Planet der Pannen

von Sascha Westphal

Düsseldorf, 20. Juli 2018. Der nur ein paar hundert Meter vom Landtag entfernte Medienhafen mit seinen unter anderen von dem Architekten Frank O. Gehry entworfenen Gebäuden gehört ohne Frage zu den imposantesten Orten in Düsseldorf. Das ganze Areal hat mit seinen für deutsche Stadt-Verhältnisse eher ungewöhnlichen Bauten, die an Retro-Raumschiffe, an geblähte Segel oder auch an monolithische Blöcke erinnern, etwas Futuristisches. Die Büros, Geschäfte und Restaurants, die den Medienhafen dominieren, verankern ihn zwar fest in der Konsum- und Dienstleistungswirklichkeit unserer Tage. Aber in der Architektur lebt die Vision einer anderen Zukunft fort. Eine neue Gesellschaft könnte aus den geschwungenen Fassaden der drei Gehry-Bauten herauswachsen, eine Gesellschaft, in der Funktionalität nicht mehr oberstes Gebot ist. Insofern ist der Düsseldorfer Medienhafen tatsächlich die ideale Kulisse für "Stadt der Affen", eine von dem Performance-Kollektiv LIGNA ersonnene "Expedition in die Zukunft", die im Rahmen des Asphalt Festival ihre Premiere hatte.

Stadt der Affen2 560 Nana FranckHaarige Angelegenheit © Nana Franck

Ausgehend von Franklin J. Schaffners 1968 uraufgeführtem Science-Fiction-Film "Planet der Affen" und seinen vier Sequels hat LIGNA eine ihrer üblichen Publikumschoreographien entworfen. Etwa sechzig Zuschauerinnen und Zuschauer treffen sich auf der durch eine Fußgängerbrücke erreichbaren Landzunge im Medienhafen unterhalb eines gläsernen Büroturms und bekommen neben den obligatorischen Audiogeräten samt Kopfhörern noch Affenmasken und dunkelgraue, kimonoartige Mäntel. So werden aus den Menschenmenschen des frühen 21. Jahrhunderts die Affenmenschen des Films. Eine Verwandlung, die angesichts sommerlicher Temperaturen um die 30 Grad nicht unbedingt ein Vergnügen ist. Die Stimmen aus dem Kopfhörer beschwören indessen ein Szenario herauf, in dem die vom Publikum verkörperten Affenmenschen zu Weltzeitreisenden werden. Deren Aufgabe ist es, das Schlimmste zu verhindern. Schließlich erzählt die Hollywood-Filmreihe von Schlachten und Zerstörungen, Untergang und Unterdrückung.

Zickzack in die Zukunft

Im Rahmen dieses sogenannten "Preenactment", das Kommendes vorwegnehmen soll, sind wir alle gemeinsam aufgefordert, die Zukunft zu verändern. Folglich bekommen die maskierten Teilnehmerinnen und Teilnehmer von den Stimmen aus den Kopfhörern verschiedene Aufgaben gestellt. Mal sollen alle im Zickzack über die Fußgängerbrücke laufen, mal die sommerlichen Flaneure beobachten. Dann werden wir aufgefordert, auf der Rheinpromenade zu tanzen. Später führen uns die Stimmen zum Landtag, vor dem wir gemeinsame bizarre Rituale vollziehen sollen, bevor der Gang durch die Stadt schließlich im Garten am Fuß des Fernsehturms endet.

Stadt der Affen1 560 Nana FranckMission: Dekoration © Nana Franck

Es ist kaum vorstellbar, dass irgendeine dieser Aktionen überhaupt etwas bewirkt, außer ahnungslose Passanten zu amüsieren. Die haben allerdings sichtlich Spaß und zücken meist sofort ihre Mobiltelefone, um die bizarre Affen-Prozession zu fotografieren oder zu filmen. Zudem läuft die Choreographie immer mal wieder aus dem Ruder, weil Teile des Publikums die Audio-Anweisungen falsch interpretieren und so vom vorgesehenen Weg abkommen. Eines dieser Missverständnisse führt dazu, dass sich das Premierenpublikum am dritten statt am mittleren verspiegelten Gehry-Gebäude versammelt. Das ist besonders schade, da die spiegelnde Fassade dem äffischen Treiben eine faszinierende Facette hinzufügen könnte. Außerdem lädt gerade dieses Bauwerk zu Reflexionen über das Wesen des Medienhafens und über das Bild ein, das Düsseldorf von sich vermitteln will. Allerdings stehen solchen Überlegungen schon die arg ins Esoterische gehenden Texte der Performance entgegen.

Kein Platz für Affen

Eine andere, nicht vom verkleideten Publikum verschuldete Panne beschert dieser ambitioniert beginnenden, aber schnell im Banalen versandeten Mitmach-Aktion am Premierenabend einen ungeplanten Höhepunkt. Die Internetseite des Landtags NRW verkündet in einem Text über Dani Karavans auf dem Vorplatz des Landtagsgebäudes platzierten Stahlskulptur "Tzaphon": "[...] die gesamte Rondellgestaltung ist einladend und heißt die Besucherinnen und Besucher willkommen. Der Landtag Nordrhein-Westfalen erhebt den Anspruch, ein Haus für die Bürgerinnen und Bürger zu sein." Das gilt jedoch nicht für Affenmenschen aus der Zukunft.

Kaum haben wir uns alle um Karavans Kunstwerk versammelt, kommen aus dem Landtagsgebäude aufgeregte Security-Leute heraus und fordern uns auf, dass Rondell zu verlassen. Die Aktion im Rahmen der "Stadt der Affen"-Performance war offiziell angemeldet und genehmigt. Nur wurden allem Anschein nach die Security-Kräfte nicht informiert. Diese Kommunikationspanne hat ein zentrales Element der Choreographie zunichtegemacht. Doch am Ende erzählt dieser Zusammenprall der Kunst mit der Wirklichkeit mehr über die heutige Gesellschaft und ihr kleinlich-bürokratisches Antlitz als LIGNAs mit gelehrten Anspielungen gespickte Hörspieltexte. Für alles, was aus der Norm fällt, gibt es keinen Platz. Die architektonischen Versprechungen des Medienhafens sind noch unerfüllt und werden es wohl auch noch lange bleiben.

 

Stadt der Affen
von LIGNA
Konzept und Regie: LIGNA (Ole Frahm, Michael Hüners, Torsten Michaelsen); Kostüm: Gloria Brillowska; Musikalische Leitung: Wellington Barros; Choreografie: Catharina Gadelha; Masken: Anja Grassmück; Stimmen: Sonja Beißwenger, Torben Kessler, Günter Reznicek.
Dauer: 1 Stunden 25 Minuten, keine Pause
www.asphalt-festival.de
www.ligna.org

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