Presseschau vom 10. Januar 2018 – In der Berliner Zeitung macht sich Petra Kohse Gedanken über die kunstfremden Vorgaben unserer Förderstrukturen und hat Verbesserungsvorschläge

Grundeinkommen statt Gießkanne

Grundeinkommen statt Gießkanne

10. Januar 2018. In der Berliner Zeitung (10.1.2018) macht Petra Kohse grundlegende "Anmerkungen zu den Vorgaben unserer Förderstrukturen", die z.B. von freischaffenden Künstler*innen ohne Budget einen gewissen "Eigenmittel"-Anteil und fast immer detaillierte Angaben zu den geplanten Projekten verlangen (künstlerische Absicht, Probentage, Honorare, Materialkosten, Werbung etc.). Man müsse sich, "um an öffentliches Geld ranzukommen, in Sachen Kameralistik und Antragskunde promovieren" und "so tun, als wüsste man schon im Detail, wie die Sache hinterher aussehen soll, als wäre Kunst kein Weg ins Ungefähre, keine Frage, auf die es nicht unbedingt eine Antwort gibt." Kein*e Kulturpolitiker*in habe "offenbar jemals versucht, die Kunstförderung aus dieser der Kunst widersprechenden Buchungslogik zu befreien."

Deshalb stellt Kohse zwei Fragen: 1.) Welche Impulse seien von Künstler*innen zu erwarten, "die ihr Leben nach den Antragsfristen der Fonds takten, ihre Arbeit nach den Moden der jeweiligen Förderinstitutionen ausrichten und sich in Buchhaltung zermürben, statt das zu tun, was sie möglicherweise können?" 2.) "Verträgt sich die Tatsache, dass die Alimentierung jedes einzelnen Projektes von einer Jury bewilligt werden muss und auch bei längerer Förderung die Arbeit kontinuierlich evaluiert wird, mit dem Grundsatz der Freiheit von Kunst? Existiert eine solche also nur ausgerechnet innerhalb der pauschal subventionierten Institutionen und also letztlich nur jeweils für die jeweilige Person dort an der Spitze?"

Dass der Berliner Kultursenator Klaus Lederer jüngst einen "Recherchefonds" aufgelegt hat, um Künstler*innen zu ermöglichen, sich finanziell abgesichert "Gedanken über neue Projekte machen oder Anträge schreiben", scheint für Kohse eher ein Tropfen auf den heißen Stein. Stattdessen schaut sie für ein Positivbeispiel nach Norwegen, wo das Arts Council u.a. 34 Millionen Euro pro Jahr in "projektunabhängige Stipendien" für Künstler*innen investiere, "die zwischen ein und zehn Jahren dauern können." Bedingung sei nur, "dass man in Norwegen leben muss und seine Arbeit bereits öffentlich gezeigt haben muss." Für Kohse gibt es kein schlagkräftiges Argument "gegen ein solches temporäres staatliches Gehalt (oder besser: bedingungsloses Grundeinkommen?)". Zudem falle ihr "kein ästhetischer Impuls ein, der in den letzten Jahren aus der Szene der gießkannenbewässerten Projekte entsprungen wäre und begründen würde, diese Form der Förderung als alleinige beizubehalten." Vorreiter sei die Freie Kunst-Szene in Sachen "Effizienz und Internationalität", künstlerische Experimente hingegen fänden "innerhalb der subventionierten Häuser statt".

(ape)

mehr medienschauen