Geschäftsführung gegen künstlerische Leitung

Dienstag, 30. Oktober 2018. Eine Musiktheaterpädagogin protestiert gegen ihre Kündigung durch die Bühnen Halle. In einem am Sonntagabend an Politiker in Halle verschickten Aufruf mit der Überschrift "Abgestraft für Elternzeit" schreibt Barbara Frazier: "Mein Vertrag als Musiktheaterpädagogin an den Bühnen Halle wurde mir völlig unerwartet gekündigt, bzw. 'nicht verlängert'. Und das, obwohl man mich mit viel Lob und guten Wünschen in meine Elternzeit gehen ließ und meinen Vertrag während der Elternzeit einmal verlängert hat". Im offiziellen Gespräch seien ein geänderter Führungsstil der Abteilung und künstlerische Gründe genannt worden. "Im direkten Austausch mit mir und anderen wurden die tatsächlichen Gründe genannt: Man habe einen besseren Draht zur Vertretung und als junge Mutter sei man nun mal nicht belastbar", so Frazier. "Ich finde es skandalös, welches Bild der Arbeitswelt und auch welches Familienbild hier vorgelebt, vermittelt und salonfähig gemacht wird. Und das in einer pädagogischen Abteilung einer öffentlich finanzierten Institution!"

Ihre Nichtverlängerung sei vom Geschäftsführer Stefan Rosinski gegen den erklärten Willen der künstlerischen Leitung der Oper beschlossen worden. Das bestätigt Rosinski am Montag in einem eigenen Statement, in dem er Fraziers Darstellung sonst bestreitet: Ihre Nichtverlängerung sei "allein aus der Bewertung der Arbeitsleistung von Frau Frazier" entschieden worden, diese Begründung sei ihr "ausführlich durch die Leiterin der Theaterpädagogik als ihrer Vorgesetzten, Frau Sylvia Werner, und den Geschäftsführer, Stefan Rosinski, dargelegt worden". "Mit dem Intendanten der Oper, Florian Lutz, hatte Frau Werner im Vorwege einen intensiven Austausch zu der Personalie Frazier, bei dem allerdings kein Einvernehmen erzielt werden konnte."

"Selbstverständlich respektieren die Bühnen Halle den Anspruch und den Wunsch aller Mitarbeiter*innen auf Elternzeit. Die Tatsache, dass jemand Vater oder Mutter ist, war und kann niemals ein Einspruchsgrund gegen deren Beschäftigung sein", so Rosinski weiter. "Sollte Frau Frazier mit der Entscheidung der Leitung der TOOH in der Form nicht zufrieden sein, dass sie sich zu Unrecht nichtverlängert sieht, steht ihr jederzeit der Rechtsweg offen."

Auf Nachfrage von nachtkritik.de äußert sich am Dienstag die künstlerische Leitung der Oper Halle: "Wir teilen die Gründe für die Nichtverlängerung von Frau Frazier weder inhaltlich noch formal. Frau Frazier ist aus unserer Sicht eine hervorragend qualifizierte Theaterpädagogin, die das Profil der Oper Halle im Bereich der Theaterpädagogik zu unserer vollsten Zufriedenheit geprägt hat."

(Bühnen Halle / sd)

 

Update 1. November 2018. In einem Offenen Brief an den Aufsichtsrat der Theater Oper und Orchester GmbH Halle bemängelt die nicht verlängerte Musiktheaterpädagogin Bettina Frazier neben dem mangelnden Kündigungsschutz für Bühnenmitarbeiter*innen auch die Aufgabenteilung am Theater: "Wie kann es sein, dass ein Geschäftsführer über meine künstlerische Arbeit zu entscheiden hat?"

(eph)

 

Update 15. November 2018. Unter dem Titel "Werden junge Mütter an deutschen Theatern diskriminiert?" hat der MDR hat ein ganzes Dossier mit Gesprächen zur Causa Frazier ins Netz gestellt. 

In einem Gesprächsausschnitt erklärt der Geschäftsführer der Bühnen Halle Stefan Rosinski: "Mein Eindruck ist inzwischen, da ist jemand aus Leistungsgründen nicht verlängert worden, aber will das nicht wahrhaben und kommuniziert das mit dem Thema Elternschutz, was natürlich moralisch sehr gut funktioniert ...".

Die Leiterin der Theaterpädagogik an den Bühnen Halle, Sylvia Werner, pflichtet Rosinski bei: "Durchaus mag sie [Frazier] künstlerische Qualitäten haben, die an einem anderen Haus, in einer anderen Stadt ihr gutes feed back, eine gute Resonanz finden, die aber hier für die Stadt und die Bühnen Halle nur zu einem ganz kleinen Teil notwendig sind. Das können wir uns tatsächlich, wie wir personell aufgestellt sind, nicht leisten, diese künstlerische Spielwiese...".   

 

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