Segen der Queerness

von Maximilian Pahl

Basel, 9. Januar 2018. "Je mehr Geld du hast", sagt der südafrikanische Choreograph Kieron Jina, "desto schwuler darfst du sein." Und je schwächer pigmentiert die Haut, desto ungefährlicher die Homosexualität, immer noch. Der Tänzer spricht solche Sätze inmitten einer Party, die dadurch keinesfalls abflaut – und die eine ganz kluge Performance ist: "Pink Mon€y" spielt sich in einem Nachtclub ab und so werden die Zuschauer als allererstes in einem Wartezimmer etwas verunsichert und eingereiht, bis Antje Schupp sie nacheinander durchwinkt.

PinkMoney2 560 SuzyBernstein uExzentrisch, verstörend, bedrückend, aber auch beglückend, dieses Club-Theater © Suzy Bernstein

Die in Basel lebende Theaterkünstlerin, zunehmend spezialisiert auf Interkulturelles, geleitet die Menschen in diesen Abend, der auf ihre Residenz in Südafrika zurückgeht und sich zur aufwendigen Kollektivarbeit auswuchs. Obwohl die Türpolitik keine Diskriminierung kennt, strömt gleich das erleichterte Geplauder der Eingelassenen durch den vernebelten, beschallten Saal, eine Bar ist mit beleuchteten Wellpappen verkleidet und man sucht sich einen Platz zwischen den kleinen Bühnen an jeder Seite. Warm empfangen wird man an dieser ausgelassen queeren Feier, eingeführt in manche Szenebegriffe, aber auch immer wieder kalt abgeduscht mit den Berichten von Gewalterfahrungen, von denen die Performer erzählen. Es ist ein ehrgeiziges Wechselbad, vielgestaltig wie die verhandelten Themen.

Voller Liebe und Stolz

"Rosa Geld" bezeichnet das Kapitalvolumen des LGBTI*-Tourismus, der queeren Geschäfte und Clubs, aber auch der entsprechenden Kampagnen und Spenden. In den USA wurde es 2015 auf 917 Milliarden Dollar geschätzt, was das Bruttoinlandsprodukt der Schweiz weit übersteigt. Darüber kann man sich zugleich freuen und ärgern. In Südafrika belebt und öffnet ein reger queerer Tourismus die Community. Kieron Jina schildert, wie ihn Weiße zu verführen versuchten: "Flash the cash" – mit den Scheinen wedeln und die weite Welt versprechen. Mit rosa Geld sei zudem in unsicheren Gegenden Sicherheit zu erwerben. Nächster Zwiespalt: Juristisch gesehen sind Homosexuelle und Heterosexuelle in Südafrika komplett gleichgestellt, schildert Schupp rasch in der nächsten Tanzpause – verglichen mit Europa fortschrittlich, nur fand die rechtliche Toleranz keinen Weg in die öffentliche Meinung. Das gräuliche Stichwort lautet "Korrekturvergewaltigung" von lesbischen Frauen. Zuletzt sei für Jina auch der queere Nachtclub nicht unumstritten: Einerseits eine sichere Zone der Entfaltung, zugleich aber manchmal eine Stätte von Gewalt und Hass im Kleinen.

Dagegen sind die Performer in diesem Club, an diesem Abend, voller Liebe und Stolz. DJane Mbali Mdluli steuert dazu euphorische Musik bei und ist außerdem für die Videocollagen verantwortlich. Mal zeigen diese gängige Szenen aus der globalen Clubkultur, mal die brutale Behandlung eines rohen Suppenhuhns. Bild und Ton reichen von exzentrisch über verstörend bis bedrückend. Was auch für die Musikerin und Schauspielerin Anelisa Stuurman alias Annalyzer gilt, deren Show alleine schon abendfüllend wäre. Als sie die Bar für sich reklamiert, erläutert sie verschiedene Begriffe für verschieden Typen von Lesben, die allesamt Entsprechungen in westlichen queeren Szenen haben. Jeder Typ bekommt eine Sorte Schnaps zugeordnet – und Annalyzer trinkt von jedem einen Becher. "Im Grunde genommen sind wir aber… einfach menschlich". Männer seien befremdet, weil sie so dasitze wie sie und genauso auf den Boden spucke. Dann fährt sie zweideutig fort: "Ich esse, was sie essen. Aber ich esse es besser. Und am Ende des Tages bin ich, was ich esse."

Solo mit Umschnalldildo

Mit eigens komponierten Liedern, traditionellen Lobgesängen, Afro-Trap und Billie Holiday wird "Pink Mon€y" auch zum Club-Konzert. Zu "Tomboy" von Princess Nokia tanzt Antje Schupp ein Solo mit einem Umschnalldildo. Und Kieron Jina spendiert einem Zuschauer einen Lapdance. Die Provokationen bleiben fein und die Verfremdungen im Detail, Annalyzer bemalt sich mit Leuchtfarben und tanzt und knutscht mit Schupp zu "I feel love" – bis die DJane Mdluli jäh erschossen wird. Mit Absperrband wird das Publikum geteilt und die Tote dann von Annalyzer gesegnet – eine traditionelle Ehrerbietung für eine queere Verstorbene wäre in den meisten Teilen Südafrikas wohl undenkbar.

PinkMoney1 560 SuzyBernstein uMit Lederhosen im Geldschein-Wirbel: Regisseurin und Performerin Antje Schupp © Suzy Bernstein

Ohne je gescheucht zu werden, bewegt sich das Publikum im Club umher und wird ungezwungen einbezogen. Plötzlich zischen und pfeifen die Performer*innen aus allen Winkeln lüsterne Anmachen und degradierende Bemerkungen. Gemeinsames Feiern der Individualität, gemeinsame Trauer und gemeinsamer Ekel vor Herabwürdigung – in dieser Performance liegt große Freude so nahe wie selten sonst an großer Betroffenheit. 

 

Pink Mon€y
Konzept: Antje Schupp und Team, Text: Antje Schupp, Kieron Jina, Mbali Mdluli, Anelisa Stuurman aka Annalyzer, Bühne: Djana Covic, Nico de Rooij, Kostüme: Marie Fricout, Sithembiso Mngadi, Musik: Mbali Mdluli, Anelisa Stuurman, Visuals: Mbali Mdluli.
Mit: Antje Schupp, Kieron Jina, Mbali Mdluli, Anelisa Stuurman aka Annalyzer.
Dauer: 1 Stunde 10 Minuten, keine Pause

www.kaserne-basel.ch

 

Kritikenrundschau

"Geprobt wurde in Basel und Johannesburg, wo die Arbeit bereits gezeigt wurde. Entstanden ist eine vielschichtige Performance, ein Abend mit wummerndem Bass, crazy Outfits, viel Haut und tiefen Küssen", schreibt Mathias Balzer in der bz Basel (11.1.2018). Man sei im Club, "für einmal ist es nicht bloss Konzept, dass das Publikum steht und Teil der Szenerie aus Bar, Tanzfläche, Bühnenelementen und DJ-Pult ist. Die von She-DJ Miz Buttons eingespielten Afro-Beats sorgen dafür, dass die Hüften die kommenden 70 Minuten nicht steif werden." Was folgt, sei klug und unterhaltend. "Eine Mischung aus Party, Vortrag, Video-Show, Theater und Konzert." Fazit: "Die Vielfalt der Formen spiegelt diejenige der Akteure. Das ist die Stärke der Inszenierung: Die Performer haben nicht versucht, unter einen Hut zu zwingen, was gar nicht dort hingehört."

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