Presseschau vom 3. Februar 2018 – Der Standard und die Süddeutsche Zeitung konfrontieren Matthias Hartmann mit den Vorwürfen die Mitarbeiter des Burgtheaters gegen ihn erheben

"Präpotenter, chauvinistischer Macho" zur Entschuldigung bereit

"Präpotenter, chauvinistischer Macho" zur Entschuldigung bereit

3. Februar 2018. Der Wiener Standard (2.2.2018, online 18 Uhr) und die Süddeutsche Zeitung (2.2.2018, online, 18:04 Uhr) berichten über den Offenen Brief der Burgtheater-Mitarbeiter und haben Matthias Hartmann zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen befragt.

Kein Einzelfall

Ausgelöst durch die #MeToo-Bewegung hätten sich "Ensemblemitglieder, Techniker, Mitarbeiter des kaufmännischen Personals und anderer Abteilungen" der Burg gemeinsam über "Gleichstellung, sexuelle Belästigung, Grenzüberschreitungen und Machtmissbrauch in Arbeitsverhältnissen" ausgetauscht, schreibt der Standard. Im Mittelpunkt habe dabei das "Klima" am Haus unter der Direktion von Matthias Hartmann gestanden. Hartmann war von 2009 bis 2014 Direktor des Burgtheaters, bis er im Zuge des Finanzskandals an der Burg vom damaligen Kulturminister Josef Ostermayer entlassen worden war.

Den Verfasser*innen gehe es mit ihrem Offenen Brief, der zuerst auf einer Ensembleversammlung (und nach Bekunden der Süddeutschen Zeitung mit Vertretern der SZ) diskutiert und bis Freitag von 60 Mitarbeiter*innen unterzeichnet worden sei, nicht um die persönliche Anklage ihres Ex-Chefs. Hartmann sei "kein Einzelfall". Viele Regisseure sähen "Machtmissbrauch, Demütigung und Herabwürdigung" als "probates Mittel" an, das sie mit dem "eigenen künstlerischen Genie" entschuldigten.

Hartmanns Antworten

Hartmann selber, der bei der Probenarbeit zu "Lazarus" am Düsseldorfer Schauspielhaus von den Journalisten des Standard und der Süddeutschen Zeitung zu den konkreten Vorwürfen befragt wurde, streitet in seinen Antwort-Mails nicht ab, seinen Choreographen als "Tanzneger" bezeichnet zu haben oder seine Frauen-Besetzung bei einer Elfriede Jelinek-Inszenierung mit der Frage konfrontiert zu haben, ob sie das Sperma beim Oralverkehr schlucken würden und ob das einer "kalorienbewussten Ernährung" widerspräche. Für den Regisseur seien das nur Witze gewesen, nicht etwa Ausdrücke einer rassistischen oder sexistischen Haltung. Auch der Behauptung, er habe homosexuelle Kollegen durch den Vortrag von Homosexuellen-Witze in Verlegenheit gebracht oder Techniker auf Proben wüst beschimpft, widerspricht er nicht. Im Theater gehe es nun einmal gelegentlich "ruppig" zu, falls aber Missverständnisse vorgekommen seien, werde er sich persönlich entschuldigen.

Die im Offenen Brief besonders akzentuiert vorgetragene Kritik richtet sich gegen den Missbrauch der Doppelfunktion Hartmanns. Einerseits habe man es mit dem Regisseur der Inszenierung zu tun gehabt, andererseits aber auch mit dem Burgtheaterdirektor, also dem Arbeitgeber, der über die Verlängerung oder Beendigung von Verträgen entscheidet. Hartmann habe diese Macht ausgenutzt, Kollegen, die widersprachen, gemobbt, Nichtverlängerungen von Verträgen angedroht und später als Gnadenakt zurückgenommen, was die Künstler in "extreme Unsicherheit" versetzt habe.

"Alltägliche Vorgänge"

Diese Behauptungen wolle Hartmann nicht auf sich sitzen lassen, schreibt Der Standard weiter. Es handele sich hier um eine "völlig verzerrte Darstellung". Im Interesse des Hauses habe er Schauspielern rechtzeitig die Nichtverlängerung ihres Vertrages mitgeteilt, "um sie nicht weiterbeschäftigen zu müssen, ohne eine Rolle für sie zu haben". Er habe aber versprochen, sich zu bemühen eine Rolle für die nächste Spielzeit zu finden. "Damit ich fristgerecht handeln konnte, sollten sie akzeptieren, dass die Nicht-Verlängerung von mir zwar ausgesprochen würde, ich diese aber, sobald eine Rolle zur Verfügung stünde, wieder zurückzöge." Das seien "alltägliche Vorgänge in der Theaterwelt".

Der Standard versucht auch, die Frage zu klären, warum sich diese konkrete Kritik an Hartmann erst jetzt, vier Jahre nach seinem Abgang am Burgtheater erhebe. Es klafften, so heißt es, auch heute noch "offene Wunden". Frühere Mitarbeiter von Hartmann bezeichneten ihren ehemaligen Chef als "narzisstisch", eine Schauspielerin, die viel bei Hartmann gespielt habe, sage, er sei "ein präpotenter, chauvinistischer Macho in einer Machtposition gewesen". Allerdings hätten sich eben nach eigenem Bekunden auch die Unterzeichner des Offenen Briefes und selbst die "ganz Großen an der Burg" seiner Art und Weise des Umgangs gefügt.

Der Offene Brief selbst stoße auch auf Kritik. Aktuelle und frühere Mitarbeiter des Burgtheaters argwöhnten, dass die #MeToo-Debatte nur zum Vorwand diene, den "Ruf des Unbequemen weiter zu beschädigen" oder dazu, "die rechtliche Position des Regisseurs in seinem Kampf gegen die Entlassung und um Geld" zu schwächen.

(Süddeutsche Zeitung / Standard / jnm)

 

Mehr dazu:

+ Offener Brief gegen Machtmissbrauch am Burgtheater

+ Chronik der Krise des Burgtheaters

 

Kommentare  
Presseschau Offener Brief: Inszenierungen am eigenen Haus
Sol das heißen, es sollte lieber gar keine regieführenden Intendanten geben??? - Reines Theater-Kuratorenmanagement flächendeckend? Sicher sollte ein/e IntendantIn dem Ensemble auch Pausen von sich als RegiesseurIn gönnen, Hartmann müsste sich also vorwerfen lassen als Regisseur am "eigenen" Haus zu viel gearbeitet zu haben und das wär interessant, wie er das begründete. Hat aber wohl keiner gefragt: "Herr Nartmann, warum haben Sie denn so viele Inszenierungen an Ihrem Haus in einem Jahr selbst gemacht und nicht nur zwei? Hah! - geben Sie es zu, Sie wollten nur zwangneurotisch ihre Belegschaft kontrollieren bis auf die Schüssel!!!"
Presseschau Offener Brief: Warum?
Warum müssen Intendanten zugleich Regie führen? Die meisten Regisseure sind darin geschult mit 3-15+ Schauspielern über den Zeitraum von 6 Wochen ein Stück zu inszenieren, in denen sie maßgeblich an allen Entscheidungen bis zur Premiere beteiligt sind. Das ist doch ein ganz anderer Erfahrungshorizont als eine Führungskraft auf Managementebene in der Führung von 100, meist mehr Mitarbeitern, verschiedener Berufsgattungen benötigt! Was prädestiniert überhaupt Regisseure Intendantenposten zu erhalten, außer dass sich die Politik mit bekannten Namen schmücken will? - nichts. Die meisten Regisseure erhalten diese Positionen ohne je Erfahrung als Hausregisseure oder andere längere Anstellungen gehabt zu haben. Das Ergebnis sind meist wilde erste Intendanzjahre in denen "learning on the job" praktiziert wird. Das kann künstlerisch interessant sein, ist aber meist für Leute, die fünf oder mehr Jahre an einem Haus arbeiten und das Haus besser kennen, schwer zu ertragen.

Das bisherige Intendantenmodell und die Art und Weise wie dafür rekrutiert wird ist erstens überholt und zweitens für heutige, moderne Betriebe in denen flachere Hierarchien etabliert werden müssten, völlig unpraktikabel und wie man am Beispiel (eines unter vielen) "Hartmann" sieht, eine gefährliche Form von Machtkonzentration. Nicht-Regisseure in Leitungspositionen machen nicht unbedingt "Kuratoren-Theater" und sie können sich noch immer für die Ensemblepflege Hausregisseure ans Haus holen. Führungspositionen sollten aber mit Personen besetzt werden, die langjährige Erfahrung in der Führung und oder Strukturierung eines Betriebes haben, was an Theatern meist überhaupt nicht als Fähigkeit gesucht wird. Ergebnis sind chaotische, schlecht geführte Betriebe und Missbrauch der Führungspositionen.
Presseschau Offener Brief: Doppelbegabung
@Arbeiter: RegisseurInnen HABEN Führungserfahrung, wenn sie bereits längere Jahre als RegisseurInnen tätig sind. Es MUSS nicht sein, dass IntendantInnen regieführende IntendantInnen sind- aber es muss unbedingt auch sein können! M.E. MUSS es unbedingt beide Führungsformen geben: das rein managend-kurative Modell UND das Modell des/der regieführenden IntendantIn -
Aus mehreren Gründen: 1. Es gibt Doppelbegabungen. Es wird - oder sollte zumindest - keine RegisseurInnen geben, die nicht logistisch sehr begabt sind, das sollte doch eine der Voraussetzungen für die Ausübung dieses Berufes sein. Es wird - was gut ist m.M.n.- gerade öfter der unangenehm sich auswirkende "Geniekult" am Theater erwähnt... Das Unangenehme daran ist, dass von vielen Menschen gern toleriert wird, wenn Theaterkünstler eben logistisch chaotisch agieren - sie haben gern ein romantisches Bild vom (Theater)Genie, Genie und Wahn haben eben für Romantiker gern eng beieinander zu liegen und werden gern als Beleg für überdurchschnittliche Begabung genommen -weiß der Himmel wieso... Und andere viele halten bei jemandem, der ohnehin mit überdurchschnittlicher Begabung für die Theaterkunst gesegnet ist, es für ein Unding, dass der auch noch eine Hauslogistik mit nahezu wissenschaftlicher Nüchternheit beherrschen könnte - beides gleichzeitig - Dennoch gibt es solche Dinge. Wir sollten froh sein, dass es so etwas eben auch gibt. Und nicht neidisch oder dergleichen und deshalb das Modell einer regieführenden Intendanz verwerfen. Denn es ist 2. ist ein sich gegenseitig beförderndendes K o r r e k t i v im Sinne der Theaterkunst, dass es b e i d e Modelle und dazu noch die Wunschvorstellung der Gemeinschaftsintendanz gibt! Früher hat man von den "Machern" und den "Ermöglichern" gesprochen - Wer möchte bitte bezweifeln, dass die Existenz beider unsere Theaterlandschaft zu einer so reichen gemacht hat, wie sie ist? Noch ist… Es droht dieser Landschaft wohl gerade eine Gleichschaltung, die ich nicht nur für politisch gefährlich, sondern auch für künstlerisch unsinnig halte. Flachere Hierarchien können nicht etabliert werden! Sie „sind“ da, weil jemand ein offen-freundliches Kommunikationsfeld zu schaffen in der Lage ist und deshalb die Hierarchie von allen als flacher empfunden wird. Dennoch sind Hierarchien Hierarchien und als solche etwas Normales. Der Mensch ist auch nur ein Tier. Es zeichnet ihn aus, das von sich auch zu wissen. Es ist ein Unsinn, das zu leugnen und deshalb ebenso unsinnig Hierarchien abschaffen zu wollen. Auch ein Selbstbetrug. Ich kenne NIEMANDEN, wirklich niemanden, der eine Hierarchie nicht nur deshalb abschaffen möchte, weil er selbst in einer Hierarchie möglichst mühelos aufsteigen möchte - es ist absolut nervend, wenn das nicht selbst von Leuten, die lautstark „flache Hierarchien“ fordern, bemerkt und gesehen wird - Kritik ist da immer jede Menge vorhanden - Selbstkritik leider nicht…

Zum konkreten Fall Hartmann: Wenn er mehr als zwei Inszenierungen pro Jahr mit seiner Haus-Belegschaft gemacht hat, hat er einfach am gleichzeitig von ihm geleiteten Haus zu viel gemacht. So etwas kann nicht gut sein für die Ensembleentwicklung. Dauerhaft weniger ist aber für die Belegschaft einer regieführenden Intendanz auch nicht gut... Es wäre sehr interessant, ihn danach zu befragen, WARUM er sich dazu entschieden hatte? Er hat ja gezeigt, dass er ruhig und schlüssig zu antworten weiß - Das Problem für regieführende Intendanzen ist m.E., dass sie sich erst dann eine/n HausregisseurIn für ihre Ensemblepflege ans Haus holen können, wenn sie eine k ü n s t l e r i s c h e Position erreicht haben, die nicht mehr angreifbar ist. Wenn sie als KünstlerInnen ein für allemal bewiesen haben, was sie können und deshalb diesen Beweis nicht mehr antreten MÜSSEN, um ihre Führungsposition zu festigen bzw. zu erhalten. Können ad libitum ja, aber eben nicht mehr unter dem Druck der Öffentlichkeit, der Medien, antreten müssen…
Presseschau Offener Brief: Oberspielleiter passé
In den 1980er Jahren gehörten noch sogenannte "Oberspielleiter" ins Leitungsgefüge eines Theaters (manchmal waren das sogar ältere erfahrene Ensembleschauspieler), im besten Sinne "Mediatoren", deren Herkulesaufgabe darin bestand, zwischen Ensemble und Leitung die kommunizierenden Röhren zu putzen.

Wer macht das heute?

Diese Berufsgruppe definiert der Deutsche Bühnenverein wie folgt:" ... An großen Häusern gibt es zudem oft einen Oberspielleiter (Schauspieldirektor). Dieser trägt die künstlerische Gesamtverantwortung für die Sparte eines Hauses. Dabei steht er hierarchisch gesehen über den Regisseuren und unter dem Intendanten."...(Quelle:http://www.buehnenverein.de/de/jobs-und-ausbildung/berufe-am-theater-einzelne.html?view=34)

Eine zum Aussterben deklarierte Spezies, deren schöne Löhne allerdings bei den Intendanten angekommen zu sein scheinen.
Ach, lieber Ivan Nagel, bitte um Weckruf aus Ihrem Paradies!
Presseschau Offener Brief: Wende-Opfer
Der Oberspielleiter - zumindest im Osten - ist nach der Wende zu Beginn der 90er Jahre vermutlich ausgestorben. Zu einer Zeit als die meisten Intendanten an den ehemaligen DDR-Theatern bereits aus dem Westen kamen und die noch übriggebliebenen Oberspielleiter die kommunizierenden Röhren putzen wollen konnten wie immer: Die Ohren der neuen Chefs blieben zu und waren gar nicht erreichbar für eine Mediation der Belange wie Kompetenzen der ehemaligen Ost-RegisseurInnen und vor allem SchauspielerInnen. Übrigens: für die -AutorInnen schon allerallergarnicht - Für die waren es neue "blühende" Landschaften, die sie im Westen (auch: in der Schweiz z.B.) nicht hätten erreichen können und die ihre geöffneten Börsen füllen konnten, aber denen ihr Herz ganz gewiss nicht geöffnet war - Da nutzt dann auch der beste, sonst immer vermittlungskompetente Oberspielleiter nichts-
Wo es ihn (wieder) gibt und er zur Leitungsebene gehört (z.B. Theater an der Parkaue, höre das ADK-Podium zum Ensemble z.B.) merkt man das auch.
Offener Brief Burg: nachvollziehen
@3: Was Sie da über Hierarchien sagen, ist absoluter Quatsch!

Solche sind grundsätzlich immer zu hinterfragen und zu kritisieren (gerade an öffentlichen Häusern!!), ohne dass einem dabei Neid unterstellt wird. Wenn einem Intendanten zu viel Macht (finanziell, organisatorisch, etc.) gegeben wird und er an der Spitze einer Hierarchie mit einer solchen Macht falsch umgeht, leiden alle darunter.

Klar, Hierarchien muss es manchmal geben, aber im Idealfall nur wenn die am unteren Ende der Hierarchie auch nachvollziehen können, warum es sie gibt / warum sie so gestaltet sind bzw, zumindest nicht in ständiger Angst leben müssen!!
Presseschau Offener Brief: Hierarchien
Man m u s s ja keine Angst vor Hierarchien haben!

Es ist ein Unterschied, ob man die Spitze einer Hierarchie kritisiert für einen bestimmten Umgang mit ihrer Macht-Befugnis oder ob man Hierarchien überhaupt ablehnen oder ignorieren oder nur "manchmal" ihre Existenz akzeptieren will.

Sie haben mich nicht davon überzeugt, dass meine Ansicht über die sinnhafte Existenz von Hierarchien Quatsch ist. Versuchen Sie gern es noch einmal.
Presseschau Offener Brief: Genies
Liebe Frau Dössel, es gibt keine Genies. Und der Titel ihres Kommentars "Der irre Mythos, Genies dürften alles" beweist nur dass Sie die Chauvis zwar aufgeben wollen, aber niemals die Genies. Und das ist ein Problem.
Presseschau Offener Brief: Wörterbuch
"Genie" (lat.,franz.), das - auch Genius (lat.) der, Pl. Genien:
1. Mensch mit höchster schöpferischer Tätigkeit, 2. das (Gen, -s) auch der Genius: höchste schöpferische Geisteskraft 3. (Gen-s) schweiz für militärisches Ingenieurswesen - (tje, die Schweizer wieder...) ... #8: Ich bitte Sie. lassen Sie die Frau Dössel unbedingt weiter daran glauben, dass es Genies gäbe! Und daher bitte auch weiterhin kraftvoll bemeckern, dass nicht jeder, der sich für ein Genie hält oder öffentlich bekanntgemacht für ein solches gehalten wird, überall und zu jeder Zeit machen könne, was er wolle im Umgang mit anderen! Mit Nicht-Genies zum Beispiel.
Presseschau Offener Brief: der Rest
#7: ich versuche es sehr gerne noch mal mit einem Beispiel

eine gute Hierarchie ist, wenn die da oben auch Kompetenzen besitzen, die sie zu dieser Position berechtigt. Sie nennen logistische Fähigkeiten von Regisseuren als Qualifikation.. ich kann Ihnen aus Erfahrung versichern, dass dies absolut nicht ausreicht, um konkrete Entscheidungen zu treffen über Sachen wie Technischer Einkauf, Budget der Abteilungen, Personal für jede Abteilung etc, die Liste geht weiter. Manche Intendanten-Regisseure haben tatsächlich die Macht, darüber (letztendlich) zu entscheiden.. Das sind dann fast immer impulsive, persönlich motivierte Entscheidungen unter denen das gesamte Haus leidet. (Ich gehe davon aus, Sie können sich vorstellen, dass beispielsweise eine nicht bzw. schlecht informierte Entscheidung Konsequenzen für technische Abteilungen und Mitarbeiter hat)

also: Macht über künstlerische Entscheidungen/Programm? ok. Der Rest gehört aber aufgeteilt.
Presseschau Offener Brief: ohne Schulung
@2: Genau richtig! Regisseure oder Schauspieler o.a. werden dazu berufen, Intendant zu werden, ohne vorher jemals eine Schulung oder sonst etwas durchlaufen zu haben, in der beigebracht wird, was es bedeutet, ein Haus von mehreren hundert Mitarbeitern zu führen. Dazu gehört eben nicht nur, sich einen Spielplan zu überlegen, sondern auch, sich mit (arbeits-)rechtlichen & wirtschaflichen Fragen sowie Personalführung zu beschäftigen. Es sollte nicht aus dem Bauch heraus und nur nach Sympathie gehandelt werden...das ist, meinem Eindruck nach jedoch, leider der überwiegende Fall...
Presseschau Offener Brief: HIerarchie und logistische Begabung
Gut, wir verstehen unterschiedliche Dinge unter den selben Begriffen und außerdem verstehen Sie nicht, dass ich, BEVOR ich über gute und weniger gute Hierarchien rede, zunächst erst einmal die Existenz von Hierarchien weder bestreite noch sie sinnvoll fände abzuschaffen. Und zwar aus Gründen, die ich ganz klar benannt habe. Auf die Sie (und andere Hierarchie-Verächter/Hasser oder -Leugner) jedoch nicht eingehen...könnnen oder wollen?

Ein weiterer Grund ist, den Sie vielleicht verstehen können: WENN man k e i n e Hierarchie will oder deren Existenz leugnet oder nur in Ausnahmefällen anerkennen möchte, dann KANN man auch keine Hierarchie kritisieren! Man kann dann nur ziellos herumnölen an irgendwelchen Verhältnissen oder Stimmungen und kann diese Nölerei weder richtig wirksam adressieren noch sachlich-fachlich detailgenau kritisch so argumentieren, dass sich nachhaltig gesellschaftlich wirksam etwas Konkretes ändert...
Ein "Arbeitsklima" zum Beispiel ist nichts konkretes, wenn nicht beschrieben werden kann, was genau es wie genau und in welchem Zeitrahmen verschlechtert oder verbessert.
Noch einmal wiederhole ich gern: es gibt keine flachen Hierarchien, weil es Hierarchien gibt. Es gibt jedoch flache und tiefgehende K o m m u n i k a t i o n über alle Mitglieder einer Gesellschaft betreffende Probleme. Und eine "gute" Hierarchiespitze sorgt dafür, dass die Hemmschwellen, sie zu kritisieren flach gehalten werden, damit auch tiefliegende Probleme erkannt und nachhaltig gelöst werden können.
Eine weniger gute Hierarchiespitze sorgt dafür nicht oder lässt sich daran hindern von unteren Hierarchieebenen, dafür zu sorgen.
Die Theaterhierarchiespitzen, die wir gerade haben, sind keine guten. Wir - also Sie und ich zum Beispiel - sind der Beweis dafür. Weil wir uns hier in den Kommentaren tummeln, anstatt in entsprechenden Beratungsräumen als Berater wertgeschätzt und angehört zu werden. Sie denkt, sie kann unser Arbeitszeit und -Engagement so für umsonst "abfassen". (Erinnern Sie sich noch an diese Aufrufe von Tim Renner an die KünstlerInnen, ihm Input zu geben, als einfach an ihre Begeisterung für gesellschaftliche Mitgestaltung zu appelieren - das war genau das Gegenteil einer Wertschätzung, weil er das ja für umsonst haben wollte von Leuten, die eben unbezahlt für ihn und die, die er sehr gut bezahlen wollte, mitarbeiten sollten?).


Zu Ihrem erneuten praktischen Beispiel:
Ich verstehe unter einer logistischen Begabung eine, die ein Mensch verfügt, der Enscheidungen zu treffen vermag auf der Grundlage der schnellen vergleichenden Erwägung sämtlicher von ihm eingeholten sachkundigen, professionellen Vorschläge zur Lösung eines zur Entscheidung anstehenden Problems... Alles andere ist für mich gar keine logistische Begabung, sondern normale Fähigkeit zur Alltagsbewältigung bzw. normale Voraussetzung für den Regieberuf.

D.h. eine logistische Zweit-Begabung einer z.B. regieführenden Intendanz ist für mich genau dann vorhanden, wenn ein Regisseur oder eine Regisseurin genau weiß, wen vom Verwaltungsteam, vom Technik-Team, wen für die Absicherung arbeitsrechtlicher Belange und wen ganz genau für die künstlerischen anliegenden Problemfälle er oder sie um
entsprechende Zuarbeit bittet, weiß, welchen konkreten Zeitrahmen er für die Zuarbeit zu setzen hat und mit welchem konkreten Ziel er die betreffenen Mitarbeiter zu motivieren hat. Sowie die gleichzeitige Begabung, dies alles nach außen wie innen kommunikativ als notwendig vermitteln zu können.
Das ist gewiss bis zu einem gewissen Grade auch erlernbar über Intendanten-Führerscheine - aber eben nur bis zu einem gewissen Grad. Und dieser Grad kann dann trotzdem nicht ausreichend sein, um erfolgreich einen künstlerischen Betrieb so zu leiten, dass da auch eine Kunst mit hohem Ausstrahlungsfaktor herauskommt...
Presseschau Hartmann: Ablenkungsmanöver?
Ich habe mich das immer wieder gefragt: Warum schickt das stolze Burg-Ensemble diesen Brief einem Intendanten hinterher, der längst abgemeldet ist und sogar regelrecht vernichtet wurde? Wer hat ein Interesse daran, dass diese Vorgänge Jahre später nochmals zur Sprache kommen, obschon Matthias Hartmann wahrscheinlich nie wieder ein Theater leiten wird und es sich hier - verglichen mit Wedel oder Weinstein - eigentlich um Lappalien handelt, die man täglich an vielen Stadttheatern erleben kann? - Nach der Lektüre der umfangreichen Recherche in der «Zeit» drängt sich mir eine These auf, die ich hier zur Diskussion stellen möchte.

Verkürzt schreibt die «Zeit» etwa folgendes: Matthias Hartmann ist inzwischen rehabilitiert, die Vorwürfe an ihn im Zusammenhang mit dem Finanzskandal an der Burg sind nicht haltbar, die Verfahren gegen ihn wurden eingestellt. Mehr noch: Er selber war es, der seinerzeit die finanziellen Probleme der Burg zur Sprache gebracht hat, der von ihm engagierte Buchprüfer Peter F. Raddatz deckte das Chaos in der Buchhaltung und die abenteuerlichen Praktiken zur Verschleierung hoher Millionendefizite erst auf.

Was dann geschah, ist uns bekannt: Hartmann bot durch sein Wesen und seine Amtsführung genügend Angriffsfläche, um ihn als willkommenen Sündenbock zu opfern. Er und seine Geschäftsführerin mussten die Verantwortung für Missstände übernehmen, die seit Jahren bestanden hatten und zu deren Aufdeckung Hartmann den entscheidenen Anstoß gab.

Mit der Premiere von «Lazarus» im Februar bestand nun die Möglichkeit, dass es Matthias Hartmann gelingen könnte, endlich wieder positive Schlagzeilen im Zusammenhang mit seiner Person zu schreiben. Die Gefahr bestand, dass ein rehabilitierter und wiederauferstandener Hartmann vor irgendwelche Mikrofone tritt und seine Version dieser Geschichte, für die er einen so hohen Preis bezahlen musste, nochmals erzählt. Vielleicht zum Nachteil zahlreicher Akteure, die ihren Kopf erfolgreich aus der Schlinge ziehen konnten und bislang unbehelligt geblieben sind.

Genau zu diesem Zeitpunkt kam der Brief. Matthias Hartmann war genötigt, zu ganz anderen Dingen Stellung zu nehmen. Honny soit qui mal y pense.

Kann es sein, dass sich die unterzeichnenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Burg - mit oder ohne ihr Wissen - für ein Ablenkungsmanöver haben instrumentalisieren lassen? Wurde hier eine Debatte über Machtmissbrauch im Theater angestoßen nur um zu verhindern, dass die Aufklärung des Burgtheaterskandals in eine nächste Runde geht und man der Wahrheit und den wirklichen Verantwortlichen ein Stück näher kommt?
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