Versuchte FPÖ-Zensur bei Nestroy-Spielen Schwechat
So nicht
2. Juli 2018. Einen Versuch, in die teils regierungskritische Inszenierung "Zu ebener Erde und im ersten Stock" bei den diesjährigen Nestroy-Spielen Schwechat einzugreifen, unternahmen Gemeinderäte der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) am vergangenen Wochenende. Das meldeten unter anderem Der Standard und Die Presse.
Streichung von Passagen – oder Fördergeldern?
Per Brief an die Niederösterreichischen Nachrichten (NÖN) forderte der Schwechater FPÖ-Gemeinderat Wolfgang Zistler nach dem Besuch der Generalprobe von Peter Grubers Nestroy-Inszenierung "Zu ebener Erde und im ersten Stock" eine Entschuldigung der Veranstalter sowie die Streichung von Passagen, in denen die türkis-blaue Bundesregierung als "großteils braun" bezeichnet und angeblich ein Hitlergruß gezeigt werde. Andernfalls werde die FPÖ Schwechat "keinen Geldern mehr für die Nestroy-Spiele zustimmen", steht in dem Schreiben an die NÖN, das die Nestroy-Spiele publik machten.
Zusatzstrophen für die Figur des Sekretärs Johann bei Goldfuchs (Florian Haslinger) heißt es über Bundeskanzler Sebastian Kurz von der Österreichischen Volkspartei (ÖVP) und seine Politik: "Ja, ja, unser Basti – der ist nur dann und wann da, / denn er macht lieber Selfies von sich und sei'm Panda, / doch er hat, wie versprochen, Veränd'rung gebracht, /denn die z' Kurz kommenen, die sein jetzt an der Macht / Alle Routen werd'n g'schlossen, überall Polizei, / Rund um d'Uhr werdn ma abghört, kurzum: wir sind frei!".
In den von Regisseur Peter Gruber, wie bei Nestroy-Inszenierungen üblich, aktuell getextetenAuch der FPÖ-Innenminister Herbert Kickl wird im Couplet erwähnt: "Der Innenphilister sitzt am hoh'n Ross, / umringt von ei'm grölenden Burschenschafts-Tross: / 'Österreich sind nur die, die so denken wie wir! / Alle andern g'hörn raus – Abdullah – 3 Bier!'".
Klimaveränderung starken Ausmaßes
"Zu ebener Erde und im ersten Stock" kam am vergangenen Samstag in unveränderter Fassung zur Premiere, wie die Nestroy-Spiele unter anderem auf ihrer Webseite bekannt gaben. Peter Gruber, Regisseur und Intendant der Nestroy-Spiele, meinte gegenüber der Zeitung Die Presse, dass den im Volkstheater üblichen Zusatzstrophen zum ersten Mal in der 46-jährigen Geschichte der Nestroy-Spiele mit Zensurbestrebungen und angedrohtem Subventionsentzug begegnet worden sei: "Das ist schon eine Klimaveränderung starken Ausmaßes, die wieder zurück ins Biedermeier führt", wird Gruber zitiert.
Unterstützung für die Nestroy-Spiele, die im nahe Wien gelegenen Schwechat stattfinden, sicherte nach Bekanntwerden des Vorgangs der Gemeinderat der Grünen, Manfred Smetana, zu. Angesichts der Äußerungen von FPÖ-Gemeinderat Zistler werde man "alles unternehmen, um zu verhindern, dass er seine Drohung wahr machen kann", so Smetana laut Die Presse. Bei Grubers Inszenierung handle es sich um eine "satirische Auseinandersetzung" mit zeitgenössischen Erscheinungen, so die Grünen in einer eigenen Aussendung.
(Nestroy-Spiele Schwechat / Die Presse / Der Standard / eph)
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