Kunst und/oder Ideologie?

22. Juni 2018. Der Streit um die Aus- und Wiedereinladung der HipHop-Band "Young Fathers" zur Ruhrtriennale ist eskaliert. Das berichten Ruhrbarone.de sowie diverse Zeitungen in NRW. Erst setzte den Berichten zufolge Festivalchefin Stefanie Carp den Auftritt der Band wegen Antisemitismus-Verdacht ab, dann nahm sie das für den 18. August geplante Konzert wieder auf den Spielplan. Die Musiker unterstützen die Kampagne BDS ("Boycott, Divestment and Sanctions"), die nach der Ausladung der "Young Fathers" zum Boykott der Ruhrtriennale aufgerufen hatte – weshalb die "Young Fathers" nun den Ruhrbaronen zufolge die Wiedereinladung des Festivals auch nicht annehmen wollen.

Die BDS-Kampagne vereint fast 200 zumeist palästinensische Nichtregierungsorganisationen und fordert die wirtschaftliche, kulturelle und wissenschaftliche Isolation Israels. Einige ihrer Unterstützer*innen bestreiten das Existenzrecht des Staates Israel.

Stefanie Carp begründete die Wiedereinladung der Band mit der Freiheit der Kunst: "Ich möchte die Young Fathers erneut zu dem Konzert in Bochum einladen, obwohl ich ihre Haltung zum BDS nicht teile. Ich bin der Meinung, dass wir die unterschiedlichen Perspektiven und Narrative zulassen müssen, da diese Offenheit das dramaturgische Credo unseres Programmes ist. Ich muss deshalb die Freiheit der Kunst verteidigen und möchte unter keinen Umständen, auch nicht indirekt, Zensur ausüben", schreibt sie in einer gestern veröffentlichten Stellungnahme, die auch auf der Website der Ruhrtriennale nachlesbar ist. Weiter heißt es: "Keine Künstlerin und kein Künstler des diesjährigen Programmes der Ruhrtriennale ist antisemitisch oder rassistisch. Persönlich lehne ich Boykott im Zusammenhang mit Israel, aber auch in anderen Zusammenhängen und speziell im Bereich der Kunst ab. Künstlerinnen und Künstler sind keine Repräsentation von Nationen oder ideologischen Diskursen".

NRW-Kulturministerin Isabel Pfeiffer-Poensgen äußerte sich in einer Stellungnahme kritisch zu der Wiedereinladung, sie "bedaure" die Entscheidung: "Die Gruppe hat in den vergangenen Tagen durch ihre Teilnahme an der BDS-Kampagne gegen die Ruhrtriennale gezeigt, dass sie offenkundig die BDS-Bewegung unterstützt, die das Existenzrecht Israels in Frage stellt und zu einem umfassenden Boykott Israels auffordert." Thomas Nückel, der kulturpolitische Sprecher der FDP-Fraktion im nordrhein-westfälischen Landtag, fordert laut Ruhrbarone.de den Rücktritt von Stefanie Carp. Auch jüdische Verbände äußerten Kritik an der Wiedereinladung.

(Ruhrtriennale / Ruhrbarone / Rheinische Post / sik / sd)

 

Am 26. Juni bringt die britische Tageszeitung The Guardian einen von internationaler Prominenz unterstützten Offenen Brief, der sich mit Stefanie Carps Entscheidung, die "Young Fathers" wiedereinzuladen, solidarisiert: "We are disturbed by attempts in Germany to impose political conditions on artists supporting Palestinian human rights. We are glad that the international outcry has convinced the Ruhrtriennale arts festival to reverse its repressive decision to cancel a performance by the Young Fathers, after they refused to distance themselves from the global Boycott, Divestment and Sanctions (BDS) movement for Palestinian rights", heißt es in dem Schreiben, zu dessen 75 Unterzeichner*innen u.a. Patti Smith, Aki Kaurismäki, Desmond Tutu, Judith Butler und Vivienne Westwood zählen: "Ruhrtriennale's earlier decision was a particularly alarming form of censorship, 'blacklisting' and repression."

 

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Kommentare  
Konflikt Ruhrtriennale: bisher Fan
Und bisher war ich so ein Fan von Stefanie Carp ...
Konflikt Ruhrtriennale: schwer zu verstehen
Die Haltung ist schwer zu verstehen. Die Band macht mit der Unterstützung des BDS deutlich, daß sie die Teilnahme israelischer Künstler am Festival ablehnt. (auf die üblichen BDS "Feinheiten" sollte man sich da sowieso nicht einlassen) wenn die band glaubt anderen bands das spielen verbieten zu dürfen - sich aber gleichzeitig auf die freiheit der Kunst beruft stimmt etwas nicht. Daß Frau Carp das macht ist wirklich irritierend - grade nach dem Roger waters Concert in Berlin. Viel Spaß also mit den Young fathers, die die Bühne sicher gerne für BDS Propaganda nutzen werden.
Man kann im nahostkonfklikt viele haltungen einnehmen - aber diese als Künstler auf einem Kunstfestival ungebeten zu verkünden geht gar nicht. und seid sicher. es wird passieren. Al Quds demostyle. bitte die haltung von lederer bezueglich pop musik festival mal genauer anschauen.
Konflikt Ruhrtriennale: Hin und Her
Klingt für mich, als ob Frau Carp sich zu der ersten Wieder-Ausladung der Fathers von der Politik hat drängen lassen, um dann - auf die Reaktion der BDS-Szene hin - wieder ihren ursprünglichen Absichten zu folgen. Eine der seltenen Situationen, in denen mir die Kulturpolitikerin näher steht als die Intendantin.
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