Presseschau vom 27. Juni 2018 – DT-Intendant Ulrich Khuon stellt sich im Tagesspiegel-Interview hinter Sebastian Hartmanns umstrittene Inszenierung In Stanniolpapier"

Kunst bewegt sich in riskanten Zonen

Kunst bewegt sich in riskanten Zonen

Berlin, 27. Juni 2018. Im Tagesspiegel äußert sich der Intendant des Deutschen Theater Ulrich Khuon zu den Vorwürfen gegen Sebastian Hartmanns Inszenierung "In Stanniolpapier", die im Rahmen der Langen Nacht der Autoren am DT nicht als Uraufführung, sondern als freie Regie-Version herauskam (zu den Vorwürfen siehe hier die Kritikenrundschau und die Kommentare zur Inszenierung).

Ob die Inszenierung die Gewaltverhältnisse, die sie darstellt, nicht auch selbst reproduziert, will der Interviewer Patrick Wildermann wissen. Dazu Khuon: "Nichts wird reproduziert, sondern die Schauspielerin gestaltet selbstermächtigt einen Prozess mit. Für mich ist in der gesamten künstlerischen Arbeit der Freiwilligkeitsbereich entscheidend. Solange der gewährleistet ist, sollten wir im Theater gerade nicht die Reibungen meiden und bloß noch diskursfähige Sachlichkeitsveranstaltungen aufziehen. Kunst braucht Abgründe."

"Regisseure sind keine Befehlsempfänger"

Den Bruch zwischen Autor Björn SC Deigner und Fischer-Verlag auf der einen Seite und Schauspielteam auf der anderen bedauert Khuon: "Dass es zu Verwerfungen kommen oder kompliziert werden kann, ist meiner Meinung nach Teil des Projekts. Wir machen ja nicht auf sicheren Wegen einen Spaziergang hinter einem Stück her, sondern wagen ein Abenteuer, eine Eroberung, die je nachdem großartig oder schrecklich, sehr schwierig oder sehr schön werden kann." Seine Rolle selbst sieht der Intendant so: "Regisseure sind doch keine Befehlsempfänger, denen ich mitteile: So geht das jetzt aber nicht."

Ausdrücklich stellt sich Khuon hinter die Inszenierung: "Ich wüsste gar nicht, wie man diese Unterdrückung, diesen Missbrauch, diesen Lebens- und Leidensweg anders als in der Härte darstellen sollte, die Hartmann wählt. Das Verletzungspotenzial, um das es geht, muss doch zum Teil der Aufführung werden. Will man daraus eine Diskursveranstaltung machen? Kunst bewegt sich in riskanten Zonen, und dazu gibt es natürlich unterschiedliche Haltungen. Ich finde, die Gewalt ist kein bisschen ästhetisiert, sondern extrem anstrengend und aufreibend."

(tagesspiegel.de / chr)

Kommentare  
Khuon-Interview: das schafft die Autoren ab
Mit dieser Haltung schafft man Autoren auf kurz oder lang ab.
Khuon-Interview: als Entdeckung lanciert
Am Anfang der Geschichte steht (angeblich) das Interview mit einer Prostituierten. Interviewerin war Anne Berndt. Sie arbeitet als Regieassistentin am Deutschen Theater und steht damit auf der Paylist von Intendant Ulrich Khuon. Das Interview ist ein Interview und ein junger Mann versuchte ein Theaterstück daraus zu machen. Björn SC Deigner hat ebenfalls schon einige Rechnungen an das Deutsche Theater von Ulrich Khuon adressieren dürfen. Nicht als Autor, sondern als Sounddesigner von Inszenierungen, die der Regisseur Bastian Kraft am Deutschen Theater realisiert hat.

Warum benötigt das Deutsche Theater und Herr Khuon die Autorentage, eine dreiköpfige Jury und 145 Einsendungen anderer Theaterstücke, um das gewissermaßen im eigenen Haus entwickelte Skandalstück IN STANNIOLPAPIER zu "entdecken". Das hätte man doch wirklich mit weniger Aufwand einfacher und billiger haben können. Aber Ulrich Khuon äußert sich im Tagesspiegel auf die Frage WAS IST DA LOS? wie folgt:

"Dazu muss ich etwas ausholen. Der Sinn der „Langen Nacht der Autor_innen“ ist ja, Stücke zu entdecken und sie uraufzuführen. Diese Uraufführungen von Siegertexten, die eine Jury auswählt, setzen wir seit einigen Jahren im Verbund mit dem Burgtheater Wien und dem Schauspielhaus Zürich um. Es war unser ausdrücklicher Wunsch, dass „In Stanniolpapier“ von Björn SC Deigner bei uns am Haus stattfindet, das Stück ist uns nicht etwa zugelost worden, ich schätze es sehr."(Zitatende)

Ich habe eher den Eindruck, bei "IN STANNIOLPAPIER" bestand der Sinn der Langen Nacht der Autor/innen, weniger darin, ein neues Stück zu entdecken, als eine hausinterne Stückentwicklung als "Entdeckung" zu lancieren. Das hat bis zu einem gewissen Punkt auch geklappt,

Auffällig ist das Fehlen des Regisseurs Bastian Kraft beim "Teamwork". Für ihn hat Björn SC Deigner in insgesamt 8 Inszenierungen das Sounddesign gemacht. Zuletzt bei "Tod eines Handlungsreisenden" in Ulrich Khuons Deutschem Theater. Eine Fortsetzung der lang gewachsenen Zusammenarbeit hätte vermutlich sichergestellt, was Björn SC Deigner in der Inszenierung von Sebastian Hartmann verwehrt geblieben ist: Dass der Autor seine Interview-Bearbeitung des Prostituierten-Interviews bei der Uraufführung noch wiedererkennen konnte.

Geärgert hat sich jedenfalls Bernd Noack, der Juryvorsitzende, der Björn SC Deisners eingereichten Text zum "Siegerstück" mutieren ließ. Er fühlt sich offenbar vergackeiert. Dabei war Bernd Noack als Juryvorsitzender fraglos der richtige Mann am richtigen Platz.

2008 hat Noack ein 272-Seiten-Buch veröffentlich, gegen das sich Deigners 18-Seiten Text geradezu bescheiden ausnimmt. Noacks Werk trägt den Titel "THEATERSKANDALE - Von Aischylos bis Thomas Bernhard". Bereits im Klappentext des Buches findet sich ein sinniger Kommentar zu IN STANNIOLPAPIER an Khuons Deutschem Theater.

Theater ohne Skandale? Undenkbar! Seit Aischylos' "Orestie" gehört die Aufregung über das, was auf der Bühne zu sehen ist, zum unberechenbaren und manchmal auch kalkulierten Reiz des Theaters. (Zitatende)

Insofern ist das kalkulierte Geschehen am Deutschen Theater nur konsequent und sogar lustig. Ein Szenario, das unter der Überschrift stehen könnte: VITAMIN B SETZT SICH DEN GOLDENEN SCHUSS.

Aber es gibt natürlich auch Verlierer beim Hype um IN STANNIOLPAPIER. Beispielsweise die 145 Autoren, die ihre Stücke im guten Glauben eingereicht haben, es gehe bei der Suche nach dem "Siegerstück" mit rechten Dingen zu.

Ärgerlich finde ich aber auch die "politisch korrekten" Journalisten von der SZ bis spiegel-online, die brav in das "Stöckchen" vom Theaterskandal hineinbeißen, das ihnen jetzt von Ulrich Khuons Deutschem Theater hingehalten wird. Die Sache scheint zu klappen. In den nachtkritik-Charts steht IN STANNIOLPAPIER auf Platz 1.
Khuon-Interview: Gründe fürs Schreiben
@brdnull. Schätzen Sie Autor*innen derart gering, dass sie glauben, sie würden mit ihrer Berufung brechen, nur weil es Konflikte hinsichtlich der Interpretation ihres Textmaterials gibt? Ich denke (und hoffe) Autoren werden aus anderen Gründen getrieben Texte zu schreiben.
Khuon-Interview: Freiwilligkeit?
"Für mich ist in der gesamten künstlerischen Arbeit der Freiwilligkeitsbereich entscheidend."
Die Freiwilligkeit des Autors hat offenbar nicht gezählt. Das heißt, den rechnet Khuon nicht zur künstlerischen Arbeit. Aber wozu sonst?
Khuon-Interview: worum es wirklich geht
@ OH: Woher haben Sie denn diese ulkige Theorie? RT-News? Und was ist mit Bettina Stucky, Saša Stanišić? Stehen die auch auf der obskuren Payroll des DT?
@ viele Andere: Nun lasst mal die Kirche im Village. Hier geht es doch nicht darum, ob Irgendwer von Irgendjemanden zu Irgendwas gezwungen wurden ist - glaubt doch eh keiner – sondern darum, dass bei einem AutorInnen(!)wettbewerb eines der ausgezeichneten Stücke bei der vermeintlichen Uraufführung durch Logorrhö und Tourette ersetzt wurde. Lest das Skript, schaut das Stück. Den Text gibt es einfach nicht mehr. Das macht man nicht. So einfach ist das. Wie man allerdings überhaupt auf die Idee kommt, Sebastian Hartmann eine Uraufführung inszenieren lassen zu wollen, das müssen sich Uli K. und sein Team nun wirklich einmal fragen lassen. Echt unfein, das dann als Konflikt zwischen Autor und Regisseur zu verkaufen.
Khuon-Interview: Autoren mit reinholen
@3 kommen Sie mir nicht mit getrieben-sein-verkitschung. wenn Theater!AutorInnen nicht gespielt werden,haben sie kein auskommen, kann er/ sie von seiner / ihrer Kunst nicht leben.
@fragender
Sehe ich genauso. Wieso holt man sich S.Hartmann für so eine Uraufführung? Man kennt ihn. Man weiß , wie er arbeitet.
Dasselbe passierte bei Martin Laberenz, damals Regieassistent bei Hartmann in Leipzig zwei Jahre in Folge (s. auch den guten Kommentar von Mounia Meiborg in der SZ) . Und auch S.Hartmann hat schon einmal einen Text „uraufgehunzt“. Das war SAM von Karharina Schmitt. Auch damals blieben nur Wortfetzen übrig. Ich denke Ulrich Khuon weiß also sehr genau, wie der Herr Hartmann arbeitet. Egal, ob Autorentheatertage oder nicht. Stattdessen haben sie ihn geholt, er hat das gemacht, was man erwartet und schwuppdiwupps hat man ein Repertoirestück mitsamt Skandal und Hartmannscher nacktkunstk...e. Khuon soll mal nicht so tun, als würde man einer jungen Regieassistentin die gleiche Freiheit einräumen wir Hartmann, wenn er sagt, Regisseure seien keine Befehlsempfänger.
Und dass der Text obendrein im DT entstanden sein soll, das ist nochmal ein ganz anderes Thema.

Warum schafft das die AutoreInnen ab? Weil natürlich auch die jungen RegisseurInnen mit diesem Künstlerselbstverständnis rumlaufen, ihre eigene Autorenschaft proklamieren und mit den Stücken, eben schon bei Uraufführungen, machen, was sie wollen. Es herrscht da in Deutschland eine Fixierung auf die Regie. Auf die ästhetische Handschrift, auf die Marke.
Und nicht dass das direkt missverstanden wird: Nein, Regisseure sollen keine Text-Hebammen sein.
Eine Zusammenarbeit sollte entwickelt werden. Man kann ja auch bei Uraufführungen die Autoren mit in die Produktion nehmen. Und meine Erfahrung zeigt mir: das will nie jemand. Autoren will man auf der probe nicht haben. Sie sind Fremdkörper. Sie stören.
Sie stellen oft unangenehme Fragen oder haben Gedanken, die schauspielerInnen nicht sofort verstehen oder anders sehen und es will keiner überzeugt werden, sondern selbst überzeugen und überhaupt dieses Intellektuelle. RegisseurInnen wollen alleine entscheiden, wollen Kontrolle über IHRE Inszenierung. Das ist der Markt. Zugegeben etwas überspitzt, aber häufig geht es so zu.

Ich denke man sollte gegenteilig verfahren. In die Produktion holen, mit ihnen auseinandersetzen, ihre Arbeit würdigen, ihre Auseinandersetzung mit den Stoff anerkennen und nutzbar machen.
Khuon-Interview: Verschwörungstheorie?
#2: Wollen Sie damit sagen, dass nicht nur das DT unter der Verantwortlichkeit von Ulrich Khuon eine Stückselbstentwicklung des DT auf Kosten einer konkreten Frau und derer Lebenserfahrung als Mogelpackung in einen Autoren-Wettbewerb gemogelt hat? Sondern mit der Eentscheidung für die Umsetzung durch Sebastian Hartmann bei vollster Absicht einen Skandal produzieren wollte, nur um auch noch die Medien an der Nase herumzuführen und vermeintlich betriebsblinden Kulturjournalismus für Werbung generieren? Und darüber hinaus sagen, dass der Kulturjournalist Noack als Juror der ATT 2018 seine Jurorentätigkeit genutzt hat (ganz so Hängematte wie zunächst gedacht, ging es ja dann doch nicht...), um sein eigenes Buch über Theaterskandale durch zeitnahe Beleg-Erzeugung ("dahamwirs': gerade eben z.B. das DT und das tiefenempathische Autorengenie Deigner, das sogar die Leiden einer Prostituierten und von Kindheit an Missbrauchten erfinden kann, wird schmählich durch Regiezugriff verhunzt!") zu hypen?
Oder habe ich Sie vollkommen falsch verstanden, Mister Held?
Khuon-Interview: Autoren, streikt!
Wenn sich dann irgendwann mal die Autor*innen entschließen könnten zu streiken, würde den Intendanten vielleicht auffallen, dass ein Spielplan zusammengesetzt aus Text-Zertrümmerungs-Orgien von Regie-Machos und Bestseller-Roman-Bearbeitungen von Dramaturg*innen einfach nicht reicht, um relevantes Theater zu behaupten.
Khuon-Interview: Marktnische
@8: Wenn "relevante" Autoren streikten, griffen die Intendanten dann nicht noch häufiger zu "Regie-Machos" und "Dramaturgen-Bestseller-Bearbeitungen"?

Und: Wenn es so viele "relevante" originäre Theaterwerke gäbe, wäre es dann nicht ein Leichtes, wenn ein kleineres Haus diese spielte (Marktnische)? Und müsste dieses Haus dann nicht besonders erfolgreich, weil besonders "relevant" sein? (Warum) Passiert das nicht, aus Ihrer Sicht?

Und zuletzt: Was sind die fünf interessantesten Theaterwerke, die wegen Regie-Machos und Dramaturgen-Bearbeitungen nicht zur Aufführung bekommen sind, aber total "relevant" sind?
Khuon-Interview: Möglichkeiten ausloten
Frage an Hans Zisch bzw. #9: Zu Ihrer letzten Anmerkung: Wie stellen Sie sich das vor? Schließlich werden Stücke geschrieben, um aufgeführt zu werden. Erst dann kann man beurteilen, ob und wie interessant sie sind. Wünschenswert wären zudem mehrere Inszenierungen eines Textes, um seine Qualität, seine Möglichkeiten auszuloten. Aber das passiert ja leider kaum noch.
Ich will hier nicht zum Regie-Bashing ausholen, aber es sei angemerkt, dass die Achtung vor dem geschriebenen Drama schon mal höher war.
Khuon-Interview: Autoren-Achtung
#9: Ihre berechtigte Frage in allen Ehren, aber das kann niemand sagen, weil keiner garantieren kann, dass überhaupt die fünf (wie kommen sie ausgerechnet auf 5?) interessantesten Theaterwerke über Verlage veröffentlicht und daher einer breiten Öffentlichkeit oder zumindest Fachkreisen überhaupt zur Beurteilung zugänglich sind.

Ich will hier kein Autoren-Bashing betreiben, vermute aber, dass die Achtung von Autoren gegenüber der Regie, dem Schauspiel, dem Theater als Gesellschaftsspiegel und dem aktiven wie optionalen Publikum auch schon mal größer war...
Khuon-Interview: Nachfrage
@11
Wie kommen sie zu der Behauptung die Autoren hätten keine Achtung vor der Arbeit der anderen Beteiligten und vorm Publikum?
Khuon-Interview: Hurenballade. Ein Abgesang
@5,7,11
Björn SC Deigners IN STANNIOLPAPIER ist ein allenfalls mittelmäßiger Theatertext. Vorallem jedoch ein sehr altmodischer. Beim Lesen fiel mir die Verwandtschaft zu Peter Greiners KIEZ aus dem Jahre 1975 auf. Oder auch die Nähe zu Uwe Schraders Film KANAKERBRAUT aus dem Jahr 1982. Auch IN STANNIOLPAPIER ist noch völlig unbeleckt von der Video- und Internetpornographie unserer Tage. Vielleicht löst gerade dieser Retrostyle von Björn SC Deigners Hurenballade die Faszination älterer Männer aus. Von Männern wie dem Autorentage-Juror Bernd Noack oder dem DT-Intendanten Ulrich Khuon.

Sebastian Hartmann wollte etwas mit Frau und Mann und ganz viel Videoprojektion inszenieren. Er macht aus Deigners Prostituiertendrama ein Langzeit-Videoclip über das Zerbrechen einen Pornostarlets. Das funktioniert natürlich nicht. Deshalb schmeißt er Deigners Texte, die nicht zu seiner Inszenierung passen können, einfach raus.

Der Unterschied zwischen einer Prostituierten und einem Pornostarlet ist immens. Mindestens so groß wie der Unterschied zwischen einer Altenpflegerin und einer ZDF-Moderatorin. Eine Prostituierte trifft im Bordell oder Straßenstrich auf Freier, ein Pornostarlet am Set auf (schlechter bezahlte) männliche Kollegen.

Rainer Werner Fassbinders 1976 gedrehte Kulturbetrieb-Satire SATANSBRATEN erzählt von einem einst erfolgreichen Schriftsteller mit Schreibblockade. Walter Kranz hat für seinen nächsten Roman bereits einen dicken Vorschuss kassiert, aber noch keine einzige Zeile zuwege gebracht. Er hadert mit sich, was er bloss machen soll. Dann folgt die Erleuchtung. Freudig ruft er aus: "Ich hab´s! Ich interviewe eine Nutte!"

Das war schon 1976 eine bescheuerte Idee und Fassbinder deshalb auch nur eine zynische Zote wert. Aber Björn SC Deigner, Sebastian Hartmann, Ulrich Khuon und Bernd Noack sind drauf reingefallen.

Wahrscheinlich läutet dieser Reinfall am Theater eine Zeitenwende ein. Denn wenn erst einmal gender-affine Me-too-Aktivisten auf den Jury- und Intendantenposten sitzen, kann sich Björn SC Deigner die Briefmarken für die Texteinreichung von Hurenballaden sparen. Dann wird es heißen: "Wie? Männlicher Autor schreibt Prostituierten-drama?? Das geht schonmal gar nicht!"
Khuon-Interview: aus lau mach geil?
@10: Wenn man Theaterstücke einzig und allein erst nach ihrer Aufführung beurteilen kann, dann müsste man ja sehr viel Murks auf die Bühnen bringen. Frei nach dem Motto "Mein Text ist super. Er liest sich zwar total lau, aber wenn er auf der Bühne ist, dann wird er richtig geil"? Soviele Bühnenspieltage gibt es gar nicht, wie Theatertexte neu produziert werden. Nein, es wird immer eine Auslese auch ohne Inszenierung geben (müssen). Ich darf also zurückfragen: Wie stellen Sie sich das vor? Dass jeder geschriebene Text erst dreimal inszeniert wird, bevor er beurteilt werden darf?

@11: Das Internet bietet ja die Chance, Texte auch ohne Verlage zu veröffentlichen. Ein weiterer Weg: Direktversand ans Theater. Darüber hinaus: Einreichung bei einem Wettbewerb. Passiert ja auch alles schon zur Genüge. Mal mehr und mal weniger bekommt man dann Aufmerksamkeit. Und wenn Sie einen guten Text haben, werden sie auch jemanden finden, der ihn auf die Bühne bringt. (Dazu Meta-Leseempfehlung: "Der Raub der Sabinerinnen"!) Falls nicht, posten Sie doch mal ein paar Links zu "relevanten" Texten. nk ist ja eine "breite Öffentlichkeit" jedenfalls in dieser Branche. (Damit es nicht zu spammy wird: Sie richten eine Website ein, zu der geschmähte Autoren ihre Texte schicken können. Dort werden sie gelistet und können gelesen werden. Sie posten hier den Link zu dieser Plattform.)

@10 & @11: Sind sie ein und dieselbe Person? Oder mögen sie einfach unabhängig voneinander, Ihre Kommentare sinn- und wortgleich enden zu lassen? "[…] dass die Achtung […] schon mal höher/größer war."
Khuon-Interview: Behauptung?
#12 Wie kommen Sie dazu, aus einer Vermutung kurzerhand eine Behauptung zu machen?
Khuon-Interview: Autoren-Wahl
Wenn ein männlicher Autor eingehend über Prostituierten-Leben allgemein recherchiert hat, also viele, zumindest mehrere, vergleichbare Biografien kennengelernt hat, oder aus eigener Erfahrung den Umgang mit Prostituierten gewöhnt ist/war, dann kann der auch ein verallgemeinerndes Prostituierten-Drama schreiben, das ihm das Publikum abnimmt und ohne eine konkrete der Frauen, die er so kennengelernt hat, persönlich als sozusagen Schmuddel-Muse zu missbrauchen. Und dann könnte das doch auch ein interessantes Drama sein, was auch einen Regisseur oder eine Regisseurin interessieren könnte, relativ textgetreu bei der Inszenierung zu verwenden.

Dann bliebe nur noch die Frage: WARUM entscheidet sich eine Intendanz/Dramaturgie ausgerechnet für ein Prostituierten-Drama im Spiel-Plan?

Ja, das Internet bietet die Chance, Texte ohne Verlage, aber auch ohne Einnahmen zu erzielen, zu veröffentlichen.
Es sei, man gründet einen Internet-Verlag, der auch andere Autoren veröffentlicht.
Will man dann die Rechte eines Autors wahren oder Einnahmen durch Verkauf der Texte an Theater erzielen, kann man sie jedoch nur z.B. in Auszügen veröffentlichen, bzw. wenn ein Autor genügend originäre für Theater geeignete Texte verfasst hat, Auszüge aus dem angesammelten Gesamtwerk.
Auszüge wiederum haben den Nachteil, dass aus ihnen entweder die Dramaturgie nicht hinreichend ersichtlich ist oder die Stärke der Rollenangebote nicht richtig ersichtlich ist undoder damit die literarische Qualität nicht vollumfänglich ersichtlich ist.
Bleibt die Direkteinsendung an Theater OHNE Verlag: Hat den Nachteil, das der Einsender entweder ignoriert wird oder z.B. bestenfalls unbewusst dramaturgisch "beklaut" - Das ist ganz einfach: der ungeschützte Text dient als dramaturgische Inspiration, ohne dass ein Verlag den Autor sich dagegen wehren könnte und es gibt deshalb auch keinrlei Hemmschwelle solcherart freiwillig eingesandten dramaturgischen Theater-Input etwa aus menschlichem Anstand gegenüber namen/verlagslosen Fremdeinsender z.B. zu unterlassen.
Hinzu kommt: In aller Regel - es ist ausprobiert - bestätigt ein Theater weder den Texteingang noch bedankt es sich bei einer Ablehnung für das ihm entgegengebrachte Vertrauen. Über eine getätigte Ablehnung kann man sogar schon glücklich sein!
Mir ist KEIN Fall bekannt, bei dem ein direkt eingesandter Text eines verlagslosen, fremden und in Fachkreisen "namenlosen" Einsenders von einem Theater angenommen, inszeniert und entsprechend bezahlt wurde.

Bleibt die Möglichkeit der Wettbewerbe... Die sind gewiss ausgezeichnet geeignet für Bühnentexte, die formal als zeitgenössische Dramatik allgemein anerkannt ist und als inszenierbar gilt. D.h. die keine den Betrieb in den Grundfesten erschütterbare Herausforderung darstellt. Da bekommt man dann in der Tat - auch ausprobiert - als Autor mehr oder weniger Aufmerksamkeit. -
Die Frage ist, wenn man lediglich mehr oder weniger Aufmerksamkeit haben will als Autor für Theater, warum setzt man sich dann nicht einfach halbnackt in den Zuschauerraum des z.B. DT? Wollen Intellektuelle nur mehr oder weniger AUFMERKSAMKEIT? Haben die sonst keine Anliegen? ...Möglicherweise ist das so... Ich persönlich will jedenfalls nur ungerne mit einem Autor für Theatertexte verwechselt werden, der/die nur mehr Aufmerksamkeit für sich und seinen Text so allgemein haben möchte...
Ich möchte nämlich gern Aufmerksamkeit im Detail. Ich will so viel Aufmerksamkeit für Figuren, dass mir von Schauspielern Fragen gestellt werden nach ihrer möglichen Motiviation, etwas wann, wo, zu wem und exakt wie in welcher erfundenen Situation gesagt zu haben. Nach meinem verschriftlichen Autoren-Willen... Und alle andere Form von Aufmerksamkeit für mich kann sich das Theater ans Knie nageln- Auf gut schlechtdeutsch: F*** the Theaterautoren-Wettbewerbe für Mainstreamsicherung -
Khuon-Interview: Autor-Antwort
@14
Wenn es mal so einfach wäre. Bei Direkteinsendungen bei Theatern machte ich die Erfahrung, dass mir weder der Eingang bestätigt wurde, noch reagierte man inhaltlich. Auch mehrfaches Erinnern änderte daran nichts. Wenn ich mal eine Antwort bekam, dann die, dass die Dramaturgie keine Lektorate anfertige. Meist wird das mit Arbeitsüberlastung begründet, worüber ich nur müde lächeln kann, war ich doch selbst lange Dramaturg. Zwei, drei Stunden, um ein Stück zu lesen, erübrigen sich immer. Das ist einfach eine Frage der Arbeitsorganisation.
Ich will ja gar nicht damit anfangen, von den Zeiten zu schwärmen, als es vor allem an fast jedem DDR-Theater einen Entwicklungsdramaturgen gab. In dieser Hinsicht, und nicht nur in dieser, war die DDR-Theaterszene vorbildlich. Entwicklungsdramaturgen wurden aber aus Kostengründen abgebaut.
Verlage verweisen zumeist darauf, dass ihre bereits verlegten Stücke vorrangig betreut werden. Auf eine Antwort, die man immerhin bekommt, muss man in der Regel vier und mehr Monate warten. Wettbewerbe sind Lotterien. Keiner kann mir erzählen, das zum Beispiel ein fünfköpfige Jury 150 eingereichte Stücke sorgfältig geprüft hat. Und diejenigen, die eine Vorauswahl für die Jury treffen, bleiben zumeist im Dunklen. Dass da eine erhöhte Gefahr für Vitamin B oder für das Ausleben persönlicher Vorlieben besteht, diese Vermutung ist weder gewagt noch eine Unterstellung.
Die Veröffentlichung auf einer Internetplattform ist zu jeder Zeit und kostengünstig möglich, ja, aber wer nicht schon ein wenig bekannt ist, wird schlicht übersehen.
Der Regiemainstream, der Stücke mit einer Geschichte, mit ausformulierten Dialogen und widersprüchlichen Charakteren nur zu gern an den Rand oder ganz weg spült, richtet zusätzlichen Schaden an. Solche Stücke machen Arbeit, denn es ist zum Beispiel schwieriger, Dialogszenen zu inszenieren als Monologe in den Saal brüllen zu lassen. Auch lassen sie sich nicht so leicht dekonstruieren, verhindern bzw. erschweren einen "freien" Umgang mit dem Text. Die Willkür vieler Regisseure kennt keine Grenzen. Schön geredet wird sie mit Begriffen wie "Reibung" oder "Kunst muss abgründig sein". Tiefgründig sollte sie sein, aber viele Inszenierungen sind so tiefgründig wie ein nasses Handtuch.
Khuon-Interview: nur halb verkauft
zu #2: Es scheint nicht zu klappen; bisher alle gezeigten Vorstellungen waren trotz Medienrummels sehr schlecht verkauft, am Mittwoch war noch nicht einmal die Hälfte des Zuschauerraumes besetzt,,,,,
Khuon-Interview: Autoren-Erfahrung
@Profi-Hospitanz: Mir ist so ein Semi-Fall bekannt. Ein Text von mir, der dazu Anmerkungen für die Sprechbühne enthielt, ist von einem Theater (damals Staatstheater Hannover, Intendanz: Ulrich Khuon) jedenfalls soweit angenommen worden, dass er, ohne mich nach meinem Einverständnis danach zu fragen, in den allerersten Autoren-Wettbewerb, mit dem die ATT ins Leben gerufen wurden, getan wurde.
Ich habe erst davon erfahren, als der damalige Juror Robin Detje mich anrief und davon in Kenntnis gesetzt hatte, dass er in die Auswahl der vorgestellten Stücke gekommen sei und eine Werkstatt-Inszenierung erfahren würde.
Damals sollten vor allem junge Regie-Talente Gelegenheit bekommen, neue zeitgenössische Texte an-inszenieren oder als szenische Lesung einrichten zu können. Man bekam 1000,- DM, die Fahrkosten und einige Übernachtungen bezahlt. Ich konnte mich entscheiden, das mitzumachen oder abzulehnen.
Ich habe angenommen, aber niemand hat nach dem Grund gefragt, warum.
WARUM niemand danach gefragt hatte, auch Ulrich Khuon nicht, weiß ich nicht. Ich interessiere mich immer für Gründe von Entscheidungen. Nicht nur im Falle von Ablehnungen, sondern auch im Falle der Annahme von Angeboten. Mein Grund war, dass ich neugierig gewesen war, bundesdeutsche, österreichische und schweizerische Kollegen und Kolleginnen zu treffen und deren Ansichten zu Theater kennenzulernen. Ich war - als einzige der Auswahl - aus dem Osten. So aus dem deutschen Osten, dass ich persönliche Bekanntschaften mit Müller und Co. in den letzten Jahren der DDR oder gar die hippe Prenzlauer Berg-Dichter-Gilde gemieden hatte. Aus sehr genau benennbaren Gründen. I c h jedenfalls kann nichts dafür, wenn meine Gründe, warum ich damals nicht "nein,danke" gesagt hatte zu einer Einladung, um die ich mich gar nicht beworben hatte!, niemanden interessiert haben… Man kann Interesse nicht erzwingen und Neugier auf fremde Theater-Ansichten ist nicht jedem Menschen so eigen, dass er dafür monitäre Interessen einstweilen rückstellt. Ich kann ebenfalls nichts dafür, wenn der damalige Chefdramaturg davon ausging, dass er einen direkt in die Dramaturgie des Staatstheaters Hannover eingesandten Text nicht beurteilen oder rücksenden oder kommentieren muss, wenn er das einfach ohne Einverständnis des Absenders einem Wettbewerbsverfahren und damit dem bequemeren Zufall überlässt, ob der Text dem Journalisten-Juror gefällt oder halt nicht... Wenn er die Verantwortung der ihm durch mich als einsendender Autorin abgeforderten Textbeurteilung als Chefdramaturg also nicht selbst übernimmt, sondern angelegentlich durchreicht an einen Kulturjournalisten-

Das Verfahren war dann damals so, dass die Autoren nicht erwünscht waren bei den Proben: Ich nahm es zur Kenntnis. Das Ergebnis der Werkstattinszenierung ließ aus meiner Sicht sehr zu wünschen übrig. Ich wurde intern nicht danach befragt und hätte auch öffentlich damals nichts dazu gesagt. Es ging schließlich um ein REGIE-Talent, das sich präsentieren können sollte. Und es haben Schauspieler mitgewirkt, die ihr Bestes gegeben haben in einer Woche. Denen muss man nach dem Einsatz nicht sagen: Euer Bestes ist für mich bei Weitem nicht gut genug. Das ist eine Frage des Anstandes und des Dankes für Bemühen.

Ich bekam dafür Aufmerksamkeit von Verlagen. Einer hat mich ein Stück des Weges begleitet und vergaß dann: auch ich habe umgekehrt ihn damit begleitet.
DAS aber konnte in dem Verlag nicht gedacht werden. Ich weiß nicht, warum so etwas in Verlagen offenbar nicht gedacht werden kann heutzutage: Dass Verlage nicht nur Autoren begleiten, sondern auch umgekehrt...

Da möchte ich mich doch sehr gern Ihrem Kommentar-Schluss in abgewandelter Form anschließen: F*** the Verlage, in denen das Menschliche nicht (mehr) gedacht werden kann-
Khuon-Interview: Ideen für Stücke
@16
Halbe Tantiemen sind besser als keine Tantiemen. Für die Aufführung würde ja immernoch entlohnt. Vielleicht ist es am Anfang einer relevanten Theaterautorenkarriere sinnvoll, diesen Kompromiss einzugehen: Text frei zugänglich = mehr Verbreitung = höhere Aufführungschancen = höhere Aussicht auf Tantiemen & Zukunft. Wer das als Autor nicht sofort möchte, kann ja auch erstmal seinen Text 10 Jahre hinter der Zahlschranke belassen. Wenn dann niemand angebissen hat, wäre ja immernoch Gelegenheit, den Text freizugeben.

@17
Verstehe ich alles. Aber ich kann auch die Theater verstehen. Wenn Dutzende unaufgeforderte Einsendungen eingehen, was sollen sie machen? Alles lesen? Ja, der Anstand gebietet, wenigstens höflich zu antworten, auch bei Überlastung. Aber um die Frage: Wer bzw. welche Instanz "filtert" die Unmenge neuer Stücke, kommen wir nicht herum. Um also auf die Ausgangsfrage zurückzukommen: Wer beurteilt "Relevanz" von Texten? Vorteil der Jetztzeit: Neben zentralisierten Hierarchien wie Verlagslektoren, Theaterdramaturgien und Stückemarktjurys gäbe es auch graswurzligere Wege, vor allem online. Mithin ist sowohl die Veröffentlichung billiger und schneller und breiter möglich wie auch die Findung eines geneigten Publikums.

Noch ein Weg: An Schauspielschulen schicken. Junge Leute mit Feuer für neues Material bingelesen sich gerne die Nächte um die Ohren. Und die werden jeden "relevanten" Text mit der Flamme der Jugend durch die Instanzen fechten. Die Intendanten lechzen nach sowas, sag ich Ihnen.

Ein letzter Vorschlag: Jedes deutsche Theater richtet pro Spielzeit eine szenische Lesung eines neuen Textes ein. (Sog. "Lex Grütters") Zuteilung erfolgt per Los. In den Lospool kann jede natürliche Person, die sich als Person/Autor ausweisen kann (also keine Schreibbots/Strohmänner), ein Stück pro Jahr einsenden. Der Pool bleibt geheim und wird nach der Losung auf Null gesetzt. Die gelosten Texte gehen nur an das jeweilige Theater. Die szenischen Lesungen werden live gestreamt. Dadurch hat das Theater Anreiz, das Beste aus dem Text zu holen. Außerdem wäre damit ein überlokales Publikum erreichbar. Digitale Spielstätte und Autorenförderung und Antimainstream auf einen Schlag. Was halten Sie davon? Der online votierte Gewinner kommt nach Heidelberg, Mülheim oder Berlin. Als Zusatzaufgabe könnte man sagen: Einmal eine strichfreie Lesung und danach direkt eine szenische Lesung nach Gusto des Theaters. Autoren, die 3x ausgelost wurden, dürfen nicht mehr auf diesem Wege einreichen. 200 Chancen pro Jahr, ungefähr, dass "relevante" Texte die von Ihnen kritisierten Barrieren umlaufen. Super, oder? Name "Dramagora" oder so.
Interview Khuon: Name?
Wieso wird hier eigentlich im Nachhinein ein Kommentatorenname geändert - mit einem Tag Abstand wird hier plötzlich aus "Oliver Held" "OH"?


(Das ist schnell erklärt: diese Änderung wurde vorgenommen, um Verwechslungen mit einer real existierenden Person dieses Namens zu vermeiden. Freundliche Grüsse aus der Redaktion).
Interview Khuon: OH
(...)


Sehr geehrter OH, bitte wenden Sie sich mit Ihrem Anliegen per Mail an die Redaktion: redaktion@nachtkritik.de.
Freundliche Grüsse, Esther Slevogt
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