Egal wann

von Michael Wolf

Berlin, 23. Februar 2018. Die Erwartungen sind hoch. Mit ihrer letzten Arbeit am Deutschen Theater hat Regisseurin Daniela Löffner ihren bislang größten Erfolg gefeiert. Väter und Söhne nach Iwan Turgenjew wurde 2016 zum Theatertreffen eingeladen. Nun wieder ein großes Ensemblestück und ein russischer Klassiker: Maxim Gorkis "Sommergäste". Eine Gesellschaft aus Wohlhabenden und Intellektuellen verbringt die Ferien auf dem Land. Im Idyll verlieben, betrügen und verachten sie sich um die Wette. Vor allem aber leiden sie an dumpfer Leere. Sehnsucht plagt sie. Nach einem anderen Leben, einem mit Sinn. Gorki schrieb das Stück 1905, nur ein Jahr bevor in Russland die Revolution vorerst scheiterte, und zwölf Jahre bevor sie tatsächlich über die Weltbühne ging. Es ist das Porträt einer Klasse, die bereits ahnt, dass ihre Zeit abgelaufen ist, die sich selbst zerfleischt aus Verachtung für die eigene Nutzlosigkeit.

Vor der Pause singt Kathleen Morgeneyer einen Song von PeterLicht: "Gib mir eine neue Idee / Schaffen wir uns ab / Führ mich raus".  Dazu tanzt sie fast nackt im Stile einer Szene aus Babylon Berlin. Die Serie spielt in und mit den Wirren der Weimar Republik. Die Zeichen sind eindeutig. Daniela Löffner möchte auch ihrer modernisierten Fassung der "Sommergäste" etwas Vorapokalyptisches beigeben.

Verbotene Liebe für desperate housewives

Nur ist die Gesellschaft im Jahre 2018 von anderen Kräften bedroht, als Gorkis Figuren sie erahnen konnten. Zudem ist dem Stück – Weltliteratur hin oder her – sein propagandistischer Zug nicht leicht auszutreiben. Der Kommunist Gorki führte ein verdorbenes Kleinbürgertum vor. Und schon allein dieses Wort mag nicht mehr in unsere "Gesellschaft der Singularitäten" passen.

sommergaeste 560 ArnoDeclair uKeine Partisanen: Andreas Pietschmann, Frank Seppeler, Maike Knirsch, Nikolay Sidorenko,
Christoph Franken, Caner Sunar © Arno Declair

Löffner versucht sich trotzdem an einer kritischen Analyse unserer Gegenwart. In einigen Szenen sackt das Spiel deswegen in die stumpfe Ästhetik eines Fernsehdramas ab, teils gar ins seichte Fach der Sitcom: Wenn Alexander Khuon sich als impotenter Ehemann mit seiner Gattin (Anja Schneider) um die Wodka-Flasche balgt, die Unruhestifterin Maria Lwowna (Regine Zimmermann) mit Marcel Kohlers gerade mal 12 Jahre jüngerem Wlas "Verbotene Liebe" spielen muss ("Der Abstand ist riesig. Er ist doch schrecklich jung!") oder Natali Seelig – wenngleich äußert amüsant – als desperate housewife zetert, lästert und jammert.

Profis bei der Arbeit

Kurzum: Soziologisch ist diese Inszenierung von geringem Wert. Dafür gibt es psychologisches Spiel satt. Und zum Glück interessiert sich Löffner dann doch weniger für den kommenden Aufstand als für das, wovon sie ohne Zweifel einiges versteht: Schauspielerführung. Vor der Rückwand eines bronzenen Guckkastens sitzt ihr Ensemble wie früher bei Jürgen Gosch, bei dem Löffner Assistentin war, den gesamten Abend auf Stühlen und schaut interessiert den gerade spielenden Kollegen zu. Mitunter ist ganz private Bewunderung zu erahnen. Klar, Profis bei der Arbeit zuzuschauen, das bereitet immer Freude.

Allen voran wieder mal Bernd Stempel. Wenn Sie es bislang nicht hingekriegt haben, merken Sie sich bitte jetzt endlich diesen Namen: Bernd Stempel Bernd Stempel Bernd Stempel gelingt es immer wieder virtuos, vergessen zu machen, dass er einer der großartigsten Schauspieler Berlins ist. Meistens spielt er Nebenrollen. Das ist ärgerlich für die Kollegen. Eine Hauptrolle neben Bernd Stempel zu spielen, ist ganz schön schwer. Schon eine Nuance in seiner Stimmlage, ein Zucken in seinem Gesicht kann eine Szene in den Abgrund stürzen. An diesem Abend spielt er einen resignierten Schriftsteller. Alles hat er verloren: seine Leser, seinen Elan, seine Dringlichkeit. Aber dann reicht ihm Anja Schneider eine Blume und BAM! Es kostet ihn nichts als ein Blitzen in den Augen, und schon flutet sie die Bühne: die Hoffnung eines Zynikers durch diese Frau ein anderer, ein besserer Mensch zu werden.

sommergaeste 560a ArnoDeclair uPicknick fatal: Bernd Stempel, Regine Zimmermann, Anja Schneider, Andreas Pietschmann, Helmut
Mooshammer, Maike Knirsch, Christoph Franken, Alexander Khuon, Caner Sunar © Arno Declair

Auch Christoph Franken gelingt ein Kunststück. Linkisch tappst sein liebeskranker Philosoph über die Bühne, holt sich auf Knien seinen Korb ab, bibbert vor Erregung und Erniedrigung am ganzen Leib. Und doch bewahrt er die Würde seiner Figur. Ihre Lächerlichkeit ist keine Eigenschaft, sondern das Schicksal jener, die schon zu schwach sind, als dass sie jemand retten wollte. Auch Ensembleneuling Maike Knirsch ist eine Entdeckung. Berührend, wie sie versucht ihre Mutter zu trösten, sich das gemeinsame Leben der beiden mit ihren Männern ausmalt und plötzlich Rotz und Wasser heult, als sie zum ersten Mal ahnt, dass Glück vielleicht gar nicht vorgesehen sein könnte in ihrer Zukunft. Allein für diese Momente lohnt sich ein Besuch der vierstündigen Aufführung. Da ist es auch egal, dass die politische Analyse fehl schlägt. Wieso vor dem gesellschaftlichen Untergang warnen, wenn doch jeder Mensch seine ganz eigene Katastrophe darstellt.

Sommergäste
von Maxim Gorki
Deutsch von Ulrike Zemme
Fassung von Daniela Löffner und David Heiligers
Regie: Daniela Löffner, Bühne: Claudia Rohner, Kostüme: Eva Martin, Musik: Matthias Erhard, Licht: Cornelia Gloth, Dramaturgie: David Heiligers.
Mit: Alexander Khuon, Anja Schneider, Linn Reusse, Marcel Kohler, Frank Seppeler, Kathleen Morgeneyer, Andreas Pietschmann, Natali Seelig, Bernd Stempel, Christoph Franken, Regine Zimmermann, Maike Knirsch, Helmut Mooshammer, Caner Sunar, Nikolay Sidorenko.
Dauer: 4 Stunden, eine Pause

www.deutschestheater.de

 

Kritikenrundschau

"Gorkis berufselitäre Sommerfrischler, jene Ärzte, Ingenieure, Unternehmer oder eben Literaten vom Vorabend der Russischen Revolution (…) sind wir, so die Behauptung des Abends: lethargische Archetypen einer Gesellschaft, in deren Tiefenschichten es heftig brodelt", schreibt Christine Wahl im Tagesspiegel (24.2.2018). Problematisch sei eine Figurenzeichnung, die oft dem ersten, nächstliegenden Impuls vertraue und dabei bleibe, "obwohl sie doch ganze vier Stunden zur Abgründigkeitstiefenschürfung hätte". So wirke vieles bloß behauptet. "Da war Daniela Löffner, die konzeptionell fürs Schauspielertheater steht, mit ihrer vorherigen DT-Inszenierung 'Väter und Söhne' schon um einiges weitergekommen."

Oft gerate das Spiel zu schrill und zu oberflächlich, so Barbara Behrendt im Kulturradio des RBB (24.2.2018). Die Inszenierungsideen seien teils etwas plump. Das führe bei vier Stunden Dauer zu Ermüdungserscheinungen. "Trotzdem ist das immer noch ein Abend, der durch das Zusammenspiel dieses tollen Ensembles punktet und der auch die Abgründe dieser Figuren zu durchleuchten versucht, die so schrecklich aneinander vorbei lieben."

Die jederzeit gegenwärtige Inszenierung komme ganz ohne russischen Seelenpomp aus, wecke aber sehr viel Sympathie. "Anja Schneider ist hier das leuchtende Kraftzentrum, wie sie, allen Kopfgeburten zum Trotz immer wieder geerdet, nach wahrem, echtem Leben verlangt", so Ute Büsing vom Info Radio (24.2.2018). "Wie schön zu sehen, dass Ensembletheater mit Menschendarstellern auch in Berlin gelingen kann."

"Diese Inszenierung ist ein Segen für das Ensemble, eine Feier des Spiels und ein großes Zuschauerglück", jubelt Ulrich Seidler in der Berliner Zeitung (25.2.2018). Löffner komponiere die 'polyphone Psychofuge' souverän, spüre den anziehenden Konflikten nach, setze die Drehpunkte fein, aber deutlich "und lässt viel Raum für die sehr verschiedenen Schauspieler, die schon an diesem Premierenabend immer besser in den Flow zu finden scheinen". Das hebe jetzt schon in manchen Phasen ab und werde sich bestimmt noch weiter eingrooven.

Da­nie­la Löff­ner über­zeuge er­neut als sou­ve­rä­ne 'Breit­wand-Co­lo­ris­tin'. "Sie schafft es, dass der Star des mit vier Stun­den nicht zu lan­gen Abends das En­sem­ble ist und al­le kon­zen­triert dem Ge­sche­hen fol­gen, auch wenn sie ge­ra­de nichts zu tun ha­ben", schreibt Irene Bazinger in der FAZ (26.2.2018). Da­nie­la Löff­ners hoch ver­dich­te­te, von im­men­ser Bin­nen­span­nung und freu­di­gem Ver­trau­en in die Er­zähl­kraft des Thea­ters ge­tra­ge­ne In­sze­nie­rung breite eine ganze Welt aus: "als kunst­vol­le Ein­la­dung zum Mit­den­ken, Mit­füh­len, Mit­ler­nen und Mit­ge­nie­ßen".

 

Kommentare  
Sommergäste, Berlin: Gorki als RTL-Autor
Versprochen wird ein Stück über „eine bequem gewordene Gesellschaft, die sich ihrer selbst nicht mehr sicher ist und in der es ruhelos rumort“. Zudem soll es sich um Leute der „gehobenen Mittelschicht“ handeln.
Geliefert wird das Bild einer etwas chaotischen Truppe, die eher aus der Schicht der RTL-Gucker zu stammen scheint. Und was dem Publikum vorgesetzt wird, ist denn auch danach: Klamauk, Show, Sex und ein bisschen Sentimentalität. Dafür bräuchte man nicht Gorki zu bemühen.
Der Verdacht drängt sich auf, dass hierfür nicht die Regisseurin allein die Verantwortung trägt; der Dramaturg, der die DT-Textfassung mit erstellt hat, und möglicherweise die Übersetzerin könnten die Koordinaten für diese Irrfahrt vorgegeben haben.
Auf jeden Fall aber hat die Regisseurin dem Affen Zucker gegeben – ob es nun der leicht trottelige Bassow (Alexander Khuon), die in höchsten Tönen grotesk raunzende Olga (Natali Seelig) oder der notgeile Pawel (Christoph Franken) ist. „Schauspielerführung“, von der die „nachtkritik“ so schwärmt, geht anders.
Sommergäste, Berlin: Gosch gesucht, nicht gefunden
Das sollen dann also wir sein, diese plappernden, jammernden Waschlappen, die von Problemen schwadronieren, die denn eben nicht die unseren sind, Zynismus und Utopismus verbreiten, die eindeutig vor-, bestenfalls frühmodernen Ursprungs sind. Vor allem mit letzterem kann der post-postmoderne Mensch wenig anfangen, insbesondere wenn er so hölzern und hohl vorgetragen wird wie hier. Klar, das soll falsch und leer klingen, aber ihm fehlt die Zeichenhaftigkeit, das Bezugssystem, eben weil der Abend so gar keine Mitte findet. Will er ironisch sein, satirisch, analytisch? Oder will er die tragische Geworfenheit den Menschen, seine individuelle Hilflosigkeit, sein Gefangensein in Zusammenhängen, die er nicht die Kraft hat anzugreifen, darstellen? Man weiß es nicht und seine Regisseurin scheint es auch nicht zu wissen. Also spult sie Szene für Szene herunter, mechanisch, zunehmend nummernrevuehaft und mit fortlaufender Dauer immer beliebiger. Da wurde jeder Versuch, Verknüpfungen zu finden, einen roten Faden, das alles irgendwie zusammenzuhalten, längst aufgegeben. Stattdessen ist gut zu sehen, was passiert, wenn Goschs Wahrhaftigkeits-Offenbarungen gesucht, aber nicht gefunden werden: Dann wird alles zu purer Behauptung, von der man irgendwann nicht einmal mehr weiß, was da eigentlich behauptet werden soll.

Bleibt das, woran sich fast alle Rezensenten dieser Inszenierung festhalten: des Leistungen des Schauspielensembles. Und ja, es gibt sie, diese magischen Momenten, in denen Darsteller llein oder im Zusammenspiel etwas finden, das diese Verbindung zum Zuschauer herstellt, direkt, unmittelbar und seiner selbst kaum bewusst. Marcel Kohler und Regine Zimmermann als ungleiches Liebespaar haben solche Momente zwischen der eigenen Lächerlichkeit und einer verzweifelten Sehnsucht nach mehr, nach leben. Wie er jungenhaft störrisch auf seinem Recht, diese viel ältere Frau zu lieben insistiert und sie in ihrer Resignation gegenüber dem Schicklichen einen nur durch Blicke und minimale Bewegungen ausgedrückten existenziellen Schmerz findet, der mehr vom leiden an einer erstickenden Gesellschaft erzählt als vier Stunden Dauergeplapper, dann sind das große, wahrhaftige, erschütternde Theatermomente. Auch Bernd Stempel als gescheitertem Schriftsteller gelingen diese: in kleinsten Änderungen von Flexion und Stimmlage, einer kaum wahrnehmbaren Verhärtung der Gesichtszüge, einem vernichtenden Blick, der stets auch auf sich selbst gerichtet scheint. Da transzendiert Schauspielkunst das inszenatorische Gefängnis. Jürgen Gosch hat diese Momente gesucht und in den Mittelpunkt seiner Abende gestellt, hier geschehen sie zufällig, sind Randerscheinungen und finden ihren Weg nicht in die Inszenierung.(...) Überhaupt wirkt so manches seifenopernhaft oder billig boulevardesk an diesem Abend, der nicht weiß, wohin er will und nach allem greift, was Halt verspricht, selbst wenn es massenkulturell ausgelaugte Konventionen von Beziehungsdarstellungen sind. Und damit das Publikum den zur Schau getragenen Ennui dieser verrotteten Gesellschaft auch richtig spürt, zerdehnt sie den Abend auf kaum erträgliche vier Stunden, lässt sie die Zuschauer Teil dieses nicht auszuhaltenden nicht endenden Wartestands werden. Das ist dann schon fast immersives Theater. Aber eben wie alles an diesem Abend nur fast.

Komplette Rezension: https://stagescreen.wordpress.com/2018/03/21/nach-sonnenuntergang/
Sommergäste, Berlin: was will uns das Stück heute sagen?
Lieber Dramaturg, was kann und soll dieses Stück uns heute noch sagen? In Deutschland. Dass bald "die Revolution" kommen und alles niederbrennen wird? Nun ja. Bisschen weit hergeholt, oder? Jeder ist seine eigene Katastrophe? Ist als Deutung auch ein bisschen schwach. Denn wir bzw. unsere so unterschiedlichen Leben beeinflussen einander immer. Zum Guten wie (leider auch) zum Schlechten. Wer lebt denn heute noch in so einer Blase wie das russische Kleinbürgertum? Und wer spricht heute noch von der Arbeiterklasse als alleiniger Träger der Revolution (nach Marx)? Das hat sich heute doch viel mehr ausdifferenziert bzw diversfiziert. Tja. Was also ist die Aussage?
Sommergäste, Berlin: die Blase sind wir
Liebe Inga, gerade das ewige Ausdifferenzieren bzw. Diversfizieren führt ja zur vollkommenen Lähmung der linksintelligenten Kreise. Und da man die Arbeiterklasse, wenn es die überhaupt in organisierter Form gibt, nur verachtet, dann ist man genau wieder da angekommen, wo Gorkis Sommergäste stehen geblieben sind. Wo oder wer wäre denn heute ein Träger der Revolution, oder will das überhaupt noch jemand in linken Kreisen? Und spielt die lohnarbeitende Bevölkerung dabei überhaupt eine Rolle? Wie haben sich im Neoliberalismus die Klassengrenzen verschoben? Alles Fragen, die man so eine Sommergäste-Blase diskutieren lassen könnte. Und ich denke da muss man an Gorkis Stück gar nicht viel verändern. Die Blase sind wir. Und da momentan wird von außen ordentlich reingepiekt. Man wird nicht umhin kommen sich klar zu positionieren.
Sommergäste, Berlin: Privatismen
Nachdem Daniela Löffner großartige Inszenierungen, in Gosch-Manier ohne ihn zu kopieren, vorgelegt hatte, ist dies hier die schwächste Arbeit von ihr. Die oben beschriebene Schauspielerarbeit kann ich nicht finden, Privatismen, schlechte Impros, Belanglosigkeiten finden hier vor allem im ersten Teil der Inszenierung statt. Die Schauspieler hören sich gegenseitig nicht zu, keiner hat eine wirkliche Not und außer von Natalie Seelig werden keine Figuren auf die Bühne gestellt. Am schlimmsten ist die Hilflosigkeit und das Unvermögen von Alexander Khuon, der nun gar nicht weiß wohin mit sich und sich ständig selbst Impulse von Außen gibt, z.B. durch wildes in die Hände klatschen, wenn er erfolglos versucht betrunken zu spielen... Man kann in der Tat fragen, warum wird dieser Stoff heute gezeigt? Mir hat es sich auch nicht erschlossen. Der zweite Teil nach der Pause gewinnt an Fahrt und endlich wird miteinander gespielt! Es entstehen tolle unterhaltsame und berührende Momente, z.B. die Liebeserklärung von Christoph Franken. Mehr davon, das ist Theater! Wir kamen nicht in den vollen Genuss der 4h Inszenierung, da Marcel Kohler um 22:30 auf der Bühne umkippte und die Vorstellung vorzeitig beendet wurde. Wir hoffen es war nur eine Kreislaufschwäche und er ist wieder wohl auf!
Sommergäste, Berlin: kein Ausweg aus dem Ich-Gefängnis
Von meiner Seite zunächst auch alles Gute für Marcel Kohler.

Ich hab das gestern eigentlich ganz anders empfunden. Es stimmt, dass der Abend zunächst schwer in Gang kommt. Das kann aber auch Absicht sein. Dieses aneinander vorbeispielen passt auch gut zum Text. Alle haben ein großes Unbehagen mit sich und der Welt und empfinden ihr Leben nur noch als Last. Da ist eine ganz große Spannung und Aggression zwischen allen spürbar. Und jeder drückt das aber irgendwie anders aus. Darum geht es ja auch bei Gorki. Es wird viel gejammert, mal geblödelt und auch viel gebrüllt. Dann entwickelt sich langsam ein Zusammenspiel, das aber wieder weitere Reibungen erzeugt. Jeder Schauspieler geht da auch ganz individuell anders in die Rolle rein. Daniela Löffner legt den Fokus ganz klar auf die Frauenfiguren. Die Männer kommen da meist sehr stereotyp daher. Auch das scheint mir so beabsichtigt. Es stimmt etwas nicht, das spüren alle, aber keiner findet einen Ausweg aus seinem Ich-Gefängnis. Was uns das heute zu sagen hat, dürfte eigentlich jedem über den Abend klarwerden, der auch spürt, dass etwas nicht stimmt in dieser Gesellschaft. Und das empfindet man ja durchaus auch im privaten Glück oder Unglück. Alle tun sich schrecklich leid. Und jetzt kann man sich natürlich fragen, wer sind diese Menschen, die da laut Anja Schneiders Warja kommen und all die Larmoyanz und das Gezeter hinwegfegen werden?
Sommergäste, Berlin: mehr als ein Büschel Gras
Was kann uns Schuberts Klaviertrio Nr. 2 Es-Dur heute noch sagen? Und Gorkis "Sommergäste"? Wenn nichts über die Gemeinsamkeiten zwischen 1904 (in Russland) und 2018 (in Deutschland) - nach meinem Empfinden gibt es da mehr, als ein oberflächlicher Vergleich offenbart -, so doch eine ganze Menge über die Unterschiede. Wer nichts über Machiavelli, Washington, Hitler, Kennedy erfahren will, wird auch Trump oder Erdogan nicht begreifen. Das unterscheidet den Menschen von der Kuh, deren Bewusstsein nicht über das Büschel Gras hinausgeht, das sie gerade frisst.
Sommergäste, Berlin: Marcel Kohler
Liebe DT-Besucher*innen des gestrigen Abends. Die DT-Pressestelle informiert uns auf Nachfrage, dass Marcel Kohler wieder wohlauf ist. Mit besten Grüßen / Redaktion nachtkritik.de
Sommergäste, Berlin: müder Nachklapp
Mit einer russischen Elegie landete Daniela Löffner im Dezember 2015 einen Überraschungshit: in Turgenjews „Väter und Söhne“ bot sie vier Stunden lang klassisches Schauspielertheater, ohne Schnickschnack und Fremdtext, dafür mit großem Ensemble.

Der Abend balancierte damals auf einem schmalen Grat: das stundenlange Palaver über Gott und die Welt, die tranken, feierten, stritten, sich versöhnten, zauberte trotz streckenweiser Langatmigkeit schöne Momente und schauspielerische Kabinettstückchen.

Die ersten drei Stunden der "Sommergäste" (bis zum hier mehrfach erwähnten Abbruch der gestrigen Vorstellung) kommen aber nicht über eine müden Nachklapp zum damals zum Theatertreffen eingeladenen „Väter und Söhne“-Inszenierung.

Vor allem die ersten beiden Stunden bis zur Pause sind ermüdend: zäh schleppen sich die Monologe dahin. Diese gelangweilten Figuren am Vorabend der russischen Revolution, die nichts mit sich anzufangen wissen, treten ins Zentrum der Bühne und verschwinden wieder im Hintergrund. Wie bei ihrem Lehrer Gosch bleiben alle Spielerinnen und Spieler die komplette Dauer der Inszenierung auf der Bühne präsent.

Bei diesem Thesentheater über eine untergehende Gesellschaft springt kein Funke über.

Komplette Kritik: https://daskulturblog.com/2018/03/22/sommergaeste-gorkis-gelangweilte-figuren-ermueden-am-deutschen-theater/
Sommergäste, Berlin: wunderbare Schauspieler
Danke für diese gute Nachricht. Gestern haben wir erleben müssen, wie ein großartiger Schauspieler auf der Bühne zusammenbrach.
Marcel Kohler weiterhin alles Gute und dem Ensemble ein großes Kompliment. Ich werde mir diesen Abend unbedingt noch einmal anschauen. Besonders freue ich mich auf die Gesangseinlage von Kathleen Morgeneyer. Überhaupt ist es ein Abend mit wunderbaren Schauspielern.
Sommergäste, Berlin: kein Funke?
Das sehe ich ganz anders. Welche Funken erwarten Sie denn Herr Kögler. Es sind halt die Sommergäste und begnadete Schauspieler an einem hervorragenden Abend.
Etwas Pietät wäre bei solchen Kommentaren nötig, wenn man den gestrigen Abend gesehen hat. Haben Sie wenigstens Respekt vor den Schauspielern. (...)
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