Die liberale Demokratie will unbedingt mit ihren rechten Totengräbern reden
Wer vom Antifaschismus reden will, darf von der illiberalen Demokratie nicht schweigen
von Kevin Rittberger
Februar 2018. Unter liberal wird in der kulturellen Debattenlandschaft westlicher Demokratien landläufig verstanden, dass Meinungsfreiheit ein hohes Gut sei. Diese sei in Gefahr, wenn rechten Positionen der Eintritt in kulturelle Institutionen verwehrt würde – zumal es sich um Positionen einer demokratisch gewählten Partei handele. Es gelte auch Meinungen zu tolerieren, die nicht im eigenen Umfeld widerhallten. Und für Straftaten gäbe es ja das Gesetz, da müsse sich also keine*r nun allzu betroffen aufspielen. Und schwups, eh er sich versieht, wird der einstmalige Gutmensch, als wär's nicht genug, als Antidemokrat abgestempelt.
Fünf Hinweise
Wie kommt er da nun wieder raus? 1. Betonen, dass er, in meinem Fall ein weißer Mann, kein Gutmensch sei, sondern einfach Minderheiten respektiere und das Deutsche Grundgesetz durchaus achte. 2. Den historischen Vergleich bringen, dass jene schon einmal die Demokratie abgeschafft hätten, welche sich eben noch im Lichte des Urnenentscheids sonnten. 3. Den gegenwärtigen Vergleich mit anderen europäischen Ländern bringen, wo Minderheitenrechte, Pressefreiheit, auch Kunstfreiheit sehr wohl schon eingeschränkt worden seien, die ach so feine Demokratie folglich nicht zwangsläufig gegen ihre eigene Schrumpfung gerüstet wäre. 4. Darauf hinweisen, dass während die einen noch miteinander redeten und auch das rechteste Gewäsch noch zum spannenden Diskussionspunkt hochstilisierten, die anderen schon die kulturelle Hegemonie erlangten, Gesetze änderten und zur illiberalen Demokratie übergingen. 5. Die Rückfrage stellen, ob der Liberalismus eigentlich das dickste Eis sei, auf dem eine wehrhafte Demokratie stehen könne, ohne einzubrechen.
Wird nicht so schlimm? Die Autos brennen schon
Über die neusten, karnevalesken Ausfälle der neuen, rechten MdBs wurde bereits genug geschrieben und ich werde dem blanken Rassismus und Sexismus hier nicht auch noch eine Plattform bieten. Wer sich gruseln will, gehe zu Madame Tussauds. Oder möge Wilhelm Reichs Die Massenpsychologie des Faschismus von 1933 (wieder)lesen. Die damals verhassten und bald verfolgten "Kulturbolschewisten" heißen im heutigen Jargon jedenfalls "Kulturmarxisten" und es besteht kaum Zweifel daran, dass die an die Macht strebende protofaschistische Bewegung diese bei erster Gelegenheit aus der Welt schaffen wird. So schlimm wird's schon nicht kommen? Die brennenden Autos linker Buchhändler*innen und Politiker*innen der letzten Wochen sind nur ein Beispiel für die jüngste Einschüchterung zivilgesellschaftlichen Engagements. Und wer einen Blick in die Echokammern der Rechten erhält, wird schnell feststellen, dass diese von "bürgerlicher Glacérhetorik" oder "Liberallala-Debatten" herzlich wenig halten.
"Grube ausheben, alle rein ..."
Vielleicht sollte ich an dieser Stelle nun doch einen ehemaligen Fraktions-Vize aus Mecklenburg-Vorpommern zitieren: "Wir müssen ganz friedlich und überlegt vorgehen, uns ggf. anpassen und dem Gegner Honig ums Maul schmieren, aber wenn wir endlich soweit sind, dann stellen wir sie alle an die Wand. (…) Grube ausheben, alle rein und Löschkalk oben rauf". Noch Fragen? Noch ne Kostprobe, die beim Reden mit Rechten auseinanderklamüstert werden könnte? Ja, sicher, es gibt auch gescheitere Kameraden, die ihren Nazismus nicht gleich rauskehren und den Intellektuellen mimen. Man könnte doch über den Kleist und den Hölderlin und den Fichte räsonnieren, vielleicht würde man dann zum heimattümelnden, mystischen Urgefühl durchdringen. Vielleicht versteht einer dann besser, warum der "vaterlandslose Geselle" niemals so herrliche Sätze sprechen kann wie: "Deutschland ist das Land, in dem die Deutschen wohnen." Vielleicht wird der vaterlandslose Geselle dem Vaterlandstreuen dann entgegen, dass das gar nicht tautologisch sei, sondern nur dämlich. Vielleicht wäre das Publikum dann amüsiert. Und vielleicht wäre der Vaterlandslose, dem Marx' "Die Arbeiter haben kein Vaterland" schon gar nicht mehr einfallen mag, dann not amused, weil sich ein völkischer Mystiker und ein vaterlandsloser Demokrat auf keinem Humorlevel jemals treffen werden.
Den Spaltungsabsichten nicht auf den Leim gehen
In der Neuen Rechten überschneiden sich mehrere Chauvinismen und die Spaltungen, die diese in der Gesellschaft auslösen, sind nicht von der Hand zu weisen: Christenmenschen gegen Muslime, Europäer*innen gegen Afrikaner*innen, Weiße gegen PoC und Schwarze, Volk gegen Nicht-Volk, Starke gegen Schwache, Kernfamilie gegen Patchwork, Petersilie gegen Kümmel. Auch der Frauenmarsch durch Kreuzberg vom letzten Wochenende betreibt nichts als Spaltung, wobei sich Leyla Bilge vor den Karren der weißen Frau spannen lässt. Sollte man mit Rechten darüber reden, warum sie die Gesellschaft spalten? Sollte man mal mit einem Doktor aus dem Bundestag reden, der noch nicht vom Verfassungsschutz beobachtet wird, ob er die "Entsiffung des Kulturbetriebs" wirklich mit dem Zorn des Achilles betreiben möchte? Sollte man wirklich einen weiteren Beitrag zur Erweiterung des rechten Resonanzraums leisten? Obwohl, das Publikum sei noch nicht verloren, meinen manche, die sich vom Reden mit Rechten was versprechen. Der Riss dürfe nicht vertieft werden, indem die Affekte derer, die den Spaltungsabsichten der Rechten auf den Leim zu gehen drohen, noch bestärkt werden. Also besser nicht als elitär, arrogant oder illiberal gelten und wenigstens mit dem Publikum reden, das nicht will, dass mit Rechten nicht geredet werden soll.
Der Frankfurter Etappensieg
Und während die Kritiker*innen trotz des Lamentos aus der Meinungsfreiheitstränendrüse zum No-Plattform-Kurs stehen, ist den Rechten jedes Mittel recht, bis hin zur Verleumdung und offenen Drohung. Allzu ungeprüft übernimmt der liberale Kanon dann häufig jedwedes rechts-rhetorische Faulspiel im vermeintlich offenen Meinungsstreit und verhilft den Rechten dabei, ihre Gegen-Hegemonie auszuweiten. Wer die letzte Frankfurter Buchmesse nacharbeitete, weiß, mit welchem Pathos der Etappensieg der Rechten eingefahren wurde: "Halle 4 gehörte uns!" Wenn alles in Scherben fällt/ Denn heute da hört uns Halle 4/ Und morgen... Die überbordenden Gewaltphantasien, die mithilfe zahlreicher Leaks immerfort bei Tageslicht reproduziert werden, als Sprachspiel abzutun, fällt nur den größten Verdrängungskünstler*innen ein.
Wer vom Kapitalismus nicht reden will ...
Deutsche Liberale (oder liberale Deutsche) werden sorgfältig prüfen, ob sich rechte bis rechtsextreme Positionen in ihren althergebrachten Forderungen zum Beispiel nach einer "konservativen Revolution" (Arthur Moeller van den Bruck), einer "identitären Demokratie" (Carl Schmitt) oder einer "Reconquista" (Identitäre Bewegung) überhaupt auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung bewegen. Es braucht auch gar nicht diesen Verfassungsschutz, für den sich auch Liberale, welche die NSU-Prozesse verfolgt haben, schämen müssten, sondern eine gesunde Skepsis gegenüber dem eigenen Chauvinismus. Herbert Marcuses Kontinuitätsthese von 1934 besagt Folgendes: "Die Wendung vom liberalistischen zum total-autoritären Staat vollzog sich auf dem Boden derselben Gesellschaftsordnung. Im Hinblick auf diese Einheit der ökonomischen Basis lässt sich sagen: es ist der Liberalismus selbst, der den total-autoritären Staat aus sich erzeugt." Die Vielen, die sich mit Unterdrückten und Ausgegrenzten hierzulande und weltweit solidarisch zeigen, kommen daher nicht umhin, sich die liberalen Bedingungen der unter Angriff stehenden Gemeinwesen westlicher Demokratien aus der Nähe zu betrachten. Dazu ist es hilfreich, den Diskurs zu pluralisieren und zu politisieren.
Kevin Rittberger, geboren 1977 in Stuttgart, ist Autor, Regisseur und Kurator. 2010 erhielt er den Regie-Preis der Akademie der Künste. Sein Stück "Kassandra oder Die Welt als Ende der Vorstellung" wurde 2011 für den Mülheimer Dramatikerpreis nominiert. Rittberger veröffentlicht auch Prosa (zuletzt "Arglosigkeit").
Wir bieten profunden Theaterjournalismus
Wir sprechen in Interviews und Podcasts mit wichtigen Akteur:innen. Wir begleiten viele Themen meinungsstark, langfristig und ausführlich. Das ist aufwändig und kostenintensiv, aber für uns unverzichtbar. Tragen Sie mit Ihrem Beitrag zur Qualität und Vielseitigkeit von nachtkritik.de bei.
mehr debatten
meldungen >
- 23. März 2023 NRW: Studie über Wünsche und Erwartungen an Theater
- 23. März 2023 Preis der Leipziger Buchmesse: die Nominierten 2023
- 23. März 2023 Dieter Hallervorden erhält Preis des Berliner Theaterclubs
- 21. März 2023 Die Auswahl der Mülheimer Theatertage 2023
- 20. März 2023 Metropoltheater München setzt "Vögel" endgültig ab
- 19. März 2023 Leipziger Schauspieler Gert Gütschow verstorben
- 17. März 2023 Hannover: Künstlerische Leitung für neues Tanzfestival
Man propagiert, legitimiert nur durch den eigenen Alarmismus, „No Plattform!“ und zeigt doch bloß die eigene Unfähigkeit, einen Konflikt auszuhalten und auszutragen. Mir scheint nötig, nicht allein mit Rechten zu reden, sondern auch – Benedikt Kaisers „Querfront“ sei empfohlen, ihre Bücher aufmerksam zu lesen, will man ein politisches Theater, dass mehr ist als eine propagandistische Veranstaltung.
Despektierliche Rhetorik und alarmistische historische Vergleiche ersetzen kein Argument. Wenn dieser Text repräsentativ sein sollte für die Verteidigung der offenen Gesellschaft, dann gute Nacht.
Der diskussionswürdige Text von Kevin Rittberger übrigens verwendet, von einer indirekten Ausnahme abgesehen, wohl nicht unabsichtlich "liberal" als Antagonismus der Rechten, nicht "links".
Anders so Kommentar #4.
Die Fragestellungen sind nicht identisch, eine Diskussion wird von genau dieser Differenzierung profitieren.
Sie halten Rittbergers Text für "sehr wichtig", sagen uns aber nicht warum, raunen von als schwul diffamierten Star-wars-Figuren und einer von Rechten genaderten Zukunftsforscherin; Ken Jebsen halten Sie offenbar für einen repräsentativen Rechtsintellektuellen. Wenn Sie so
"gegen Rechts" kämpfen wollen, ziehen sie mit verbundenen Augen in die Schlacht.
Wen meint eigentlich dieses zwangsinkludierende "Wir"? Kindly include me out.
"Auch der Frauenmarsch durch Kreuzberg vom letzten Wochenende betreibt nichts als Spaltung, wobei sich Leyla Bilge vor den Karren der weißen Frau spannen lässt."
Ähm... wie jetzt? Wie darf man das verstehen?
Leyla Bilge ist gebürtige Kurdin, inzwischen ist sie Deutsche, zum Christentum konvertiert, war "eine gefragte Gesprächspartnerin, weil sie sich für vom IS bedrohte Christen und Jesiden einsetzte und Hilfsgüter in Flüchtlingslager in Syrien und im Irak brachte" (Tagesspiegel). Sie hält nichts mehr vom Islam und sagt das deutlich. Sie ist der AfD beigetreten (als gebürtige Kurdin, also als Migrantin bei der AfD, na sowas!). Jetzt hat sie den Frauenmarsch "Frauen sind kein Freiwild" gegen Vergewaltigung und sonstige sexuelle Übergriffe allgemein und durch patriarchalisch grabschende Migranten im Speziellen initiiert und organisiert. Außer ihr sprachen übrigens noch ein Schwuler und ein migrantischer Libyer - also alles irgendwie ziemlich "bunt".
Aber sie, die kurdische Migrantin, hat sich damit "vor den Karren der weißen Frau spannen" lassen, schreibt Rittberger. Die böse "weiße Frau" spannte die Kurdin vor ihren "Karren", und diese (die in Wahrheit die Demo von sich aus initiiert hat) war so blöd oder so unmündig hilflos, sich von der "weißen Frau" für irgendwas benutzen zu lassen? Sie ist demnach eine schuldlos Verführte, Instrumentalisierte und Mißbrauchte für eine ganz üble Aktion der "weißen Frau"; die migrantische Kurdin, die ahnungslos eine Protestdemo angeleiert hat, muß man also vor dem bösen Anliegen ihrer eigenen Demo in Schutz nehmen - sie wußte nicht, was sie tat, sie konnte nix dafür, sie war nur Marionette der "weißen Frau"?
Wie rassistisch ist das denn?
Und was hatte die offenbar heimtückische "weiße Frau", die laut Rittberger die arglose Kurdin vor ihren Karren spannt, denn nun so Übles im Sinn? Daß sie, die "Weiße", gegen den folkloristischen Volkssport des "taharrush gamea" und Schlimmeres protestieren wollte? "Frauenprotest gegen Vergewaltigung": das ist der unsägliche "Karren" der weißen Frau, vor den sie die migrantische Kurdin gespannt hat. Dieser Karren ist also offenbar was ganz Mieses, politisch Unkorrektes? Oder wie?
Darf die "weiße Frau" keinen Protest gegen zunehmende (migrantische) sexuelle Übergriffe vortragen, ohne daß ihr Anliegen - gleich als "weiß" geframt - negativ konnotiert und von politisch Korrekten verächtlich gemacht wird? Haben die kurdische migrantische Frau und die "weiße Frau" denn nicht eventuell dasselbe Problem und dasselbe Anliegen?
Oder geht es hier bereits um die neue politisch korrekte Opferhierarchie, der zufolge feministische Belange nach intersektioneller Logik ganz ganz weit zurückzustehen haben hinter die vom "Rassismus" geschlagenen sonstigen Opfergruppen? Und der zufolge insbesondere "weiße" feministische Belange unter "ferner liefen" laufen? (Der nicht-weiße Vergewaltiger nicht weiter erwähnenswert, eher unter den Teppich zu kehren als Kollateralschaden, weil Erwähnung reiner Rassismus wäre... - der "weiße" Täter aber zum Beispiel, oooh, DER...! ) Oder wie oder was? Fragen über Fragen...
Also, wie darf man das verstehen, daß sich die migrantische Deutschkurdin vor den "Karren der weißen Frau spannen läßt"?
Keine Sorge, sehr geehrter Ernst-Jünger-Jünger, sie sollten sicher nicht zu jenem "Wir" gezählt werden. Genau darum geht es ja in Rittbergers Text, mit dem Sie sich in Ihrem "kindly include me out" letztlich ja doch einverstanden zeigen. Wie schön!
Dass er seine moralischen Urteile für links hält, ist eine weitere fatale Folge dieser Identitätshierarchien.
Ich kenne Frau Bilge nicht persönlich, lese den von Ihnen angesprochenen Satz im Text aber - so wie den ganzen Text - als Thematisierung politischer Strategien und nicht als Ansammlung persönlicher Vorwürfe. Insofern verstehe ich das Rittbergersche Argument als jüngstes Beispiel dafür, dass es seit langem eine Strategie der extremen Rechten ist, Themen der Solidarität völkisch/rassistisch zu reinterpretieren. Solidarität mit den armen Rentnern - aber nur mit den deutschen. Solidarität mit Obdachlosen - aber nur mit den deutschen. Schutz "unserer" Frauen vor Vergewaltigungen - aber nur durch Ausländer. Ziel ist es, innerhalb der eigenen politischen Narration Mehrheiten für vermeintlich "gute Sachen" zu organisieren und sie gegen Minderheiten auszuspielen. Letztlich geht es dabei weniger um konkrete Solidarität als um populistische Mobilisierung.
Speziell der angesprochene "Frauenmarsch" war eine Aktion, die mit dem identitären Vorstoß synchronisiert war, unter dem Hashtag #120db eine völkische Kopie der #metoo- und #Aufschrei-Dynamiken zu erzeugen. Unter dem Slogan "Kandel ist überall" sollten weiße deutsche Frauen als potentielle Opfer erzählt werden ("Es kann jede treffen!") und so Protest gegen die vermeintliche kulturmarxistische Elite kanalisiert werden, "die all diese Leute ins Land geholt hat". Mit konkreter Solidarität mit Vergewaltigungsopfern oder breiterem politischem Kampf gegen männliche Gewalt gegen Frauen hat das, wie gesagt, wenig zu tun.
Es ist eine bewährte Strategie der radikalen Rechten, um rechtskonservative Mitstreiter*innen mit migrantischem Hintergrund zu werben und sie prominent zu platzieren, um so Vorwürfen vorzubeugen und den völkischen Rahmen solcher Aktionen zu verschleiern. So können sie Kritiker*innen am tatsächlichen politischen Gehalt der Aktion genau das vorwerfen, was sie an ihr kritisieren: Rassismus, Entsolidarisierung, Hierarchisierung von Opfern. Diese Art der Spiegelfechterei, die im Grunde nur eine entwickelte Art des Trollens ist, hat die Rechte in den letzten Jahren enorm kultiviert. Die politische Selbstpositionierung von Frau Bilge innerhalb einer völkischen, identitären und letztlich ausländerfeindlichen Initiative ist, die Herr Rittberger m.E. als "vor den Karren der weißen Frau spannen" lassen kritisiert hat. Es gäbe ja weiß Gott genug Räume zur Solidarität mit weiblichen Gewaltopfern, die nicht im Kern rassistisch sind.
Haben sie eine geeignete Schwachstelle der Kritik ausfindig gemacht, können Initiatoren und Sympathisanten das Bild der derart camouflierten eigenen Veranstaltung ironisch verwenden, um die vermeintliche diskursive Position ihrer Gegner mit Begriffen zu markieren, die sie erfolgreich als Kampfbegriffe angeeignet haben - "bunt", "politisch korrekt" etc. - und sie dann mittels Whataboutisms und Strohmannargumenten als vermeintlich heuchlerisch zu entlarven. Gerahmt wird all dies in der Regel mit der (fiktiven) Erzählung, es gehe lediglich darum, gesellschaftlich Verschwiegenes endlich auszusprechen - niemand spreche schließlich über die deutschen Opfer und die migrantischen Täter -, was natürlich Unsinn ist. Diese Erzählung dient nur dazu, sich selbst als Verteidiger*in der Unterdrückten und Entrechteten zu gerieren, während man Mehrheitsprivilegien vereidigt und radikalisiert. All diese Taktiken aus dem Handbuch der identitären Diskursguerilla haben Sie dankenswerter Weise in Ihrem Kommentar bereits vorgeführt.
"Martin Venator" = Figur aus einem Roman Ernst Jüngers.
Das Spiel ist doch ziemlich schlicht. Ich, "Martin Venator" könnte mit einigem Recht über reflexhafte Diffamierungen, z.b. durch Herrn Schwarz klagen. Sie, "Arne Vogelgesang", würden einwenden, dass Rechte wie ich sich stets in der Opferrolle gefielen, was eben Bestandteil ihres Narrativs sei ("Da sieht mans wieder!"). Ich könnte bestreiten ein Rechter zu sein, wäre aber nur glaubwürdig, wenn ich Teile Ihrer Setzungen übernähme, z.B. die falsche Behauptung, die Gewalt migrantischer Täter würde überall thematisiert. Damit aber hätte ich bei Ihnen kein Glück, denn in Ihrem Narrativ rechter Strategien, wären das selbstverständlich ein durchsichtiges taktisches Manöver.
Liegt die Ursache für deren Erfolg nicht in den Versäumnissen der Linken? Der armen Leyla Bilge wird wieder jedes Recht auf eine eigene politische Entscheidung abgesprochen, da sie ja bei den Falschen gelandet ist. Warum wohl fühlt sie sich nur noch von der AfD vertreten? Haben "rechte Frauen" nicht das Recht eine genehmigte Demonstration durchzuführen, ohne von "Antifaschisten" blokiert zu werden? Wieso stören linke Aktivisten in Kandel einen simplen Schweigemarsch mit bunten Schirmen und entsprechenden Parolen?
Linke haben anscheinend erhebliche Schwierigkeiten, ihre Gegnerinnen und Gegner zu respektieren, sie also nicht zu dämonisieren wie "Samuel Schwarz" mich oder zu "Trollen" zu verniedlichen wie Sie "Tucholskaja". Meine in #4 geäußerte Vermutung linker Konfliktunfähigkeit findet sich bestätigt, was mich mit "wilder Schwermut" (Ernst Jünger) erfüllt.
bitte sehen Sie sich den Beitrag zur Debatte von Canan Bayram an:
www.youtube.com/watch?v=shjaBxsnBXY
Und zur "bunten" AfD sei dies hier empfohlen:
www.zeit.de/2018/08/marc-jongen-afd-kulturbetrieb-entsiffung-aussage
Gruß,
Volin
Sehen Sie, Herr Venator, Sie haben bislang kein einziges "stichhaltiges Argument" vorgebracht, für das ich mich nicht interessieren könnte, sondern in diesem ganzen Diskussionsfaden nur Kommentare auf angeblich linke Diskurspolitik gebracht. Das heißt, auch mit diesem Vorwurf arbeiten Sie lediglich mit einer Unterstellung, die meine Sprechposition unterminieren soll. Die Absicht dahinter ist klar und ich habe Sie ausgesprochen, was Sie verständlicherweise ärgert, aber nichts an ihr ändert. Das ist übrigens auch keine "Diffamierung", wie Sie unterstellen, und auch nicht "reflexhaft". Auch nicht "konfliktunfähig". :)
Ich habe ebensowenig die "falsche Behauptung" aufgestellt, "die Gewalt migrantischer Täter würde überall thematisiert", sondern lediglich gesagt, es wäre Unsinn zu behaupten, es würde nicht davon gesprochen. Ihr Spiel der Umkehrungen und Unterstellungen ist also in der Tat "ziemlich schlicht" und durchschaubar, und darauf weise ich hin, mehr nicht.
Ich halte ebenso Tucholskaja für gar nichts - Identitäten interessieren mich wenig -, sondern habe nur ihre Art des Argumentierens beschrieben. Frau Tucholskaja kann sich gerne für rechts, links, grün, rot, braun oder gepunktet halten, mich interessiert, was sie sagt und wie sie es sagt. Zur "Stichhaltigkeit" ihrer "Argumente" wurden ja bereits Kommentare gemacht, zu denen Sie oder sie sich gerne verhalten können.
Was Frau Bilge angeht, die ich wie gesagt persönlich nicht kenne - Sie vermutlich auch nicht -, bedeutet eine Diskussion über ihre Motivationen, sich weit aus dem Fenster zu lehnen. Selbstverständlich nehme ich an, dass sie ihre politischen Entscheidungen eigenverantwortlich trifft. Es wäre allerdings naiv anzunehmen, dass nicht komplexere politische Entscheidungen und Netzwerke mitverantwortlich dafür sind, eine prominente öffentliche Position einnehmen zu können in einer Veranstaltung, die - wie erwähnt - Teil einer größeren Kampagne ist. Weder spannt sich eine*r ganz selbst vor einen Karren, noch wird da nur gespannt. Und irgendwer hat ja auch immer den Karren erst gebaut. Nichtsdestotrotz: Da wäre sicher eine bessere Formulierung von Herrn Rittberger möglich gewesen, das sehe ich auch so.
An den politischen Zusammenhängen und der Instrumentalisierung von Gewalt gegen Frauen für völkische und rassistische Propaganda ändert dies allerdings nichts, und dazu habe ich auch von ihnen keinerlei Gegenargument gelesen, sondern nur rhetorische Fragen. Selbstverständlich haben "rechte Frauen" das Recht auf eine Demonstration, das hat hier niemand in Frage gestellt. Es wurden lediglich die politischen Zielsetzungen und Inhalte kritisiert. Mit dem von Ihnen erwähnten "simplen Schweigemarsch" meinen Sie vermutlich die Veranstaltung im Januar, die vom Reichsbürger und Verschwörungstheoretiker Marco Kurz in Zusammenarbeit mit der lokalen Identitären Bewegung organisiert worden war, bei dem rechte Hooligans, NPD-Leute und Aktivisten vom III: Weg mitmarschierten und der mit "Wir sind das Volk"-Rufen und dem Absingen des Deutschlandliedes endete? Es gab wohl eine Gruppe mit bunten Regenschirmen an der Gedenkstelle für die Ermordete, die den Platz nicht für diesen "Marsch" räumen wollte und daraufhin angegangen wurde. Von Schweigen war da nicht viel zu merken. Vielleicht gibt dieses Video einen Eindruck davon: www.youtube.com/watch?v=7tfiQ_I2-qw
Viel Vergnügen noch in ihrer "wilden Schwermut".