Presseschau vom 8. März 2018 – Das Kunstmagazin Monopol berichtet über ein immersives Großprojekt, das die Berliner Volksbühne von Chris Dercon eröffnen sollte, aber scheiterte

Sektenartige Stadt

Sektenartige Stadt

8. März 2018. Im Märzheft der Kunstzeitschrift Monopol ist ein Kunstprojekt vorgestellt, das nach Recherchen der Autorin Saskia Trebing die Volksbühnen-Intendanz von Chris Dercon am Rosa-Luxemburg-Platz im Herbst 2017 eröffnen sollte. Warum "Berlins geheimstes Kunstprojekt" (wie es Monopol online etwas marktschreierisch verkündet) nicht realisiert wurde, kann der Text nicht aufklären. Weil sich alle Beteiligten in bedeutungsvolles Schweigen hüllen.

Folgendes erfährt man: Der russische Regisseur Ilja Khrzhanovskij arbeitet seit Jahren an der Fertigstellung seines Mega-Filmprojekts "DAU", für dessen Dreh er in der Ukraine eine sowjetische Stadt im Stile der stalinistischen 1950er Jahre nachbauen und von Schauspielern und Bewohnern der Umgebung bevölkern ließ. Über die "sektenartigen Strukturen" in diesem Set habe der Reporter Michael Idov 2011 für das Magazin "GQ" berichtet, etwa "dass für viele der Beteiligten die Kulisse zur Realität geworden sei. Filmschaffende aus aller Welt seien dauerhaft nach Charkow gezogen, am Set wurden mindestens 14 Kinder gezeugt, und Khrzhanovskij selbst, dem als Hauptantrieb 'animalische Lust' unterstellt wird, sei niemals ohne wechselnde junge Assistentinnen anzutreffen gewesen (im sowjetischen Gestern scheint auch #MeToo weit weg)". So fasst Trebing den Bericht zusammen.

Eine kommunistische Enklave in Berlin

Für Berlin sei nun mutmaßlich die Filmpremiere angepeilt gewesen. Begleitend habe Ilja Khrzhanovskij unter dem Projekttitel "Freiheit" geplant, "den Film mit Realität" zu verknüpfen "und dafür ein Stück Sowjetgebiet in den ehemaligen sowjetischen Sektor der Stadt" zu importieren. "Chris Dercon, der Ilja Khrzhanovskij aus London kennt, wollte offenbar im Theater die heißersehnte 'DAU'-Premiere feiern, während draußen eine kommunistische Großperformance-Enklave nach der Bedeutung von Freiheit in einer einst unfreien Stadt fragen sollte."

In Vorbereitung dieses Großprojekts seien bereits Ladenbesitzer und Bewohner am Rosa-Luxemburg-Platz mit einschüchternden Interview-Methoden kontaktiert worden, berichtet Trebing. Zur Ausarbeitung kam es nicht. "Offenbar fehlten Genehmigungen der Stadt, außerdem scheint der Film auch bei diesem Versuch nicht rechtzeitig fertig geworden zu sein."

(chr)

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