Presseschau vom 14. Juni 2018 – In der Stuttgarter Zeitung spricht Volksbühnen-Interimsintendant Klaus Dörr über das zukünftige Programm
Kein Castorf-Klon-Theater
Kein Castorf-Klon-Theater
14. Juni 2018. In der Stuttgarter Zeitung spricht Klaus Dörr, Interims-Intendant der Berliner Volksbühne, im Interview mit Roland Müller über das zukünftige Programm des Hauses, das er bis 2020 verantworten wird. Zunächst werde es noch von den Verabredungen Chris Dercons und Marietta Piekenbrocks geprägt sein: Gastpiele während "Tanz im August", danach eine Uraufführung von Anne Teresa De Keersmaeker.
Von Anfang November ist Dörr fürs Programm verantwortlich und wird zwei Arbeiten aus Theatern übernehmen, an denen die Intendanzen enden: "Volksverräter!!" von Hermann Schmidt-Rahmer aus Bochum und das Das 1. Evangelium von Kay Voges aus Stuttgart. Die erste Eigenproduktion werde im Dezember von Leander Haußmann inszeniert, der bereits unter Frank Castorf am Haus arbeitete. Außerdem wird es eine Neuproduktion von Susanne Kennedy geben und Gastspiele, unter anderem Heiner Müllers Der Auftrag aus Hannover mit Corinna Harfouch in der Regie von Tom Kühnel und Jürgen Kuttner und Unterwerfung mit Edgar Selge in der Regie von Karin Beier. "Und in der folgenden Saison: vor allem Eigenproduktionen mit starken, widerständigen Stoffen in der Tradition der Volksbühne", so Dörr.
Nicht beliebig werden
Außerdem plädiert Dörr dafür, die Wurzeln der Volksbühne nicht zu kappen, um in der Berliner Theaterlandschaft nicht beliebig zu werden. Er arbeite daran, sie wieder zu seinem Ensemble- und Repertoiretheater zu machen: "Wir bauen das Haus zurück, das von Anfang an strukturell und personell auf Ensemble und Repertoire angelegt war. Diese Strukturen wurden bei der Berufung von Dercon nicht beachtet. Aber der Rückbau bedeutet kein künstlerisches Rollback." So werde es kein Castorf-Klon-Theater geben: Er plane "mit einer mindestens zwanzig Jahre jüngeren Regiegeneration", die nicht mit dem Schatten des Übervaters kämpfe. Armin Petras, der scheidende Stuttgarter Intendant und künftige Bremer Schauspielchef, werden keine Rolle spielen, "da er als Regisseur und Autor für die nächsten drei Jahre andere Pläne hat".
(geka)
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https://www.inforadio.de/programm/schema/sendungen/vis_a_vis/201805/239528.html), ist nun nur publik manifest: Dörr bleibt (mindestens) bis Sommer 2020. Alles andere wäre auch Quatsch gewesen und hätte das Schlingern forciert. Richtige Entscheidung aus meiner Sicht.
Dass dann aber eine neue Intendanz (zu Beginn der Spielzeit 20/21) ins Amt kommen kann, halte ich für fraglich. Bis dahin sind es noch zwei Jahre. In dieser Zeit soll
- eine AdK-Kommission gebildet werden
- diese Kommission intern diskutieren & recherchieren
- -en mögliche Kandidat/inn/en ihre Vorstellungen umreißen können
- diese Kommission zu einem Ergebnis kommen
- ihr Ergebnis/Bericht (das hoffentlich ALTERNATIVEN umfasst und nicht eine one-and-only-Option) einer öffentlichen Kommunikation zugänglich werden
- der Kultursenator auf Grundlage der Kommissionsergebnisses und der öffentlichen Reaktion entscheiden
- der Vertrag ausverhandelt werden
- die neue Intendanz ihrerseits Pläne, Programme, Verträge entwerfen und festzurren.
Da bekanntlich letzteres alles in allem *mindestens* 1 Jahr (und mehr), idealerweise aber zwei Jahre dauert für Häuser der Größe/Bedeutung der VB, bliebe für den vorgelagerten Prozess (siehe oben) der Intendanzfindung kaum Zeit, wenn alle genannten Schritte so stattfinden sollen.
PS: "Der Auftrag" von Kühnel/Kuttner mit Harfouch ist der Knaller! Freue mich sehr auf's Wiedersehen.
Reihenfolge:
- heute
- Findungsprozess
- Vertragsunterzeichnung neue Intendanz
- Planungszeit der neuen Intendanz
- Spielzeiteröffnng
Wenn man aber der neuen Intendanz zwei Jahre Vorbereitungszeit geben möchte, dann bleibt für den Findungsprozess kaum Zeit. Oder andersherum! Denn ab heute wären es noch 2 Jahre und 3 Monate bis Neuintendanzspielzeiteröffnung.
Ergo muss eine der folgenden Optionen eintreten:
- Findungsprozess wird extrem kurz (weniger als 3 Monate)
- Planungszeit wird extrem kurz (weniger als 2 Jahre)
- Spielzeiteröffnung nicht im Sommer 2020, sondern später
da scheint ein begleitender prozess durch ein - an die adk angegliedertes forum? - im grunde nur noch wenig zeit.
Zu Frage 1: Richtig, das ist nicht ausgeschlossen. Es ist sogar wahrscheinlich und mit Sicherheit auch sinnvoll. Dazu Genaueres zu sagen/erfahren, ist morgen und übermorgen in der AdK Gelegenheit: Wo steht der Prozess? Wie geht es weiter? Was sind Zeitmarken? Wie eng/weit/vage/konkret ist der Auftrag der Kommission? Wird es am Ende Alternativen geben oder nur eine einzige Empfehlung, die nur noch "abgenickt" wird? Ist die morgige Tagung in der AdK ein spätestens einem Jahr das Feigenblatt zu sagen "damals war die Öffentlichkeit beteiligt, Klappe zu"?
Zu Frage 2: Entweder passiert das nur allgemein (Ensemblewiederaufbau, Sprechtheaterbezug, Historienbewusstsein, ...). Dann ist wäre es ein No-Brainer. Oder es passiert konkret personenbezogen. Dann wäre es hinterzimmerskandalös nun noch einen öffentlichen Prozess als Legitimation drüberzustülpen.
PS: Mein Dreamteam Anne Imhof plus René Pollesch (plus Klaus Dörr für's Kaufmännische) plus eine personell sehr sehr heterogene Dramaturgie. (Ggf. Prater an Vinge/Müller)
Außenstehende mag die Vehemenz überraschen, mit der der Kultursenat ausgerechnet reisefreudige schwäbische Berlintouristen mit 1,Klasse-Bahncard und Übernachtung im Waldorf Astoria oder Steigenberger als neue Zielgruppe der von Chris Dercon leergespielten Volksbühne anpeilt. Aber die Vorstellung, Klaus Lederer und seine Partei „Die Linke“ verfüge über enge Verbindungen zu all denjenigen, die Berlins Ruf der kulturellen europäischen Trendstadt begründet haben, war immer schon eine Illusion. Konsequenterweise sollte Klaus Lederer nicht länger die Rückkehr des Räuberrads an den Rosa-Luxemburg-Platz forcieren, sondern sich spätestens jetzt um einen Mercedes-Stern an gleicher Stelle bemühen.
wie kommen Sie dazu mit einer solchen Wut und Boshaftigkeit auf Dörr einzurpügeln. Vom Programm mag man halten was man will, unstreitbar handelt es sich aber um durchaus erprobte und postiv besprochene Arbeiten. Für ein Interimsprogramm, dass vor allem wieder ein ganzes Theater im Hintergrund aufbauen muss keine schlechte Idee.
Leute wie Sie sind für das unterirdische Niveau, mit dem der Streit um die Volksbühne ausgetragen wurde, mitverwantwortlich.
Mir geht der zunehmende Rassismus und kleingeistige Chauvinismus in dieser Stadt zunehmend auf den Wecker. Vor ein paar Jahren durfte man an einer Hausfassade man Kollwitzplatz lesen: „Kauft nicht bei Schwaben!“ .. geht’s noch?
Lieber Herr Albrecht,
mit Begriffen wie "unstreitbar", "durchaus erprobt" und "positiv besprochen" legen Sie den Finger exakt in die Wunde und zeigen korrekt das ganze Elend auf, das Klaus Dörrs Interimsprogramm innewohnt. Wenn man versucht, die besondere Leistung der Volksbühne unter Frank Castorf zu definieren, so lag diese zuallererst in der erstaunlichen Fähigkeit, die Volksbühne über viele Jahre als Ort eines streitbaren Programms zu etablieren, Durch das Engagement von Leuten wie Christoph Schlingensief, Rene Pollesch und Vegard Vinge entstanden Arbeiten, die sich dadurch auszeichneten, eben gerade nicht an anderen Orten bereits dutzendfach erprobt zu sein oder - noch schlimmer - von einer Berlin fernen Lokalpresse positiv besprochen. Ohne vorzeigbare Buh-Rufe im Gepäck gab es damals für Regisseure kein Ankommen am Rosa-Luxemburg-Platz. Was einen Museumsmann wie Chris Dercon und einen Buchhalter wie Klaus Dörr zu einen scheint, ist der Glaube, dass nicht im Krawall sondern in der Befriedung die Zukunft der Volksbühne liegen könnte. Auf solch einen irrwitzigen Gedanken kann tatsächlich nur jemand kommen, der die künftige Volksbühne zur Touristenhochburg umgewandelt sehen möchte.
Lass die doch erst mal machen und krawall nicht so daher. Prost.
Grüße aus Tübingen