlossene Veranstaltungen.
Natürlich wäre es unfair zum Boykott dieser Veranstaltung aufzurufen. Aber es wäre auch ebenso sinnvoll. Denn, nachdem ich nun den Internetauftritt der neuen Volksbühne absolviert habe, bleibt für mich nur noch eine Frage zu klären: Ist das in der rechten Bildhälfte wirklich eine Hasenpfote, die dort auf dem Tisch liegt?
Ich bin mir sicher in der linken Bildhälfte eine magische Kugel entdeckt zu haben. Und neben der fraglichen Hasenpfote befindet sich ein keramischer Halter für Räucherstäbchen. Aber ist es wirklich eine Pfote eines Tieres, was da liegt?! - Ich kann es nicht wirklich glauben. - Da hat jemand eine alchemistisches Stillleben inszeniert. Und, wenn mich nicht alles täuscht, ist die Bildsprache schlagend. Gegen einen solchen Mumpitz kann man nicht argumentieren.
„Das wäre schlecht für mein Karma.“
Ist der Satz, der mir von dem kurzen Gespräch mit Marietta Piekenbrock, im Café gegenüber der Volksbühne am meisten hängen blieb. Allmählich beginne ich zu verstehen. Wer die Höhepunkte seiner Eröffnungspremiere schon vorab ankündigt, weil er sie wahrscheinlich hellsichtig in einer Glaskugel gesehen hat, und zugleich gigantische Soul Train Linien auf dem Tempelhofer Flugfeld erwartet, eine Weltpremiere, bei der ganz Berlin tanzen wird, der verkennt, glaube ich, die Berliner Mentalität, der das eventuell völlig gleichgültig ist.
Wahrscheinlich braucht es nochmal eine ganze Generation, bis erkannt wird, das 20zig Tausend Stimmen im Internet, von einer absoluten Minderheit, wie einer kleinen Theatergemeinde, völlig ausreichen müssen, um eine Entscheidung neu zu überdenken.
ich heiße wirklich Elsa, da kann ich nichts dafür, aber lassen Sie sich von Ihren schwülen Schwan-Phantasien bitte nicht abhalten. Zum Inhaltlichen: Ich möchte gar nicht, dass Frank-Patrick Steckel arbeitslos ist, im Gegenteil, ich habe ihn immer für einen sehr guten, wenn auch humorlosen Regisseur gehalten. Jetzt ist er nur noch humorlos, und irgend jemand aus seinem Freundeskreis sollte ihn davor schützen sich dauernd mit Großmäulern wie Baucks zu kabbeln. Das hat er nicht nötig.
Lieber Herr Baucks,
da Sie mich direkt ansprechen, antworte ich.
sie wollen "dem Vorwurf der Inhaltslosigkeit weiter vorbeugen" und veröffentlichen dann einen Erlebnisbericht "wie ich einmal zu einer Dercon-Premiere gehen werde". Bitte hören Sie auf, uns mit Privatem zu traktieren, denn Sätze wie "Ich kenne mich. Zwei Stunden zuvor hadere ich mit mir.." sind absolut unerheblich für das hier diskutierte Problem.
Andere haben Substantielles zu sagen, Ihre private Befindlichkeit interessiert vielleicht ihre Frau, sonst keinen.
Wenn Sie wie ein Kommentarspalten-Nero ausrufen "Lasset das Sommerloch beginnen!" - dann halten Sie sich doch auch daran und gehen bitte mit gutem Beispiel voran.
Alle anderen, gerne mehr zur Frage , wie lange lässt man jemand etwas zerstören, das man schützen sollte?
auch wenn es ihre Gefühle verletzt, bei den Ankündigungen, Pressemitteilungen und dem Programmbuch der neuen Volksbühne verhält es sich ungefähr so, wie bei dem Berliner Flughafen. Man darf ihn kritisieren, auch wenn er noch gar nicht eröffnet wurde. Der Unterschied besteht darin: Beim Flughafen hofft man darauf, dass möglichst bald Flugzeuge starten und landen werden. Bei der defizitären neuen Volksbühne aber wünscht man sich, dass sie möglichst schnell abstürzt.
Wieviele gab Unterschriften gar es denn, die Castorfs Berufung vor 1992 *infragestellten*?
Das ist doch der Bezugsrahmen. Wenn es öffentliche Widerstände gibt, muss man sich doch dazu verhalten. Gab es den 1992?
Und erinnern Sie sich daran, dass es damals einen sehr anderen Prozess gab, der zu seiner Berufung führte? Renner versus Nagel.
Ich würde mir bei 20000 Petitent/inn/en und einem problematischen Nominierungsprozess schon die Frage stellen, was meine Rolle in der Causa ist und über welche kulturpolitischen Leichen ich gehe. Was von dem Dercon-Programm wäre im Schillertheater + Tempelhof-Hangar nicht möglich gewesen??
Langsam geht mir aber auf den Keks, wie hier um diese Debatte gekreist wird. Ist das etwas typisch Berlinerisches?
Zugleich wundert mich doch reichlich, wie wenig politisch diese Diskussion geführt wird. Wie kann es sein, dass Renner als Direktkandidat der SPD und auf aussichtsreichem Listenplatz für den Bundestag kandidiert? Vielleicht hättet Ihr Berliner da mal lieber etwas aufpassen sollen, statt vor dem Rechner um Euch selbst zu kreiseln. Jetzt beglückt der bald kulturpolitisch ganz Deutschland, dafür schon mal jetzt vielen Dank!
es ist aus meiner sicht leider noch viel schlimmer als sie vermuten - und ich möchte mal eine lanze für die berliner menschen brechen, die bitte nicht und niemals mit den in berlin arbeitenden politikern zu verwechseln sind - auch wenn es da querverbindungen zu potenziellen arbeitgebern zu beobachten gibt. DIE BERLINER existieren im disneyland-berlin nur noch als statisten und schatten für touristen im politisch geschaffenem schaufenster - ohne volksbühne am rosa-luxemburg-platz immer offensichtlicher
sie haben recht: hier geht grad gar nix mehr! hat das nicht aber auch etwas gutes? genau diese ungute gefühl beim betrachten dieses schaufensters, in welches DIE BERLINER schon lange nicht mehr reinschauen ... sondern die rumkreiselnden touristen und dekorateure
wir sind unsere modelle
haus oder projekt?
die volksbühne berlin als modell für kollaboration
projektseminar, wintersemster 2015/2016
leitung: marietta piekenbrock
„Wir sind unsere Modelle“ ist ein Laboratorium für Fragen zu Kulturtheorie, Management, Ethik und Organisation. Ab dem Wintersemester 2015/16 wechselt das Seminar die Forschungsperspektive. Im Fokus stehen nicht mehr einzelne Akteure, sondern eine ganze Institution: Die Volksbühne Berlin. Im Frühjahr wurde der belgische Museumsleiter Chris Dercon an die Spitze des traditionsreichen Theaters berufen. Ab 2017 werden er und seine Programmdirektorin Marietta Piekenbrock die Bühne in ein internationales Raumlabor für das Theater des 21. Jahrhunderts verwandeln. „Kollaboration als Modell“ heißt ihre Arbeitshypothese. Sie verstehen sich als Moderatoren eines Prozesses, der für zeitgenössische Produktions- und Kunstformen nach neuen, institutionellen Antworten sucht. Mit der Berufung und Bekanntgabe ihrer Pläne stürzte das deutsche Theatersystem aus seinem Gleichgewicht. Wird man es in Zukunft nur noch mit Projekthäusern und temporären Zuständen zu tun haben?
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Der ganze Text ist hier nachzulesen: wirsindunseremodelle.de/
Viele Grüße
miwo/Redaktion
Wenn man es rein arithmetisch grob überschlagen würde (80 Millionen Bundesbürger/innen vs. 4 Millionen Berliner/innen), bräuchte es in Berlin dann nur 2500 Petitent/inn/en um ein gleiches relatives Quorum zu erreichen!
Diese Zahl ist mit 20000 locker und um ein Vielfaches übersprungen.
20000 Unterzeichner/innen sind ausreichend, sind viel, sind eine kräftige Stimme. Nennen Sie mir eine Stimme, die kräftiger wäre? Die nicht-vorhandene Petition *für* Renner/Dercon?
Warum wirkt/e Dercon nicht an einer Lösung mit? Tut er es und es ist nur nicht erkennbar? Warum sind so viele Gelegenheiten verstrichen, eines ums andere Mal die Gelegenheit verpasst? Darum haben wir acht mal mehr Unterzeichner als erforderlich!
There is no joy in my heart: www.youtube.com/watch?v=0wTKo_kPlck
ich finde, bei so vielen Unterzeichnern, sollte man parallel zu der Eröffnungsveranstaltung am 10. September eine Demonstration anmelden. Ausgehend von der Volksbühne über die Torstrasse, dann rechts in die Brunnenstrasse bis direkt vor das Büro von Lederer. Danach ein paar Reden im Weinbergspark. Der ist groß genug. Und zum Ausklang etwas Musik und Tanz und Picknick. Dann wird man ja sehen, welche Veranstaltung mehr Besucher hat.
Gruß
Baucks
Wieso adressieren Sie mich hier als Feindin. Ist Ihre Peilung so ungenau? Ich gehöre zu den Sympathisanten der Castorf-Volksbühne bin ebenfalls entsetzt über das, was die Politik hier hier angerichtet hat. Auch über die völlige Unfähigkeit von Dercon und Piekenbrock, sich hier irgendwie zu verhalten. Die werden doch weder hier noch irgendwo sonst jemals wieder einen Fuß auf die Erde kriegen. Deren Karma, um mal den von Martin Baucks zitierten Satz von Marietta Pieckebrock #87 aufzugreifen, ist doch ein schwarzes Loch, das alle Materie ansaugt und verschlingt.
Mein letztes Posting hat nur versucht, die realen politischen Chancen einer Petition im System auszuloten. So hatte auch die Petition für die "Rettung des Staatsballets" fast 20.0000 Stimmen.
www.change.org/p/rettet-das-staatsballett-save-staatsballett
Und hat es irgendetwas gebracht?
50000 schien mir einfach "zu kurz gegriffen", daher mein Einwand. Kurzum: Ich fände das so cool, wenn all diese Gräben gar nicht erst geschaufelt worden wären. Aber Dercons Aussitzerei bei gleichzeitigem Beschwichtigen der Abwiegler beschäftigt mich doch sehr.
Dass weiter kräftig unterschrieben werden soll, darin sind wir uns einig.
Noch besser wäre es nun aber, über die mittlere Zukunft nachzudenken. Beispielsweise: Was passiert, wenn ein Team Dercon dann oder wann von Bord ginge? Kann sein, dass das in zwei Jahren der Fall ist, in drei, fünf oder fünfundzwanzig. Für die ersteren dieser Fälle muss ein Lernprozess aus dem Renner-Vorgehen *jetzt* einsetzen und konkret werden.
Ihre schwammige Haltung hilft bei der Beantwortung dieser Frage hier nicht weiter. Warum weichen Sie aus und reden plötzlich von einer vagen "mittleren Zukunft", nach Dercon? Das ist doch gar nicht das Thema. Hier in diesem Thread geht es erst mal konkret um die Petition.
es ist eben nicht nur eine juristische Frage, es ist auch eine Frage darum, wie Demokratie in Berlin funktioniert. Ich halte weiterhin zwanzig Tausend Unterschriften für moralisch ausreichend, um eine Reaktion vom Kultursenator, wie auch von Dercon zu erwarten. Geschieht dies nicht, muss man von Seiten der Unterzeichner/innen den Druck erhöhen und eine solche Reaktion beinahe erzwingen. Hierzu würde eine Demonstration, eine Gegenveranstaltung zur Eröffnung, die ja nur eine Art Praterspektakel ist, benötigt.
Das Gute an dieser Petition ist, dass sie eben nicht zwingend eine Pro-Castorf-Petition ist. Man entscheidet sich nicht explizit für „Die Linke“ und gegen „Neoliberalismus“. Das erhöht die Chancen für einen politischen Erfolg. Und so käme es dann so, dass die Entscheidung die Castorf Ära zu beenden zwar von einem Sozialdemokraten gefällt wurde, aber eine solche Demonstration sich nun gegen einen linken Kultursenator wenden würde, der seine Wahlversprechen nicht einlösen möchte. Die Rolle von Müller kann man getrost außen vorlassen, aber auch ebenso einbeziehen, nur brächte dies wahrscheinlich wenig.
Nach zwei Jahren Vorbereitungszeit und 2,2 Millionen Vorbereitungsetat muss man das Programmheft als ein klares Statement vom Team Dercon begreifen. In besagtem Bild des Internetauftrittes der neuen Volksbühne ist hinter der magischen Kugel eine Presseerklärung von Ehmann drapiert, in der Dercon und Piekenbrock betonen, wie wichtig es ihnen sei, die Meinung zu zerstreuen, sie wollten kein Ensemble und kein Repertoire, man könne dies nur noch nicht aus dem Programm des ersten halben Jahres herauslesen.
Nach einer so langen Zeit darf man aber und muss man sogar dieses mangelhafte Programmbuch als die Haltung des Teams Dercon lesen. Alles andere wäre verantwortungslos. Und dieses schmale Büchlein, spricht Bände. Es sagt uns eindeutig:
Wir haben kein Ensemble! Wir bauen kein Repertoire auf! Unsere Produktionen sind zu mehr als der Hälfte schon woanders gezeigt worden! Das Sprechtheater wird auf ein Minimum reduziert. Das Haus hauptsächlich in einen Gastspielbetrieb umgewandelt. Wir haben auch nicht die Absicht ein festes Ensemble aufzubauen! Wir wollen maßgeschneiderte Besetzungen für unsere Gastspiele und die wenigen Eigenproduktionen.
Das heißt, dem Team Dercon wird künstlerisch nie wirklich ein Ensemble gegenüber stehen. Sie werden weitgehend autokratisch die künstlerischen Inhalte gestalten und die ausführenden Künstler und Künstlerinnen werden kommen und gehen, aber keinen wirklichen Einfluss haben, da sie nicht angestellt sind.
Dies entspricht nicht den Vorgaben des demokratischen Senats von Berlin. Und wenn die Politiker sich nicht verantworten wollen, muss man sie mit demokratischen Mitteln dazu zwingen. Es geht darum die Struktur und Produktionsweise der Volksbühne, so wie sie vom Senat beschrieben wird zu erhalten und einzufordern. Das ist der Punkt der Petition und der hat gute Chancen realisiert zu werden.
1) 50000 Unterschriften sind immer besser als 20000.
2) Rein "juristisch" ist mir kein Quorum für die Berliner Landesebene bekannt. Kennt jemand eines?
3) Die Zahl 50000 gilt für den Bundestag (=Bundesebene). Ein grober Überschlag würde 2500 erforderliche Unterschriften für das Abgeordnetenhaus (=Landesebene) ergeben.
4) 20000 Unterschriften sind 8-mal mehr als dieses grob überschlagene Quorum von 2500.
5) Eine change.org-Petition ist meines Wissens eher eine Form der öffentlichen Willensbildung, während ein reguläres, parlamentarisches Petitionsverfahren eben eine beim Petitionsausschuss eingeleitetes Verfahren benötigt.
6) Eine Petition (egal ob "formal" oder "nicht formal") "reicht" sowieso nie aus. Sie ist immer nur Ausdruck einer Kritik, eines Vorschlages usw. Was dann exekutiv passiert, ist davon nicht abhängig, sondern höchstens beeinflusst. Demokratische Politik berücksichtigt solche Stimmen.
Fakt ist, dass Dercon seinen Vertrag hat. Fakt ist, dass er sein Amt offenkundig antritt. Fakt ist, dass es dazu nach wie vor eine Debatte gibt. Fakt ist, dass diese Debatte vielschichtig ist. Es muss folglich sowohl um die kurze als auch die mittlere als auch die lange Sicht gehen (können). Insofern weiche ich nicht aus, sondern richte den Blick auch auf nächste Schritte (auch der Debatte). Die Berufung eines Intendanten geschieht nicht von heute auf morgen. Dieser Prozess beansprucht Zeit und geschieht üblicherweise mit einigem Vorlauf (anderthalb bis zwei Jahre aufwärts).
Fakt ist dass Dercon dasselbe zugestanden werden muss.
Fakt ist dass Dercon bislang noch keine einzige schlechte Premiere hatte.
Fakt ist dass Vorverurteilungen nicht zum Rechtsstaat gehören.
Fakt ist dass Frau Annuß und ihre Unterstützer diesbezüglich noch was lernen müssen.
Fakt ist, dass Castorf eine desolate Volksbühne übernahm.
Fakt ist, dass die Castorf-VB 2015-2017 mitnichten als desolat zu bezeichnen ist.
Fakt ist, dass Dercon seinen Aufstieg auf Kosten des Endes der Castorf-VB gründete.
Fakt ist, dass die überwältigende Mehrheit der Künstler der Castorf-VB sich gegen eine Zusammenarbeit unter diesen Bedingungen entschieden hat.
Fakt ist, dass Petitionen zum Rechtsstaat gehören, solang sie seine Bedingungen einhalten. Diese Petition tut dies. Sie ist legitim, legal und breit unterstützt.
Fakt ist, dass ich von Dercon noch nicht gehört habe
- warum es keine Lösung für ihn jenseits der VB hätte geben können (Er selbst hätte damit sicherlich auch Souveränität bewiesen.).
- ob es Gespräche bzgl. Humboldt-Forum und seiner Person gab.
Aus meiner Sicht war die erste schlechte 'Premiere' schon am 24.4.2015 (Nominierungspressekonferenz Renner/Dercon, die wegen des öffentlichen Druckes eine Woche vorgezogen werden musste). Merkwürdiger Probenprozess, fragwürdige Dramaturgie, fehlendes Regiekonzept.
Fakt ist, dass ein aufgeklärtes Theater, eine aufgeklärte Kunst sich mit Herrschaftszusammenhängen beschäftigen sollte.
Fakt ist, dass Dercons Nominierung aus Herrschaftsgesichtspunkten (und zwar der zwischen Bevölkerung und Stadtverwaltung) mindestens diskutabel ist, wie der Offene Brief der Belegschaft zeigt, wie die Debatte im Allgemeinen zeigt, wie auch diese Petition zeigt.
Wäre ihr Beitrag eine Klassenarbeit: Thema verfehlt. Es geht um die grundsätzliche Form der Volksbühne als ein Ensemble- und Repertoiretheater, das die Subventionen ÜBERWIEGEND dafür nutzt, in Berlin am Haus EIGENE (Schauspiel)Produktionen herauszubringen und die REGELMÄSSIG zu spielen. Das ist der öffentliche Auftrag, und den erfüllen Dercon/Piekenbrock mit den vielen Koproduktionen/Gastspielen und dem löchrigen Spielplan der kommenden Spielzeit nachweislich nicht. Das ist keine Vorverurteilung, sondern eine Feststellung. Eine Qualitätsfrage ist es auch (noch) nicht.
Ein Beispiel, hinkt wie jedes Beispiel. Eine öffentliche Badeanstalt in Berlin sagt: wir öffnen nur noch drei Tage in der Woche, an diesen Tagen bieten wir aussschließlich Aquagymnastik mit besonders tollen amerikanischen Trainern an. Die Bademeister haben nicht mehr viel zu tun, einfach Schwimmen geht auch nicht mehr, aber dafür könnt ihr euch das tolle youtube-Video mit unseren Trainern im Netz angucken. Das wird super und bestimmt auch Touristen in unser Schwimmbad locken. Frau Annuß und 20000 andere können drei von sieben Öffnungstagen und Schwimmen von Aquagymnastik unterscheiden und rufen: ihr bekommt das Geld von der Stadt, um für die Bürger der Stadt möglichst viel Schwimmzeit zur Verfügung zu stellen. Das ist der öffentliche Auftrag: Schwimmen für viele, nicht Aquagymnastik für wenige! Wie gesagt: das Beispiel hinkt, aber trifft einen wichtigen Punkt.
wenn man vom "fakt" EINES vertrages ausgeht
... die anderen "verträge" blieben unerfüllt, denn das publikum tauschte zeit und geld ganz freiwillig gegen die leistung auf der bühne ein - auf der ganz konkreten von der volksbühne am rosa-luxemburg-platz - und ist mit dem kulturpolitischen vertrag einfach nicht einverstanden und hat dies in der petition klar geäußert
mal sehen, wer das zuerwartende neue publikum sein wird ...und sich auf die "vertragserfüllung" der verantwortlichen politiker schon freut
hier sind die knallharten fakten zu sehen:
www.youtube.com/watch?v=570MTDEGy6s
Fakt ist auch, dass Dercon noch nie ein Theater dieser Größenordnung geleitet hat und demzufolge noch nie eine Premiere an einem solchen Haus hatte. Von daher kann es natürlich auch keinen Verriss geben.
Zudem geht es nicht um Vorverurteilung, wie Sophie schon richtig feststellte. Es geht darum, dass Dercon die Begriffe Repertoire und Ensemble derart umdefiniert und aushöhlt, so dass sie nur noch als Worthülsen dastehen.
Repertoire ist plötzlich die lose Folge von ikonischen Stücken, welche die Wahrnehmung veränderten, aufgeführt entweder als Faksimile oder Fortschreibung, und nicht mehr eine Anzahl von Stücken, die das Haus mit einem Ensemble produziert hat, und die man jederzeit in den monatlichen Spielplan einspeisen kann, die verfügbar sind, um einen täglichen Spielbetrieb auszugestalten.
Ein Ensemble ist plötzlich eine Hout Couture Besetzung für Gastspiele (die meistens schon besetzt sind) und zu wenige Eigenproduktionen, deren Besetzungen aber wiederum nicht fest engagiert werden. So bleibt von dem Begriff Ensemble nur noch eine leere Hülle ohne festes Personal. Gäste, es sind alles nur Gäste, die kommen und gehen und künstlerisch keine stabile Größe am Haus darstellen. Sich hierbei auch noch auf Castorf zu berufen, ist zynisch.
So wie die ganze Aushöhlung und Schleifung dieser Begriffe reiner Trotz und Sarkasmus sind. Eine unreife Reaktion auf die Kritik von außen. Die Anforderungen des Senats meinen etwas anderes als diese hinterlistige Umdeutung der Begriffe, die nur dazu dient die eigentlichen Absichten zu verschleiern, aus der Volksbühne hauptsächlich einen Gastspielbetrieb für Festivalproduktionen zu kreieren. Und diese Absicht ist ebenso ein Fakt und überdeutlich aus dem Programm herauslesbar.
Niemand vorverurteilt eine Premiere von Kennedy oder Atta. Im Gegenteil. Man muss diese Künstler vor dem eigenen Hausherrn schützen, der sie in eine missliche Lage verfangen hat. Dienen sie ihm doch als Feigenblatt für seine unverhohlenen Pläne dem Haus eine neue Betriebsstruktur zu geben, die nicht den Vorgaben des Senats entspricht.
Dercon folgt der Pop Devise: I want to be free. Das mit dem „Ich“ hauptsächlich er selbst gemeint ist und nicht das „Wir“ eines Ensembles ist schrecklich. Er, Dercon möchte mit dem Haus nach gut Dünken verfahren, das ist sein persönlicher Begriff von Freiheit, und hierzu ist ihm keine Trickkiste zu schade, in die er immer wieder greift, um seine Kritiker zu blenden. Das er dabei das Logo der „Rocky Horror Picture Show“ schlecht plagiiert, um ein Stück von Beckett zu bewerben, ist nur einer von vielen kleinen Fehltritten (und größeren Fehlern), an dem man deutlich erkennen kann, dass er sich alles nur zusammen sampelt, aber nichts Eigenes herstellen kann, dass dem Ruf des Hauses gerecht würde. Darüber hinaus ist er nicht in der Lage mit seiner neuen Betriebsstruktur dies Haus und den Hangar täglich zu bespielen. Wie soll das erst aussehen, wenn noch der Prater und das Babylon als Spielstätten hinzukommen?!
Man kann Chris Dercon natürlich noch lange dabei zuhören, wie er versucht das Eckige rund zu reden. Nur leider macht dieses Interview die Sache nur schlimmer. Denn zu dem, dass man dies Programmbuch nach zwei Jahren Vorbereitung als Haltung lesen muss, stellt sich nun heraus, dass es auch ein Ausdruck für mangelndes Vertrauen von darstellenden Künstlern und Künstlerinnen, und persönliches Scheitern sein soll. In zwei Jahren soll es dem Team Dercon nicht gelungen sein einen einzigen Künstler zu überzeugen fest an dies Haus zu kommen. Im Gegenteil, von den drei Unkündbaren hat sich noch eine in den Urlaub verabschiedet. Vorstellbar ist, dass niemand aus der Truppe Charmatz fest kommen konnte, weil es noch eine einjährige Pflicht an einem anderen Haus abzuarbeiten gilt. Aber wieso bringt Ingvartsen, De Keersmaeker, Attar oder Kennedy niemanden fest mit? Immerhin kommen die ersten Beiden aus früheren Arbeitszusammenhängen von Dercon mit der Tate Modern, sowie Charmatz auch. Wahrscheinlicher ist, dass ihre Auftragsbücher voll sind und kein festes Engagement zu lassen. Aber dies nur am Rande.
Was sollte denn das nicht vorhandene Vertrauen der „Branche“ nach der Vorstellung dieses Programmes richten? Ist es nicht vielmehr so, dass Dercon nicht die Grundlagen mit bringt, die ihm ein solches Vertrauen entgegen kommen ließen?
Auch nach dieser Pressekonferenz gibt es weiterhin keinen Anlass der „Branche“ Dercon zu vertrauen. Das, was über zwei Jahre nicht entstehen konnte, wird auch nicht in einem halben Jahr aufgebaut werden können und schon gar nicht bei einem so fadenscheinigen Programm, da sich die Grundlagen, die Ausgangssituation nicht verändert hat. Der Intendant ist über zwei Jahre einfach daran gescheitert ein internationales, sparten-übergreifendes Ensemble zu engagieren, weil man ihm, nach Eigenauskunft, nicht vertraut. Daran wird sich auch im Januar 2018 nichts geändert haben. Da wurde niemand zurückgeworfen und stand vorher einmal besser da. Da fing jemand, was den Ensembleaufbau betrifft, bei null an, und da steht er immer noch.
Die Frage ist nur, wann er sich das selber eingesteht und die Konsequenzen zieht. Diese Haltung, zur Not können wir auch erst einmal ohne Ensemble eröffnen und dann sehen wir weiter, ist verantwortungslos. Da legt einer das eigene Scheitern auf ein ganzes Haus und schlussendlich auf eine ganze Stadt um. Schlimmer kann es eigentlich nicht kommen. Wie soll das nächste Programmheft Motto heißen: Abwarten mit Dercon!
Möglich, dass er nur Stars engagieren wollte, schon gemachte Leute, die sich ihm verweigerten. Aber das hat ihn nicht daran hindern können, nach dem Vorbild von Castorf und vielen anderen, junge Talente zu engagieren, mit denen er ein Ensemble aufbauen könnte. Doch hierzu fehlt im die Vision, die Erfahrung. Er ist auf Menschen angewiesen, die sich ihren Ruhm schon erarbeitet haben und die wollen ihn nun mal einfach nicht, zu mindestens wollen sie nicht fest bei ihm arbeiten. Diese Situation war nicht alternativlos. Es fehlt einfach der Mut wirklich etwas Eigenes aufzubauen. Deshalb fehlt ein Ensemble.
Was sind denn die Argumente, die Sie beim Umhören so aufgeschnappt haben? "25 Jahre sind zu viel"? "Kann doch alles gut werden"? All das beantwortet die Frage nicht, die ich unter #90 wiederholte: Warum musste die Castorf-VB geopfert werden um Chris Dercon Platz zu schaffen? (Es gab Alternativen, das Scheindilemma aufzulösen. Aber Dercon und Renner *wollten* diesen Weg.) Das hat bislang niemand, weder Tim Renner noch Chris Dercon noch Sie beantwortet. Ich wäre echt gespannt. Nach zwei Jahren Diskussion ist aber bislang nichts gekommen. Und deswegen sage ich: Es gibt keine Antwort außer Gier auf das Label "volksbuehne", etc.
Hat Dercon je Vorschläge gemacht, eine Lösung abseits der Renner-Entscheidung zu finden? Auch dazu ist nichts zu hören/finden.
ich kann ihre Enttäuschung verstehen, aber hier ist doch niemand auf Linie gebracht worden. Es handelt sich ja eben nicht um eine parteipolitische Argumentation. Es gibt immer noch genügend Dissens. Beispielsweise wünsche ich mir nicht das Castorf Team zurück. Und der ein oder andere wird sich hier auch eine Karte kaufen, darin unterscheiden wir uns nicht. Aber man muss sich doch irgendwann einmal der erdrückenden Faktenlage stellen. Es ist Dercon einfach nicht gelungen seinen kartellhaften Widersachern mit Witz, Mut und viel Geschick, und vor allem guten Ideen und Konzepten entgegen zu treten. Stattdessen wollte man die Eröffnung dann doch nicht verschieben. Man behauptet man wolle eigentlich ein Ensemble, kann aber niemanden überzeugen fest zu unterschreiben, was wirklich sehr unglaubwürdig klingt, und wenn es stimmte, würde es die Sache keinesfalls besser machen. Es gab einmal die Hoffnung, dass ein profilierter Manager die Grundidee die bildende Kunst weiter mit der Darstellenden zu verquicken realisiert, ihre weitere gegenseitige Durchdringung vorantreibt. Übriggeblieben ist ein kulturpolitisches Trümmerfeld auf dem jeder Federn gelassen hat. Da wurde ein Streit in alle Richtungen instrumentalisiert und ich glaube, die alte Crew der Volksbühne ist sich bis heute nicht bewusst darüber, was für einen Schaden sie an ihrem eigenen Haus angerichtet hat durch ihre haltlose, diffamierende Kritik, die Dercon das Vertrauen der „Branche“ gekostet hat, ein Vertrauen, dass er jedoch auch von Anfang an nicht besaß. Das er aber die an ihn gerichteten Erwartungen, dem Haus ein neues Profil zu geben, ein neues Ensemble aufzubauen, Repertoire zu bilden, nicht erfüllen kann, hat seine Ursache nicht in der Anfeindung, die er erlebte und erlebt, sondern darin, wie er mit diesen Anfeindungen umgeht. Statt sie souverän zu unterlaufen und um Vertrauen mit ausgefeilten Entwürfen zu werben, hat er sich in ihnen verfangen und ist ihnen letztendlich unterlegen. Es ist in der Theaterbranche nichts Besonderes mit viel Gegenwind zu kämpfen. Das Spezielle hätte sein können, wie ein Mann wie Dercon anders, kreativ und forschend damit umgegangen wäre, hätte er sich nicht in diesen erbärmlichen Konflikt verstricken lassen, der ihn nun seinen guten Ruf gekostet hat. Ganz anders als viele andere hoffe ich nicht, dass er und Piekenbrock nie mehr ein Bein an den Boden bekommen. Mir geht es nicht darum einen Namen für immer zu verbrennen. Ich stehe nicht im Castorf Lager und verbuche einen Sieg. Es ist eine Niederlage für die gesamte Theaterlandschaft, die einmal mehr bewiesen hat, wie sie durch stumme Absprachen den Markt zu lenken wünscht. Nur, es ist eben so, wer auf diesem Markt ein neues Produkt platzieren will, muss außerordentlich geschickt sein, denn man kennt seine Widersacher. Dercon hatte alle Möglichkeiten dazu, allein, er hat sie bisher nicht genutzt. Und das von ihm selbst aufgestellte Programm, arbeitet ebenfalls gegen ihn.
"Es gab einmal die Hoffnung, dass ein profilierter Manager die Grundidee die bildende Kunst weiter mit der Darstellenden zu verquicken realisiert, ihre weitere gegenseitige Durchdringung vorantreibt."
... tim renner hatte mal eine idee und die hoffnung, diese mit dem manager dercon umsetzen zu können. leider fehlte es beiden an kompetenz und wissen um KUNST - um die dafür notwendigen künstlerischen prozesse ...
die folgende auseinandersetzung ist eine symbolische geworden, denn kunst zu erschaffen und künstler zu managen bedeutet letztendlich der niedergang der kunst, wenn es keinen "produktionsraum" für sie gibt und nur noch management gefördert wird ...
und das "abwarten" bis dies geschehen ist ... und auch noch diesen niedergang zu beobachten (wie herr waßmann) ist dann die zukünftig künstlerisch gemanagte attitüte.
das dies viele nicht wollen und sich gegen diesen "vertrag", der von zwei unwissenden für einen bereich abgeschlossen wurden - zeigt ihre verantwortung und kompetenz in fragen der kunst für die gesellschaft ... und wie schon gesagt: es geht NICHT um die person castorf - sondern "gegen" dercon, der bisher genau alle vorurteile der unfähigkeit bewiesen hat - trotz 2 mille und 2 jahre ... jaja, "warten auf godot" ^^
Fast 21.000 Unterstützer dieser Petition sind kein Pappenstiel. Darunter sind viele Künstlerinnen und Künstler, Intellektuelle, ein Poppapst wie Diederichsen, ein Friedenspreisträger des Deutschen Buchhandels wie Kermani und sogar eine ehemalige Kulturstaatsministerin. Auch das hat ja Herr Dercon mit seinen Auftritten und seiner Aussitzpolitik geschafft: daß sehr namhafte Leute nie mit ihm Zusammenarbeiten würden. Daran sind nicht die Castorfianer schuld, die ihm nicht kampflos das von ihnen geprägte und weltberühmt gemachte Label überlassen wollten, sondern alleine Herr Dercon. Viele Probleme sind erst entstanden, als er und sein Team persönlich in Erscheinung traten und die ganzen Abgründe ihrer Ignoranz zu Tage getreten sind. Ich wähle jedenfalls NIE WIEDER SPD.
zum thema hoffnungen wußte schon heiner müller "oft nur ein mangel an information" ... über theater, kunst, menschen und die idee Castorf, Marthaler, Pollesch und Fritsch arbeiten unter dercon ... echt "süß" und witzig ...
nix neues.
ein halbes jahr vor dem intendantenwechsel nochmal nachzufragen,na ja.
Die besten Szenen werden Sie heute Abend nicht sehen, denn die würden wir alle nicht ertragen.
die gelungende 3sat/zdf aufzeichnung gibt es schon zu kaufen.
die tür steht offen, warum wohl ?
(Liebe*r Alex, der Offene Brief von Jürgen Holtz ist heute in unserer Sommer-Reihe "Texte der Saison" erschienen, das haben Sie vielleicht übersehen im Tweet. Mit freundlichem Gruß aus der Redaktion, sd)
Ich glaube nicht, dass man die über 20.000 Unterschriften (mehr als die SPD Mitglieder in Berlin hat übrigens) unter der Petition auf journalistische Stimmungsmache zurückführen kann, schon gar nicht auf "Hetze". Aber offenbar soll jetzt schon mögliches mangelndes Publikumsinteresse auf eine "negative Stimmung" zurückgeführt werden. Das geht an den Tatsachen vorbei, denn es gibt da einfach ein objektives Problem mit dem Spielplan. Viele, die das Spielzeitbuch angesehen haben, haben das hier bestätigt. Er selbst gibt es zu, wenn immer davon die Rede ist, dass das Eigentliche (Ensemble, Repertoire, Theaterstücke für die große Bühne) noch kommen soll. Wer glaubt das noch? Dercons Pläne passen nicht zu der Struktur der Volksbühne, da kann er noch so oft behaupten, dass er auf "Kontinuität" setzt. Allerdings hat er sich nicht nur selbst in diese Lage gebracht. Daher noch mal die Frage: wer hilft ihm endlich aus der Klemme und ermöglicht einen Ausstieg ohne Gesichtsverlust, zum Beispiel mit einer Volksbühne-Tempelhof, wo er seine Qualitäten zeigen kann? Das wäre doch etwas für den angeschlagenen Regierenden Bürgermeister!
Das liest sich wie ein buddhistischer Kalenderspruch. Oder auch wie eine Werbung von Bang&Olufsen. Vielleicht aber auch wie eine Einladung zu einem Wochenendseminar für angehende Sales Manager.
Das Problem mit der ganzen Sache ist, die Macher sind so sehr von der Richtigkeit ihres Unternehmens überzeugt, sie haben längst intern einen unzerrüttbaren Konsens hergestellt, der gegen jede Kritik von außen immun ist. Wer da unter dieser Farbfläche zusammen kommen soll, steht bereits fest, eben diejenigen, die dem selben Wahrnehmungsmuster folgen, kontemplativ, vom Kleinen her gedacht, aus dem Detail heraus, ein Nachlauschen nach dem Wimpernschlag, der alles verändern kann, vor dem man erstarrt und andächtig nur noch flüstern mag. Es ist eine große Andacht, keine Gesellschaftsanalyse, ein sich Herausnehmen aus der Totalität der Welt, und das Verlagern der eigenen Aktivität auf kleine Wahrnehmungsinseln, auf denen man seine Sinne schult. Man muss nur den Anweisungen der Meister folgen und alles wird gut. Eine beinahe autokratische Weltsicht, die sich nicht erklären, noch begründen muss. Es geht um Essenzen. Um das Ganze im Kleinen. Um die homöopathische Dosis Theater. Vom Ursprung her gedacht, übertragen ins Jetzt.
Das vor ihnen auch schon Menschen ihre Sinne schärften, beispielsweise in dem sie genau hinschauten bei dem vorgestellten Programm, spielt dabei keine Rolle. Es geht um die Versenkung und die Energie, die man daraus schöpfen kann, um zu den wahren Erkenntnissen vorzudringen, von denen die Macher schon längst ergriffen sind.
Man fühlt sich dabei ungefähr so, als wenn man einen esoterischen Laden mit Klangkörpern betritt, der vollgestopft ist mit kleinen Gegenständen, die man erst alle erklärt bekommen muss, da man unwissend und in den falschen Totalzusammenhängen stecken geblieben ist. Es ist der Moment, wo einem die erleuchtete Verkäuferin oder auch der erleuchtete Verkäufer mit glänzenden Augen entgegenkommt und man genau weiß, gleich werde ich komplett entmündigt und habe nur eine Chance, mich entweder willenlos hingeben, oder sofort abhauen, denn die Rolle, die einem in diesem Spiel zugewiesen wird, steht längst schon fest.
ja, genauso eine wahrnehmung habe auch ich - jedoch wurde mein kommentar nicht veröffentlicht, denn ich wählte nicht das wort "sekte" sondern fragte, ob es denn überhaupt "erlaubt" sei für solche statements öffentlich werbung zu machen.
"Flüstern. Klein werden. Raus aus dem Totalzusammenhang"
wenn ich dies wörtlich nehme und als "programm" lese kamen mir meine zweifel. aber "sektenähnlich" paßt auch viel besser:-)
an redaktion: wer sperrt denn bei euch so gern? könnt ihr die sperren nicht (wenigstens) redaktionell kommentieren?
(Liebe*r marie, gerne sperren wir nix, aber Ihre und andere Einlassungen in diesem Thread hatten/haben – sagen wir es mild: zunehmend unleugbar inquisitorischen Charakter. So eine Stimmung möchten wir nicht befördern. Mit freundlichem Gruß, sd/Redaktion)
Andererseits veröffentlicht die Dercon-Volksbühne Sinnsprüche, die klingen, als solle ein Joga-Studio in Wanne-Eickel eröffnet werden, und nicht die Volksbühne in Berlin. Dann doch bitte wenigstens Castorfs Badeanstalt. Dercon & Co wurden uns einst als die angekündigt, die das Theater ins 21. Jahrhundert, ins Digital Age usw. führen sollten ... Aber sie machen sie wirklich alles falsch und nun können sie nicht mal Social Media.
Es ist zum Heulen.
Und die Herren Müller und Renner, die dieses Desaster politisch zu verantworten haben? Herr Müller macht Urlaub und Herr Renner Wahlkampf.
(...)
interessant im kontext zu populismus und volksbühne, die worte Diedrich Diederichsen in der aktuellen tzk:
"zwei dinge gehen nicht: der anspruch darauf, letzte worte gesprochen zu haben [...] und die aggression ad personam am digitalen pranger. die perspektivierung und partikularisierung von zugängen in debatten ist ja kein selbstzweck, sondern muss zu den neuen abstraktionen und universalisierungen beitragen, die an die stelle des alten westlichen (linken) universalismus treten müssen (um die welt zu retten, mit verlaub)."
der universalismus ist schon lange ein verlorenes konzept. wer wagt es sich überhaupt ernsthaft gesellschaftsanalysen so einfach wie es die volksbühne getan hat heute noch zu formulieren. das denken geht ein wenig über die klassen hinaus. es zählt doch der fokus auf die details, die abstraktionen, gerade im gesamtgesellschaftlichen auftrag den kunst in einer staatlichen institution zu liefern und leisten hat. gespannt ob sie das erfüllen, aber der ansatz ist nicht verkehrt.
Warum man das neue Motto als eine Form von "Dekonstruktion" verstehen soll, erschließt sich nur bei sehr wohlwollender Lektüre. Vielleicht soll der "Totalzusammenhang" auf die Begrifflichkeit der Hermeneutik verweisen, damit auf ein Konzept, das die Beziehung zwischen Teil und Ganzem absichern soll. Die Dekonstruktion stellt natürlich einen Bruch mit solchen Vorstellungen von Totalisierbarkeit (des Sinns, des Lebens, des Kunstwerks) dar. Daher "Raus aus dem Totalzusammenhang." Wie man aber, allein grammatisch, "das Gesamte vom kleinsten Teil denken" soll, bleibt in diesem Zusammenhang unklar. Sicher gibt es bei Benjamin und Adorno Reflexionen über »das Kleinste«, auf die hier eventuell angespielt wird. Mit der Aufforderung, sich ins Detail zu versenken, ist man dann wieder in bester Gesellschaft (Benjamin, Szondi), wobei die Kombination statt mit einem Programm von „Kritik“ mit »Lauschen. Flüstern. Klein werden« die meisten Kommentator*innen nicht von ungefähr zu der Assoziation mit Esoterik, Yoga, Selbsterfahrung und Werbung veranlasst hat.
Die Message scheint im übrigen auf ganz unbescheidene Art auch an die alte Volksbühne adressiert: Dort wurden die Sinne abgestumpft, deshalb müssen sie jetzt (z.B. durch die subtilen Veränderungen der Farbe rot) »geschärft« werden, dort ging es um das große Ganze und den bösen »Totalzusammenhang«, deswegen schalten wir jetzt um auf sinnliche Rezeptivität („lauschen“) und Bescheidenheit („klein werden“). Die Schauspieler*innen haben geschrieen, jetzt ist „flüstern“ angesagt. Während der „Totalzusammenhang“ der alten Volksbühne das Publikum zu einer Versammlung von Individuen gemacht hat, soll man jetzt »zusammenkommen“ (z.B. zum gemeinsamen Tanzen). Die neue Demut, die man hier verkündet, steht im Widerspruch zu der vor der Geschichte der Volksbühne respektlosen Kaperung der Social Media-Accounts. Alles eben nur Marketing, weiterhin kein Konzept und kein Programm.
Die Petition hat jetzt jedenfalls über 30.000 Unterschriften. Die, an die sie adressiert ist (Lederer und Müller), müßten eigentlich endlich einmal reagieren, auch im August kann man das bei so viel Unterzeichner*innen erwarten.
ich mochte das wohlwollend lesen. das gesamte vom kleinsten aus zu denken mag dennoch möglich sein? grundrechte, grundeinkommen, hier entscheiden details über den rahmen?
ich hoffe es gelingt ein treffen auf augenhöhe. die petition mag die missgunst der abwicklung gut ausdrücken und unterstreichen, aber grundsätzlich das ensemble als entscheidendes merkmal bei einem jahrelang gut gepflegten anti-stadttheater heraufzubeschwören finde ich fragwürdig, die art der stimmenfängerei unwürdig.
diese volksbühne würde dem geist des populismus immer wieder verfallen. vielen akteuren die bisher an der volksbünhe mit eigensinn angeeckt haben müsste das doch höchst unangenehm sein?
die kleinheit und demut vor einem winzigen detail verdient natürlich unsere konzentrierte betrachtung und KANN auch völlig losgelöst aus einem größeren zusammenhang heraus bis in die tiefe erforscht werden. doch dies ist nur in einem bestimmten rahmen/system möglich (mikroskop/radikale konzentration). ist es jedoch aus dem kontext und (gesellschaftlichen) gesamtzusammenhang herausgenommen, wird es zur gefahr für diesen, weil es letztendlich um eine möglichst harmonische intergration aller kleinheiten in ein gesamtes geht. leider sehe ich bei dercons sprüchen keinerlei verweis auf diesen aspekt und erwarte zumindest da eine klarere formulierung, weil mir sonst vor seinen zu erwartenden "arbeiten" und den impulsen bange wird.
jedoch wird nun mittlerweile endlos lange aus unterschiedlicher position von pro und kontra darüber diskutiert: er hat einen freifahrtschein für sein "programm" bekommen (selbst renner hat eingesehen, dass es verfrüht und zu schnell war - einfach durch seinen "glauben" - dem nun aber vernünftigerweise nicht alle folgen wollen)... jetzt gibt es nun mal buh-rufe - die sich eigentlich an die politik wenden (sollten) - doch die ist von ihrem "glauben" ja selbst abgefallen ... immherhin hatte dercon die chance, diesen vertrauensvorschuß mit inhalt zu füllen
zu den ewig gläubigen gegen jeden inhalt und verstand möchte ich nicht gehören und DAS kann auch nicht die "bessere zukunft" sein ...
"Aufgeklärte Menschen glauben zu wissen, dass mit einer Schlacht aus Zitaten (die in diesem Fall ähnlich auch aus der Bibel stammen könnten) wenig auszurichten ist, weil Sätze Sinn und Bedeutung erst durch den Zusammenhang gewinnen, in dem sie gebraucht werden, dass sie im gleichen Maße wie sie ihren Kontext erhellen auch von diesem Kontext erhellt werden. Ganz abgesehen davon, dass es sich in beiden Hinsichten auch um Verdunklungen handeln kann. Diese sogenannte Indexikalität von Expressionen hat nichts Beruhigendes, weil sie zur Konsequenz hat, dass alles, was geäußert wird, immer auch etwas ganz anderes bedeuten kann, als es zu bedeuten scheint. Damit stehen wir vor dem paradoxen Phänomen "universeller Scheinhaftigkeit" (Adorno)."
(Aus dem Hamlet-Notizbuch von Carl Hegemann)
www.schlingensief.com/projekt.php?id=t034
unabhängig davon, dass die oder der social media mensch der volksbühne noch nicht ganz den richtigen weg oder ton oder lingo gefunden hat mit allen möglichen anfeindungen zurechtzukommen und sich anscheinend mit fetzen aus dem programmbuch bedient...
finde ich es wiederum sehr anmassend mit einem weitern zitat, natürlich adorno, das flagschiff, den künstlern zu unterstellen sie würden nicht in einem (gesamt)gesellschaftlichen kontext arbeiten. bitte schaut euch das programm an. ich will dafür nicht werben aber die arbeit an sozialen und politischen phänomenen, den verstrickungen in die gesellschaft, sehe ich in positionen von kennedy zu ingvartsen zu bartani. viele.
die kritik der 'alten' volksbühne braucht diese pause DRINGEND um sich mit abstand wieder zu formieren und neue denkformen zu entwickeln (auch über die schemen der frankfurter schule hinauszutreten) was dazwischen passiert kann man tatsächlich einfach mal geschehen lassen, man muss es geradezu! ja, wirklich. was wäre die 'alte' volksbühne nur ohne antagonisten, wie fade wäre es ohne dercon. gerade herrscht aber nur wut, und das macht die kritik nicht differenzierter sondern eintönig.
technik hat dem menschen zu dienen und nicht umgekehrt!
wenn ich sprache, mimik, gestik und deren möglichkeiten des gesellschaftlichen austausches durch masken + technische verfremdung verzerre und unkenntlich mache, so ist dies aus meiner sicht eine gefährliche entwicklung, welche ich in ihrer darstellungsweise NUR als warnung im orwell´schen sinne verstehe - leider ist dies für mich bei frau kennedy nicht klar. vielleicht verstehe ich sie falsch, wenn ich eher eine stolze interpretation von (erstrebenswertem) neuen darin sehe - was generell wieder die uralte frage nach "dem NEUEN" an sich als "wert an sich" sehr fragwürdig macht - ohne kontext/ohne klarheit der formulierung >>> und dies in dem bedeutendesten bereich der gesellschaft, die mit SPRACHE als kulturgut beschäftigt.
die volksbühne am rosa-luxemburg-platz war ein gesellschaftsentwurf und wesentlich mehr als die person castorf him self - sie war in der weltweiten theaterlandschaft auf ihre art einmalig und geschätzt und wird konzeptionslos in die beliebigkeit eines zeitgeistes entlassen, der hoffentlich bald in seiner eigenen langenweile einschlummert ...
und da bin ich ganz bei ihnen: warum sollte das geschehen unter der leitung von dercon nicht dazu beitragen? denn aus meiner sicht ist eine "bewegung" in endlos langweilende wiederholungsschleifen, die sich selbst erschöpfen ... wenn "man" sie denn "passieren" läßt - genau DIE BEWEGUNGEN, die den widerstand (und auch die wut und neues denken) belebt ...
ps. eigentlich könnten sie sich doch freuen, wenn die von ihnen wahrgenommene "fadheit" sich in lebendigkeit verwandelt …
noch etwas zweifelhafter wird die sache, den streit von pseudoobjektiver warte aus anzuschauen und so zu tun, als handle es sich auf beiden seiten um ungezogene kinder, die man mal kurz zur bürgerlichen raison bringen müsse (sz, berliner, wer noch?). der shitstorm dauert schon zweieinhalb jahre, man muss nicht diskutieren, welche "seite" ihn angefacht hat und wer entsprechend lobbyiert, unter anderem jene blätter mit ihrem kampagnenfeuer, die jetzt auf einmal keine schmutzigen finger mehr haben möchten. die petition setzt derweil die debatte auf anfang (ensembletheater, repertoire: wie oft wurde das eigentlich schon beantwortet, wie absurd ist a) der zeitpunkt dieser petition, wie kurz b) das gedächtnis dieses adhs-diskurses, der immer wieder die angeblich so widerspenstige volksbühne auf einmal im zentrum der stadtheateridee sieht, und c) wie schwachbrüstig eine theaterwissenschaft, für die die vb schon lange kein gegenstand mehr ist und die sich mehr als zwei jahre vornehm raushielt aus allem, bis wirklich der und die letzte wussten, dass sie die macht des betriebes hinter sich haben, wenn sie auf den allerletzten metern auch noch mal kurz die hand hebt?) .
Der Zeitpunkt für die Petition war nicht frei wählbar. Er konnte erst nach der Vorstellung des Programms zustande kommen. Alles andere wäre reine Spekulation gewesen. Seit gestern, wie man beim RBB nachlesen konnte, ist klar, der Kulturausschuss wird sich erneut mit den Plänen Dercon´s befassen:
Zweifel an vertragsgemäßer Umsetzung - Kulturausschuss will Dercons Volksbühnen-Konzept prüfen
04.08.17 | 19:04
Der Kulturausschuss im Abgeordnetenhaus will sich nach der Sommerpause erneut kritisch mit dem Zukunftskonzept des neuen Intendanten der Berliner Volksbühne, Chris Dercon, befassen. Das sagte die Vorsitzende Sabine Bangert der dpa. "Herrn Dercon ist es bei seiner Anhörung im Ausschuss nicht gelungen, die Zweifel auszuräumen, ob er seine Aufgabe vertragsgemäß erfüllt", sagte Bangert.
Im Kern geht es um die Frage, ob der neue Intendant das linke Traditionshaus als Ensemble- und Repertoiretheater weiterführt oder zu einer "Eventbude" macht, wie Kritiker befürchten.
Im Ausschuss sei deutlich geworden, dass es dem Belgier eindeutig nicht um eine Fortsetzung der bisherigen Form gehe, sagte Bangert. "Das Gespräch hat nicht die Befriedung und Befriedigung gebracht, die wir uns erhofft haben."
Das werte ich als einen Erfolg der Petition. Die Unterzeichner sind zu großen Teilen nicht mit denjenigen zu verwechseln, die auf facebook einen vulgären shitstorm veranstalten. Für den naiven Umgang der neuen Volksbühne mit den social media haben sich die Befürworter der Petition nicht zu verantworten. Die Aussage von Bangert, dass es Dercon eindeutig nicht um die Fortsetzung der bisherigen Form gehe, ist für mich persönlich ausschlaggebend. Und so geht es auch nicht darum, die engagierten Künstler im einzelnen zu bewerten, sondern ausschließlich darum, ob das Haus als Ensemble und Repertoire-Theater fortgeführt wird. Auch eine kritische Debatte zum Stadttheater ist hier bei verfehlt. Wenn die Volksbühne ein Anti-Stadttheater war, dann wegen seines Ensembles und nicht, weil es keines gab und als ein reiner Gastspielbetrieb geführt wurde, sei es nun auch am Ende eher ideell gewesen, so war es eben doch auch ein gewachsenes Ensemble. Ich persönlich denke, eine neue Anhörung wird wahrscheinlich der Anfang vom Ende der Intendanz Dercon sein. www.rbb-online.de/kultur/beitrag/2017/08/dercon-volksbuehne-zukunftskonzept-kulturausschuss-pruefung.html