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Vorwürfe gegen Intendanten Dieter Wedel
Eidesstattliche Erklärungen von beiden Seiten
4./5. Januar 2018. Drei Frauen erheben schwere Vorwürfe gegen den Regisseur, Drehbuchautor und Intendanten der Bad Hersfelder Festspiele Dieter Wedel. Davon berichtet eine Reportage im Zeit Magazin von Jana Simon und Annabel Wahba.
Die ehemalige Schauspielerin Jany Tempel, heute Drehbuchautorin und Regisseurin, beschuldigt Wedel sie 1996 sexuell genötigt zu haben. Die Unternehmerin Patricia Thielemann, auch ehemalige Schauspielerin, sowie eine ungenannt bleibende Dritte beschuldigen Wedel der versuchten Nötigung bzw. sexuellen Belästigung, 1991 bzw. 1995. In den Fällen von Tempel und Thielemann hätte Wedel sie zu Vorsprechen für Rollen in Fernsehproduktionen in Hotelzimmer gebeten.
Die Frauen haben eidesstattliche Erklärungen zu ihren Vorwürfen abgegeben. Dieter Wedel, der dem Zeit Magazin zufolge nicht für ein Interview zur Verfügung stand und dem Zeit Verlag eine Millionenklage androht, hat über seinen Anwalt – auch in Form einer eidesstattlichen Erklärung – Stellung zu den Vorwürfen genommen, die er abstreitet.
3Sat zufolge stellt sich der Bürgermeister von Bad Hersfeld hinter Wedel: "Ich habe keinen Anlass, an der Glaubwürdigkeit von Dieter Wedel zu zweifeln. Er genießt unser vollstes Vertrauen. Im Zusammenhang mit den gegen ihn erhobenen Vorwürfen fühle ich mich an eine Hexenjagd erinnert", wird Thomas Fehling (parteilos) zitiert.
Zeit online zitiert aus einem dpa-Bericht, in dem auch die Schauspielerin Elisabeth Lanz sich auf Wedels Seite positioniert: "Ich kann mir die beschriebenen Szenarien bei Herrn Wedel nicht vorstellen." Lanz spielte unter der Regie Wedels u.a. in seiner Bad Hersfelder Produktion "Hexenjagd" und sagt nun zur dpa: "Es riecht nach niedrigen Beweggründen, und ich empfinde Fremdscham und zutiefstes Unverständnis für diejenigen, die sich nach 25 Jahren mit solchen Geschichten wichtig machen müssen." Wedel habe die Fähigkeit, Menschen zu ganz außerordentlichen Leistungen zu bringen. "Dass dies nicht immer mit Spaß zu tun hat, versteht sich von selbst."
(Zeit / Deutschlandfunk Kultur / WDR / 3Sat / sd)
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Hatte Paulus Manker nicht vor kurzem Wedel so beschrieben: Er sei "ein bemitleidenswerter, alter Mann mit schlecht gefärbtem Haar...“
Und was bedeuten heute noch eidesstattliche Erklärungen?
Schon erstaunlich, die null-Reaktionen darauf hier bei nachtkritik...
wo es sonst über vieles doch hoch her geht, s. Dercon etc.
Daher besonderen Dank an Corinna Harfouch!
Mutig muss frau/mann schon sein in dieser Film/Theater Branche, auch wenn dafür Rollen & Sympathien flöten gehn.
Die männliche Macht im Schauspiel-Gewerbe
Dieter Wedel sieht Frauen, die als Schauspielerin arbeiten, einem deutlich größeren Druck ausgesetzt als Frauen in den meisten anderen Berufen. "Die sind nicht unter solch einem Druck, dass bestimmte Rollen nicht mehr gehen, wenn sie sie erst fünf Jahre später bekommen. Sie können die Julia aus "Romeo und Julia" nicht mehr mit 30 spielen. Und plötzlich ist da einer, und der kann Ihnen die Julia geben. Aber Sie müssen ein bisschen "lieb" sein. Furchtbar. Widerlich. Schrecklich. Aber das wird man nicht beseitigen, das glaub ich nicht."
Man könnte schon, wenn man wollte ... .
Was mich aber überrascht, ist, dass hier auf nachtkritik in diesem Zusammenhang keine Grundsatzdebatte geführt wird, wie das sonst bei so vielen Themen der Fall ist. Woran liegt das? Daran, dass es eine im Theater totgeschwiegene aber allgemein bekannte und vollständig akzeptierte Wahrheit ist, Macht auszuüben, auszunutzen - und auch zu missbrauchen? Und zwar beide Seiten der Macht? Dass es ebenso normal ist, sich Erfolg zu erkaufen - und zwar in jeglicher Hinsicht? Dass dafür Mittel stillschweigend gebilligt werden, die nicht nur in sexueller Hinsicht jenseits moralischer Werte und Übereinkünfte liegen?
All dies ist zwar vermutlich keine Eigenheit des Theaters sondern genau so auch in anderen Berufsfeldern zu finden - im Theater gilt aber die Besonderheit, dass man sich gerade hier doch immer wieder als moralisch-gesellschaftlich-politisch-philosophisch relevante Instanz sieht.
(Liebe(r) Bühneninstanz -
vermutlich sind Sie nicht der einzige, der Dieter Wedel und die Schauspielerinnen nicht kennt.
Aber kurz der Hinweis: Der Merkur veröffentlchte im Sommer einen Text von der Dramatikerin Darja Stocker über Sexismus während ihrer Zeit als Studentin am Studiengang Szenisches Schreiben der Berliner UdK. Der Text wurde auch bei uns debattiert. Anne Rabe schrieb daraufhin in einer Gegendarstellung über ihre Sicht der Dinge und Oliver Bukowski antwortete auf die Vorwürfe.
nachtkritik-Redaktion / sik)
Naja, das ist doch recht ungenau betrachtet. Es gab erst vor wenigen Tagen einen Bericht auf Nachtkritik über das Interview mit Maren Kroymann im Deutschlandfunk mit entsprechender Debatte :
https://www.nachtkritik.de/index.php?option=com_content&view=article&id=14838:presseschau-vom-7-januar-2018-maren-kroymann-im-deutschlandfunk-kultur-ueber-strukturellen-sexismus-im-film-und-theaterbetrieb-und-die-vorwuerfe-gegen-dieter-wedel&catid=242:presseschau&Itemid=62#comment-72161