Kurzer Weg vom Schatz zum Wortschatz

von Felizitas Ammann

Zürich, 20. Juni 2008. "Jetzt haben wir uns fast alles gesagt. Jetzt kennen wir unsere Tage im voraus. Und erkennen uns schon am Klang unseres Gangs. WAS KANN DENN JETZT NOCH KOMMEN?" Ja, was? Ein sehnsüchtiger Blick zurück? Das auch. Vor allem aber kommt Selbstreflexion und Selbstironie, Experiment und – unvermeidlich – Kunst. Weil sich Leidenschaft nach sieben langen Jahren Beziehung nicht einfach wieder herstellen lässt, helfen Anne und Johann ein bisschen nach: mit Streiten, mit Rollenspielen und damit, dass sie einen Film über sich und ihre Geschichte drehen. Kurz: Dass sie ihr Leben zur Kunst erklären.

Kunst hilft der Beziehung auf die Sprünge

"Wir betrachten uns als Kunstwerk. – Das hilft. Bei Problemen. – Sind dann Kunstprobleme." Probleme haben sie genug am Hals. Sie haben keinen Job, hocken in der kleinen Wohnung zu nahe aufeinander und haben das Sozialamt angelogen. Deshalb taucht dann auch der Mann vom Amt auf, mischt sich erst ins Leben und bald auch in die Kunst ein. Eine schöne und eine schön zeitgemässe Ausgangslage. Jedenfalls steht "Das wundervolle Zwischending" von Martin Heckmanns diese Saison auf vielen Spielplänen. Obwohl das Stück keine flotte Komödie ist und auch keine rabenschwarze Zimmerschlacht. Es ist selbst ein wundervolles Zwischending, zwischen Ernst und Ironie gefangen, mal ins Abstrakte wuchernd und dann wieder bissig direkt.

Auf der Bühne 5 im Zürcher Pfauen allerdings wirkt das "Zwischending" immer wieder eher ratlos als wunderbar. Marlene Baldauf hat den beiden Lebenskünstlern einige Matratzen – wie kleine Forschungsfelder – in die Wohnung eingebaut. Daneben türmen sich Zeitungsstapel, das übliche Chaos und Berge von Altkleidern. Recycling, wohin das Auge schaut.

Forscher in Liebesdingen und im Sprachgebrauch

Recycling bestimmt auch das Lebensgefühl. Alles schon gesagt. Alles bekannt. Man sucht das Heil in Rollenspiel und Fiktion. Gleichzeitig werden die eigenen Erinnerungen fahl, weil sie nur noch an fiktive Liebesgeschichten erinnern. Heckmanns' Dialoge sind so ernüchternd wie komisch, und dabei wunderbar knapp formuliert. Yohanna Schwertfeger gibt Anne als egozentrische Rotzgöre, Michael Ransburgs Johann wirkt leicht verstört. Zusammen geben sie ein schönes, seltsames, oft undurchschaubares Paar ab. Christian Hallers Mann vom Amt, der plötzlich noch hineinschneit und den Film (oder das Leben) zum flotten Dreier machen will, wirkt dagegen eindimensional. Ein zu netter altmodischer Sozialarbeiter, der ab und zu laut werden muss, um sich zu behaupten.

Ansonsten hütet sich Julia Heinrichs, Regieassistentin am Haus, in ihrer Inszenierung vor zu viel Klamauk und zu viel Eindeutigkeit. Sie lässt die Schauspieler mit Kameras und Scheinwerfern hantieren und sonst nicht allzu viel spielen. Die abrupt wechselnden Haltungen und Ironiegrade teilen sich vor allem durch die Stimmen mit. Da wird geflüstert und gebrüllt, gesäuselt und eiskalt mitgeteilt. Das führt im besten Fall zu blitzschnellen Stimmungswechseln, zu harten Desillusionierungen (und deren Wiederaufhebungen), und zu einem seltsam unbestimmten Zustand, in dem das Wort wortwörtlich das Wort führt.

Unbestimmter Schwebezustand

Dazwischen aber fällt die Spannung immer wieder ab, und das Schicksal des sich selbst bespiegelnden Paars lässt einen ziemlich unberührt. Vielleicht hätte ein bisschen mehr Körpereinsatz doch geholfen. Oder umgekehrt die unbedingtere Konzentration auf die Sprache. Wie dann, wenn Anne und Johann vorm Einschlafen Wortspiele machen, in denen ein Wort aufs nächste folgt und die Bedeutung längst entwischt ist. Dann, wenn Johann singt: "Von Dir, mein Schatz, zum Wortschatz, ist es nur ein Wort."

 

Das wundervolle Zwischending
von Martin Heckmanns
Regie: Julia Heinrichs, Bühne: Marlene Baldauf, Kostüme: Agnes Raganowicz.
Mit: Yohanna Schwertfeger, Michael Ransburg, Christian Heller.

www.schauspielhaus.ch

 
Mehr über Inszenierungen von Martin Heckmanns' Stücken: Im April inszenierte Mareike Mikat Ein Teil der Gans in Heidelberg, die Uraufführung hatte Philipp Preuss im Oktober 2007 am DT Berlin in der Hand. Die Uraufführung von Kommt ein Mann zur Welt besorgte Rafael Sanchez im April 2007 in Düsseldorf.

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