Gezielte Jagd auf kritische Köpfe

19. August 2017. Das Schauspiel Köln hat sich mit dem auf Ersuchen der türkischen Regierung in Spanien verhafteten Schriftsteller Doğan Akhanlı solidarisiert. Akhanlı ist Teil des Ensembles von Nuran Davis Calis’ Produktion "Istanbul".

Calis sei "erschüttert und in voller Sorge um Dogan Akhanli", so das Schauspiel Köln in seiner heute veröffentlichten Pressemeldung. "Wir hoffen, dass er bald wieder als freier Mensch zu uns stößt und den Theaterabend 'Istanbul' weiterspielen kann", wird Nuran David Calis weiter zitiert. Den Intendanten des Schauspiels Köln, Stefan Bachmann, mache die Verhaftung "wütend": "Allzu schrecklich habe ich seine Berichte über die von ihm erlittenen Folterungen in türkischen Gefängnissen noch im Ohr", so Bachmann. "Diese Berichte trägt er vor in der Inszenierung ISTANBUL, die wir letzte Spielzeit im Depot 2 gezeigt haben und die weiterhin auf unserem Spielplan stehen wird."

Istanbul1 560 David Baltzer uDoğan Akhanlı in Nuran David Calis' "Istanbul" © David Baltzer

Doğan Akhanlı, der sich in den 80er Jahren gegen die türkische Militärherrschaft engagiert hat und 1985 bis 1987 als politischer Häftling inhaftiert war, floh Anfang der 90er Jahre nach Deutschland. Nun wurde er an seinem Urlaubsort Granada von der spanischen Polizei verhaftet, wie Spiegel Online meldete. Vorgelegen habe ein dringliches Festnahmeersuchen der türkischen Regierung bei der internationalen Polizeibehörde Interpol. Grundlage dafür sei ein Strafverfahren in der Türkei, so Zeit Online. Konkrete Vorwürfe gegen Akhanli seien bislang jedoch nicht bekannt.

"Weil er über Menschenrechte schreibt und über das Gedenken an den Völkermord an den Armeniern vor einem Jahrhundert, den die Türkei aber nicht als solchen bezeichnen will, gilt Akhanli der Regierung in Ankara immer noch als Gegner", heißt es bei Spiegel Online. Schon 2010 war Akhanli bei seiner Einreise in die Türkei erneut festgenommen worden. Akhanlıs Anwalt vermutet eine "gezielte Jagd der türkischen Regierung auf kritische Köpfe im Ausland". Er hat Spiegel Online zufolge bislang keinen Kontakt zu seinem Mandanten, sei jedoch zuversichtlich, dass der Autor nicht an die Türkei ausgeliefert wird: Doğan Akhanli ist deutscher Staatsbürger.

In Sicherheitskreisen sei von einem "diplomatischen Affront" die Rede, so Spiegel Online. Die deutsch-türkischen Beziehungen sind seit längerem angespannt. Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) hat seinen spanischen Kollegen Alfonso Dastis mittlerweile darum gebeten, Akhanlı nicht an die Türkei auszuliefern und Deutschland in das Auslieferungsverfahren einzubeziehen, meldete Zeit Online.

(Schauspiel Köln / Spiegel Online / Zeit Online / Wikipedia / eph)

 

Die Nachtkritik zu Nuran David Calis’ "Istanbul" (5/2017) findet sich hier.

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