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Berner Ensemble wehrt sich gegen Leitungs-Querelen
Kein Adrenalinstoß nötig
Bern, 9. Mai 2018. In Reaktion auf einen Artikel der Neuen Zürcher Zeitung unter dem Titel "Kunst braucht Unruhe – das Theater Bern ist das beste Beispiel" äußert sich das Schauspiel-Ensemble des Konzert Theaters Bern zu den jüngsten Querelen in der Leitungsebene. Vor wenigen Tagen war bekannt geworden, dass sich das Konzert Theater Bern und der seit 2017/2018 auf einem Zweijahresvertrag amtierende Schauspieldirektor Cihan Inan zum Ende der Spielzeit 2018/2019 im Konflikt trennen. Bereits Inans Vorgängerin Stephanie Gräve war im Januar 2016 im Unfrieden gegangen.
Unsicherheit und Angst sind nicht gerechtfertigt
In dem von vierzehn Schauspieler*innen und vier Mitgliedern der Dramaturgie und der Regieassistenz gezeichneten Offenen Brief (hier vollständig abgedruckt) heißt es an die Adresse der NZZ-Theaterkritikerin Daniele Muscionico: "Sie schreiben, dass eine Unruhe, wie sie das Berner Theater gerade erlebt, der Kunst nützt und sie inspiriert. Wir hingegen glauben nicht, dass Theater ein derart kurzlebiges Medium ist, dass Interimsspielzeiten zur Regel werden sollten, bloss weil sie allen Beteiligten einen schnellen Adrenalinstoss versetzen. Wir glauben auch nicht, dass eine Einladung zum Berliner Theatertreffen die Unsicherheit und Angst rechtfertigt, die ein ständiger Wechsel auf der Leitungsebene für unser Ensemble mit sich bringt."
"Wir glauben, dass personelle Unruhen nicht mit künstlerischen Unruhen verwechselt werden sollten“, schreibt das Ensemble weiter. "Wie Sie sind wir der Meinung, dass ein Theater starke Persönlichkeiten mit Konfliktfähigkeit braucht, aber dass diese – und das ist das Entscheidende – in ihrer Stärke und Konfliktfähigkeit mit stabilen Arbeitsbedingungen geschützt werden müssen."
(chr)
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In welchem Haus, geht so etwas schon?
Es war ein dummer Schachzug Märkis, den Schauspiel-Direktor ziehen zu lassen. (...)
Lieber Theatergast, sie stellen die völlig falschen Frage. Entweder aus Unkenntnis oder mit gewissen strategischen Zielen. Die Frage sollte lauten: In welchem Theater wechselt jedes Jahr die Schauspielleitung, weil diese entweder flüchtet, rausgeschmissen wird oder die strukturellen Mängel als so eklatant beurteilt, dass sie den Versuch eines Aufbaus uns Kontinuität wieder abbrechen muss?
In Bern und in der Theaterszene weiss man vielleicht, dass es in Wahrheit anders aussieht, aber die Journalistin aus Zürich? Sie sieht gewisse Erfolge und geht davon aus, dass Märki und Brülhart die Wahrheit sagen. Einige Brief-Unterzeichner sind lange in Bern und haben alle Direktionswechsel unbeschadet überstanden. Es gibt keinen äusseren Grund anzunehmen, dass jemand Angst haben muss, Muscionico lobt gerade die Kontinuität der Arbeit - genau was die Ensemblemitglieder fordern. Der Artikel zeugt vielleicht von Unkenntnis, aber nicht von Neoliberalismus. Gibt es in Bern Missstände, muss man sie öffentlich benennen und nicht Journalisten vorwerfen, dass sie sie nicht erraten.
Es ist gut, daß sich das Ensemble in einem Brief wehrt - meiner Meinung nach zu spät und zu vorsichtig - sonst wären Gräve oder Ihan noch da.
So viel ist immerhin klar. - Und das ist sehr gut spürbar für alle, die öfter mal ins Schauspiel gehen.
Die Stücke, d.h. künstlerischer Ausdruck, soll, kann, darf, muss (?) alles Mögliche aufwerfen, problematisieren, schockieren, was auch immer. Provozieren, in uns heraufrufen, sowieso; das ist ja das Wesen jeder Kunst. Noch der konventionellsten.
Anstellungs- und Arbeitsbedingungen hingegen nicht. Da geht es um Menschen. Diejenigen, die die Kunst machen. Das braucht - zwingend, wie ich finde - eine nicht konfliktfreie, aber eine von den Rahmenbedingungen her grundsätzlich gute Arbeitsatmosphäre. Setzt Vertrauen können voraus. Gerade in einem so sehr exponierten Beruf!
Dass dies schon lange nicht mehr der Fall ist, ist auch im Publikumsraum, diesseits dieser vierten Wand also, sehr gut spürbar.
Trotz, oder gerade wegen (!), des ganzen Schweigens. Das hängt inzwischen zwischen allen Stühlen und in den Wänden, buchstäblich.
Dass das Schauspiel trotz allem immer noch berührt, die Schauspieler*innen inklusive des weniger sichtbaren Umfelds dies auch nach Jahren des Ungleichgewichts immer noch durchhalten, und Qualität trotzdem immer wieder und noch auf die Bühne bringen, ist beeindruckend. Ein Wunder. (Wobei viele ja schon gewechselt haben oder wechseln mussten.)
Das Wunder aber müsste in der Kunst an sich liegen, anstatt in einer bereits Jahre dauernden Zusatzbelastung, fern aller künstlerischer Erfordernisse.
Und Nestbeschmutzung, wie das auch schon genannt wurde, scheint mir dies nicht. Wo das Nest bereits so durchlöchert ... Übrigens schaffen die Vogeleltern die Kotsäckchen der Jungvögel raus. Es sind die Leitungsetagen, die das Nest bauen und prägen. Und für das Schmutzentfernen zuständig sind.
Auch dafür, dass Teams flexibel bleiben; statt unter permanenter immer gleicher Einmischung zu stehen. Dies eine Erkenntnis, die rein aus Programmheften und aus häufigen Besuchen und daher möglicher schlichter Beobachtung vor Ort ablesbar ist. Ausserdem: Wer besteht innerhalb eines Theaters schon auf seine eventuellen akademischen Titel. Das allein wirkt schon - naja, lächerlich irgendwie. Aber ja.
Künstlerisch geben Theatermenschen ohnehin von ihren magischen Geheimnissen nichts preis. Zu Arbeitsbedingungen hingegen komplettes Schweigen aufgezwungen zu bekommen, das bekommt nun mal nicht. Nicht in unserem gesellschaftlichen und politischen Umfeld. Da passt das schlicht nicht rein. Und ist deshalb per se schon Gift.
Möglicher Fahrplan:
1. Zügige Sitzung des Stiftungsgremiums. Ratschlag über ein neues Leitungs- und Kommunikationsmodell.
2. Ausschreibung jetzt. Auswahlkommission. Beginn der Suche des neuen Leitungsteams. Gespräche ab Herbst, Auswahl Dezember. Vorbereitung 1,5 Jahre. Start 2020 - damit wäre ein wichtiges Jahr gewonnen.
3. Das neue Leitungsteam könnte bereits ab Jänner 2019 mit den Vorbereitungen im Haus beginnen, und sich in die Leitung aktiv einarbeiten.
4. Die verbleibenden Direktoren bilden bis dahin ein Direktorium, das gemeinschaftlich, in ihren Sparten jedoch alleinverantwortlich die Geschäfte führt. Vergleichbare Modelle gibt es.
5. Das Schauspiel wird interimistisch von Cihan Inan zu seinen Bedingungen weitergeführt, was dem Theater Bern deshalb gut zu Gesicht stehen würde. Auch Samuel Schwarz wäre eine integre Lösung.
6. Der Stiftungsrat gibt sich ein neues Corporate Governance Reglement, um zukünftig mehr Durchsicht und Objektivität zu wahren:
Die Nähe zu Leitungsmitgliedern. Gemeinsame Abendessen, Freundschaften, Bergtouren, Begegnungen sind nicht mehr erlaubt - auch keine Geschenke.
7. Zugleich wird Theater-Sachverstand in das Gremium geholt. Kluge, erfahrene, reform-orientierte Denker*innen.
8. Compliance-Regeln auch für den Theaterbetrieb. Dabei muss der Stiftungsrat auch über Partnerschaften beraten dürfen, die mit Unterstellungsverhältnissen und Moralischen Risiken verbunden sind.
Noch immer kann ich das Problem, die Unruhen und Aufregungen nicht verstehen.
Fakt ist doch, dass ein Mitarbeiter, seinen Vertrag, aus persönlichen Gründen nicht verlängern möchte,
Das ist doch schon alles, etwas was täglich überall, in allen Branchen vorkommt.
Natürlich ist es nun einfach,die Schuld auf andere zu schieben, in diesem Fall auf eine einzige Person, Stephan Märki.
Wer kommt denn da noch nach?
Erinnern wir uns an Weimar, wo es hiess, Märki muss bleiben, er dort nicht aufgeben hat und bis zum Ende, um diese Stadt, um dieses Haus und vor allem um jeden einzelnen Mitarbeiter zu kämpfen, erfolgreich und nichts anderes tut er heute in Bern.
Nun, da draussen wissen es ja alle besser!
So monokausal wie sie hier behaupten, hat niemand hier argumentiert. Im Gegenteil wurde hier das Strukturproblem benannt umd keine Einzelschuld gesucht. Sie machen draus aber PR für die Heilsfigur. Vielleicht weil sie mehr „drinnen“ hocken als wir „draussen“?
das ist der Punkt: Muscionico ist dem KTB-Werbesprech auf den Leim gegangen und verbreitet Feuilletonnebel. Als Schweizer*in versteht man den zitierten Satz wohl schon, denn in diesem Land ist viel auf Deckelung, Befriedung durch Konfliktunterdrückung, Schönfärberei ausgerichtet, man nennt das Ausgleich. Unruhe wird nicht gern gesehen, deshalb hält man in Bern den „starken“ Mann an der Spitze. Das hat anscheinend Muscionico nicht begriffen, sie glaubt den Mitspracheblubb. Jetzt wird Muscionicos Nebelei angegriffen, statt nach denjenigen zu fragen, die die Nebelmaschine angestellt haben. Thema verfehlt.
sein. Dem Ensemble ist nur zu wünschen, dass sie mit Märki noch ein paar ruhige Jahre haben und das deren Zukunft nicht in solchen Foren entschieden wird.
Ich freue mich jetzt schon auf das pompöse, aus Sponsorengeldern finanzierte Abschiedsbuch der Intendanz Märki. Warten wir es ab.
Und Du, lieber Cihan Inan, musst bleiben und Deine Aufgabe zu Ende führen. Unter Märki haben wir zu viele Zuschauer und weiter an Bedeutung gewonnen. Es dauert bis das Römische Reich zerfällt.
Krass, wie sie hier Fakten verdrehen. Hier wurde das Strukturproblem benannt, nichts anderes. "Märki muss weg" wurde als Forderung sogar verworfen, weil es zu kurzsichtig ist, "Personalienfragen" aus diesen tieferliegenden Problemen zu machen. Dann wurde auch keine "Nachfolge" beworben, sondern dem Wunsch Ausdruck verliehen, dass Cihan Inan weiterarbeiten kann. Keine Ahnung, warum sie das alles überlesen und verdrehen.
In Weimar habe ich die Arbeit des Intendanten 13 Jahre lang als Kulturredakteur kritisch begleitet. Ja, auch hier gab es Personalveränderungen, nicht immer schiedlich-friedlich. Aber das ist in einer so langen Zeit nichts Ungewöhnliches. Fakt ist, dass Märki drei Mal (!) das hiesige Deutsche Nationaltheater vor kulturpolitisch gewolltem Spartenabbau und damit vor der Zerschlagung bewahrt hat. Das ist ihm nur dank des starken Zusammenhalts in der Belegschaft geglückt. Gerade in diesen Krisenzeiten erlebte Weimar künstlerisch eine Blütezeit: z. B. mit einem sensationellen "Ring" (der ein kleines A-Theater eigentlich hätte überfordern müssen) oder mit den Arbeiten eines Tilmann Köhler im Schauspiel. Viele Weimarer denken daran mit Sehnsucht zurück.
Aber glückliches Bern, du hast es besser - zumal wenn es sonst nichts zu beklagen gibt...
Wolfgang Hirsch, Kulturredakteur in Weimar
sie haben recht, die Qualität eines Hauses hängt nicht vom Kuschelfaktor ab. Aber Qualität entsteht nicht ausschließlich durch eine repräsive Führung. Eine moderne Mitarbeiterführung auf Augenhöhe bei gleichzeitigem Erfolg ist durchaus Möglich, wenn man sich die Mühe dazu macht.
Als Redakteur fehlt ihnen vielleicht die Empathie für die Arbeitsbedingungen am Theater. Es geht präker genug zu, da ist jedem ein gegenseitiges kollegiales Verhalten und Resepkt zu wünschen.
Im übrigen kennen wir beide einander ja gar nicht und wollen uns deshalb lieber nicht gegenseitig Empathie oder Antipathie für oder gegen irgendetwas unterstellen. Aber: "Mitarbeiterführung auf Augenhöhe" und "kollegiales Verhalten" hat es - mit Verlaub - meines Wissens nicht mal im Sozialismus gegeben. Eher im Gegenteil. Ich will damit nicht behaupten, dass derlei unter keinen Umständen möglich und v.a. in einem Kunstbetrieb nicht sogar - bis zu einem gewissen Grad - wünschenswert wäre. Gerade Herr Märki ist in Weimar durch seine Diskursbereitschaft und -fähigkeit namhaft geworden. Aber Vorgesetzte tragen nunmal auch die Verantwortung für das Unternehmen. Auch das muss man wohl respektieren.
Aber wahrscheinlich wird hier ohnehin der halbe Post zensiert, während Sie als "Kollege" hier schreiben dürfen was Sie wollen. Dabei sollte doch gerade Nachtkritik für Ausgewogenheit sorgen. Aber manche dürfen, andere nicht...
Ben (ehem. Ensemblemitglied DNT Weimar)
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Lieber Ben,
der Unterschied besteht darin, dass Wolfgang Hirsch hier unter seinem Klarnamen kommentiert und demnach namentlich für seine Aussagen einsteht.
Anonym bzw. pseudonym verfasste Kommentare behandeln wir in der Redaktion anders.
Viele Grüße
miwo/Redaktion
Es ist nicht nötig, dass der Post abgedruckt wird, ist ja alles hinlänglich bekannt. Märki verkörpert einen aussterbenden Intendantentypus, der zumindest in dieser konkreten Person in drei Jahren in die Rente geht. Viel interessanter ist, wie es 2021 in Bern weitergeht, denn anders als Herr Hirsch es aus der Ferne wahrnimmt ist das Schweizer Theaterranking bislang durch das Haus nicht sonderlich erschüttert. Kann ja noch kommen, es müssen jetzt aber die richtigen Strukturentscheidungen getroffen werden.