Engagement und Erschöpfung

von Esther Boldt

Frankfurt, 20. September 2018. Zum Saisonauftakt ist sie kaum zu übersehen, die freie Szene in Frankfurt: Sie bespielt den öffentlichen Raum ebenso wie ehemalige Fabrikgebäude, die fachwerkene neue Altstadt und weite Hallen. Und man könnte fast vergessen, dass diese Blüte noch jung ist – und sich einem hohen Engagement verdankt: Seit 2009 setzen sich jüngere Künstler*innen ebenso energisch wie improvisationsbereit für eine Verbesserung und Erneuerung ihrer Arbeitsbedingungen in der Stadt ein. Zuvor gab es hier für den Theaternachwuchs keine Perspektive, die wenigen Fördermittel waren gebunden, Aufführungsmöglichkeiten gab es kaum.

Der große Kahlschlag

Denn die Gegenwart des Freien Theaters in Frankfurt steht im Schatten eines großen Kahlschlags: 2004 wurde – um Geld zu sparen, natürlich – das Theater am Turm (TAT) geschlossen, und mit ihm die größte international arbeitende Bühne der Stadt. Seit 1985 ging im TAT die internationale Avantgarde ein und aus, die Wooster Group, Jan Fabre, Marina Abramović. Und auch der Nachwuchs fand hier einen Ort: Bei den "Bunten Abenden" zeigte unter anderem René Pollesch seine ersten Arbeiten. Gleichzeitig erfand in den 1980er Jahren William Forsythe an den Städtischen Bühnen das Ballett neu, indem er es in seine Bestandteile zerlegte – 2004 wurde auch die Ballettsparte weggekürzt.

TAT Pucher Plakat 1996 560 Ulrike Henrich hDas unvergessene Theater am Turm: international arbeitende Bühne in Frankfurt und wichtiges Sprungbrett für die Regie-Generation der 90er Jahre wie Stefan Pucher, Tom Kühnel oder Robert Schuster  © Ulrike Henrich

Zwei große, international vernetzte und gegenwartszugewandte Institutionen brachen weg, und ihr Verlust ist noch immer schmerzhaft spürbar. So ist heute das Künstlerhaus Mousonturm die einzige freie Spielstätte, die Wirkung über die Stadt hinaus entfaltet. Seit der Jahrtausendwende wanderten viele junge Künstler*innen nach Berlin ab, unter ihnen Rimini Protokoll, She She Pop und andcompany&Co – Gruppen, die heute zu den renommiertesten des Landes gehören.

Gegen die Gießkanne

Doch es regte sich Widerstand: Ein Zusammenschluss junger Theaterschaffender kämpft seit 2009 unter anderem für eine Revision der Förderstrukturen, eine Erhöhung der Mittel sowie ihre Vergabe durch eine Fachkommission, die nach künstlerischen Kriterien entscheidet. Unter dem wachsenden öffentlichen Druck zieht die Kulturpolitik langsam nach: 2015 wurde ein fünfköpfiger Theaterbeirat eingerichtet, der bei zwei Förderinstrumenten Empfehlungen ausspricht, letztlich aber nicht entscheidet. Zudem ändern sich auch die Förderstrukturen, die neuen zwei- und vierjährigen Konzeptionsförderungen sollen Erbhöfe verhindern und auch Künstler*innen, die nicht über eine eigene Spielstätte verfügen, mehr Planungssicherheit bieten. Insgesamt 3,6 Millionen Euro werden hierfür bereitgestellt, aufgeteilt auf derzeit 38 Künstler*innen und Institutionen. Der Etat für Projektmittel beläuft sich auf 520.000 Euro. Insgesamt wurden die Fördermittel für die freie Szene 2017 um 2 Millionen Euro erhöht.

Die wichtigsten Spielstätten der Freien Szene in Frankfurt:

TAT

Das A by I Helen JilavuAm letzten Tag spielen andcompany&Co im TAT, die T's sind bereits abmontiert und die schwarze Fahne weht auf dem Dach. Es lebe das A  © Helen Jilavu

Theater am Turm (TAT) – gegründet 1953, geschlossen 2004 | Profil: 1953 wurde das TAT als Landesbühne Rhein-Main durch den Frankfurter Bund für Volksbildung gegründet. 1963 bis 1995 saß es im ehemaligen Volksbildungsheim am Eschenheimer Tor und erhielt seinen Namen vom Eschenheimer Turm, einem Teil der früheren Stadtbefestigung. Als Kulturinstitution wurde es zum Spiegel seiner Zeit: Unter der Leitung von Claus Peymann wurde 1966 Peter Handkes legendäre "Publikumsbeschimpfung" uraufgeführt. Später wurde das Haus von der Student*innenbewegung geprägt und erhielt ein Mitbestimmungsmodell. In den 1970er Jahren leitete Rainer Werner Fassbinder acht Monate lang das TAT. Ab 1986 öffnete Tom Stromberg das Haus und startete internationale Koproduktionen. 1995 wurde es in das alte Bockenheimer Straßenbahn-Depot verlegt und gleichzeitig an die Städtischen Bühnen angegliedert. Nach einigen angedrohten Schließungen und tatsächlichen Kürzungen fiel es im Mai 2004 endgültig der Sparpolitik zum Opfer.

Das klingt spektakulär und ist tatsächlich höchst erfreulich. Die ersten Förderentscheidungen vermitteln allerdings eher den Eindruck, dass diese Mehrmittel verwendet werden, um das – früher zu Recht viel kritisierte – Gießkannenprinzip zu reinstallieren: Jeder bekommt ein bisschen, alle werden irgendwie zufrieden- und ruhiggestellt. Einerseits, heißt es aus dem Kulturdezernat, sollten die Mehrmittel "eine intensivierte Nachwuchsförderung [bewirken] verbunden mit dem Ziel künstlerischer Exzellenz", andererseits auch "Spielstätten und Ensembles, die viele Jahre in der Stadt arbeiten und ihr eigenes Publikum gefunden haben, deutlich besser als bisher ausstatten." Von Veränderungslust, gar Erfindungsgeist ist nichts zu spüren, vielmehr pflegt das Dezernat die abwartende, abwägende Zurückhaltung. Ob man so weiterkommt?

Kulturpolitik im Reaktionsmodus

Die seit Sommer 2017 amtierende Kulturdezernentin Ina Hartwig (SPD) hat die eingeleiteten strukturellen Veränderungen von ihrem Vorgänger Felix Semmelroth (CDU) gewissermaßen geerbt, ihre eigene Position darin wirkt noch unklar. So spricht sie sich beispielsweise zwar vehement für mehr Transparenz im Förderprozess aus, installierte aber als Erstes ihren früheren Kollegen Peter Michalzik im Theaterbeirat. Mit diesem hat sie jahrelang gemeinsam bei der Frankfurter Rundschau gearbeitet – er als Theaterredakteur, sie als Literaturredakteurin. Eine unglückliche, weil klüngelig wirkende Entscheidung. So bleibt auch die Besetzung des Beirats ein Politikum, über das heftig diskutiert wird in der Stadt: Wer kommt da hinein? Und sollte diese Entscheidung nicht transparenter gefällt werden?

Forsythe Company Loss 560 Sylvio Dittrich hWeggekürzt aus dem Angebot der Frankfurter Städtischen Bühnen: die Forsythe Company, hier mit "Loss of small Detail" (1991), das Foto entstand 2005 in Hellerau  © Sylvio Dittrich

Es herrscht der Eindruck vor, dass kulturpolitisch eher reagiert als agiert wird. Heute bildet die freie Szene ein Dickicht gewachsener Strukturen, die seit den 1980er Jahren mit den (An-)Forderungen und Bedürfnissen der jeweiligen Protagonist*innen wuchsen und wucherten. Wie in vielen anderen Städten stößt auch in Frankfurt das scheinbar organisch Gewachsene an seine Grenzen. Und so fordert nicht nur Nikolaus Müller-Schöll, Professor für Theaterwissenschaft an der Frankfurter Goethe-Universität und von 2015 bis 2017 Mitglied des Beirates, die Formulierung eines Theaterentwicklungsplans durch eine unabhängige Kommission, die die gesamte Frankfurter Theaterlandschaft evaluiert und Perspektiven für sie entwickelt. "Es ist etwas erreicht worden", findet Müller-Schöll. "Es gibt mehr Transparenz, und es gibt endlich eine Diskussion über künstlerische Qualität. Doch es ist weit unter dem geblieben, was möglich wäre." Die Zukunft vieler Bühnen der Stadt ist zurzeit offen, beispielsweise der Spielstätte Frankfurt LAB, des Schauspiels und der Oper. Es wird über die Einrichtung eines Kinder- und Jugendtheaters nachgedacht und über den Aufbau eines Kulturcampus in Bockenheim. Da würde es großen Sinn machen, die Theatersituation der Stadt und ihrer zahlreichen Spielorte umfassend zu betrachten, um das Weiterwurschteln zu beenden.

Avantgarde im Klinkerturm

Die einzige Spielstätte der freien Szene, die zur Zeit überregional sichtbar und wirksam ist, ist das Künstlerhaus Mousonturm, vor knapp dreißig Jahren – Ende 1988 – gegründet im expressionistischen, rot verklinkerten Büroturm der ehemaligen Seifenfabrik Mouson. Seit 2013 steht der Mousonturm unter der Leitung von Matthias Pees, der ihn zu einer Zeit übernahm, als es für die lokale Szene bereits deutlich bergauf ging. Pees‘ eigener Fokus liegt auf interkontinentalen Kooperationen, er will Frankfurt stärker mit der Welt vernetzen, mit Japan beispielsweise oder mit Brasilien, wo er selbst lange lebte. Darüber hinaus bleibt sein Profil eher unscharf – bei hoher Produktivität: Viele Künstler*innen, die zurzeit bundesweit oder international eine breite Öffentlichkeit erfahren, finden sich im Programm wieder, wie Milo Rau, Brett Bailey oder Florentina Holzinger

Als Themenschwerpunkte bezeichnete Festivals reihen sich aneinander, deren inhaltliche Setzungen sich an gegenwärtigen Debatten orientieren, auf dem Spielplan stehen beispielsweise Flucht und Migration oder die Zukunft der Städte. Ein ehrgeiziges, auf hohem Niveau ausuferndes Programm, das manchmal allerdings auch schnell gestrickt wirkt und hinter den eigenen Ansprüchen zurückbleibt.

Galerie – Protagonist*innen der Freien Szene in Frankfurt:

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Von den in Frankfurt lebenden Theaterschaffenden sind hier etwa das Kollektiv Swoosh Lieu tätig, das seine Performance "Who cares?!" 2017 beim Stückemarkt des Berliner Theatertreffens zeigte, sowie das Duo Billinger/Schulz, das 2016 zur Bestenschau des freien Tanzes, der Tanzplattform Deutschland eingeladen wurde, der Filmemacher Daniel Kötter und der Komponist Hannes Seidl mit ihren disziplinübergreifenden, sperrigen Werken sowie die Regisseurin Susanne Zaun. Allerdings hört man von Frankfurter Künstler*innen immer häufiger, dass sich die Produktionsbedingungen am Haus für sie verschlechtern. Kosten wie beispielsweise die Anreise und Unterkunft von Performer*innen werden nicht mehr selbstverständlich vom Mousonturm übernommen, sondern sollen aus den zusätzlich angeworbenen Projektmitteln gezahlt werden. Der Choreograf Sebastian Schulz nimmt das als Signal wahr: "Dieses permanente Feilschen macht den Gruppen klar, dass sie immer mehr ihr eigenes Projekt sind. Dabei sollte man davon ausgehen, dass sich ein Haus verantwortlich für eine künstlerische Entwicklung fühlt." Er beschreibt einen ideellen Verlust: Künstler*innen und Haus zögen immer weniger an einem Strang.

Und ewig fragen die Produktionsbedingungen

Dem widerspricht Matthias Pees, der sein Haus klar als Partner Frankfurter Künstler*innen versteht. Und der zugleich darauf hinweist, dass der Etat des Mousonturms in den letzten Jahren kaum erhöht wurde. Denn es seien zwar für das laufende und das kommende Jahr nach fast zehn Jahren Stillstand endlich Erhöhungen des städtischen Zuschusses vorgesehen, doch fangen diese die Mehrkosten, die durch tarifliche Lohnerhöhungen entstanden sind, nur teilweise auf – und andere Kostensteigerungen, beispielsweise im Bereich der Künstler- und Technikergagen, gar nicht. Hinzu käme, so Pees, "das Paradox, dass unsere diesjährige Etaterhöhung zu einem großen Teil durch die kurzfristigen Sparmaßnahmen der Stadt gleich wieder einkassiert wird". Allein die zusätzlichen Lohnkosten für den neuen Tarifabschluss werden sich, schätzt er, bis 2020 auf weitere 80.000 Euro jährlich summieren, die – wenn die Stadt sie nicht ausgleicht – dann für die Kunst und die Künstler*innen fehlen.

offenbacher Seefestspieles 4 Tag 2017 560 Gabriel PobletaGefördert mit Doppelpass-Geldern der Bundeskulturstiftung veranstaltete das Künstlerkollektiv yrd.Works zusammen mit dem Mousonturm, dem japanischen Performance-Kollektiv contact Gonzo und dem Frankfurter Elektronik-Duo Les Trucs im Juni 2017 die 1. Offenbacher Seefestspiele 
© Gabriel Pobleta

Eine Klage übrigens, die man von vielen anderen Stadt- und Staatstheatern (denn seiner Förderstruktur, nicht aber seiner Förderhöhe nach ist das Künstlerhaus Mousonturm heute nichts anderes als das) auch kennt – mit ähnlichen Konsequenzen.

Heute habe man jeder der Gruppen, die mehrjährig von der Stadt gefördert werden, 10.000 Euro für Produktions- und Aufführungskosten zugesagt – was darüber hinaus möglich ist, muss immer neu ausgehandelt werden. "Aber letztlich ist das eine Mängelverwaltung, die eine angemessene und faire Bezahlung der Künstlerinnen und Künstler nicht ausreichend ermöglicht, und ihnen auch keine ausreichende Planungssicherheit gibt." So wird der Ball zwischen Politik und Häusern hin- und hergespielt, das Risiko aber verbleibt bei den freischaffenden Künstler*innen.

Neue, junge Orte

Zu den Paradoxien der Politik gehört im Übrigen auch, dass in der Region immer mehr Künstler*innen ausgebildet werden. Im Zuge von Tanzplan Deutschland wurden 2006 in Gießen und Frankfurt neue Studiengänge begründet, und auch die bestehenden Institute werden seit Jahren dazu angehalten, mehr Studierende aufzunehmen. Für die es aber nach Studienabschluss schlicht an Arbeitsmöglichkeiten fehlt – hier planen Bildungs- und Kulturpolitik eifrig aneinander vorbei. Viele hervorragende Tänzer*innen von der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst, berichtet beispielsweise die Choreografin Allison Brown, würden später Kindertanz unterrichten, weil sie schlicht nichts anderes fänden. So wird Geld und Talent verschwendet, ein Trauerspiel.

the fat lady 560 jana mila lippitz u"It's not over until the fat lady sings oder der Chor im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit". Marion Schneider und Susanne Zaun, Künstlerhaus Mousonturm 2017 
© Jana Mila Lippitz
Doch einige der gut ausgebildeten, international orientierten Absolvent*innen lassen sich nicht verprellen, sondern fordern nachdrücklich ihren Platz ein. Sie haben in den letzten Jahren gleich eine Reihe von Orten und Initiativen begründet: Das Z Zentrum beispielsweise, einen Ort für Proben und Recherche, getragen von dem Verein ID Frankfurt. Das Festival Implantieren, das die Vielfalt der freien Szene sichtbar macht. Oder das Studio Naxos, gegründet von Studierenden der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst. Junge, politische Arbeiten gehen mit der Arbeit für die eigene Community einher.

Letztlich bräuchte Frankfurt eine weitere freie Spielstätte, in der Künstler*innen auf professionellem Niveau produzieren können. Zur Zeit ist das Künstlerhaus Mousonturm der einzige Ort, an dem gewisse Arbeitsstandards, aber auch eine entsprechende öffentliche Aufmerksamkeit erwartet werden können. Ein zweiter, stabil finanzierter und kompetent geleiteter Ort würde der wachsenden freien Szene Alternativen bieten. Doch ob und wie dieser vielerorts geäußerte Wunsch Wirklichkeit werden kann, steht in den Sternen. Viele der Protagonist*innen fürchten, schon das jetzt Erreichte sei gefährdet, seine Fortentwicklung zu stabileren Strukturen unwahrscheinlich. Und manch eine*r spricht wieder vom Weggang. "Meinst du, es macht noch Sinn, in Frankfurt zu bleiben und auf Verbesserung zu hoffen?" fragt eine Künstlerin die Autorin am Ende eines der vielen Gespräche, die für diesen Artikel geführt wurden. Und ich? Kann es ihr auch nicht sagen.

 

Boldt Esther 100 Harald SchroederEsther Boldt verfolgt vorwiegend schreibend die zeitgenössische Tanz- und Theaterszene, u.a. für die taz, nachtkritik.de, Theater heute und tanz Zeitschrift. Sie war in verschiedenen Jurys tätig, u. a. beim Nationalen Performance Netz (2009–2012) und bei der Tanzplattform Deutschland 2014. Zurzeit ist sie Jurymitglied bei Tanzpakt Stadt Land Bund und Juryvorsitzende der Autorentheatertage am Deutschen Theater Berlin 2019 (Foto: Harald Schröder).

 

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Kommentare  
Freie Szene Frankfurt: andere Sichtweise
Die Erzählung, die die Autorin Esther Boldt hier beschreibt, ist in Ihrer Entwicklung sicherlich stimmig. Die Freie Szene Frankfurts wurde ehemals zerstört und nun langsam wieder- mit viel Engagement aufgebaut. Und es ist auch der fehlende Mut der Kulturpolitiker*innen, der weitere Entwicklungen verhindert und wieder zum geschmähten Gießkannenprinzip zurück führt. Doch muss auch gesagt werden: Frankfurt ist momentan sehr gut ausgestattet und fast überlaufen, der Mousonturm kämpft um Publikum,das in im kleinen Frankfurt ein Vielzahl an kulturellen Aktivitäten bekommt- Spielorte wie das Gallus Theater, das Titania oder auch das nun stattfindende IMPLANTIEREN FESTIVAL zeigen Aufführungen, die nur wenige Zuschauer anziehen, zumeist aus dem eigenen Freundeskreis. Was Frankfurt am wenigsten braucht ist ein weiteres Produktionshaus- stattdessen ist eine substantielle Verbesserung der bestehenden Strukturen und Gruppen wünschens-und erstrebenswert. Insofern geht Ina Hartwig hier sicher in die richtge ichtung und mit P. Michalzik hat Sie einen Kenner des Theaters und der Szene Frankfurts für die ungeliebte Theaterbeiratsarbeit gewonnen. Auch deren Zusammensetzung lässt sich auf Nachfrage einfach herausfinden, ein Anruf beim Kultruamt genügt hier. Und natürlich kann die Stadt nicht alle Theaterwissenschaftler*innen mit Regie- und Kunstambitionen aufnehmen bzw. in ihren ersten Schritten finanziell unterstützen. Hier sollte wieder mehr auf die Reglementierung durch die Auswahlgremien der Hochschulen gesetzt werden, um dem neoliberalen Allerlei und dem Gießkannenprinzip wirklich etwas entgegenzusetzen, doch das hört man natülich nicht gerne.
Freie Szene Frankfurt: Transparenz
Liebe Franziska Frankfurt,

eine kurze Anmerkungen zum Beirat: Es geht mir auf keinen Fall darum, die Kompetenz von Peter Michalzik in Frage zu stellen, den ich sehr schätze. Ich finde die Entscheidung aufgrund der gemeinsamen Geschichte schlicht etwas unglücklich. Nichts anderes habe ich geschrieben.
Wie sich der Beirat grundsätzlich zusammensetzt - eine Person für Kinder- und Jugendtheater, ein*e Journalist*in, ein professioneller Zuschauer, jemand für Tanz und jemand aus dem Ausbildungsbereich, das ist klar. Aber es geht ja um die personelle Besetzung, die in anderen Städten durchaus transparenter erfolgt.
Bezüglich der "Reglementierung durch die Auswahlgremien der Hochschulen" ist mein Kenntnisstand - wie auch im Artikel beschrieben - jener, dass die Institutionen angehalten werden, mehr Menschen auszubilden.

beste grüße: esther boldt
Freie Szene Frankfurt: Platz schaffen
Liebe Esther Boldt,
ich ging auch nicht davon aus, daß Sie den Kollegen Michalzik diskreditieren wollen. Mich wundert aber doch, wie Sie glauben können, dass eine ehemals gemeinsame Zusammenarbeit oder gar Bekanntschaft ein Ausschlußkriterium für diese Stelle sei.Ist doch eher ein Vorteil, wenn die Amstleiterin für Kultur die Arbeit des Beiratsmitglieder kennt.
Und mit einem Plädoyer für die "Auswahlgremien der Hochschulen" ist eine Beschränkung der Förderungen in der freien Szene gemeint. Alle, die an einer hessischen Kunsthochschule(!) einen künstlerischen(!) Abschluß erwerben, sollten in den ersten drei Jahren nach ihrer Ausbildung für eine Förderung in Betracht gezogen werden. Die Professor*innen des ATW & Dramaturgie könnten pro Abschluß zwei bis drei Personen/Gruppen zusätzlich nominieren. Der Rest kann sein Glück dann in Giessen , Wiesbaden, Darmstadt, Mainz und Offenbach probieren und über Assistenzen oder Nebentätigkeiten oder Finanzierung der ELtern sein Glück versuchen.Das ging früher auch. Schließlich ist die freie Berufs- und Städtewahl kein Menschen- sondern ein Klassenrecht, das nicht auch noch subventioniert werden sollte. Um in der Sanierung der schwierigen Umstände in Frankfurt direkt weiter zu kommen hier noch ein Vorschlag: alle Theatermacher*innen über 67 mit bestehenden Förderungen sollten keine weiteren Förderungen mehr bekommen, sondern einen Verdienstorden und damit verbunden eine einmalige Auszahlung von 25.000,00€. Das würde den Kulturhaushalt schlagartig verbessern und Platz in den bestehenden Produktionshäusern schaffen, wäre zudem auch noch sozial verträglich und mit Generationengerechtigkeit zu beschreiben. Außerdem wäre damit eine kultur-politische Agenda verbunden, die sich neueren Formen der performativen Künste zuwendet (das meint heute FREIE SZENE). Nächster Punkt: drei bis fünf Jahre keine neuen Künstler*innen bzw. Gruppen in die Förderrunden aufnehemen und dann mal von unabhängigen Leuten auswerten lassen, was passiert ist hinsichtlich künstlerischer Qualität, Auslastung, Arbeits-und Lebensbedingungen und Sicht-und Reichweite der hier lebenden Künstler*innen. Ich möchte mein Fördergeld darauf verwetten, dass die positive Wirkung enorm wäre.Wenn nicht kann es wieder rückgängig gemacht werden. Dann wäre aber mal wenigstens für kurze Zeit das Haifischbecken leer gewesen. Aber bitte keine neuen Festivals, neuen Produktionshäuser, neuen Talente und kein weinen mehr über das ach so tolle TAT.Sie hören sich an wie ein Alt-68er, der die Frankfurter Szene nur von früher kennt.Substanziell fördern und bestehende Strukturen stärken muss es nun heißen.
Freie Szene Frankfurt: keine Altersdiskriminierung
#1, 3
Altersdiskriminierung war noch nie ein gutes Argument, Frau Frankfurt. Es sollte bei der Förderung freier Projekte um künstlerische Qualität gehen, egal, ob jemand mit 25 oder mit 75 sie erbringt. Und in Frankfurter sollten alle Frankfurter sie beantragen dürfen, ganz egal, ob sie 7 Tage oder 70 Jahre in der Stadt wohnen. Es sollte auch weder ein Grund, noch ein Hinderungsgrund sein, dass Künstler*innen aus irgendeiner bestimmten Hochschule kommen. - Den Frankfurter Kahlschlag in Sachen Kultur zu bedauern, hat nichts mit Alt-68er-Sound zu tun. Die Ersetzung von Forsythe durch Mainstream-Ballett und die Schließung des TAT haben die Stadt ärmer gemacht. Die Vorschläge von Esther Boldt verdienen wirklich eine qualifiziertere Diskussion!
Freie Szene Frankfurt: Status Quo
#4
Lieber Olli,
dann bleibt halt alles beim Status Quo und alle sind sich selbst überlassen. Der Markt wird es schon regeln! Ich erkenne aus dem Text von Esther Boldt weder konstruktive Vorschläge zur Verbesserung der Situation, noch eine wirkliche Kenntnis der Freien Szene Frankfurts. Den x-ten Artikel über das Ableben des TAT´s zu schreiben und mit William Forsythe zu bebildern...sorry, da muss auch vom hier ansässigen Journalismus mehr kommen! Kannst du die Vorschläge ( ich zähle als Johnny-Good-Will nur einen) mal für mich zusammen fassen. Ich habe halt eher das Gefühl, wenn man es jedem recht machen will und bei jeder noch so kleinen Forderung und Unbequemtheit Diskriminierung schreit, dann hat man ein starkes Interesse daran , dass alles so bleibt wie es ist. Oder heißt Andrea Nahles. Oder beides. 25.000,00 € und einen Orden ist keine Diskriminierung, sondern eine Auszeichnung und das deutsche Theater hat wirklich viele Probleme, aber sicher keins der Altersdiskriminierung. Bitte!Das muss doch auch in Offenbach klar sein!
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