Presseschau vom 25. Oktober 2017 – Die Süddeutsche Zeitung hat Schauspieler*innen und Regisseur*innen zum Sexismus im Film- und Theaterbetrieb befragt

Systemimmanente Erotik?

Systemimmanente Erotik?

25. Oktober 2017. Alle in der Film- und Theater-Welt könnten "Geschichten von sexuellen Belästigungen, Anzüglichkeiten, Übergriffen" erzählen, schreiben die fünf Autor*innen Christine Dössel, David Denk, David Pfeifer, Thorsten Schmitz und Ulrike Schuster der Süddeutschen Zeitung (23.11.2017), die im Zuge der Diskussion um Harvey Weinstein und #MeToo verschiedene Schauspieler*innen und Regisseur*innen zum Thema Sexismus befragt haben. Dabei hörten sie z.B. von dem "ehemaligen Theaterdirektor, der bei Bewerbungs- und Besetzungsgesprächen die Tür zum Büro abgeschlossen und die Rollläden heruntergelassen haben soll. Eine Informantin zitiert ihn mit den Worten: 'Über dein künstlerisches Engagement können wir ja danach noch reden.'"

"Öffentlich die Akteure beim Namen nennen, sich als Opfer zeigen", das wolle in Deutschland kaum jemand, aus Angst oder Scham. Nirgendwo in der Arbeitswelt sei "das festbetonierte System aus Männerallmacht und dem Ausgeliefertsein der Frauen so klar wie in der Welt von Film und Theater", wenn es auch schwerer zu greifen sei. Im Theater werde "gespielt, geflirtet, sich ausprobiert, verstellt. Da ist Erotik systemimmanent. Verführung gehört zum Geschäft." Schauspielerin Birgitte Hobmeier etwa findet eine gewisse "Erotik des Arbeitens" ganz wichtig: "Zum Spielen brauche ich das, dieses Flirten, den Witz, das Flirren. Aber deshalb hau ich noch lange keinem auf den Arsch."

Gerade jungen Schauspielerinnen falle es schwer, sich zur Wehr zu setzen, z.B. aus "Angst, nicht besetzt zu werden". Da griffen simple Machtmechanismen ebenso wie "subtilere Formen der Druckausübung. Wenn ein Regisseur eine Schauspielerin nicht mehr anschaut, sie (…) links liegen lässt, (…) kann das Menschen mürbe machen." Es gehöre schließlich zum schauspielerischen Kerngeschäft zu gefallen und gut anzukommen; die Übergänge zwischen Beruflichem und Privatem seien fließend: "Wo hört das Spiel auf, wo fängt der Übergriff an?" Und wann müssen sich Schauspielerinnen auf der Probe wirklich "im Namen der Kunst" nackt ausziehen, wann eher aus "Machtgeilheit" oder "Voyeurismus" der Regisseure?

Frank Castorf, mit dem die Zeitung ebenfalls gesprochen hat, könne mit dem Sexismus-Vorwurf gut leben, weise sexuelle Übergriffe allerdings "strikt von sich." Auch wenn es in seinen Inszenierungen "immer sexuelle Komponenten und das Element der Hemmungslosigkeit" gebe, müsse er daran ja "nicht privat partizipieren." In seiner gesamten Zeit an der Volksbühne habe er nur von einem einzigen Fall gehört. Auch Ulrich Khuon vom DT Berlin meint, dass das Thema Sexismus "bisher nicht virulent" gewesen sei. Außerdem verweist er auf "institutionalisierte Ansprechpartner - Ensemblesprecher, Personalrat und, jawohl: Gleichstellungsbeauftragte." Bei Khuon ist ebenfalls nur ein einziges Mal ein Fall von sexueller Belästigung angezeigt worden.

Regisseurin Amina Gusner vom Verein "Pro Quote Bühne" glaubt, dass es eine Frauen-Quote auch "für den Respekt zwischen Mann und Frau" brauche: "Wird das Machtgefälle zwischen den Geschlechtern kleiner, werden die Abhängigkeiten kleiner und der Sexismus weniger", sagte sie der SZ. "Solange die Hierarchien im Theater in dieser Form bestehen und es noch den Unterschied zwischen Männerhöchstgage und Frauenhöchstgage gibt, ist der Respekt nicht da" und bleibe "ein Nährboden für Angst und Fehlverhalten", äußert sich Schauspielerin Catrin Striebeck, die es angenehm findet, als älterwerdende Schauspielerin das Gefühl zu haben, "wirklich als Schauspielerin gemeint zu sein und es nicht zusätzlich um etwas anderes geht." Ihre Kollegin Caroline Peters prangert die "Komplizenschaft" einiger Männer an und plädiert an junge Schauspielerinnen, sich nicht aus Angst zu fügen: "Man muss nicht mitmachen. Die Karriere hängt nicht nur von einem einzigen Typen ab. Keiner hat so viel Macht. Es gibt immer noch andere Wege, andere Produzenten, andere Rollen. Das sieht man oft nicht, wenn man jung ist."

(ape)

 

Kommentare  
SZ zu #MeToo: Begehren oder Tod
Tja, das ist wirklich haarsträubend bedauerlich, dass im Ökosystem Mensch Sex und Erotik systemimmanent ist. Und dass der undoder die auch immer gerade dann so unangenehm auffallen muss, wenn es um Kohle und Macht über Kohle-Verteilung geht, ist echt generell abtörnend!
Schlage jungen SchauspielerInnen vor, sich nur noch bei vollautomatischen Kühlschränken um Besetzungen zu bewerben und TheaterbossInnen, nur noch Aliens zu engagieren - no Sex no Erotik no Crime -
Menschenfreiheit für ein Freies Theater!
Nieder mit dem verunsichernden unkontrollierbaren Begehren! Es lebe der sichere Tod!
SZ zu #MeToo: und die Männer?
Der Artikel der SZ begeht einen entscheidenden Fehler, er befragt keine männlichen Opfer, die es aber in gleicher Anzahl gibt. Männliche Opfer, die sowohl weiblichen, wie männlichen Übergriffen, auch im Zusammenhang mit Macht, ausgesetzt sind.

Hierzu eine europäische Statistik.

https://www.heise.de/tp/features/Sexuelle-Gewalt-Neue-Studien-belegen-geringe-Unterschiede-zwischen-maennlichen-und-weiblichen-Opfern-3347411.html
SZ zu #MeToo: Statistik
@ #2: Zypern, Litauen, Portugal... ? Wo sind die USA, GB, Frankreich oder Deutschland in Ihrer Statistik? So bleibt das dumpfe Demagogie.
SZ zu #MeToo: "mutig"
Ich finde den Artikel gut und wichtig und mir geht es auf die Nerven, dass jetzt so oft als "Retour" erstmal die männlichen Opfer genannt werden, die es ja auch gebe und die man dabei nicht vergessen dürfe.
Völlig fehl am Platz und es ist doch einfach nicht zu leugnen, dass die Mehrheit der "Entscheider"- ob Intendanten oder andere Chefs- Männer sind.
Es ist doch eindeutig so, dass aufgrund der unglaublich Sympathie bezogenen Entscheidungen, was Stellen - / Rollenbesetzungen betrifft, die Mehrheit der künstlerisch Schaffenden ihre wahre Meinung nie äußern, weil man bzw. frau sich ja unbeliebt machen könnte (ist natürlich auch ein Charakterzug; trotzdem)- eigene und deutlich gesagte Meinung ist nicht erwünscht. Und die Folge ist, mit einer Absage nach Hause zu gehen.
Es ist wichtig, genau das zu ändern, damit die jungen Schauspielerinnen, die am Anfang ihrer Laufbahn stehen, nicht in diese Abhängigkeit "stolpern" und in eine "das ist halt im Kulturbereich so" - Haltung fallen. Dafür wären z.B.auch am Theater Frauenbeauftrage und Betriebsräte, die sich nicht nur so nennen dürfen, sondern auch aktiv handeln, erforderlich. Aber wie immer gehen hier Theorie und Praxis weit auseinander!
Dadurch, dass "es" alle wissen, aber keiner etwas macht und ändert, ist es nicht verwunderlich, dass Frau sich nicht wehrt- in den allermeisten Fällen wird sie eben doch im Regen stehen gelassen.
Was mich ärgert ist, dass sich nicht schon viel früher Frauen hingestellt haben und klar geäußert haben, was abläuft bei Castings, neben Castings etc. Und was mich in diesem Zusammenhang auch extrem nervt ist, dass die Frauen dann als mutig bezeichnet werden- wäre es normal, diese Missstände sofort anzusprechen oder bei einer neutralen Stelle mitteilen zu können, das und das ist mir bei meinem Vorstellungsgespräch / Casting, was auch immer, passiert, müsste man das Wort mutig gar nicht mehr verwenden. Zumal das Wort mutig vermuten lässt, dass es eben "doch nicht so schlimm sei" und die Frau "sich nicht so anstellen soll".

Ich könnte ko...
SZ zu #MeToo: trauriger Kreislauf
Zu #1: Sie verstehen schon, daß es zwischen Begehren und Tod noch unzählbare Zwischentöne gibt? Da geht es oft im Theater drüber... Zudem sind doch die Grenzen zwischen dem Ausdruck freundlicher Sexualität/ Spielerei und Machtmissbrauch ganz klar. Männer und Frauen nutzen Anziehungskraft bisweilen zu ihrem geschäftlichen Vorteil. Nicht jede(r) kann damit umgehen. Man sollte die Frage stellen wie unsicher der/die Vorgesetzte(r) bitte sein muss die eigene Sexualität hinter einer Position zu verstecken. Das ist ein ganz eigener trauriger Kreislauf.
Nach meiner Erfahrung gibt es genug Leute die grundsätzlich jeden zwischenmenschlichen Kontakt mit dem anderen Geschlecht sexualisieren. Diese Leute halte ich in der Regel für unprofessionell und unreif und achte auf Abstand. Das ist leider nur ein kleines Beispiel, da Avancen oder gar Übergriffe bisweilen völlig aus dem Nichts auftauchen.
Eine Abfuhr ist nicht zwingend das Problem. Hart wird es z.B. wenn dies in einen beruflichen Rachfeldzug ausartet. Es kann im professionellen Umfeld (und darum geht es ja) hilfreich sein vorab zu beobachten mit wem man es zu tun hat, und auch vielleicht die eigene Motivation der Anziehung in Frage stellen. Es geht eben nicht um das Ausrotten des Begehrens (was für ein Drama), sondern ganz im Gegenteil, um mehr Freude am Spiel.

Hier noch ein Beitrag von Maxi Blaha
http://tvthek.orf.at/profile/Wien-heute/70018/Wien-heute/13950782/Sexuelle-Uebergriffe-am-Arbeitsplatz-was-tun/14160960

#2
Der Hashtag wurde, falls Sie es in den Medien gelesen hatten, auch von (prominenten) Männern genutzt und willkommen geheissen.
Nachdem ich Ihre Beiträge auch z.B. zu Darja Stocker gelesen hatte, habe ich den Eindruck, daß bei Ihnen da ein Widerwillen ist. Die aktuelle Bewegung wurde von Frauen angestoßen, weil es unverhältnismäßig häufig Frauen trifft. Nun könnten Sie sich doch mit Ihrer Stimme einreihen. Sie meinen es sicherlich nicht so, aber Ihre Reaktionen ähneln bisweilen dem Gegenruf "All Lives Matter" (zu BLM). Darum geht es ja gar nicht.
Niemand stellt bei #metoo in Zweifel, daß auch Frauen Täter sein können. Das Thema ist Machtmissbrauch am Arbeitsplatz. Je mehr Stimmen, desto besser.
SZ zu #MeToo: ein Vergleich
Es ist nicht meine Statistik, sondern eine europäische Statistik. Der SZ Artikel bezieht sich ja nun auf deutsche Schauspielerinnen, und hier sehen sie ein paar europäische Länder im Vergleich, ein Vergleich, der eine ganz andere Sprache spricht. Darüberhinaus sind Statistiken grundsätzlich nicht demagogisch, außer sie werden manipuliert. Es ist eben immer schwer mit Zahlen umzugehen, wenn man von vornherein meint, die Wahrheit schon zu kennen.
SZ zu #MeToo: Übergriffe an Männern
Wissen Sie wann ich mich einreihe, liebes „undsoweiter“, ich werde mich sofort einreihen, wenn ich nicht mehr zu einseitiger Solidarität aufgefordert werde, denn ich bin solidarisch mit allen Opfern von sexuellen Übergriffen, nicht nur mit den weiblichen Opfern, denn ich bin selber von Übergriffen betroffen gewesen.

Der Artikel mach den selben grundsätzlichen Fehler den auch wissenschaftliche Studien häufig machen, er befragt erst gar nicht Männer nach sexuellen Übergriffen, folglich finden sie auch nicht statt. Was nicht gedacht wird von den Machern und Macherinnen von Studien und Artikeln ist eben in der öffentlichen Sicht nicht vorhanden. Die Statistik die ich anführe, widerlegt diese Sicht für einige europäische Länder und dafür bin ich als Betroffener dankbar.

Wenn ich im Büro einer Casterin und Schauspielcouchin von Grundy Ufa sitze, weil sie meinen Text kurz vor dem Dreh abhören und sich anschauen möchte, wie ich die Rolle angelegt habe, und sie mich fragt, ob ich wisse, warum ich hier sitze, und ich antworte: Ja, es geht um eine Jahresrolle in ihrer Serie, und sie daraufhin antwortet: Es ist ihnen aber schon klar, dass alle Frauen hier am Set beschlafen werden müssen? Dann ist das sexuelle Belästigung, ein Übergriff am Arbeitsplatz, von einer Frau, von deren Entscheidung ich abhängig bin. Ich fragte vorsichtig nach, was sie damit meine und sie wiederholte ihren Satz: Alle Frauen hier am Set müssen beschlafen werden.

Es schoss mir so einiges durch den Kopf. Ich dachte, eventuell meint sie sich selbst, und so erwiderte ich: Sie meinen, dass ich in der Rolle, die ich hier entwickelt habe, auch als Liebhaber für eine weibliche Rolle, die Kolleginnen hier ebenso wie ich entwickelt haben, in Frage kommen muss. Daraufhin erwidert sie etwas unwillig, ja, so in der Art...

Und das ist nur ein Beispiel von vielen, ungewollte Küssen von Großschauspielerinnen nachts auf dem Parkplatz oder im dunklen Gang vor dem Fahrstuhl. Das letzte Ereignis liegt erst drei Wochen zurück, wo eine Schauspielerin einfach mal, als ich kein Interesse an ihr zeigte, sich laut beschwerte mit den Worten, der lässt mich einfach hier so stehen, um danach ihre Brüste an mir zu reiben.
SZ zu #MeToo: schlechter Witz
#5: Kurze Frage, kurze Antwort: Ja, versteh ich, habe aber den Eindruck, dass das viele die hier metooen das nicht verstehen. Es sollte ein Witz sein, kann sein, es war ein schlechter - mir hat er aber gefallen, vielleicht, weil ich zu viel Freude am Spiel habe - Eigene Motivation der Anziehung zu befragen, halte ich für sehr bereichernd undsoweiter undsoweiter undsoweiter -
Eben weil die Grenzen von Machtmissbrauch - nicht immer schnell - ganz klar sind, müsste es auch leicht sein, ihm - wenigstens zeitnah - zu entgehen.
SZ zu #MeToo: stabiles Machtgefüge
#4: Da haben Sie wohl vollkommen recht, was die Meinungsäußerung anlangt, es ist nur noch schlimmer: die eigene, kritisierende Meinung zu äußern wird nicht nur nicht erwünscht, sondern es wird sogar verhindert, dass sie an die Betreffenden geschweige denn die Öffentlichkeit gelangt. Eigene und deutlich gesagte Meinung von Künstlern ist super erwünscht, aber nur wenn sie das Machtgefälle nicht stört. So wie diese gerade eindeutig als eindeutige Meinung gehypte, dass der Machtmissbrauch eine männliche Sache ist, der in der Mehrheit die Frauen zum Opfer fallen. Meiner Erfahrung nach ist jedoch auch die eigene, nichtkonforme Meinungsäußerung von männlichen Künstlern nicht erwünscht, wenn sie mit ihr das eingerichtete Machtgefüge stören. Man kann diese Meinungsäußerungen auch verhindern, indem man diejenigen die ihre eigene Meinung aufrichtig äußern wollen, sexualisiert. Und zwar, indem man sie aus ihren politischen undoder beruflichen Kontexten durch Ignoranz entfernt... Das funktioniert dann prima, weil man ihnen auf diese Art immer zuverlässig Sexismus vorwerfen kann, den es ja schließlich politisch voll korrekt zu ächten gilt - Wenn man diesen eigenen traurigen Kreislauf (#5) unterbrechen will, sollte man sich möglichst auch dessen bewusst sein, warum, wann und in welcher Intensität solche Massen-Kampagnen geschoben und medial gehypt werden...
SZ zu #MeToo: idiotische Superlative
Zitat aus der SZ: "Nirgendwo in der Arbeitswelt sei "das festbetonierte System aus Männerallmacht und dem Ausgeliefertsein der Frauen so klar wie in der Welt von Film und Theater", wenn es auch schwerer zu greifen sei."

Bei allem Verständnis für diese notwendige und sicher auch fruchtbringende Kampagne. Nein, ich weigere mich diesen völlig verrückten, dramatisierten Anspruch an die Arbeitshölle Film und Theater für Frauen so stehen zu lassen. Wir reden hier zu ganz großen Teilen von privilegierten, weißen Frauen, die in einem sehr umkämpften Arbeitsfeld ihre Lust am Spiel, ihr künstlerische Mission und auch ihre Geltungsbedürfnisse ausleben möchten. Diese Gruppe von Menschen hat Gefühle und Rechte wie jede andere auch. Natürlich. Und diese beschissenen Übergriffe gehören selbstverständlich angezeigt und strafverfolgt.
Aber die Höllen der Abhängigkeit in Care-Berufen um mal nur ein Beispiel zu nennen, in denen lauter POC-Frauen millionenfach auf dieser Welt aufs übelste mißbraucht und ausgebeutet werden, mit einem Handstreich auszublenden und sich selber als die mit Abstand am meisten ausgelieferte Opfergruppe auf der ganzen Welt oder auch nur in Deutschland hinzustellen... das geht echt nicht. Das ist fast so debil wie Meryl Streeps hoch und runtergelikete Trumprede über die most vilified Gruppe der USA - die Hollywoodschauspieler. Diese Superlative sind per se idiotisch und führen zu einem grotesken Ausblenden anderer Menschengruppen, denen Fürsprecher mit einer derartig großen Macht - wie z.B. erfolgreiche weiße Filmschauspielerinnen - fehlen.
SZ zu #MeToo: Umgangston
ich denke egal welche Hautfarbe und sicher am Theater auch nicht unbedingt mehr als an anderen Arbeitsplätzen. Fakt ist, dass der allgemeine Umgangston auf Proben eben doch ein anderer ist als wahrscheinlich in vielen anderen Berufen. Wenn auf einer Probe von "Möpsen", "Fotzen" und "ficken" geredet wird, werden die wenigsten es für unbedingt nötig halten eine Frauenbeauftragte zu konsultieren da es meist um Untertexte für bestimmte Figuren geht die es eben auf der Bühne wie im realen Leben gibt. Das Problem ist doch viel grundsätzlicher. Wer Lust hat und noch nicht hat, lese doch mal dies: http://www.purpurr.at/metoo-unter-maennern/
SZ zu #MeToo: Zeichen der Verdichtung
zu #8: Nein. Was Sie meinen ist, daß nicht immer klar ist, ob tatsächliches sexuelles Interesse besteht. Das kann man ja (respektvoll) ausloten wenn man/frau den Schneid dazu hat. Ab dem Moment, wo ein blosser Wunsch oder Verdacht in berufliche Entscheidungen einfließt, tänzelt man (aus eigenem Antrieb) schon auf dem Grenzstreifen. Eine Art Gefügigkeit als selbstverständlich anzunehmen, weil eine Bandbreite menschlicher Gefühlsäusserungen wie Offenheit, Höflichkeit, Freude, Freundschaft, Neugierde etc. falsch gelesen werden (wollen), ist schlicht und ergreifend hohl.

Der wichtigste Punkt wurde von Ihnen sowieso ausgeklammert, nämlich daß die meisten Übergriffe gar nichts mit Sex, geschweige denn Erotik zu tun haben.

zu #7 Die SZ soll dem Anspruch wissenschaftlicher Studien gehorchen? Ich empfehle die Lektüre des New England Journal of Medicine statt einer Tageszeitung... nochmals, die Stimmen männlicher Opfer wurden in der Berichterstattung aufgenommen, wenngleich nicht in der SZ. Das heisst nicht, daß der Klage grundsätzlich die Legimität abgesprochen wird.

zu #7/#10 Der ganze Sinn von #Metoo ist die Solidaritätsbekundung. Diese Art der Twitterkampagne hat es weltweit bereits mehrfach gegeben (wenn wir mal ganz generös über hunderte Jahre Geichstellungs- und Freiheitsbewegungen hinwegsehen). Es steht den Betreffenden frei nur #Metoo zu schreiben oder auf Details einzugehen.

Die Kampagne wurde diesesmal aus der amerikanischen Medienwelt initiiert. Ein Zeichen der Verdichtung der Ereignisse der letzten Jahre. Was ich faszinierend finde ist nicht alleine die generierte Aufmerksamkeit. Es findet anno 2017 eine bisher noch nie dagewesene Erweiterung des öffentlichen Diskurses statt. Wir erleben den Handschlag zwischen Opfern ungeachtet des Geschlechts, der Hautfarbe oder des Berufsstands. Das war vorher zwar auch explizit erlaubt, wurde aber gerne von der Masse ignoriert.
Nehmen Sie zum Beispiel den Vorwurf der Paedophilie in Hollywood, ein Nischenthema, welches sensationalistisch hier und da mal aufgegriffen wurde. Bei #metoo reiht sich ein männlicher Schauspieler wie selbstverständlich ein um seine in der Jugend empfundene Ohnmacht der mit der von tausenden anderen Opfern gleichzusetzen. #Metoo, nicht mehr, nicht weniger. Vor Jahren undenkbar. Das ist der Fortschritt.

Was das mit jemand aus den Care-Berufen zu tun hat? Ehrlich gesagt, das entscheiden Sie selber.
Es geht darum ein Verhalten zu isolieren, eine Dynamik die jeden treffen kann. Eben nicht eine Erhöhung, sondern eine Gleichstellung.
Und ja, Berufe die nicht mit geregelten Arbeitsstrukturen sondern Mundreklame arbeiten sind besonders anfällig. Das sind sicherlich nicht nur Schauspieler. Je mehr der Griff der Legislatur bröckelt, desto mehr regiert die Willkür. Wir befinden uns aber nunmal auf einem Theaterportal hier.

#Metoo kann konträr diskutiert oder als unzulänglich empfunden werden. Ich empfinde es als hoffnungsvoll, daß die Auswirkungen bereits in diversen Berufszweigen zu spüren sind. Und bisweilen stelle ich mir diese Frage: wäre die Diskussion Ihrer Aufmerksamkeit Wert gewesen, wäre sie aktuell nicht allgegenwärtig?
SZ zu #MeToo: gebetsmühlenartig
Schauen wir doch mal ein wenig in die aktuelle Realität hinein, liebe ina, statt den hundertsten Artikel zu lesen, der gebetsmühlenartig wiederholt, das Männer einzig und alleine die Täter seien. Hier ein aktueller Fall, wo zwei Frauen in Berlin einem Mann auflauerten und ihn gefangen nahmen, um ihn später nackt im Wald auszusetzen, wo sie ihm auch gedroht haben sollen, ihn zu erschießen. Ich denke Kidnapping und Entkleiden sind als sexueller Übergriff zu bewerten. Aber lesen sie mal und ordnen sie den Fall für uns ein.

http://www.t-online.de/nachrichten/panorama/kriminalitaet/id_82553902/berlin-zwei-frauen-setzen-ex-mann-nackt-im-wald-aus.html

Nun aber zu einem viel wichtigeren Fall aus der Branche. Zur Zeit wird einer der besten deutschen Schauspieler von einer Duma-Abgeordneten bedroht.

„Wie Du weißt, bezichtigt mich Natalja Poklonskaja hartnäckig, ich sei ein schwuler deutscher Pornodarsteller und Satanist. Im Internet kursieren Videos, in denen man sieht, wie sie Bilder von mir in die Kamera hält. Obwohl ich nicht genau verstehe, was sie sagt, sehe ich einen Hass in ihrem Gesicht, der mich wirklich erschreckt. Ich habe Angst vor diesen Leuten, weil ihr Hass so irrational und fanatisch ist. Sie ist umgeben von Menschen, die sie gegen mich aufhetzen könnte. Menschen, die offensichtlich nicht davor zurückschrecken, Häuser und Autos anzuzünden, und die dabei in Kauf nehmen, Leute wie mich zu verletzen. Sie hat mich zu ihrem Feind auserkoren und zur Zielscheibe ihres Hasses gemacht.“

Es handelt sich bei diesem Übergriff auf Lars Eidinger eindeutig um eine öffentliche verbale, sexuelle Belästigung gegenüber einem Mann. Er wird als Pornodarsteller und homosexuell verunglimpft und bei seinem Leben bedroht und kann es somit nicht verantworten zu seiner Filmpremiere nach Russland anzureisen. Warum nimmt das niemand als Übergriff und Bedrohung von einer Frau gegenüber einem Mann wahr? Warum befragt die SZ nicht dieses bekannte männliche Opfer?

Nun, die Frage lässt sich leicht beantworten. Weil es sich bei dem Artikel in der SZ um eine Form von Feminismus handelt, der einer selektiven Wahrnehmung folgt, einem Weltbild, das die Rollen eindeutig verteilt, in dem die Rolle des Täters dem Mann zufällt und die des Opfers der Frau. Ein solch einfaches und auch grobes Weltbild muss man natürlich, gerade von Journalisten/Innen kritisch hinterfragen, denn es stimmt schon lange nicht mehr, und wahrscheinlich stimmte es in der Form nie. Beantworten Sie mir doch einmal die Frage, Ina, warum der aktuelle und brisante Fall Eidinger nicht in dem Artikel auftaucht? Warum wird er dort nicht als prominentes männliches Opfer eines weiblichen Übergriffes aufgeführt und interviewt?! Und warum ist dieser Fall der Nachtkritik Redaktion nicht einmal eine kleine Nachricht wert?
SZ zu #MeToo: menschliches Verhalten
@undsoweiter:
Nein - danke aber, dass Sie mir so vehement und klug widersprechen! - denn nur das erlaubt mir, mich zu präzisieren und ganz eindeutig zu sagen: Nein. Sie haben mich – bisher - missverstanden (oder missverstehen wollen?). - Ich meinte und meine, dass nicht nur immer nicht klar ist, ob tatsächliches sexuelles Interesse nicht besteht oder eben besteht, sondern dass nicht immer klar ist und oder klar sein kann, welche Interessen außerdem noch bestehen oder eben nicht bestehen. Und dass es IMMER Zeit und Willen zur Aufmerksamkeit braucht, das ALLES ausloten zu können, gleich, ob man mehr oder weniger Schneid hat. Und dass das p r i n z i p i e l l den beiderseitigen Respekt fordert, die diffuse Interessenlage wenn politische oder berufliche Macht im Spiel ist, ausloten zu wollen und zu können. Und dass es ein Zeichen von Respekt ist, einander Zeit dafür zu lassen und zu gewähren. Und: Ja, dieser Grundrespekt im Umgang miteinander IST ein Tänzeln auf einem Grenzstreifen wenn der in aller Regel in der Gesellschaft nicht vorhanden ist.
Weiter: Ja, eine Art Gefügigkeit als Selbstverständlichkeit vorauszusetzen, ist hohl. Und wenn man auf eine solche Art Hohlheit trifft, sollte man sie auch spiegeln. Denn zu dem gegenseitigen Respekt gehört auch, dass man nicht mit Selbstverständlichkeit davon ausgeht, dass dem Gegenüber dessen Hohlheit bewusst ist in dem Moment, wo wir sie zu spüren bekommen…

Ich klammere, wie ich Ihnen hier verdeutlichen durfte, gar nichts aus. Sondern im Gegenteil vielleicht etwas mehr ein als allgemein üblich. Die meisten Übergriffe innerhalb von beruflichen oder politischen Macht- und Partizipations-Verhandlungen haben m.E. nicht gar nichts mit Erotik und Sex zu tun, sondern eben IMMER auch mit Sex und Erotik zu tun. Und es ist gut, wenn das den Beteiligten auch bewusst ist; wenn sie den Schneid dazu haben, das nicht zu verdrängen. Weil sie nämlich nur so wirklich angemessen respektvoll in der Sache, um die es konkret geht, miteinander umgehen können.

Es geht nicht darum ein Verhalten zu isolieren. Sondern es geht darum, einmal ein Verhalten experimentell isoliert zu betrachten, das sich als menschliches Verhalten nicht isolieren lässt. Und zwar deshalb zu betrachten, damit dieses Verhalten in den wirklich respektvollen beiderseitigen Umgang integriert werden kann. Von jenen, die Macht über Existenzmöglichkeiten ausüben zum einen und jenen, die an ausgeübter Macht über Existenzmöglichkeiten partizipieren wollen, zum anderen.

Ich gebe Ihnen recht, dass es in der Tat Hoffnung machen kann, wenn diese konkrete #Metoo-Kampagne, die mich persönlich wirklich nervt, so viel Wirbel macht, dass es zu einer breiteren Diskussion führt und dies übergreifend in sehr viele andere Berufszweige. Es ist also besser und im Ganzen in der Sache zielführender, mit meinem Genervtsein von dieser Kampagne hier nicht weiter herumzunerven.

@#13:
Zu der in JEDER Beziehung sehr interessanten Frage, warum die z.B. SZ aktuell nicht Lars Eidinger befragte, gäbe es allerdings erstaunlich viel zu besprechen, das führte aber hier zu weit und die Redaktion hätte entsprechend zu mahnen wegen Themensprengung…
SZ zu #MeToo: Sprengung?
@14
Ich empfinde mich nicht als Sprengmeister. - Wie sieht das die Redaktion?!
SZ zu #MeToo: die Redaktion
Ja, wie sieht das denn nun die Redaktion?


(Lieber Asterix, die Redaktion ist ein vielstimmiges Gremium. Da hier keine Einheitsmeinung vorgegeben ist, kann die sehr pauschal gestellte Frage, was die Redaktion meint, nicht beantwortet werden. Denn die Redaktion meint nicht. Höchstens einzelne Redakteur*innen. Viele Grüsse aus der Redaktion: Esther Slevogt
SZ zu #MeToo: Treibsand
@14
Sie haben Recht mit Ihrer Einschätzung: ich verstehe Sie nicht. Das heisst inhaltlich sehr wohl, wenngleich ich Ihre Meinung nicht teile. Ich kann mich nur noch nicht entscheiden, ob Sie trollen oder an einer ernsthaften Diskussion interessiert sind.

Es wäre zunächst hilfreich, wenn Sie eigene Redewendungen finden würden, anstatt die anderer aufzugreifen um damit das Gegenteil zu behaupten.

Zweitens sind meiner Meinung nach Macht und Erotik/Sex nicht unabdingbar miteinander verknüpft.
Ich stelle keineswegs in Zweifel, daß Macht (oder Machtsverhandlungen) erotisiered wirken kann/können. Ich klammere die Möglichkeit nicht aus. Im Gegensatz zu Ihnen unterstelle ich allerdings keine Grundsätzlichkeiten. Dies führt mich zu der Haltung erst einmal nichts zu erwarten. Sich notfalls die Mühe zu machen berufliche Interaktionen mit neutralem Blick zu verfolgen.

Ihre Haltung hat sicherlich Vorteile. Jemanden mit der eigenen (möglicherweise falschen) Einschätzung vor den Kopf zu stossen oder zu verunsichern mag unterhaltsam sein. Sie drängt den Gegenüber automatisch in die Defensive, da erstmal bewiesen werden muß, daß auch (!) ehrliche Absichten vertreten werden. Das benötigt -wie Sie richtig feststellen- Zeit. Zeit in der andere Erwerbstätige womöglich schon zweimal befördert wurden. Zeit, die für die eigene hehre Beurteilung genommen wird und vielleicht damit endet stolz den Status zu gewähren den die Konkurrenz von Anfang an hatte.

An anderer Stelle schrieb ich, daß struktureller Sexismus Treibsand ist... die Frage ist darum, wie bei so vielem, ob persönlicher Vorteil dem Allgemeinwohl untergeodnet werden soll. Das entscheidet der Einzelne.

Drittens sprechen wir immernoch von sexueller Belästigung im Arbeitskontext. Nochmals: Belästigung. Dem Gegenteil von beidseitigem Einverständnis, meinetwegen Machtsverhandlungen. Falls Sie von den Beispielen der Frauen genervt sind (oy vey!), lesen Sie doch unter dem Aspekt die Beschreibungen von Herrn Baucks und fragen sich wie er sich da hätte verhalten sollen.
SZ zu #MeToo: Einsichten bewegen
Leider kann ich Ihnen die Entscheidung, ob Sie mich für einen Troll halten sollten oder für jemanden, der an einer ernsthaften Diskussion interessiert ist, nicht abnehmen. Niemand kann einem anderen abnehmen, sich im Zweifelsfalle zu einem Grundvertrauen in die Absichten eines Gegenüber zu entschließen…

Ich habe Sie jetzt so verstanden: Obwohl Sie mich verstanden haben, teilen Sie meine Meinung nicht. Das kann man doch so stehenlassen. WARUM ist (Ihnen) in dem Zusammenhang wichtig, ob ich eventuell trolle oder ernste Diskussionsabsichten habe?

Wir haben vielleicht auch zu dem Begriff Diskussion eine unterschiedliche Meinung. Ich habe für viele Dinge zu diesem Thema, um das es hier geht, andernorts eigene Redewendungen gefunden, auf die ist trotzdem niemand eingegangen. Das heißt: e i g e n e Redewendungen zu einem Thema, das viele angeht, sind KEIN Garant dafür, dass sich in der Diskussion etwas bewegt. Und in einer Diskussion bewegen sich Einsichten. Oft qualvoll langsam und gegen Widerstände, aber sie bewegen sich. Weil wir alle nicht aus Holz sind.

Das wichtigste innerhalb einer Diskussion scheint mir zu sein, dass die Diskutanten begreifen können, dass sie wirklich über ein und dieselbe Sache diskutieren. Und dafür wiederum scheint es mir außerordentlich hilfreich, die Redewendungen anderer zu dieser Sache aufzugreifen und zu zeigen, dass mit denselben Redewendungen auch das ganze Gegenteil von dem, was sie aussagen sollen, gemeint sein KANN. Und das ist – da haben Sie vollkommen recht – eine große Verunsicherung die dadurch ausgelöst werden kann. Meiner Erfahrung nach kommt es jedoch nur aus dieser Verunsicherung zu einem Denkanstoß, einem Impuls, der konstruktive Sichten auf das Thema zu öffnen vermag und kreative Lösungsansätze in der Sache, um die es geht, befördert. Und zwar bei ALLEN an der Diskussion Beteiligten. Auch bei mir selbst. –

Was ich behaupte und was Sie also als mögliche Wahrheit ablehnen, ist: Dieser von Ihnen ideel gewiss begrüßenswerte „neutrale Blick“ auf berufliche Interaktionen, ist auch eine Art Betrug oder Selbstbetrug, denn Sexualität und auch die Erotik als persönliche sexuelle Ausstrahlung sind mit dem Menschsein verknüpft und deshalb auch nicht aus Menschen zu entfernen. Und zwar unabhängig davon, ob Menschen Macht haben oder nicht haben.

So wie unsere Gesellschaft beschaffen ist, ist meine Erfahrung, dass es KEINE Vorteile hat, so wie ich darüber zu denken und dies öffentlich äußern zu wollen. Deshalb verstehe ich Ihre Zeit-Rechnung auch inhaltlich nicht…

Ich fühl(t)e mich in meinem Arbeitskontext – also dem Theater und dem Literaturbetrieb – während Macht-Verhandlungen nicht sexuell belästigt, sondern bis in die Sexualität hinein belästigt durch diese Diskussion über sexuelle Belästigung in diesem Arbeitskontext. Ich könnte lügen, und auch für mich sagen: ich bin ja so froh, dass es endlich endlich diese Diskussion hier gibt – aber wem nützte meine Lüge?

Zu Ihrer letzten Frage: Ja, ich hatte mir umgehend Gedanken zu den Beispielen von Herrn Baucks gemacht und mich gefragt, wie ich mich an seiner Stelle verhalten hätte und was ich ihm als Freund, der mir das privat anvertraut hätte, geraten hätte beim nächsten Mal in einem solchen Fall zu tun.
SZ zu #MeToo: selektive Wahrnehmung
Es ist ein heikles Thema. Die Frage stellt sich doch, warum sind so viele Männer, aber auch Frauen von diesem Thema genervt. Immer dann, wenn man merkt, dass es instrumentalisiert wird und verbunden mit einer Ideologie daher kommt, wird es unangenehm. Für Männer mit relevanten Gewalterfahrungen und Erfahrungen von sexueller Belästigung und Übergriffen, ist es häufig eine zusätzliche Zumutung auch noch generell als potentielle Täter in der Öffentlichkeit verhandelt zu werden, und bei jedem Einspruch oder Widerspruch zu diesem Themenkreis gleich als „verdächtig“ eingestuft zu werden. Es ist dieses Einfordern von öffentlicher Solidarität, dass keinen Widerspruch duldet, von dem man sich extrem belästigt fühlen kann. Eine neutrale Haltung zu dem Thema gilt schon als anrüchig. „Mann“ muss sich positionieren, ansonsten leidet sein sozialer Status, und es kann nur eine Position geben, die der feministischen Frauen. Und Lars Eidinger ist eben kein feministisches Thema. Würde Nina Hoss „Katharina die Große“ in einem Film spielen, und würde sie von einem männlichen Duma-Abgeordneten bei ihrem Leben bedroht, und würde er Bilder aus ihrem Film „Die weiße Massai.“ im Internet herumreichen, wo man sie in einer Beischlafszene mit einem schwarzen Darsteller sehen könnte, und zugleich behaupten, sie sei eine „lesbische Pornodarstellerin“, die auch vor Sexszenen mit Schwarzen nicht halt mache, dann wäre das eine exzellentes feministisches Thema und sie würde zu diesem Komplex als Erste von der SZ befragt werden wollen. So ist es aber eben nur ein Mann, Lars Eidinger, der einem Übergriff ausgesetzt ist und das passt nicht in das Bild der selektiven Wahrnehmung, es ist feministisch nicht verwertbar. Das ist der Punkt. Ebenso, wie die Figur der Hildegard Lächert, besser bekannt als die „blutige Brygida“ aus Majdanek kein feministisches Thema ist. Und sie ist keine dunkle Gestalt aus finstrer Vergangenheit, sie findet aktuell eine Entsprechung in der russischen Lustmörderin Elena Lobatschewa, die vor Gericht angab, beim Ermorden von Obdachlosen mit immerhin über 170 Messerstichen sexuelle Befriedigung empfunden zu haben. (hier ein kleiner Link http://www.focus.de/politik/ausland/schreckenstat-in-russland-wenn-wir-toeteten-dann-lachte-sie-nazi-gang-befriedigte-sich-mit-mord-an-obdachlosen_id_7773636.html)

Der entscheidende Punkt für mich ist, was für eine Form von einer ganz anderer Solidarität entsteht, wenn ich mich selbst als betroffen erkenne. Hier ruht auf Grund ideologischer Vorbehalte ein riesiges Potential, das solange nicht genutzt werden kann, wie ein solch grober Feminismus, wie wir ihn hier erleben, mit stereotypen Zuschreibungen arbeitet.
SZ zu #MeToo: Hoss/Eidinger
Phuuu - lieber Martin Baucks, ich glaube, Sie wollen hier doch gerade den Sprengmeister spielen und mich herausfordern, eben doch etwas zum Lars Eidinger zu sagen, das hier das Thema zwar tangiert, aber sprengt...Erst einmal zu verschiedenen Details: Stimme Ihnen 100 % zu und bin dankbar für diese Formulierung, dass die Debatte nervt, sobald man spürt, dass sie ideologisch instrumentalisiert wird oder jemanden in öffentliche Solidaritätsbekenntnisse zwingen möchte.

Kann mir auch sehr gut vorstellen, dass hier Männer sich sozusagen doppelt belästigt fühlen können, wenn sie weibliche Übergriffe erfahren haben und nur, weil in der Mehrzahl es sich um Übergriffe auf Frauen handelt ( - angeblich, Übergriffigkeiten können sehr verschiedener Natur sein), unter Generalverdacht gestellt werden, wenn sie als Männer die Debatte ablehnen.

Ihre personell festgemachten Vergleiche finde ich hingegen nicht so gut gewählt. Zum einen ist Katharina die Große - soweit ich weiß, man möge mich korrigieren - nicht heilig gesprochen worden. Den beiden Zaren-Figuren, die Sie für Eidinger/Hoss ins Feld führen, fehlt damit eine wichtige politisch aktuelle GLEICHE Ebene. Mit den Heiligsprechungen ist das so eine Sache. Wenn ich, weil ich zum Beispiel nicht katholisch oder russisch/griechisch-orthodox bin, hat eine Heiligsprechung als religiöser Ritus mit anschließend festgelegtem Status für eine Person überhaupt keine tiefe Bedeutung. Wenn ich aufgeklärt bin darüber, dass es für andere eine sehr große Bedeutung hat und für mich nicht, gehe ich durchaus NICHT unschuldig in die Darstellung der Figur, sondern versuche meine emotionale Haltung der rituellen Un-Bedeutung den Zuschauern der gestalteten Figur zumindest als alternative Möglichkeit anzubieten. Und das kann durchaus als Beleidigung bis Bevormundung empfunden werden. Wenn jemand jemanden beleidigt oder bevormundet, und er verfügt dabei über eine große öffentliche Kraft - ein Film verfügt im internationalen Maßstab darüber - muss ich damit rechnen, dass das Hass auslöst. Denn meine Bevormundung bis in die öffentliche Wirksamkeit hinein kann auch vom anderen als Ausdruck von Hass verstanden worden sein...
Kommen wir also zu den intimen Szenen im Vergleich Hoss/Eidinger. Es gibt aus Filmen, Videos,von Fotos oder auch Interviews Aussagen und Bilder zu Beischlafszenen oder sexuell gewichteten Szenen von beiden. Aber es gibt von Nina Hoss eben keine Bilder oder Aussagen, die als schamlos im Sinne von geschmacklos dargestellter Intimität/Sexualität gelten könnten. Vom Lars Eidinger aber schon. Und in unserem digitalen Zeitalter ist - zu meinem eigenen Bedauern, weil das Theater sehr schwächt - niemand mehr gezwungen, Bilder und Aussagen in einen Gesamt-Kontext zu stellen, sie und deren Interpretation wirklich gewissenhaft abzuwägen, ehe man sie öffentlich interpretiert. DAS bekommt also der Lars Eidinger nun gerade sehr schmerzhaft zu spüren und das tut mir sehr leid, weil ich merke, dass ihn das wirklich mitnimmt. Andererseits denke ich schon länger, dass es ihm guttäte, bei seiner Rollenwahl mehr zu bedenken, als nur die künstlerische Verführung durch die reizvolle, weil anspruchsvolle Aufgabe eine zerrissene, zwiespältige Figur darzustellen... Es ist doch z.B. von politischer Bedeutung, was die - sehr konkrete - Zerrissenheit dieses konkreten Zaren für uns in Deutschland und was sie im Moment in Russland bedeutet und er muss also, was er bisher vielleicht etwas versäumen und verträumen konnte in dieser, tja- liebevollen? - Obhut der Schaubühne, in diese politische Eigen-Verantwortung jetzt auch ohne die Schaubühne hineinexplodieren. Zum Hineinwachsen ist es dafür m.E. durch diesen Film für ihn zu spät - Und es bleibt im Raum die Frage, ob wir - auch er - nicht selbst schuld sind, wenn von all unseren produzierten Bildern und Aussagen die Wurst, die sich einer in den A- schiebt, wesentlich bleiben KANN...
SZ zu #MeToo: Dynamiken
@18
Müssen wir wirklich bei den Bienchen und Blümchen anfangen? Ja, Sex und Erotik haben mit dem Menschsein zu tun. Ganz allgemein gibt es auch die Kultur/Natur Diskussion, denn Verhaltensweisen sind ungeachtet unserer genetischen Anlagen in unserem Handlungsbereich.

Zudem bin ich nicht automatisch zu meinen Kollegen, Vorgesetzten oder Untergebenen hingezogen. Wie sehen Sie Ihre Aussage z.B. in Zusammenhang mit gleichgeschlechtlichen Kollegen/Vorgesetzten/Machthabenden?

@19
Sie sind nach eigenen Beschreibungen Opfer, und finden es eine Zumutung Täterschaft vorgeworfen zu bekommen. Das kann ich verstehen. Ähnlich verhält es sich z.B. mit Frauen die Opfer sind und die permanent Unterstellungen ausgesetzt sind.

Ich finde es wirklich schade, daß hier nicht weiter abstrahiert werden kann. Die Dynamiken sind beidseitig. Es wäre so einfach.
SZ zu #MeToo: John Podesta
@19
Ein ausgezeichneter Vergleich ist der Fall Ambramovic von letztem Jahr: da wurde die Künstlerin über eine an John Podesta weitergeleitete Email -Einladung für den hysterischen amerikanischen Wahlkampf von der puritanischen Rechten u.a. als Satanistin und Sex-Kult-Anhängerin diffamiert (inkl Bildmontagen etc).

Der Vorfall wurde damals übrigens hauptsächlich im politischen Kontext gelesen.
SZ zu #MeToo: Unschulds-Rolle
@ martin baucks, #13: Das Beispiel von Eidinger ist nachvollziehbar, passt für mich aber nicht in diese Debatte. Es geht hier doch um tatsächliche körperliche/sexuelle Belästigung/Nötigung, und das im Zusammenhang mit der Macht über die Vergabe einer Theaterrolle. Oder? Und deswegen passt auch ihr ausgedachtes Hoss-Beispiel nicht.

Denn bei Eidinger erfolgte das Problem erst NACH der Rollenvergabe, bei der er keinerlei Belästigungen ausgesetzt war. Wenn in diesem Film nun Szenen entstehen, die einer Duma-Abgeordneten nicht gefallen, dann liegt das AUCH in seiner eigenen Verantwortung, diese Rolle angenommen zu haben. Es wirkt ein bisschen kokett, erst diese Rolle anzunehmen, als sei er blind gegenüber den russischen Empfindlichkeiten bzw. politischen Verhältnissen. Und sich dann als Opfer hingestellt zu fühlen. Abgesehen davon, dass die Reaktion dieser Abgeordneten natürlich nicht angemessen ist. Wenn einem eine (zumal künstlerische) Darstellung nicht gefällt, dann kann man auch einfach für sich "nein!" dazu sagen, das heisst, sich sagen, dass das eben die Freiheit der Kunst ist und keine reale Person an Leib, Leben und Seele verletzt wurde. Und gut ist es. Warum man darauf mit Hass und Morddrohungen reagieren muss, keine Ahnung. Das ist natürlich völlig unverhältnismäßig. Es hat aber mit dem ursprünglichen Thema der sexuellen Belästigung im Kontext der Macht über eine Rollenvergabe nichts zu tun.
SZ zu #MeToo: Montage und Hingezogenheit
Ja, warum nicht? Sie kennen das bestimmt: wenn die Bienen ausgestorben sind, dauert es noch drei Jahre... - insofern kann es nicht schaden, sich auf die Blümchen zu besinnen und auch die Funktion der Bienchen für das Überleben einmal wieder liebevoll - und nicht nur sexuell liebevoll - zu betrachten zu betrachten...

Meine Aussage sehe ich auch bei Nicht-Hingezogenheit gültig. Auch die Nicht-Hingezogenheit ist schließlich Ausdruck von Sexualität und spezifischer Erotik. Da es im Theaterbetrieb jedoch um Zusammenspiel für eine Sache geht, wird leider sehr oft mit Hingezogenheit-Nicht-Hingezogenheit gespielt. D. h. sie wird z.B. gern vorgetäuscht, um jemanden, der eigentlich nicht hingezogen ist oder zum man selbst nicht „hingezogen“ ist, zu motivieren etwas zu tun/darzustellen, was er eigentlich aus eigenem Antrieb prinzipiell oder in dem Moment, wo das aber darzustellen ist, nicht möchte.
Brigitte Hobmeier hat das als wirkendes Betriebs-Prinzip sehr gut beschrieben: in der Arbeit würde sie diese Art Flirt nahezu brauchen, deshalb würde sie doch aber trotzdem nicht gleich jemandem auf den Arsch hauen... Die Schwierigkeit besteht m.E. für Theatermenschen darin, zu erkennen, wann es bei ihnen selbst mehr als dieses von Hobmeier gut beschriebene, betriebsübliche Flirten ist einerseits und diesen emotionalen Ernst innerhalb des Betriebes so gut es geht zu vertuschen, andererseits. Weil sie andernfalls große private UND dienstliche Schwierigkeiten bekommen, wenn sie nicht gerade ungebunden sind- Oder zumindest das Gefühl haben, sie bekämen unweigerlich solche großen Schwierigkeiten, wenn sie andere dauerhaft motivieren müssen zu Darstellungen für die diese in dem Moment, wo sie nötig sind, gar nicht getrieben bereit sind - eine Situation großer Zerrissenheit... die man niemandem wirklich wünscht, aber auch im Theaterbetrieb - auch in dem der Freien Szene - nicht wirklich verhindern kann-
Dann: Es ist aber wichtig, nicht für die Verleumder, sondern für uns selbst wichtig, zu WISSEN, ob es eine bösartige, auf Verleumdung abzielende Foto/Textmontage ist, es sich also bei den in öffentlichen Umlauf gebrachten Bildern/Texten um Montagen handelt. Und das sehr gute Vergleichsbeispiel zeigt, dass es sich bei Abramovic um Bildmontagen handelte, die zum Zweck der Diffamierung erstellt wurden offenbar. Und beim Lars Eidinger in dem Fall aber nicht um Montagen, sondern um Bildmaterial, mit dem er Empörung ausgelöst hat. Und das heißt, Abramovic konnte aus ihrem künstlerischen Gesamtzusammenhang für Leute, die sie diffamieren wollten NICHT ohne Fälschung herausgelöst werden. Und beim Lars Eidinger ging das - Das ist ein sehr sehr ernstes Problem, das an die Grundfesten unserer zeitgenössischen Theaterästhetik rüttelt und auch an unserer journalistischen Medienethik und das sich ergibt als Konsequenz aus der Digitalen Revolution, die unsere TeleKOMMUNIKATIONSMITTEL erfasst hat. –
Vielleicht hat man bei der SZ dafür ein Gespür, dass es bei dieser Sache mit Zar Lars eben irgendwie um mehr als eine #metoo-Kampagne geht... und hat ihn deshalb (noch) nicht danach befragt? - Der Gedanke gefiele mir und machte mir das SZ Feuilleton in seinem Zögern sympathisch-
SZ zu #MeToo: ins wolkige Ungefähr
Schönes Beispiel für eine Diskussion, die sich längst ins wolkige Ungefähr verstiegen hat und mit dem Kern des Themas, der wichtigen gesellschaftlichen Frage, längst nichts mehr zu tun hat. Wie es leider so häufig der Fall ist, wenn Männer von einem Thema nicht direkt betroffen sind bzw. sich auf die falsche Seite gestellt fühlen: Sie fangen an zu schwadronieren, seltsame Metadiskussionen zu führen und kleinteilig über Ausweitung des Themas zu diskutieren, um vielleicht doch noch Selbsterlebtes einbringen und sich damit aufspielen zu dürfen... traurig. Whataboutism in Reinkultur.
SZ zu #MeToo: Wunsch nach Abstraktion
@21 Ich möchte gerne ihrem Wunsch nach Abstraktion nachkommen und ihnen aber auch zugleich widersprechen: Es wird nie einfach sein.

„Es gibt Opfer von sexuellen Belästigungen und Übergriffen beiderlei Geschlechts, ebenso sind die Täter und Täterinnen bei beiden Geschlechter zu finden und sie richten ihre sexuelle Energie darauf in Machtzusammenhängen zu dominieren.“

Soweit meine abstrakte Sicht auf den Themenkreis.

Das jemand wie Christoph die Debatte am liebsten ganz wegwischen möchte, kann man vernachlässigen. Das aber hier jemand versucht den Übergriff auf Eidinger zu relativieren, ja ihm sogar Eigenschuld zuweisen möchte, weil er jemanden spielt, der von der russisch orthodoxen Kirche heilig gesprochen wurde, ist ein Klassiker, den Frauen auch kennen und deshalb nicht minder absurd. - Nur soviel, Katharina die Große würde wahrscheinlich schon deshalb nie heilig gesprochen werden, weil sie Deutsche war und keine Russin.
SZ zu #MeToo: Verleumdung
Der einzige, der hier den Übergriff auf Lars Edinger relativiert, sind ja wohl Sie selbst. Denn soweit ich weiß, handelte es sich nicht um einen sexuellen Übergriff und auch nicht um eine direkte sexuelle Belästigung, sondern um eine öffentliche Verleumdung Lars Eidingers als Schauspieler und Künstler, die ihm Angst machte, weil sie zudem in einem bedrohlichen Gestus ausgeführt wurde. Und sich zeitnah anschloss an eine zuvor gemachte Angsterfahrung, als mämlich durch eine gefakte Nachricht seine Solidarität als Gefühl und seine persönliche Eigenschaft zum bereitwillig öffentlichen, politisch motiverten Bekenntnis missbraucht wurde.
Und das sind keine sexuellen Übergriffe, sondern gezielte öffentliche Schmähungen von Gesinnung und Äußerungen von Gesinnung ohne Rücksichtnahme darauf, ob diese Äußerungen in einem künstlerischen Kontext getägigt wurden oder nicht.
Weshalb es natürlich auch allgemein Schmähungen der künstlerischen Freiheit sind.

Und trotzdem ist es so: Jemand, dem eine Heiligsprechung heilig ist, kann eine Verfilmung eines Heiligenlebens überhaupt und dann die Figurenanlage insbesondere eben auch als Schmähung begreifen. Und das kann durchaus Hass auslösen, weil es öffentlich wirksame Ablehnung von eigenen religiösen Empfindungen durch Ignoranz bedeutet. Es muss nicht Hass auslösen, aber es kann...

Das kann man respektieren und die Finger davon lassen oder gar nicht vorab bedenken, weil es sich schließlich nur um einen Film und eine Filmfigur handelt. Oder man kann aus politischem Kalkül darüber hinwegsehen, weil man politisch kalkuliert jemanden eines Besseren über Menschlichkeit von ihm Heiligen belehren will. Gesichert via Film belehren will, weil man da auch im Belehrungsstatus die Immunität der Kunstfreiheit genießt, was dann ideologisches Handeln ist.

Und nur der Lars Eidinger wird wissen, was davon gänzlich oder anteilig der Fall bei ihm war bei der Übernahme und Gestaltung dieser Rolle. Und wenn er sich beleidigt fühlt, oder irgendetwas ihn an meinen Ausführungen empört, dann kann er mich das sehr gern wissen lassen und dann versuch ich es ihm persönlich zu erörtern, wie ich was meine, von dem was ich da geschrieben habe. Und ich erklär ihm dann auch, wie ich das mit den Bildern meine, die für seine Verleumdung und Verunglimpfung benutzt wurden. Die zu diesem Zweck im Falle der einen Künstlerin nicht ohne Fälschung aus dem künstlerischen Zusammenhang herauszulösen waren und in seinem Fall schon. Ich bin überzeugt davon, es würde ein interessantes und beidseits ergiebiges und von großem Wohlwollen geprägtes Gespräch werden.

Und ansonsten ist das im Moment beim derzeitigen Stand der digitalen Technik und Kommunikationsmittel so: Wer einen - aus welchem Grund immer - diffamieren oder verleugnen WILL, der schafft das auch.
Mit Kunst und ohne.
Es ist deshalb gut, wenn man das - auch als KünstlerIn - sehrsehr genau weiß.
SZ zu #MeToo: Dimension Machtmissbrauch
Darf ich konkret werden?

1)Person 1 und Person 2 sind Kollegen auf derselben Hierachiestufe. Person 1 greift Person 2 am Arbeitsplatz an primäres oder sekundäres Geschlechtsmerkmal. Dieser Vorfall ist sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz. Kann aber genauso gut - und je nach der Fähigkeit der Beteiligten zur Deutung/Aussendung der vorangegangene Zeichensprache der Erotik - zu einer Ohrfeige, zu einer Affäre, zur Gründung einer Kleinfamilie oder zu einem Verfahren vor dem Gericht führen.

Diese Fälle sind nicht mit #metoo gemeint.

2,)
Person 1 vergibt Stellen oder Verträge in einem Kunst-Produktions-Betrieb.
Person 2 sucht Stellen oder Aufträge in einem Kunst-Produktionsbetrieb.
Person 1 nutzt ihre Position in Vertragsverhandlungen, indem sie die Zurverfügungstellung von sexuellen Angeboten von Person 2 als notwendige Bedingung erscheinen lässt, um an Stellen oder Aufträgen in ihrem Betrieb zu erhalten.
Da muss Person1 nicht mal direkt an die primären oder sekundären Geschlechtsmerkmale fassen. Da reicht ein Satz, der Person 2 klar machen soll, dass es hier nicht um sie als Künstler geht. Es handelt sich um Machtmissbrauch in Kombination mit sexueller Belästigung.
Das sind die #metoo Fälle.

Ich hoffe ich habe beide Geschlechter ausreichend gewürdigt. Aber ich denke trotzdem, dass Fall 2 häufiger Frauen passiert.
SZ zu #MeToo: zu Abramovic
zu Abramovic: es gab Bildmontagen, ja. Es gibt aber reichlich Originalbilder aus Vorstellungen/Performances die die Künstlerin mit Knochen/Blut (z.B. "Balkan Baroque), in unzähigen Arbeiten selber nackt oder mit anderen nackten Menschen zeigt. Diese Bilder wurden in der Hetzkampagne auch verwendet. Die von WikiLeaks veröffentlichte Podesta Email war eine Einladung zu einer sogenannten "Spirit Cooking" Dinner Party (was gleich auch zur Verbildung spricht.)
SZ zu #MeToo: Klarsicht
#Fallbeispiele:
Danke für diese Klarsicht und exakte Beschreibung ohne jeden Überfluss!- Hoffen wir, es liest sie kein Verfassungrichter, dann wird da sofort ein neues Gesetz debattiert, wo das in dieser Klarheit zu verwirrend unklaren Rechts-Sprechungen führte, und dazu, dass noch weniger Leute ihr eigenes Gewissen befragen, weil das das verfasste Gesetz schon klären wird...

Zum Beispiel Eidinger, "martin baucks" und "unangenehme Wahrheit":
Ich denke, da hat jemand gemeint, dass es ihm sehr leidtut, dass dieser Schauspieler diese unangenehme Wahrheit, dass, wenn es jemand darauf anlegt, jemanden diffamieren zu wollen - gleich ob aus persönlichen oder politischen Gründen - das heute unter den Bedingungen der weit reichenden Streuung manipulierter Bilder oder Texte auch schafft, plötzlich wie mit einem Holzhammer übergeholfen bekommen hat.
Das ist das Ende einer für SchauspielerInnen vielleicht auch sehr wichtigen politischen Naivität. Ich kann mir vorstellen, dass man KünstlerInnen von Herzen ein Hineinwachsen in ihre - auch politische - Rolle wünscht und nicht diesen Hammer.
Ich jedenfalls tue es.

Im Unterschied zu ihm ist das bei Abramovic seit Jahrzehnten selbstbestimmt sich verschärfendes Konzept. Deshalb ist auch hier der Vergleich nicht sinnvoll gegeben.

#29: Man kann Originalbilder(Texte), wenn man sie in Zusammenhang mit montierten Bildern stellt, sogar besonders gut nutzen zur Diffamierung oder Verleumdung benutzen.
Weil die öffentlich wiedergegebenen Original-Anteile und die Montagen als beidseitig wirksame Kommentare zur Manipulation der Wahrnehmenden benutzt werden können. UND weil die Vermischung von Original und Fälschung die Fälschung als vorgetäuschtes Original sogar effizient beglaubigt durch eine herbeizitierte nachprüfbare Authentizität.
Auch das hat man bei Eidinger getan. Nur, dass hier eine originale Reaktion (textliche) auf eine gefälschte Nachtricht vermischt wurde mit ausgesuchten, originalen älteren Bildern um diese zu beglaubigen.
Irgendwem lag daran, ihn öffentlich nicht nur als persönlich pervers zu diffamieren, sondern auch noch als politischen Idioten und das heißt besonders in Deutschland heute: als künstlerische Null. Das ist ein schlimmes Erlebnis für ihn. Ich habe ähnliches erlebt und kann mir deshalb vorstellen, dass ihn das sehr getroffen haben könnte.
Ich wünsch ihm und auch seiner Familie, dass er mit Hilfe von KollegInnen und FreundInnen das so schnell als möglich gut verwindet.
SZ zu #MeToo: mehrheitlich Frauen?
@27

Bei Lars Eidinger handelt es sich eindeutig um eine öffentliche, verbale sexuelle Belästigung in Zusammenhang mit indirekter Gewaltandrohung, die ihn daran hindern soll seine beruflichen Chancen in Russland wahrzunehmen. Zur sexuellen Belästigung gehören nicht nur physische Handlungen, sondern auch Bemerkungen, die eindeutig auf das Geschlecht des Betroffenen abzielen, ihn herabwürdigen und ein bestehendes Machtverhältnis zu einem Untergebenen aufrechterhalten sollen.

In diesem Fall ist Lars Eidinger zwar nicht direkter Untergebener der Duma Abgeordneten, aber die Person nutzt ihre politische Macht, um ihn an seinem beruflichen Fortkommen in ihrem Land aktiv zu hindern.

Würde Sibel Kekilli in einem ähnlichen Fall am Besuch ihrer Filmpremiere von einem türkischen Abgeordneten gehindert, wäre die Sachlage aus feministischer Sicht eindeutig.

Es geht abstrakt betrachtet darum, die überholte feministische These „Männer seien nicht missbrauchbar und jeder sexuelle Kontakt für sie positiv.“ außer Kraft zu setzen. Vor allem der Punkt, den diese These auch einschließt „Männliche Sexualität sei an sich etwas Unanständiges und müsse von weiblicher Seite her kontrolliert und eingegrenzt werden.“ ist in diesem Zusammenhang ebenfalls zu entkräften.

Auf Grund einer anal erotischen Szene innerhalb einer Rolle, die Ehrenhaftigkeit von Lars Eidinger in seinem Beruf, aber auch als Privatperson anzuzweifeln, ist unprofessionell und juristisch bedeutungslos.

Was die Zahlen betrifft. In einer amerikanischen Studie geben zwei Drittel aller Männer an unfreiwilligen Sex gehabt zu haben. 79% der Taten fallen hierbei auf weibliche Täterinnen. Hierzu folgender Artikel:

https://broadly.vice.com/de/article/kze8qn/the-hidden-epidemic-of-men-who-are-raped-by-women-591ee0f202f2e0da2ef69668

Dies nur als Anmerkung zu der Behauptung vom Fallbeispiel 2 seien mehrheitlich Frauen betroffen. - Es ist in unserer Gesellschaft völlig üblich geworden Männer mit Bemerkungen herabzusetzen, die sich eindeutig nur auf ihr Geschlecht beziehen. Die Beispiele sind unzählig. Und dies geschieht auch im Arbeitsalltag. Jede Frau in einer führenden Position kann (ähnlich dieser Duma-Abgeordneten) ihre obengenannten feministischen Positionen oder andere männerfeindliche Haltungen negativ gegen untergebene Männer einbringen und dies geschieht auch unleugbar. Das es hierzu in der BRD keine Befragungen gibt, beziehungsweise, dass solche Befragungen, wie sie das Robert Koch Institut längst durchgeführt hat, sofort angezweifelt und angegriffen werden, begründet sich in der falschen feministischen Behauptungen Männer seien nicht missbrauchbar und Frauen zu solchen Taten gar nicht fähig.
SZ zu #MeToo: in Aktion verwandelt
@ DR - Danke! Freut mich, dass das nachvollziehbar war.

Für mich persönlich das genialste Beispiel, wo Macht-Missbrauchs in Kombination mit sexueller Belästigung umgekehrt und direkt in Kunst umgewandelt wurde ist ja VALIE Exports "Tapp- und Tastkino".

Die Frau/Künstlerin ermächtigt das Männer/Publikum zum Anfassen ihrer sekundären Geschlechtsmerkmale (Brüste) im Rahmen des verdunkelten Kino-Räumchens und unter kontrollierten Bedingungen (wenige Sekunden mit der Stoppuhr gemessen). Und sie filmt die Reaktionen der Probanden auf dieses Angebot. Hatten die damaligen Mitspieler eigentlich schon eine Männer-Opfer-Lobby hinter sich, die den Missbrauch als Mitspieler/Publikum beklagt haben?

Insofern ist es eher tragisch, dass die (darstellenden) Künstlerinnen weitgehend nur mit einem #metoo-Chor von ihrem geknechteten Künstlerinnen Dasein berichten können, aber nicht in der Lage sind diese Situation in Aktion zu verwandeln, so wie es die feministischen bildenden Künstlerinnen schon vor einem halben Jahrhundert geschafft haben.

Und jetzt können wir wieder zur Struktur- und Quoten-Debatte überleiten. Was war zuerst da, die Henne oder das Ei.
SZ zu #MeToo: feministische Perspektiven
@31
Feminismus ist kein Aufruf zur Vorherrschaft der Frau. Ja, es gibt militante Misandrie- die wurde übrigens immer schon besprochen. Genauso kann doch ein Antikapitalist morden, oder sich eben realpolitisch/diskursiv engagieren. Wird Ihrer Meinung nach jede politische Denkrichtung durch militante Vertreter entwertet?

Zu allen Themenbereichen gibt es (erfolgreich implementierte) feministische Perspektiven: Politik, Wirtschaft, Technik, (Kolonial-)geschichte, Ökologie, Bildung, Kultur; und nein, es geht nicht nur um die Frauenquote. Jedwede Machtstruktur (auch ganz unabhängig des Gender-Dualismus), Kommunikations-/ Netzwerktheorien.. Alles wird (kritisch) hinterfragt, nichts ist verboten.

@20 Nicht-Erotik sei Erotik; Übergriffe sind angebliche Übergriffe; Eine die Privatsphäre betreffende Ansicht als „Wahrheit“ erschauen:
Ironischerweise beinhaltet #Metoo eine Sensibilisierung für die Tatsache, daß die eigene Meinung nicht notwendigerweise die Meinung des anderen ist.
Könnte man auch ein demokratisches Grundprinzip nennen.
SZ zu #MeToo: Trittbrett
@33

Es ist nur schwer nachvollziehbar, wie sie jetzt auf diesen Allgemeinplatz verfallen konnten und ich hege keinen Zweifel daran, dass jede Ideologie glaubt Antworten für alle Lebensbereiche bereit zu halten, und ich wüsste auch nicht, wo ich dies bestritten haben sollte. Auch fürchte ich keine Vorherrschaft eines Geschlechtes, es ging lediglich darum einen Artikel der SZ kritisch in dem Sinne zu kommentieren, dass er wiederum nur feministisch verwertbare, vermeintliche Beispiele aufzählt und alle anderen Blickwinkel außen vorlässt. Zu dem benennt er nur folgenlose Fälle, im Gegensatz zu dem Fall Weinstein, und er ist in dem Sinne natürlich ein Trittbrettartikel.
SZ zu #MeToo: zwei Wahrheiten
Ich weiß zwar nicht, worauf Sie sich mit Ihrer Ansprache bei meinem Kommentar beziehen, aber: Wenn Erotik sexuelle Ausstrahlung ist und Sexualität menschenimmanent ist, gibt es eigentlich keine Nicht-Erotik.
Es kann eine offensivere oder zurückhaltende bis bewusst oder unbewusst unterdrückte Ausstrahlung geben, aber nicht keine.
Das ist keine Ansicht über Privatsphäre, sondern eine über Psychologie allgemein. Und die ist selbstverständlich nicht zwangsläufig die Meinung auch eines andern zur Psychologie des Menschen. Meine aber schon. Und ich denke, ich befinde mich da mit dieser Meinung auch nicht in der schlechtesten Gesellschaft von Leuten, die diese Meinung teilen konnten/können. Wenn Sie die nicht teilen, kann ich das vollkommen lässig auch so stehenlassen. Ganz ohne #metoo und sogar ohne demokratisches oder sonstiges staatstragendes Grundprinzip. Ich hab meine Wahrheit, Sie Ihre. Das ist ganz einfach.
SZ zu #MeToo: überholte feministische These
@34
Wir haben beide thematische Ausschweifungen im Zuge dieses Threads zu verbuchen; Da Sie in Ihren Kommentaren gerne so Formulierungen einstreuen wie: „Mann“ muss sich positionieren/ es wird kein Widerspruch geduldet, Hildegard Lächert (...) ist kein feministisches Thema; eine überholte feministische These (...) ausser Kraft setzen; "Männer seien nicht missbrauchbar und jeder sexuelle Kontakt für sie positiv" als feministische These behaupten...

Das war der Grund für meinen Kommentar. Aber schön, daß wir wieder vom SZ Artikel bzw #Metoo sprechen.
SZ zu #MeToo: weibliche Sexualstraftäterinnen auf dem Theater?
Sehr geehrtes Undsoweiter,

ich kann mein Umdenken in Fragen über die feministische Ideologie genau datieren, nämlich auf den Tag, wo die Bilder über Abu Ghraib veröffentlicht wurden. Als ich sah, wie die amerikanische Soldatin Lynndie England in eindeutigen Posen zur Vergewaltigung von muslimischen Männern aufforderte, sie, als Machtmissbrauchende, Schutzbefohlene gewalttätig sexuell bedrohte, wie man es ansonsten nur aus deutschen Konzentrationslagern kannte, da änderte sich mein gesamtes Denken, vor allem, als mir bewusst wurde, dass die Verantwortliche für diese Vorgänge ein amerikanischer, weiblicher General mit dem Namen Janis Karpinski war.

Bis heute sind die Vergewaltigungen an diesen Männern, man soll sie zur oralen Befriedigung gezwungen haben, nicht öffentlich geklärt. Männer, die einfach nur zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort waren und nachweislich vollkommen unschuldig in dies Gefängnis gerieten und zum Teil nach fünfundvierzig Minuten ermordet waren.

Dies ist keine thematische Ausschweifung, wie sie es nennen, es war ein Wendepunkt in der Geschichte und sie sollten das anerkennen.

Über Valie Export zu reden ist eine Sache, obschon ihre Aktionshose/Genitale Panik eindeutig ein Übergriff auf Männer war, denn wenn Männer Pornographie auf einer Projektionsfläche ebenso konsumieren wie viele Frauen, in welcher Form auch immer (gerade heute, wo es eine Sex positiv Bewegung gibt), heißt dies noch lange nicht, dass sich jede Frau mit entblößter Vagina über sie beugen und sie nötigen darf, ihre primären Sexualorgane zu berühren. Auch während dem Konsum von Pornographie dürfen Männer wie Frauen frei entscheiden, wen sie an ihren Genitalien berühren oder nicht. Und auch diese Einlassung ist keine Ausschweifung. Es zeigt nur, wie breit das Spektrum mittlerweile aufgestellt ist. Zudem, die Rekonstruktion von Marina Abramovic in der Moma, ich glaube es war 2006, fiel dementsprechend unspektakulär aus. Die Vagina heute in einem Kunstwerk mit einem Maschinengewehr zu assoziieren, erzeugte eher Ratlosigkeit. Die ewig beigemengte Militanz bei Aktionskunstwerken der Sechziger ist eben arg überholt und fragwürdig.

Und so bleibt eben am Ende all dieser Diskurse die Frage, wie die feministische Ideologie die männlichen Opfer von sexuellen Gewalttaten durch Frauen einzuordnen vermag.

Und natürlich muss ich noch erwähnen, dass ich damals, zu Zeiten von Abu Ghraib, an einem Stück zu dem Thema weibliche, sexuelle Gewalttaten arbeitete, was dazu führte, dass eine weibliche Lektorin vom Fischerverlag jede Zusammenarbeit mit mir sofort, ohne weitere inhaltliche Begründung aufkündigte. Und hier kommen wir zu dem eigentlich entscheidenden Punkt für das Theater: Darf man an diesem Ort der Hochkultur weibliche Sexualstraftäterinnen abbilden? Ja oder Nein?! Oder werden dort alle Geschichten und Diskurse an einer feministischen Linie lang erzählt, performt und dargestellt und von der Kritik dementsprechend gestützt?
SZ zu #MeToo: Theater darf alles abbilden
#37 Lieber Martin Baucks,

ehrlich gesagt kenne ich alle diese Fälle, die Sie beschreiben nicht. Sie sind an meiner Wahrnehmung einst als Nachrichten-Floskeln vorbeigerauscht, ohne dass sie mich nennenswert interessieren konnten als spezifische, sich von anderer Gewalt gegen anders DenkendeFühlendeGlaubende unterscheidende. Eines weiß ich aber ganz sicher: Mich hätte ein Stück zu diesem Thema extrem interessiert, weil es eine NEUE und AUSSERGEWÖHNLICHE Sicht auf Auswüchse von Machtanwendung und Gewalt gewesen ist. Bis heute, wie wir gerade hier bemerken, ist es eine AUSSERGEWÖHNLICHE Sicht. Ob das Stück meinen Ansprüchen an Literatur im Genre der Dramatik genügt hätte, ist dann die zweite Sache. Bei dem, was ich von Ihnen bisher gelesen habe –das war nicht viel – könnte ich mir aber vorstellen, dass es diesen Ansprüchen weitgehend entsprochen haben könnte.

Ich würde deshalb aus heutiger Sicht folgendes zu dem von Ihnen beschriebenen Vorgang sagen:
1.
Man darf nicht nur, sondern man sollte an einem Ort wie Theater alles abbilden dürfen, was Menschen an selbst gemachter Erfahrung nicht anders als durch Dramatik als literarischem Genre auszudrücken vermögen. Und zwar unabhängig davon, ob das gerade in die In-Diskurse oder In-Formen passt oder nicht.

2.
Seien Sie bitte nicht traurig, wenn die Lektorin eines namhaften Verlages, mit dem Sie längere Zeit zusammengearbeitet haben, Ihnen die Zusammenarbeit unbegründet aufgekündigt hat: Was bitte soll man als DramatikerIn mit Lektoren/Innen und (Theater)Verlagen anfangen, die nicht zu einem stehen, obwohl sie die Gelegenheit hatten, einen doch über längere Zeit näher kennenzulernen? Und was vor allem wollen Sie bitte mit einer für Sie zuständigen Lektorin, die es für überflüssig hält, ihre Entscheidung fachlich zu begründen, wenn es einmal einen Dissens gibt? Wenn sie das nicht einmal in dem Kündigungsfall konnte, wie hat sie denn dann ihre ehemaligen Fürsprachen für Ihre Stücke vor Theatern überhaupt hinreichend begründen können?

3.
Zur Kritik: Jein. Kritiker sind nicht unabhängig von den oft ideologisch geprägten Leitlinien der Medien für die sie arbeiten. Und vielleicht durch ihre beruflich bedingte extreme NeuesteNachrichten-Nähe auch oft gefangen in Mode-Diskursen. Man sieht es zum Beispiel gerade an diesem #MeToo -Diskurs, den wir hier in Deutschland gerade mehr als Mode– in Ermangelung von solchen Harveys, denn als staatspolitisch relevantes Problem fleißig mit bedienen durch unsere ausufernden Einsprüche. Die Frage, die wirklich wichtige, ist – jedenfalls für mich: WARUM brauchen wir hier gerade einen weniger relevanten Diskurs als einen ökonomiesystemischen? WEM nützt die Ersatz-Relevanz dieses Diskurses? WEM nützen Ersatz-Revolutionen?

Falls ich einmal Lektorin sein sollte oder Intendantin, weil irgendwem absurderweise einfiele, dass ich eine gute für seine Einrichtung sein könnte und mich deshalb in sie beriefe (und kämpfen werde ich um solchen Einfall nicht): Schicken Sie mir bitte das Stück zur Prüfung. Ich werde es mit Interesse lesen, mit all meinem Wissen und Können prüfen, darüber entscheiden und Ihnen meine Entscheidung, wie immer sie ausfallen sollte, ausführlich und am Text und an der inner- wie außerbetrieblichen Kulturpolitik entlang konkret begründen. Und es wird mir vollkommen egal sein, ob dann ein Aufschrei durch die Konkurrenzunternehmen ginge: DAFÜR haben wir nicht genug Ressourcen!!!. Ressourcen die notwendig und nicht da sind, kann man untersuchen danach, wo sie sich eventuell schamvoll verborgen haben oder muss sie eben schaffen.

MfG d.o.
SZ zu #MeToo: Gewalt gegen Frauen nicht relativieren
#37 Sehr geehrter Herr Baucks,
was wollen Sie eigentlich noch ausgraben, um zu beweisen, dass Frauen genauso gewalttätig sein können wie Männer? Von der #MeToo-Debatte sind wir über russische Politikerinnen, österreichische und serbische Aktionskünstlerinnen nun in Abu Ghraib angekommen. Und ja, auch in deutschen KZs hat weibliches Wachpersonal Schreckliches getan. Wir kennen es zumeist aus Filmen und Büchern. Krieg ist grausam, das wird keiner leugnen wollen. Verrohung und Herrenmenschenattitüden können auch weibliche Soldaten erfassen. Dazu braucht es nicht Ihre Beispiele, um das zu wissen. Wer Hannah Arendt oder Berichte von Überlebenden gelesen hat, kann sich eine ungefähre Vorstellung machen. Dennoch finde ich es langsam unerträglich wie sie diese Beispiele vor sich hertragen, um sexuelle Gewalt an Frauen, um die es hier nun ja leider mal geht, zu relativieren. Rechnen Sie doch bitte mal die weiblichen Opfer von Zwangssterilisationen und Massenvergewaltigungen in Kriegsgebieten gegen männliche auf. Und danach können wir dann gerne wieder zum eigentlichen Thema kommen. Herr Baucks, haben Sie es auch ein bisschen kleiner?
SZ zu #MeToo: keine Relativierung
Herr Bock, sie können gerne aufrechnen, ich werde es nicht tun. Ebenso relativiert die eine Gewalttat nicht die andere und nächste, und schon gar nicht trage ich etwas vor mir her. Es tut mir leid, wenn ihr Weltbild empfindlich und unerträglich durch die Realität gestört wird, aber, wenn sie genauer hinschauen würden, würden sie wissen, dass es mir darum geht, wie man eine neue, stabilere Solidarität mit allen Opfern aufbauen kann, eine Solidarität, welche nicht vom Störfeuer des kalten Krieges zwischen den Geschlechtern erodiert wird. Diese Vorstellung ist das absolute Gegenteil von Relativierung.
SZ zu #MeToo: Stromverschnellung
@37
Mein Punkt -den ich müde werde zu wiederholen- ist, daß es „DIE“ feministische Ideologie nicht gibt. Jeder der sich mit dem Thema nur etwas ernsthafter -meinetwegen unabhängig der Popularmedien- beschäftigt weiss das auch.
Sie schreiben die Geschehnisse in Abu Ghraib haben Sie zum Umdenken bewegt. Ich frage mich welches einseitige Bild Sie zuvor hatten, und warum Sie nun, ebenso einseitig, in die andere Richtung ausscheren. Das ist Ihre ganz eigene selektive Wahrnehmung, AkademikerInnen wird es nicht beeinflussen.

Sie schiessen sich selbst ins Bein wenn Sie einerseits Statistiken vorlegen die Ihre Argumentation stützen sollen, und andererseits unwillig sind sich mit gegenteiligen Statistiken zu beschäftigen.
Sie schreiben „eine Gewalttat relativiert die andere nicht“, hängen sich aber so an Ihren Beispielen auf, daß Sie sich noch nicht einmal zu den weiblichen Klägerinnen geäussert haben. Sie entwerten die Aussagen zu beruflichem Alltagssexismus in Deutschland mit extremen (sicherlich realen) Einzelbeispielen, und schrecken auch vor dem Holocaust nicht zurück. So kann man jede Diskussion zynisch enden.
Beispielhaft finde ich auch Ihre Anmerkung zu Abramovic. Sie stellen die Qualität und den Inhalt einer Arbeit in Frage, was gar nicht der Einwurf war, sondern die Diffamierung ihrer Person in 2016, die -entgegen Ihrer Ansicht- nicht „feministisch“ verwertet wurde.

Niemand hindert Sie daran Ihr Stück zu schreiben. Der Tiefe Ihrer Figuren zuliebe würde ich mir wünschen, daß Sie sich objektiver mit Geschichte befassen würden. Sie haben lustigerweise damit Recht, daß es zu wenig Theaterstücke/Filme gibt die komplexe Frauen zeigen. Es reicht nicht, Männer in Kleider zu stecken oder Caligula von einer Frau spielen zu lassen. Ironischerweise ein feministisches Thema. (Vieles wird aktuell in kleineren Produktionen erarbeitet.)

Die Darstellung von Weiblichkeit (in den Medien, auf der Bühne etc) beeinflusst unser Verhalten, und Vielfalt ist wünschenswert. Ich habe den Eindruck dass dies der stark zusammengekürzte Inhalt Ihres Anliegens ist.
Die Vervielfältigung der Darstellung von Weiblichkeit alleine löst #Metoo leider nicht. Deswegen sollten Sie das eine nicht mit dem anderen verwechseln. Es geht um strukturelle Themen, rechtliche, politische. In der bildenden Kunst z.B. mag es selbstbestimmt daher kommen, aber auch dort wütet die Diskussion und hat bereits personelle Konsequenzen nach sich gezogen.

Was mich zu @38 bringt: Judith Butler hat sich neulich in Zürich ähnlich geäussert, vielleicht bezogen Sie sich darauf. Ihre Argumentation war, daß die Abruptheit der Vorfälle seit Weinstein eine Gegenreaktion zu Trump ist, und zu einem dominanten negativen gesellschaftlichen Wandel. Sie ging sogar weiter und bezeichnete #Metoo als Eingeständnis einer Niederlage. (Ich habe den Originaltext der Ansprache nicht gelesen.)
Persönlich sehe ich den Zusammenhang, beurteile es aber nicht als Niederlage, sondern als Stromverschnellung. Ob es zu einer politischen Revolution kommt oder nicht, wer kann das schon sagen. Wenn es erstmal im Arbeitsleben zu mehr Mitsprache und Respekt untereinander führt hören Sie mich nicht klagen.
SZ zu #MeToo: respektvoll
@Nein, ich bezog mich nicht auf Butler. Wenn ich mich auf sie bezogen hätte, so hätte ich das kenntlich gemacht. Auch ich würde nicht jeden aktuellen Diskurs als Spiegelbild einer Niederlage vor dem Gesellschaftsphänomen sehen, das den Diskurs hervorgebracht hat, wenn gleich dies durch den Einfluss der Medien häufig der Fall sein kann. Bei genau diesem Diskurs, ist es mir volkommen gleichgültig, ob er spontaner Ausdruck einer Niederlage gegen die Veränderungen in Amerika ist. Weil es für mich eine Art Augenwischerei - auch der maerikanischen Linken - scheint, Trump als personifizierten Ersatz zu nehmen für gesellschaftliche inumane Entwicklungen, die durch aus keine Überraschung sind. ebenso wenig wie die nationalistischen Entweicklungen in zunehmend mehr europäischen Nationalstaaten für Intellektuelle ein Überraschung sein dürften, die jetzt urplötzlich Wahlsiegeszüge wie zum Beispiel den der AfD in Deutschland zur Folge haben. Letztlich ist es erst dann in Ordnung mit uns, wenn wir keine #MeToo-Action benötigen, nur um respektvoll miteinander umzugehen und zu sprechen und wenn die zielführende Mitsprache eines anderen im Arbeitsleben eine Selbstverständlichkeit ist. Das ist auch keine politische Revolution, sondern einfach nur menschlicher Anstand. Wenn der sich in Stromschnellen besser allgemein herauszubilden vermag - nun gut.
SZ zu #MeToo: Schwierigkeiten
@41 Ich weiß nicht, was sie dazu bringt, so um sich zu schlagen, dass ist ihre Sache. - Ich sehe keinen Grund, warum die Gruppe der Opfer in der Metoo Debatte nicht auch die männlichen Opfer und weiblichen Täterinnen umfassen sollte. Ich habe Schwierigkeiten mit Menschen, welche die Realität nicht ins Auge fassen können, immerhin war das Theater auch mal als Erkenntniswerkzeug gedacht. Mein Denken hat sich ab einem bestimmten Moment einfach um ein paar Aspekte erweitert, die zuvor nicht richtig eingeordnet und gewürdigt wurden. Viele ihrer, sagen wir Vorhaltungen mir gegenüber sind einfach aus der Luft gegriffen, um weiter angreifen zu können. Verlassen Sie einfach diesen Modus.
SZ zu #MeToo: einbeziehen
Es ist wenig überraschend, daß Sie meine letzten Kommentare wahlweise unverständlich, schwierig oder aggressiv finden. Es handelt sich in großen Teilen um eine nüchterne Analyse Ihrer eigenen Argumentationskette, mit Zitaten aus Ihren Posts. Vielleicht lesen Sie sich in einer ruhigen Minute den gesamten Thread noch einmal durch, mit besonderem Augenmerk auf Ihre Antworten zu anderen Kommentatoren (besonders #13, #26, #40) die sich mittlerweile aus der Diskussion zurückgezogen haben. Das liegt nicht an Überempfindlichkeiten oder Realitätsferne, die Sie gerne bescheinigen.

Wenn Ihnen an Objektivität gelegen ist sollte es Ihnen ein Leichtes sein, andere Meinungen einzubeziehen anstatt sie zu verwerfen.
SZ zu #MeToo: bis zur Rechtswidrigkeit
In dem heute zum Thema erschienen Artikel unter https://www.heise.de/tp/features/Missachtung-rechtsstaatlicher-Grundsaetze-3892052.html mit dem Titel "Missachtung rechtsstaatlicher Grundsätze" geht der Autor auf ein Interview mit Christian Schertz, der klar sagt, was unter dem hashtag #Metoo passiere, sei "eindeutig rechtswidrig", auf http://www.deutschlandfunk.de/metoo-was-gerade-passiert-ist-eindeutig-rechtswidrig.2907.de.html?dram:article_id=400504 ein.

Auch werden den Bedenken von Herrn Baucks im telepois-Artikel angesprochen:

"Wie wichtig geregelte Verfahren sind, zeigte gestern ein Urteil des Amtsgericht Duisburg gegen eine 19-Jährige, die eine Vergewaltigung erfunden hatte, um einen "Seitensprung" zu vertuschen. Das ihre Behauptung nicht stimmte (wie die Angeklagte schließlich selbst zugab), hatten die Ermittler bei der Auswertung der Chat-Nachrichten zwischen ihr und dem von ihr Beschuldigten herausgefunden. "Der Fall Kachelmann", so die Jugendrichterin zu ihr, "sollte doch hinreichend deutlich gemacht haben, dass so etwas Leben zerstören kann". Ob die von der Richterin verhängten 50 Arbeitsstunden und das Wochenende Jugendarrest, zu dem die Angeklagte noch nicht rechtskräftig verurteilt wurde, auf potenzielle Falschbeschuldiger ausreichend abschreckend wirken, wird in Sozialen Medien bezweifelt."

Wie werden sich nachtkritik.de und Kommentarfunktionäre demnächst verhalten?
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