Kniefall vor den Verhältnissen

von Elena Philipp

Berlin, 21. April 2018. Wir schreiben das Jahr 2018. Es gibt die begründete Hoffnung auf einen Kulturwandel, auch am Theater. Geschlechtergerechtigkeit ist ein breit debattiertes Thema. Und dann ist da einer, der bekommt ein Theater an die Hand – und was lässt dieser eine, Oliver Reese, erzählen? Unter dem Spielzeitmotto "Gegenwart"? Die Geschichte einer Frau als Erniedrigte und Beleidigte. Als hätte es #MeToo nie gegeben; als lebten wir noch in den Zeiten von Emma Bovary und der Kameliendame. Doch von vorne.

Klassiker des psychologischen Kammerspiels

Hausregisseur Michael Thalheimer inszeniert am Berliner Ensemble "Endstation Sehnsucht" von Tennessee Williams. Einen Klassiker des psychologischen Kammerspiels. Die Handlung ist rasch rekapituliert: Blanche, eine alternde Südstaatenschönheit, ist bankrott, der Ruf ruiniert, als Lehrerin wurde ihr gekündigt. Sie flieht zu ihrer Schwester Stella, wo sie sich mit habitueller Grandezza einzurichten sucht – "Stella! Gib mir doch ein Handtuch, damit ich mir die Haare trocknen kann" –, auf der halbherzigen Suche nach einem neuen Leben. Doch ihren Schwager Stanley, einen polnischstämmigen Arbeiter, den sie einen primitiven Affen und "Polacken" nennt, hat sie unterschätzt: er beschleunigt, gezielt und gründlich, ihren Niedergang.

Endstation Sehnsucht 10 560 c Matthias Horn uWo die Kerle noch oben stehen: Cordelia Wege (Blanche) und Andreas Döhler (Stanley) © Matthias Horn

Wucht hat das erste Bild der Inszenierung – wie man es von Thalheimer, dem Bilderfinder, kennt: Cordelia Weges Blanche tastet sich abwärts, auf einer Schräge mit maximaler Steigung. Sturzgefährdet nah balanciert sie in ihrem weißen Unschuldsengel-Kleid am Rand der Bühne. Symbolisch am inneren Abgrund der Figur. Faktisch mehrere Meter über dem Bühnenboden. Visuell sind die Fallhöhe der Figur und die Richtung ihrer Entwicklung sofort klar: abwärts geht's. Olaf Altmann, Thalheimers langjähriger Bühnenbildner, hat dafür einen dreieckigen Guckkasten auf der Bühne eingebaut, etwa auf halber Höhe des Portals. Drumherum ist alles zugebunkert mit schick verrosteten Metallplatten. Perfide für die Schauspieler*innen: besagte Neigung der Grundfläche um 25 Grad. Tief in den Knien müssen sie stehen, um das prekäre Gleichgewicht zu halten. Hinten läuft das Dreieck spitz zu, und durch eine je nach Beleuchtung mal opake, mal transparente Glasscheibe sieht man entlang des rechten Schenkels einen schmalen Gang – das Außen der Zwei-Zimmer-Wohnung, in der Williams' Drama spielt. Dort zoffen sich vor allem die Nachbarin Eunice und ihr Gatte Steve, teils bis zur Prügelei.

"Es ist nie gut, wenn jemand sich so schrecklich benimmt!"

Mit Gewalt haben sie hier alle Erfahrung. Die schwangere Stella wird von Stanley brutal an die Wand geschleudert, aber sie verteidigt ihn, denn so seien eben die Männer in betrunkenem Zustand. Eunice wird von ihrem fremd gehenden Ehemann zu Boden geschlagen, sie zetert, klagt – und bleibt wo sie ist. Im Arbeitermilieu, in dem sich die höhere Tochter Stella durchaus zufrieden eingerichtet hat, herrscht eine fast gleichgültige Pragmatik: "Es ist nie gut, wenn jemand sich so schrecklich benimmt, aber es kommt eben vor", meint Stella. Blanche hingegen verstrickt sich in hochfliegenden Plänen – sie ist eine Anhängerin des Belle Rêve, des schönen Traums, wie die Plantage ihrer Familie hieß. Regiert wird ihr Leben allerdings von monetären Zwängen.

Endstation Sehnsucht 20 560 c Matthias Horn uRichtig zoffen: mit Peter Moltzen (Mitch), Andreas Döhler (Stanley), Sina Martens (Stella) und Cordelia Wege (Blanche) © Matthias Horn

Als Blanche nervös gestikulierend ihrer Schwester darlegt, dass sie zu Geld kommen müssten, um einen Ausweg zu finden, ist das einer der wenigen Momente in Michael Thalheimers Inszenierung, in denen man begründet hofft, dass hier doch etwas Überindividuelles ins Spiel kommen könnte: das Systemische, von dem das Programmheft des Berliner Ensembles kündet, die Sozial- und Kapitalismuskritik, die es erwähnt. Doch Blanche klebt, wie ein Vögelchen an der Leimrute, an ihrem ganz persönlichen Wahn. Im Programmheft wird er als Ausdruck gesellschaftlicher Verhältnisse beschrieben. Aber zu sehen ist nur: eine Frau, die, wie hochmütig und verblendet auch immer, über zwei Stunden ihr Elend herausschreit, uns ihre Angst vorzittert und sich vor den Männern erniedrigt.

Selbstmord oder Sanatorium?

Cordelia Wege verausgabt sich in dieser Riesenrolle. Spielt sie mit Anklängen an Sophie Rois' Gestik – elegant, flamboyant, dominant –, und an die hyperventilierende Zerrüttung, mit der Cate Blanchett, als eine in die Jetztzeit versetzte Blanche in Woody Allens "Blue Jasmine", einen Oscar gewann. Flirrende Finger locken die Männer; als der junge Kassierer sie, mehr überwältigt denn überzeugt, küsst, kommen Weges Hände zur Ruhe, in eine gleitende Wellenbewegung, als sei sie ein Wasserwesen. "Mmh" seufzt sie, befriedigt in ihrer zunehmend durchs Alter gefährdeten Rolle als vampirische Verführerin. Wenig später – und da hat dieses eigentlich kurzen Abends Reise in die Umnachtung schon entschieden zu lang gedauert – wird sie sich von einem fiebrigen Nervenbündel in eine apathische Kreatur verwandelt haben, die auf der Schräge sitzt und sich das Gesicht, den Hals und die Unterarmen mit rotem Lippenstift bemalt. Was bleibt einer "gefallenen Frau" denn auch als Ausweg in den seit Jahrhunderten gängigen Geschichten? Selbstmord oder Sanatorium.

"Ich bin hier der König", verkündet Andreas Döhlers Stanley seine von der Regie kaum angefochtene Position. Yo, denkt man, die Kerle machen mal wieder die Hierarchien klar. Da mag das Programmheft noch so viel Kontext aus der Entstehungszeit des Dramas liefern, noch so viele Theaterwissenschaftler zitieren: Vermeintliche Verhältnisse auf der Bühne zu verdoppeln, führt nicht zu Aufklärung, sondern zur Zementierung des Status Quo. Zynisch sägt sich Döhlers ins Black verhallender Schlusssatz ins Hirn: "Ist doch gut. Ist doch alles, alles gut." Ja, und wie weiter?

 

Endstation Sehnsucht
von Tennessee Williams
aus dem Englischen von Helmar Harald Fischer
Regie: Michael Thalheimer, Bühne: Olaf Altmann, Kostüme: Nehle Balkhausen, Musik: Bert Wrede, Licht: Ulrich Eh, Dramaturgie: Sibylle Baschung.
Mit: Cordelia Wege (Blanche), Sina Martens (Stella), Andreas Döhler (Stanley), Peter Moltzen (Mitch), Kathrin Wehlisch (Eunice), Henning Vogt (Steve), Sven Fleischmann (Pablo), Max Schimmelpfennig (Ein junger Kassierer), Rayk Hampel (Ein Arzt), Marie Benthin (Eine Krankenschwester). 
Dauer: 2 Stunden, keine Pause

www.berliner-ensemble.de

 


Kritikenrundschau

"Das Stück passt gut in unsere Wohlstandsgesellschaft, die von Existenzsorgen gebeutelt ist und mit Abgrenzungsreflexen reagiert − gegen die Abgehängten und Fremden hier sowie gegen die Eliten da", schreibt Ulrich Seidler in der Berliner Zeitung (online 22.4.2018). "Doch Thalheimer interessiert sich weder für die konkrete Gegenwart noch für den Realismus des Stücks. Er begnügt sich mit der existenziellen Konfliktstruktur, die er mit dem räumlichen Arrangement illustriert. Dieser protzige Gestus wird noch verstärkt durch die finster aufschwellende Musik von Bert Wrede." Beglaubigt werde das Arrangement durch die "Virtuosität der Schauspieler, die Thalheimer zu Höchstleistungen treibt".

"Ein finsterer, hinreißender Triumph" ist dieser Abend für André Mumot vom Deutschlandfunk Kultur (22.4.2018). Insbesondere wegen Cordelia Wege in der Hauptrolle. "Das alte Thalheimer-Prinzip der psychologischen Pantomime kann noch immer in den Bann schlagen, wenn es Menschen in den Mittelpunkt rückt und keine Thesen", schreibt Mumot. Thalheimer "inszeniert den erotischen Sozialzusammenstoß anfangs böse komödiantisch und schließlich abgrundtief verstörend, als Geschichte einer Frau, die der Härte der Realität Lebenslügen entgegensetzt, einen Sinn für Schönheit, für Poesie, einen Ästhetisierungswunsch, der hoffnungslos an der hässlichen Wirklichkeit zerbricht."

"Thalheimers szenischer Reduktionismus und seine inhaltsdestillierende Konzentration greifen hier wieder aufs Beste ineinander – in Kombination mit beglückender schauspielerischer Präzision", jubelt Christine Wahl im Tagesspiegel (online 22.4.2018). Höchste Würdigung erfährt das Spiel von Sina Martens, Andreas Döhler und Cordelia Wege (ihre Blanche ein "kleines Meisterwerk"). Alles "Melodramatische" sei gekappt, eine jede Figur "ambivalenter". Der Vergleich zu Frank Castorfs Tennessee-Williams-Variation "Endstation Amerika" von 2000 drängt sich der Kritikerin auf. "So jedenfalls darf es gerne weitergehen mit Reeses Berliner Ensemble, das bislang eher hinter den hohen Erwartungen zurückgeblieben ist."

Von einer "grandios eindrucksvollen Inszenierung" mit einem "überragenden Ensemble" berichtet Irene Bazinger in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (23.4.2018). "Michael Thalheimer hat dem in New Orleans angesiedelten Stück sämtliche Südstaaten-Folklore abgeschminkt und – der Regisseur als gründlicher Arzt – den Personen mit Empathie und Wachheit den Theaterpuls gefühlt, der ohne all die Dekorationen natürlich stärker zu spüren ist. Und siehe da: Sie und ihre Geschichten sind nicht veraltet, sondern lebendig und brillant, und die riesigen Schatten, die sie manchmal an die Wände werfen, betonen noch ihre Bedeutung für das Publikum im Saal."

Thalheimer "gelingt eine gute, zutiefst unaufdringliche Aktualisierung des Stoffes", berichtet Hannah Lühmann in der Welt (23.4.2018) und lobt "wie herzzerreißend – und zuweilen anstrengend, es wird naturgemäß viel gebrüllt im Haushalt Kowalski-Dubois – er das Drama um die beiden Schwestern vornehmer Abstammung und den Aufsteiger Stanley Kowalski inszeniert".

Katrin Bettina Müller schreibt in der taz (25.4.2018): Olaf Altmanns Raum erinnere sehr an seine vorherigen klaustrophobischen Räume wie etwa in "Ratten".  Man denke, ein "Amateurtheater versuche sich an proletarischen Figuren". Das Drama komme lange aus seinem Kasten nicht heraus. Man sehe Andreas Döhler als Stanley "bei der Arbeit zu, statt mit ihm zu gehen". Das Stück finde "kaum einen Anschluss an die Gegenwart". Die Bilder könnten erst in der zweiten Hälfte "berühren", aber was die Inszenierung "über Milieus und die Kraft der Vorstellung für die Zementierung ihrer Regeln erzählt", bleibe "blass".

"Drehungen der Kaputtheitsspirale, aber sicher keine grunderschütternden Tragödien" hat Peter Laudenbach für die Süddeutsche Zeitung (25.4.2018) am BE erlebt. Zwar lobt der Kritiker das kraftvolle Spiel von Cordelia Wege in der Hauptrolle; sie habe "den Mut, diese Studie einer verzweifelt Überspannten in den Körperexpressionismus zu treiben. Eine Feinzeichnung des psychologischen Realismus kann sie sich sparen, sie hätte gegen das martialische Bühnenbild auch keine Chance." Insgesamt kann er der Inszenierung aber wenig abgewinnen: Bei Thalheimer werde die "komplexe Beziehung" von Stanley und Blanche allerdings "umweglos und schroff auf den denkbar heftigsten Konflikt reduziert. Die Figuren sind eher in die Enge getriebene Tiere als detailreich ausgeleuchtete Charaktere."

 

Kommentare  
Endstation Sehnsucht, Berlin: Kritik als Ideologie
Eine Kritik als Ideologie - spannend zu verfolgen, welche Richtung Theaterberichterstattung gerade geht. Eine Aufführung nur mehr als Anlassfall zur Klärung des eigenen Standpunkts. Denn ich lese hier: nichts über die Inszenierung, sehr viel über Elena Philipp und wie ihrer Meinung nach das Theater zu sein hat, um ‚heute‘ bestehen zu dürfen. Das muss - nicht falsch verstehen - nicht schlecht sein - ich finde diese Bezogenheit auf die absolute Selbstsicherheit der eigenen, subjektiven Überzeugung nur sehr irritierend. Ob produktiv irritierend, da bin ich mir noch nicht sicher.
Endstation Sehnsucht, Berlin: Wege bejubelt
Die Sozial- und Kapitalismuskritik, die im Essay des Programmhefts ins Zentrum gerückt werden, kommen in Thalheimers Inszenierung recht kurz. Hier stimme ich Elena Philipp zu.

Die Schluss-Szene habe ich ganz anders gesehen: Ich finde nicht, dass die hierarchische Rolle des Machos zementiert ist. Sein "Ist doch gut. Ist doch alles, alles gut." wiederholt Stanley (Andreas Döhler) so oft und immer hilfloser, dass es auf mich nicht zynisch, sondern entlarvend und hohl wirkte.

Für mich hat die Thalheimer-Inszenierung insgesamt gut funktioniert. Das lag vor allem an Olaf Altmanns suggestivem, eindrucksvollem Bühnenbild. Auf dieser schrägen Bahn finden die Figuren keinen Halt und kommen buchstäblich ins Rutschen.
Und vor allem an einem tollen Berlin-Comeback von Ex-Volksbühnen-Spielerin Cordelia Wege als Blanche, die bejubelt wurde. Sie lässt eine Frau spürbar werden, die den sozialen Abstieg nicht verkraftet, sich an Strohhalme klammert, mehr und mehr den Kontakt zur Realität verliert und schließlich in der Psychiatrie landet. Wege tappt dabei nicht in die Falle, ihre Blanche als hysterische Schreckschraube zu denunzieren, die ihren Mitmenschen nur auf den Wecker geht.

Komplette Kritik: https://daskulturblog.com/2018/04/22/endstation-sehnsucht-von-michael-thalheimer-am-be-mit-eindrucksvollem-berlin-comeback-von-cordelia-wege/
Endstation Sehnsucht, Berlin: muss Theater Antwort liefern?
"Zynisch sägt sich Döhlers ins Black verhallender Schlusssatz ins Hirn: "Ist doch gut. Ist doch alles, alles gut." Ja, und wie weiter?"
Genau das ist die Frage. Darüber darf aber jede*r selber nachdenken, oder? Oder muss das Theater diese Antwort liefern? Hier ist am Ende überhaupt nichts gut, wie (nicht nur) Stanley als Vertreter eines traditionellen (und im übrigen immer noch vorhandenen und wirkmächtigen) Männerbildes krampfhaft zu behaupten versucht. Und man möchte den Figuren zurufen: Selber Schuld, wa? Selber schuld?
Endstation Sehnsucht, Berlin: zeitgenössisch?
Thalheimer, der noch vor Jahresfrist sagte, er würde neugierig darauf sein, wie er auf zeitgenössische Dramatik reagieren würde, die er am BE machen solle, konnte immerhin zu Williams als Kompromiss überredet werden. Das ist doch schon was! Jetzt braucht er nur noch zwanzig Jahre thalheimernde (also heimische) Klassikerzetrümmerung und dann ist er vielleicht damit so weit wie Bach oder Lotz gerade oder - noch besser: Goetz zum Beispiel schon lange! - sind. Vorwärts immer rückwärts nimmer!
Endstation Sehnsucht, Berlin: Williams war das "Mädchen"
Die Kritik sagt für mich alles aus. Auch über die Inszenierung. Beides scheint einer altmodischen bzw. pauschalen und historisch undifferenzierten Perspektive zu entspringen. Frau Philipp will immer wieder nur #MeToo. Und Thalheimer, ebenso Teil des perspektivisch männerdominierten Theaters, will nun also etwas über dieses aussagen, landet dann aber doch wieder nur in Klischees über die projizierte Macho-Arbeiterwelt. Irgendwie schizophren, Herr Thalheimer. Männer als "Könige" (Könige von Deutschland?) und Frauen mit "flirrenden Fingern"? Na, ist doch schön, ist doch alles gut, sind so Kindergartenreime (...).

Und Frau Philipp, meinen Sie das im Ernst? Ihre Sätze von der "gefallenen Frau"? Geht es heute wie damals nicht vielleicht doch auch um andere Themen als bzw. neben der "gefallenen Frau"? Aus meiner Sicht schon. In diesem Sinne ist Ihr folgender Satz dann auch einfach nur einer, welcher Thalheimers Perspektive am Ende ebenso wie dieser bejaht, anstatt sie zu kritisieren: "Was bleibt einer 'gefallenen Frau' denn auch als Ausweg in den seit Jahrhunderten gängigen Geschichten? Selbstmord oder Sanatorium." Ja ja. Übrigens, Männer haben auch Träume/Ilusionen, leider machen sie dann aber den Fehler (auch Dramatiker wie Williams), dass sie diese Träume in abwertender Weise auf von ihnen beschriebene Frauenfiguren projizieren. Er war es doch, Williams, der zunächst nur davon träumte, ein Dichter zu werden, während er in einer Schuhfabrik arbeitete. Tja. Er selbst war das "Mädchen" in der protzig-prallen und geistig-seelisch abgestumpfen Arbeiterwelt (der Männer). Aber Hollywood will eben andere Klischees und so lieferte Williams brav an den Kommerz.
Endstation Sehnsucht, Berlin: und die Schauspieler?
Erstaunlich, wie wenig die Schauspieler/innen erwähnt werden. Immerhin war es doch ein Theaterabend?! Vielleicht sollten einige Theaterkritiker/innen lieber ein Buch lesen...
Endstation Sehnsucht, Berlin: abgedroschen
Ich sah ein zum hundersten Mal abgedroschene Thalheimer-Inszenierung: schräge Bühne, zappelnde, schreiende Zustand-Abziehbilder von eigentlich sehr differenzierten Figuren... . Musik. Hohler Theaterblödsinn. Kein Wunder, dass Thalheimer auf alle neuen Autorinnen und jüngeren Regisseurinnen schimpft - denn ihm fällt auch nichts mehr ein und sein Status ist verloren gegangen, weil es immer das Gleiche beim ist. Langweilig.
Endstation Sehnsucht, Berlin: Wie ist es?
Hallo !
Nur kurz : hat es jemand gesehen ? Wie ist es ? Nichts gegen Sie , Herr Kögler , aber gibt es jemanden , der das hier liest und drin war ? Also : berührt es , rüttelt es auf , unterhält es ? Irgendwas ?
Endstation Sehnsucht, Berlin: andere Beschreibung
http://www.deutschlandfunkkultur.de/endstation-sehnsucht-am-berliner-ensemble-thalheimers.1013.de.html?dram:article_id=416235

(Liebe Lena,
vielen Dank. Die von Ihnen verlinkte Kritik ist auch bereits in unserer hier unter der Nachtkritik begonnenen Kritikenrundschau zusammengefasst.
Mit besten Grüßen, Anne Peter / Redaktion)
Endstation Sehnsucht, Berlin: Unterschlagung
Ich finde es zumindest bemerkenswert, dass eine Kritik im Zeichen des Feminismus genau diejenigen Aspekte in Cordelia Weges Figurenzeichnung unterschlägt, die ein anderes Bild zeigen. „Alles ist Ambivalenz, vor allem im Spiel von Cordelia Wege. Ihre Blanche DuBois ist weit entfernt von der oft nervtötenden, ins Lächerliche kippenden Manieriertheit, die dieser Figur seit jeher anhaftet. Stattdessen bricht bei dieser Premiere eine überraschende Härte aus ihr hervor, ein trotziger Kampfgeist und eine fordernde Sinnlichkeit, die sich an den ungeschickten, selbstverliebten Männern um sie herum die Zähne ausbeißt.“
(http://www.deutschlandfunkkultur.de/endstation-sehnsucht-am-berliner-ensemble-thalheimers.1013.de.html?dram:article_id=416235)
Endstation Sehnsucht, Berlin: Rückschluss auf alle?
Wie man es schafft von einer, in den Vierzigern Jahren des vorigen Jahrhunderts entwickelten Theaterfigur, die sich als polnischer Einwanderer gegen heimischen Standesdünkel erwehrt, einen Rückschluss auf alle heutigen Kerle zu ziehen, ist doch eine sehr spezielle Kulturleistung einer Kritikerin.
Endstation Sehnsucht, Berlin: Gegenteil
„Vermeintliche Verhältnisse auf der Bühne zu verdoppeln, führt nicht zu Aufklärung, sondern zur Zementierung des Status Quo“
Da bin ich mir nicht so sicher . Ich denke vielmehr das Gegenteil.
Endstation Sehnsucht, Berlin: herausragend
Eine hoch konzentrierte Aufführung mit einer wirklich herausragenden Blanche.Geht rein!!!
Endstation Sehnsucht, Berlin: nicht nachvollziehbar
ich kann elena philipps kritik überhaupt nicht nachvollziehen. "Die Geschichte einer Frau als Erniedrigte und Beleidigte. Als hätte es #MeToo nie gegeben; als lebten wir noch in den Zeiten von Emma Bovary und der Kameliendame." – hab ich ganz anders erlebt, blanche ist hier doch nicht nur armes opfer, vor allem die beiden frauen sind hier doch ganz schön "scharf" auf die männer, irgendwie kann man das schon auf metoo beziehen. mir war's ja zu viel geschrei, aber im grundton würde ich eher dieser besprechung zustimmen: https://www.kulturradio.de/rezensionen/buehne/2018/04/Berliner_Ensemble_Endstation-Sehnsucht.html
Endstation Sehnsucht, Berlin: wichtig / hölzern
Ich empfinde das, was Elena Philipp grundsätzlich vom Theater verlangt, als wichtig und sehr dringlich. Gleichzeitig an dieser Stelle sehr hölzern und verstiegen. Die gesamte Kritik macht ja nur Sinn, weil Michael Thalheimer ein “alter weißer Mann” ist. Und Sibylle Baschung? Die war doch dabei?! Ist die Frau nicht auch am Konzept beteiligt? (Ob es gelungen ist, lässt sich ja herrlich streiten!) Ich würde doch schwer davon ausgehen, dass sie kein stiller Zaungast ist. Daher doch arg draufgestülpt.

Und einfach kein Wort zum Spiel. Wobei, wenn ich bissig wäre, könnte ich ja noch sagen dass die geschlechterrollen in ihrer Beschreibung alle Klischees bedienen. Blanche “eine gefallene”, und die Männer “schwitzen und schreien”. Naja, naja.
Endstation Sehnsucht, Berlin: stärkste Arbeit
Thalheimers stärkste Arbeit seit Jahren (zumindest in Berlin).
Wobei sicher die Hälfte des Erfolgs Olaf Altmann gebührt.
Endstation Sehnsucht, Berlin: ungeheuer heutig
Michael Thalheimers Inszenierung ist so ungeheuer heutig, weil sie im Universellen verbleibt. Die Bühne ist ein Käfig im Nirgendwo und Immerschon, die Außenwelt, angedeutet durch eine semitransparente Rückwand, Illusion. Sie sind alle drin in der kapitalistischen Menschenverwertungsmaschine, wissend (Stanley), ahnend (Stella) oder sich dagegen aufbäumend (Blanche). Sie sind Produkte ihrer Welt, in Rollen gefangen, gegen die sie sich wehren (Blanche), die sie annehmen (Stanley) oder gegenüber denen sie resignieren. Wie Stella, wenn sie am Ende in einem Nebensatz die Schwester dem Opportunismus opfert und sie zugleich beweint, eine beiläufige, leicht zu übersehende und umso erschütterndere Miniatur. Worte fallen in die Stille, rau sind die Stimmen, angespannt die Körper, sich entgegenstemmend einer Notwendigkeit, der sich nicht entfliehen lässt.

Dabei wollen sie raus, die Erstarrung, die Bert Wredes düsterer Klangteppich ebenso unterstreicht wie die geisterhaften Lichtspiele zwischen den Szenen, die nicht mehr sind als Tableaux des Stillstands. So gewinnen die Hände eine gewisse Autonomie, sind ständig in Bewegung, lassen sich nicht kontrollieren, nicht einnorden, nicht unterdrücken. Sie bleiben rebellisch, deuten den menschlichen Willen zur Individualität und Eigenständigkeit selbst dann noch an, wenn alles verloren scheint. Nur einmal sind sie still: Wenn Blanche und Peter Moltzens verzweifelt rigider Mitch sich versichern, einander zu brauchen. Da ist kein Begehren, sondern ein Wissen um die Notwendigkeit eines Anderen, die Ablehnung der Einsamkeit. Eine Illusion nur, aber in ihrer kalten Klarheit um so berührender. Am Ende steht nicht die Ich-Auslöschung, nicht die totale Niederlage. Ja, der Status Quo ist wieder hergestellt, Blanche „entsorgt“. Aber sie behauptet sich bis zum Ende, die starke Frau, die sie ist, die sie alle sind, selbst Kathrin Wehlischs kämpferische Eunice. Eine Schlacht ist geschlagen und verloren, der Krieg noch lange nicht. „The Times They Are A-Changin'“, sang Bob Dylan. Vielleicht noch nicht, aber sie werden es. Irgendwann.

Komplette Rezension: https://stagescreen.wordpress.com/2018/05/01/ganz-unten/
Endstation Sehnsucht, Berlin: Stereotyp?
Warum muss ich eigentlich immer Abende im Theater zu sehen bekommen, die "ungeheuer heutig" sind? Geht es da um mein "Heute", oder nur um ein Stereotyp? Und warum darf ich nicht etwas Nicht-"Heutiges" sehen, zu dem ich mir meine eigene Verbindung zu meinem Hier und meinem Jetzt machen darf? Bzw. kann, weil es mir nicht schon fertig vorgesetzt wird?
Endstation Sehnsucht, Berlin: schreien
Entwicklungen und differenzierte Darstellungen waren hier offenbar nicht gewollt. Auch durch den Raum war und blieb alles von Anbeginn zum Untergang verurteilt - das ist ein bischen wenig. Immerwiederkehrendes Schreien ist sowas von langweilig, es erzählt fast nichts und die Stimme von Kowalski braucht wahrscheinlich Wochen um sich zu erholen. Insgesamt dadurch sehr berechenbar und flach. Die armen (durchaus guten) Schauspieler haben sich die Seele aus dem Leib geschrien, an ihnen hat es sicherlich nicht gelegen, dass nach 15 Minuten alles gesagt war. Eine klischeehaft dargestellte grobe, laute und gewalttätige Arbeiterkultur kann nicht berühren. Mir wars lange nicht mehr so langweilig im Theater.
Endstation Sehnsucht, Berlin: Exit game
Exit game
In ihrer Galilei-Besprechung sprach Irene Bazinger in der FAZ von „tüchtigen, gut ernährten Stadttheater-Darstellern“ am BE. Das BE als Stadttheater? Was sonst, oh, wie schön ist Stadttheater! Konnte man am Sonntag Sina Martens noch als etwas zugeknöpfte Stadttheaterschauspielerinnachvorschrift neben der sich hyperaktiv aufopfernden Jeanne Balibar erleben, watschelt sie am Donnerstag als schwangere Ente Stella in ENDSTATION SEHNSUCHT und in Stöckelschuhen durch Michael Thalheimers Schacht des sozialen Abstiegs.
In Tennessee Williams STREETCAR DESIRE flirrt es vor Hitze, buchstäblicher und sexueller. Man weiß nicht, ob Blanche DuBois eine umrissene Figur ist oder eine Fata Morgana. Dazu die „leidenschaftlich erregte“ Musik. Es ist ein bisschen wie in „Der Fremde“ von Albert Camus, wo der Ich-Erzähler in der flirrenden Sonne, geblendet durch ein blitzendes Messer, einen Araber erschießt. Doch alles ist gut, solange Stella will, dass Stanley ihr an die Wäsche geht. Und auch wenn Stanley oft viel zu sehr damit beschäftigt ist, „sich wie ein Schwein zu benehmen“, kommt sie vom Verlangen nach ihm - vom „animalischen Verlangen“, vom „brutalen Begehren“ - nicht los.
Bei Michael Thalheimer wird die überhitzte Schwüle zur kalten Versuchsanordnung heruntergekühlt. „Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit“, schrieb Kant. Mit Thalheimer schauen wir dem selbst verschuldeten Niedergang zu. Insbesondere von Stella, der die Entschließung und der Mut fehlt, sich ihres Verstandes zu bedienen: „Ich stecke in gar nichts drin, aus dem ich raus will.“
Der TRIEBWAGEN VERLANGEN ist nach weniger als 2 Stunden am unentrinnbaren Tiefpunkt stecken geblieben. Es wäre Zeit gewesen, dass die „gut ernährten Stadttheater-Darsteller“, die sich ihre Figuren so „tüchtig“ erarbeitet haben und deren Möglichkeiten kennen, aus den Endlosschleifen der Rollen heraustreten, um dem etwas ratlosen Publikum mit ein paar Hinweisen zum Entkommen weiterzuhelfen.
Ich glaube, es gibt auch in Berlin eine Menge Stellas. Die Mehrheit von ihnen hat sich mittlerweile von Stanley getrennt. Sie geben als alleinerziehende Hartz-IV-Empfängerinnen anderen die Schuld, dass sie keinen Aufschwung erleben. Sie kommen eher nicht ins BE und wenn, würden sie sich wohl an die Stirn tippen, als sich wiedererkennen und ändern.
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