Presseschau vom 12. November 2017 – Die Welt stellt dem Hamburger Thalia Theater kein gutes Zeugnis aus
Wo sind die starken Handschriften?
Wo sind die starken Handschriften?
12. November 2017. In der Welt nimmt Stefan Grund die Vertragsverlängerung von Thalia-Intendant Joachim Lux zum Anlass, ein Ranking für die Hamburger Kulturszene zu erstellen. Und da sieht es nicht gut aus fürs Thalia Theater: Nach Elbphilharmonie, Staatsoper, Deutsches Schauspielhaus und Kampnagel landet es in Grunds Liste auf dem fünften und letzten Platz der großen kulturellen Einrichtungen.
Warum? Lux "war und ist politisch stets hoch motiviert, was aber in der künstlerischen Umsetzung oft bemüht wirkt", so Grund. Sein starkes Schauspielensemble nutze er "inzwischen viel zu selten für starkes Schauspielertheater". Momentan inszeniere "nur noch eine wirklich spannende Regisseurin am Alstertor, nämlich Jette Steckel". Michael Thalheimer etwa sei ans Schauspielhaus gewechselt, wo sich neben der Hausherrin Karin Beier auch die starken Handschriften von René Pollesch, Katie Mitchell und Frank Castorf fänden.
Stattdessen dürfe sich eine junge Regiegeneration auch im Großen Haus ausprobieren, die oft genug scheitere. "Dieses Prinzip als Erfolgsrezept zu beschreiben, erschließt sich nicht jedem Zuschauer."
(geka)
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Mit welchen vielversprechenden Künstlern also will Lux noch sage und schreibe bis ins Jahr 2024 hinein das Profil des Theaters schärfen? Mit den vom Senat geförderten und groß angekündigten Gastspielen aus dem europäischen Theaterbereich? Das Geld dafür hätte Brosda auch Kampnagel geben können. Dort stehen solche Gastspiele auf der Tagesordnung. Lux ist seit der Saison 2009/2010 am Haus und hatte genug Zeit, um das Theater zu einem Erfolg zu machen. Wenn ihm das bis jetzt nicht gelungen ist, schafft er es auch in den nächsten sieben Jahren nicht mehr.
Es gibt einen Grundsatz bei erfolgreichen Intendanten, mit dem u.a. Frank Baumbauer damals begründet hat, warum er nach sieben höchst erfolgreichen Jahren am Schaupielhaus (u.a. mehrmals "Theater des Jahres") sehr zum Leidwesen des Publikums und der Kulturszene nach München gegangen ist: Ein Intendant hat mit seinem künstlerischen Team nach sieben oder spätestens acht Jahren Intendanz an einem Haus nichts mehr zu erzählen, was nicht schon erzählt worden wäre.
Frank Castorf gefällt das.
(...)
Für so ein Konzept ist in der Stadt aber eigentlich Kampnagel zuständig, da hat Grund schon recht. Und seitdem Karin Beier das Schauspielhaus stabilisiert hat, läuft es halt nicht mehr so richtig am Alstertor. Und bis dieses tolle Ensemble auseinanderfliegt, ist wohl nur noch eine Frage der Zeit.
Dass Castorf eine große AUSNAHME in der Theaterlandschaft ist, wird wohl niemand bestreiten - und sicherlich gibt es noch weitere in der Person und Sache begründeten Ausnahmen von der erwähnten Regel, an die sich u.a. Baumbauer immer gehalten hat. Lux gehört meiner Ansicht nach nicht zu diesen Ausnahmen.
Ich hätte Lux für einen Neuanfang an einem anderen Haus alles Gute gewünscht. Bestimmt hätte er auch lieber eine neue Herausforderung angenommen und der ersten Intendanz in seiner Laufbahn noch eine weitere an einem anderen Theater in einer anderen Stadt hinzugefügt, statt bis ins Rentenalter am alles andere als üppig subventionierten Thalia Theater zu verharren. Da ihm der Senat im Sommer sogar mit der Förderung und Ausrichtung des Festivals "Theater der Welt" (für das sich Lux noch Kampnagel ins Boot geholt hatte) ein großes Geschenk gemacht hat, hätten sich andere Theater doch eigentlich um ihn reißen müssen.
Ich finde es schade, um nicht zu sagen traurig, dass die Kommentare, die sich für die erneute Verlängerung von Lux' Intendanz aussprechen so unsachlich, voller Unterstellungen und fast denunzierend sind. Wie wäre es denn mal mit Argumenten? Oder gibt es keine?
@11: Ich stimme Ihnen zu und zitiere mal aus dem Kampnagel-Newsletter vom 15. November: "Wir gratulieren Joachim „Luxy“ Lux zur langen Vertragsverlängerung und zu den zusätzlichen Mitteln für internationales Theater. Damit setzt sich die Kampnagel-Arbeit der vergangenen 30 Jahre endlich an den staatstragenden Theatern durch, außerdem ist das Thalia Theater als Teilnehmer des Kampnagel-Workshops "Theater der Welt 2017“ bestens für die Zukunft aufgestellt."
Was das tolle Ensemble angeht: Für viele der Schauapieler, die lange u.a. mit Perceval gearbeitet haben, liegen die Alternativen ja auf der Hand: Perceval geht nach Brüssel, Simons nach Bochum, Nicolas Stemann, der in den ersten Jahren während Lux' Intendanz mit seinen Inszenierungen für Erfolge gesorgt hatte, übernimmt zusammen mit Benjamin von Blomberg, ebenfalls ehemals Dramaturg am Thalia, das Schauspielhaus Zürich. Ganz nebenbei erwähnt: Stemann und Bloomberg waren schon bei Lux' sehr erfolgreichem Vorgänger Khuon engagiert, unter dessen Führung das Thalia 2003 und 2007 zum "Theater des Jahres" gekürt worden ist. Daran sieht man, was an dem Haus möglich wäre.
Ohnehin hat das Ensemble inzwischen Federn gelassen. Viele der ehemals fest engagierten Schauspieler wie Hochmair, Grawert, Lommatzsch, Kreibich sind nur noch als Gäste tätig.