Einvernehmlich

Berlin, 25. Mai 2018. Marietta Piekenbrock, seit dieser Spielzeit Programmdirektorin der Berliner Volksbühne, verlässt das Haus am Rosa-Luxemburg-Platz. Ihr Vertrag sei in gegenseitigem Einvernehmen mit sofortiger Wirkung aufgelöst worden, bestätigte die Volksbühne auf Nachfrage der Redaktion. Über die ursprüngliche Laufzeit des Vertrags sei Stillschweigen vereinbart worden.

Piekenbrocks einstiger Chef, Intendant Chris Dercon, war bereits im April zurückgetreten. Das Duo verantwortete das umstrittene Programm der neuen Volksbühne nach dem Ende der Ära Castorf.

(miwo)

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Kommentare  
Piekenbrock geht: Überlegung
Wäre es jetzt nicht kostengünstiger die Volksbühne ab sofort so lange ruhen zu lassen, bin eine neue Intendanz gefunden wurde?
Piekenbrock geht: Überfällig
Es war überfällig, dass Marietta Piekenbrock die "neue volksbühne" verläßt. Es ist zu erwarten, dass sie in ihrer nächsten Position ähnlich agiert und nach außen auftritt wie bisher. Eine Einsicht war bei ihr nicht erkennbar. Stattdessen hat sie stets mit einem "Auftrag" von Renner und Müller argumentiert. Dazu bleibt nicht viel zu sagen.

Klaus Dörr ist der richtige Kandidat - zumindest für den Übergang. Der Rest der weiteren Entwicklung ist leider wieder in Händen von Politikern.
Piekenbrock geht: Konterrevolution
"Die Meute hat ihre Köpfe bekommen" - Jetzt wird es spannend, welchem Dramaturgen etwas anderes einfällt, als "vorwärts in die Vergangenheit". Ein Grund zur Freude ist dieser Umgang mit Kunstschaffenden in Berlin ganz sicher nicht...
Piekenbrock geht: kein künstliches Koma
@3
Wenn das die Konterrevolution ist, was war dann die Revolution? Dercons und Piekenbrocks halbe Spielzeit, die trotz großem Startbudget und Rücklagen aus der letzten Castorf-Spielzeit das Haus finanziell ruiniert hat.
Dercon und Piekenbrock weiter gewähren zu lassen wäre ein schlechter Umgang mit den Kunstschaffenden in Berlin.
@1
Ein Theater ist ein Organismus, der in Bewegung gehalten werden muss. Wie soll man ein Theater "ruhen lassen"? Es gibt einen Wirtschaftsplan. Die Mitarbeiter haben Verträge, es sind Künstler für die nächste Spielzeit gebunden. Es braucht Regisseure, Projekte, die zunächst die Lücken füllen und wieder Angebote machen, dieses künstlerisch verwaiste Haus zu besuchen. Dieses Haus braucht kein künstliches Koma, sondern Adrenalin. Es braucht wieder einen künstlerischen Mittelbau, der von Dercon durch Produzenten ersetzt wurde. Leute, die etwas von Theater verstehen.
Piekenbrock geht: Lobby verhindert Reform?
Die Frage ist doch, ob der Weg, mit den Mitteln eines Staatstheaters, zu arbeiten wie in der Freien Szene, nur ohne Förderanträge und mit der Infrastruktur eines Hauses, jetzt endgültig an der Theater-Lobby gescheitert ist (siehe auch Lilienthal in München). Die Idee, das System Staatstheater neu zu denken, war richtig, Teile der Kritik an der Umsetzung sicherlich auch, aber hier ist auch ganz grundsätzlich eine Reform des Systems in Grund und Boden verdammt und als neoliberal gebrandmarkt worden, die eigentlich bessere Arbeits- und Produktionsbedingungen für Freie Künstler bedeutete. Und zwar vor allem von jenen, die vom geschlossenen System Staatstheater profitieren (z.B. den Intendanten).
Piekenbrock geht: Freie Szene München
Lieber J.A.! Hören Sie sich doch bitte in der Freien Szene in München um, was Lilienthal genau für die bedeutete.
Piekenbrock geht: Töpfe wechselt euch
Ach, eine Reform sollte es sein, keine Revolution mehr? Einen vollen Kühlschrank haben und dennoch jeden Tag beim Caterer bestellen. Die Volksbühne hat stehende Gewerke, die ausgelastet werden müssen, um effizient zu arbeiten. Der Auftrag war offiziell auch für Dercon, die Volksbühne als Ensemble- und Repertoiretheater zu führen. Hat er aber weder gewollt, noch vermocht. Es war ein fundamentaler Fehler von Renner und Müller, offiziell Ensemble und Repertoire und hintenrum ein zweites HAU in Auftrag zu geben. Ist ja eben deshalb auch schiefgegangen. Auch bei Castorf waren übrigens regelmäßig freie Gruppen zu Gast.
Ich kann bei der festen Anbindung von freien Künstlern nur erkennen, dass es nun diese sein würden, die im Theater ihr Geld bekommen und die vorher angestellten Künstler nun freie sind, die zusehen, wo sie bleiben. Da gehts weder um die Kunst, noch um deren Entwicklung, nur um die Töpfe.
Piekenbrock geht: alte Herren-Trupp?
Lieber Grrll, wen meinen Sie denn mit „Freie Szene“ in München, vermutlich mal wieder die alten Herren, Purucker, Dreissig - also der Trupp, dem man eh nix Recht machen kann? Und was ist deren Lösungsvorschlag für die derzeitige Situation? Oder Ihrer?
Piekenbrock geht: Fake Narrative
Schade, dass aufgrund so einer mangelnden Professionalität nun gleich die Möglichkeit und Notwendigkeit diskreditiert wurde, ein Haus anders zu denken. Denn es sind nicht die Beharrungskräfte der "Theater-Lobby", lieber J.A., sondern schlicht die "große Klappe nichts dahinter" Erkenntnis, die nun die Toleranz gegenüber Experimenten schwinden lassen. Nun wird das Kind mit dem Bade ausgeschüttet und wir fallen zurück in schwarz oder weiss, Schauspiel oder Performance, Lilienthal oder die CSU, und damit lässt sich sehr leicht von beiden Seiten Politik machen. Liebe Intendanten: entschuldigt Eure Misserfolge nicht mit der in München völlig unrelevanten CSU oder der IN Deutschland längst schon zur Minderheit schwindenden Schauspiellobby, sondern steht dazu und lernt daraus, damit ihr die Häuser interessant verändern und gute Kunst sprechen lassen könnt statt Politik und Eigenmarketing mit fake-narratives zu betreiben.
Piekenbrock geht: kaum Berichte
Während Frau Piekenbrock bereits die Vita auf ihre Webseite aktualisiert hat, berichtet die Hauptstadtpresse bisher kaum etwas darüber. Selbst der Volksbühne ist es keine Mitteilung wert.
Piekenbrock geht: besser in der Forschung
Frau Piekenbrock konnte sich mit Ihrem Modell, die Volksbühne als Laboratorium komplizenhafter Kollaborationen zu testen anscheinend nicht bewähren. Nach der Offenlegung der Tatsachen durch die SZ war die Kündigung logisch. Frau Piekenbrock halte ich für eine intelligente Person die sich mit dem Amt an der VB total die Finger verbrannt hat. Ehrlich gesagt finde ich es auch schwierig wenn Kulturwissenschaftler mit Professur dann künstlerisch so ein riesiges Haus leiten, da wäre man in einem forschenden Institut mit künstlerischer Ausweitung vielleicht besser aufgehoben
Piekenbrock geht: überteuerter Beton
#5 und #9
Mit dem Abgang von Marietta Piepenbrock ist der Dercon-Spuk an der Volksbühne ja leider noch lange nicht vorbei. Im September gibt es erst einmal die vertanzten Brandenburgischen Konzerte von Frau Keersmaeker. Ein Programmpunkt, den man vor zwei Jahren wohl eher nicht der Volksbühne zugeordnet hätte. Ebenfalls mit Unterstützung der Kulturstiftung des Bundes folgt dann ein sogenanntes "Bauhaus Begräbnis", dessen blumig gehaltene Vorabankündigung nebst Beglaubigung durch eine Handvoll "Experten" befürchten lässt, das ein weiteres von Dercon und Piepenbrock an der Volksbühne etabliertes Genre eine Fortsetzung findet: Die "Mischung aus Donnerstagabendtalk und Farce", mit der die "nachtkritik" den Abend "What if women ruled the world" an gleicher Stelle beschrieben hat. - Als ich vor einigen Monaten aus blanker Neugier an einem Plenum der Volksbühnen-Besetzer teilnahm, musterte mich mein zufälliger Platznachbar - vermutlich wegen meiner ergrauten Haare - zunächst kritisch und erkundigte sich dann, ob ich denn auch "so ein Hansel von der Kulturstiftung" sei. Nach meinem glaubthaften Dementi fasste der junge Mann mit Dreadlocks und verwaschenem "Basquiat"-T-Shirt Vertrauen und erzählte mir, dass in seinen Kreisen die "Kulturstiftung des Bundes" aufgrund ihrer staatstragenden Förderentscheidungen nur noch als "Marmor-Truppe" bezeichnet würde. Ich war irritiert. Denn "Marmor" - so sagte ich ihm - impliziere doch so etwas wie Haltbarkeit. "Nein, nein", wurde ich sofort belehrt. "Marmor" stehe in diesem Kontext nicht für "Nachhaltigkeit", sondern für "überteuerten Beton".
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