Presseschau vom 27. Juni 2018 – DT-Intendant Ulrich Khuon stellt sich im Tagesspiegel-Interview hinter Sebastian Hartmanns umstrittene Inszenierung In Stanniolpapier"

Kunst bewegt sich in riskanten Zonen

Kunst bewegt sich in riskanten Zonen

Berlin, 27. Juni 2018. Im Tagesspiegel äußert sich der Intendant des Deutschen Theater Ulrich Khuon zu den Vorwürfen gegen Sebastian Hartmanns Inszenierung "In Stanniolpapier", die im Rahmen der Langen Nacht der Autoren am DT nicht als Uraufführung, sondern als freie Regie-Version herauskam (zu den Vorwürfen siehe hier die Kritikenrundschau und die Kommentare zur Inszenierung).

Ob die Inszenierung die Gewaltverhältnisse, die sie darstellt, nicht auch selbst reproduziert, will der Interviewer Patrick Wildermann wissen. Dazu Khuon: "Nichts wird reproduziert, sondern die Schauspielerin gestaltet selbstermächtigt einen Prozess mit. Für mich ist in der gesamten künstlerischen Arbeit der Freiwilligkeitsbereich entscheidend. Solange der gewährleistet ist, sollten wir im Theater gerade nicht die Reibungen meiden und bloß noch diskursfähige Sachlichkeitsveranstaltungen aufziehen. Kunst braucht Abgründe."

"Regisseure sind keine Befehlsempfänger"

Den Bruch zwischen Autor Björn SC Deigner und Fischer-Verlag auf der einen Seite und Schauspielteam auf der anderen bedauert Khuon: "Dass es zu Verwerfungen kommen oder kompliziert werden kann, ist meiner Meinung nach Teil des Projekts. Wir machen ja nicht auf sicheren Wegen einen Spaziergang hinter einem Stück her, sondern wagen ein Abenteuer, eine Eroberung, die je nachdem großartig oder schrecklich, sehr schwierig oder sehr schön werden kann." Seine Rolle selbst sieht der Intendant so: "Regisseure sind doch keine Befehlsempfänger, denen ich mitteile: So geht das jetzt aber nicht."

Ausdrücklich stellt sich Khuon hinter die Inszenierung: "Ich wüsste gar nicht, wie man diese Unterdrückung, diesen Missbrauch, diesen Lebens- und Leidensweg anders als in der Härte darstellen sollte, die Hartmann wählt. Das Verletzungspotenzial, um das es geht, muss doch zum Teil der Aufführung werden. Will man daraus eine Diskursveranstaltung machen? Kunst bewegt sich in riskanten Zonen, und dazu gibt es natürlich unterschiedliche Haltungen. Ich finde, die Gewalt ist kein bisschen ästhetisiert, sondern extrem anstrengend und aufreibend."

(tagesspiegel.de / chr)

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