Macbeth III – Jetzt erst recht

von Michael Wolf

Berlin, 29. November 2018. Dieser Theaterabend ist ein Wettstreit der Pessimisten. Drei Kontrahenten treten an, ein Menschenbild zu besudeln. Der erste Kandidat heißt William Shakespeare. In der Tragödie "Macbeth" erzählt er den blutigen Aufstieg eines treuen Soldaten zum tyrannischen König von Schottland. Das Stück dürfen wir mit Fug und Recht als eines der größten Gemetzel der europäischen Literaturgeschichte verbuchen. Dennoch gibt's Abzüge in der B-Wertung: Denn am Ende ist der Schurke tot und der rechtmäßige Thronerbe verspricht die Rückkehr zur Ordnung.

Kandidat Nr. 2 namens Heiner Müller ging das nicht weit genug. Seine schlanke Bearbeitung gerät noch um einiges düsterer. So lässt er die Herren Grafen just for fun noch ein paar Bedienstete meucheln. Außerdem führt Macbeths Tod hier keineswegs zurück auf den Pfad der Tugend. Auch unter dem neuen König Malcolm wird die Barbarei nicht enden.

Womit wir beim letzten Kandidaten Michael Thalheimer ankommen, der sich mit seiner Inszenierung am Berliner Ensemble sichtlich bemüht, dem Schrecken noch eins draufzusetzen. Macbeth III – Jetzt erst recht, heißt: null Hoffnung, dafür noch mehr Gemetzel. Nur: Wo nimmt er dafür das ganze Blut her? Wie kommt die Gewalt in den Menschen?

In der Hölle des Menschseins

Kathrin Wehlisch liefert schon zu Beginn die Antwort. Als Hexe schleicht sie über Olaf Altmanns vernebelte, leere Drehbühne, schmiegt ihren rot triefenden Körper an Ingo Hülsmanns Duncan, legt ihm die Hand in den Schritt und drückt zu. Bei Shakespeare stacheln die Hexen nur Macbeth mit ihrer Prophezeiung zum Königsmord an. Bei Thalheimer sind sie immer schon dagewesen. Sie sind der Trieb im Menschen, sie treiben es mit uns in unseren Träumen; ihre Botschaften vergiften zuverlässig eines jeden Herz. "Der Mensch ein Dreck, sein Leben ein Gelächter." Macht ist hier gleich Tyrannei, Stärke entlädt sich in Gewalt, das einzige Gesetz heißt Unterdrückung.

Macbeth 01 560 Matthias Horn uKathrin Wehlisch als Hexe © Matthias Horn

Sascha Nathan und Constanze Becker als Ehepaar Macbeth leiden nur pflichtschuldig an ihren Verbrechen. Reue ist der Traum von einem unschuldigen Leben. Sie aber wissen bereits, dass ihnen diese Hoffnung verwehrt bleibt. Da ist kein Fluchtweg durchs Fegefeuer. Nur die Hölle des Seins bleibt ihnen, das Menschsein ohne Fähigkeit zur Menschlichkeit. Seelenfriede ist für sie nicht vorgesehen und nicht mal Befriedigung.

Verdichtung des Stoffs

Kaum ist er König, führt sich Macbeth wie ein neureicher Prolet auf. Er blafft seine Lady an, schubst sie mit seinem Wanst, grollt, gröhlt und grummelt launig. Jetzt, da er sie hat, weiß er nicht, was er mit der Macht anfangen soll – außer sie zu erhalten. Er ist seiner eigenen Disposition zur Gewalt nicht gewachsen. Wie ein Sklave beugt Nathan seinen Rücken in Richtung Boden. Als sich die Schlinge um ihn zuzieht, jammert und schreit er mit schriller Stimme, rollt mit den Augen, windet sich wie ein kleiner Junge im Bällchenbad des Schreckens. "Könnt ich zurück gehn in das Kind das ich war!"

Denn hier leuchtet doch ein Fünkchen Hoffnung: in der kindlichen Unschuld. Es ist dies ein wirklich böser Coup Thalheimers, diese Möglichkeit aufzuzeigen, um sie sogleich zu nichten. Wie der Türhüter in Kafkas Erzählung "Vor dem Gesetz" zeigt er das Tor zur Erlösung, nur um es gleich darauf zu schließen. Kathrin Wehlisch, der heimliche Star des Abends, übernimmt auch die Rolle des Malcolm. Wehlisch lässt uns die Tränen in ihren Augen bestaunen, zeigt ihn uns als scheuen Knaben, der den Tod seines Vaters Duncan betrauert. Als einzige Figur ist dieser Junge zu edlen Gefühlen fähig. Am Schluss wiederholt sich das Bild. Macbeth ist gerade tot, Malcolm übernimmt den Thron. Wieder tritt Wehlisch an die Rampe, wieder sind da Tränen in ihren Augen. Aber sobald die Krone auf ihrem Kopf liegt, verzerrt sie ihr Gesicht – erst zu einer Grimasse des Schmerzes, dann zu einer der Lust. Macht korrumpiert auch das unschuldigste Wesen.

Macbeth 03 560 Matthias Horn uSchicksal: Mord und Totschlag. Sascha Nathan und Constanze Becker als Macbeth und Lady Macbeth © Matthias Horn

Thalheimers Pessimismus scheint von anderer Art zu sein als die des Seelenerkunders Shakespeare oder des desillusionierten Marxisten Müller. Er richtet sich nicht mehr auf etwas Äußeres, ist keine Beschreibung psychologischer Naturelle oder sozialer Verhältnisse mehr, sondern nur noch die Verdichtung des Stoffs, auf dass er als Kunst glänze. Deshalb bleibt die vierte Wand an diesem Abend so peinlich strikt geschlossen, deshalb ist der Nebel so dicht, deshalb dreht sich die Drehbühne nur um sich selbst. Wenn sich das Theater hier eine Sekunde lang vergäße, könnte es in Zweifel geraten, ob die Welt wirklich so schlecht ist. Ob der Mensch dieses Bildnis seiner selbst wirklich verdient.

Macbeth
von Heiner Müller nach William Shakespeare
Regie: Michael Thalheimer, Bühne: Olaf Altmann, Kostüme: Nehle Balkhausen, Musik: Bert Wrede, Dramaturgie: Bernd Stegemann, Licht: Ulrich Eh.
Mit: Constanze Becker, Ingo Hülsmann, Niklas Kohrt, Sascha Nathan, Tilo Nest, Kathrin Wehlisch.
Premiere am 29.11.2018
Dauer: 1 Stunde 50 Minuten, keine Pause

https://www.berliner-ensemble.de

 

Kritikenrundschau

"Michael Thalheimer schafft viele ausdrucksstarke Bilder. Auch wenn einige Grusel- und Schockeffekte darunter sind – die Inszenierung ist insgesamt eine stimmige, runde Sache", befindet Nadine Kreuzahler auf rbb online (30.11.2018). Die Schauspieler lieferten eine "beeindruckende Leistung" ab. "Dieser Macbeth bereitet Vergnügen – obwohl er ausweglos böse und finster ist."

"Nichts kommt aus dem Augenblick, alles ist Form, Arrangement, Pose, Sport und Protokoll. Thalheimer eben", schreibt Ulrich Seidler in der Berliner Zeitung (online am 30.11.2018). Wo die Macbeths bei Shakespeare ein glückliches Ehepaar sind, ist "schon bei Müller wenig übrig: Sex- und Todestrieb. Bei Thalheimer wird nun ein Slapstick daraus." "Dieser aufgepumpte und zerdehnte Abend trägt seine laute, schwarz angepinselte kunstreligiöse Weltabgewandtheit vor sich her", so Seidler. "Seine aufgesetzte Langsamkeit ist der gemeinste und zugleich wirkungsvollste Effekt. Als würde jemand zugleich Vollgas geben und mit großer Unerschütterlichkeit auf den Klötzern stehen. Nervt."

"Wie oft kommt es vor, dass man sich zu Beginn einer Inszenierung denkt: 'Ach nee, jetzt bitte nicht eine Stunde fünfzig Minuten kriechende Zombies und Blut', und am Ende geht man richtig beglückt aus dem Theater?" schreibt Hannah Lühmann in der Tageszeitung Die Welt (1.12.2018). "Nicht so häufig, aber am Donnerstagabend in Thalheimers 'Macbeth' am Berliner Ensemble war es so."

"Selten also wirkte eine Thalheimer-Inszenierung einfältiger," schreibt Peter von Becker im Berliner Tagesspiegel (1.12.2018). "Vermutlich hatten Regie und Dramaturgie (Bernd Stegemann) noch an die Schauerdramen des Grand Guignol gedacht, um den von Müller so geschätzten 'Humor' der Schlächter herbei zu zitieren. Doch dann hätten die Schauspieler auf der haarscharfen Schneide zwischen Tragödie und Kasperletheater tanzen müssen. Ihnen blieb indes fast nur das Stelzen und Taumeln in die umnebelte Pathetik. Sascha Nathans stämmiger Macbeth trägt dazu den halben Abend lang vor allem seinen nackten Bauch spazieren und trifft beim Wechseln zwischen Kommandogebrüll, fisteligem Greinen und infantilem Jammern kaum einen eigenen Ton." Fazit dieses Kritikers: "Statt Horrorkunst nur der kleine, künstliche Schreck."

"Die Spielweise ist oft gleichzeitig überhitzt und wie eingefroren, ganz auf den Text konzentriert, ohne ihn mit Oberflächenaktionen zu illustrieren, und genau deshalb von einer Intensität, die im allerorts von Ironie vergifteten Theaterbetrieb selten geworden ist", schreibt Peter Laudenbach in der Süddeutschen Zeitung (1.12.2018). "Der Bühnenbildner Olaf Altmann taucht die leere Spielfläche in dichten Nebel, aus dem die Figuren auftauchen wie aus einem Albtraum. Das ist nicht nur atmosphärisch zwingend, es passt auch zu einem Stück, in dem es leitmotivisch immer wieder um den Terror der Wahrnehmung geht, egal ob Macbeths 'blutiges Geschäft' sein Auge in 'die Lehre nimmt', ob er überall Blut sieht oder ob er sich 'sattgesehen' hat am Grauen unter der Sonne."

"Thalheimer inszeniert mit bitterem Ernst. Die Kälte, mit der er die Handlung überzieht, tötet alles Leben – das ist der Nachteil: Kein echter Blick, keine überraschende Bewegung. Nicht einmal ein nebensächliches Wort gibt es hier. Alles ist stark stilisiert und starr gestellt," so der Befund von Simon Strauß in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (1.12.2018). Setzungen sind es, die Thalheimer schafft, keine Darstellungen. 'Macbeth' wird an diesem Abend somit zu einer Art Beschwörungsritual. Die Texte werden wie anklagende Gebete gesprochen an Götter, die man verleugnet. Zwei Stunden, die nicht leicht vergehen, aber drängend im Gedächtnis bleiben."

Kommentare  
Macbeth, Berlin: blutleer
Der Ton stimmt nicht an diesem Abend. Das typische Thalheimer-Register, die heiser-verzweifelte Stimme existenzieller Bedrohung, dieser Stimme gewordene ständige Ausnahmezustand, verschwindet schnell. Stattdessen mäandert der Abend – und insbesondere seine Titelfigur – durch eine Vielzahl unterschiedlicher Modi, die immer wieder verworfen werden. Sascha Nathan zetert und kreischt, er jammert und wütet, er spottet und schmeichelt – und verliert sich und seine Figur darüber. Dieser Macbeth, der doch zunächst – wie Duncan, wie Macduff, wie Banquo und Malcolm – ein Ausdruck des Machttriebes sein soll, kein Mensch, sondern Instinkt, wird zu einem Spieler, einem Performer der Macht wie auch in Ansätzen Hülsmanns Duncan. Auch das ist legitim, nur wollen die beiden Ebenen nicht zusammenpassen. So sehr, dass zwischen ihnen nicht einmal so etwas wie Spannung entsteht, sondern das Konstrukt des Abends zunehmend in sich zerfällt. Müllers pessimistische Mär von der eweigen Korruptionskraft der Macht ist noch erkennbar, schlägt aber keine Funken. es ist verkopfte Interpretation, die nicht Fleisch wird. Das Bühnengeschehen dagegen ist Kindergeburtstag, Geisterbahn und Farce. Wobei es auch nicht hilft, dass die Geschichte nicht weiter interessiert: Was treibt Malcolm in die Flucht, was Duncan in die Gegnerschaft zu Macbeth? Egal, hier geht es um Mechanismen, nicht um Kausalität.

Natürlich gelingen Thalheimer wieder tolle Bilder: Der Nebel wabert, das Blut glänzt im Zwie- und Gegenlicht. Blutverschmierte Körper verbiegen sich, stottern an gegen ihre Mechanik. Macbeth eingesogen in die blutige Dreifaltigkeit und regelrecht geboren aus dem Schoß der Gewalt – in einem Tableau, das an eine Geburt ebenso erinnert wie an eine Vergewaltigung. Dazu dräuen und wummern Bert Wredes finstere Klangflächen, beschreibt die Drehbühne – eine Seltenheit bei Thalheimer – den ewigen Kreislauf der Macht ebenso wie ritualhafte Wiederholungen, allen vor an der beschwörungshafte Gruß „Heil dir, Macbeth, König von Schottland!“, der am Ende ohne große Anpassung auf Malcom umgemünzt wird. Das deutet alles zeigefingerhaft auf Heiner Müllers Grundthese – und tut nichts dazu, ihr theatrales leben einzuhauchen. Im Gegenteil: Wenn mal so etwas wie Spiel entsteht, konterkariert es Müllers pessimistische Ausweglosigkeit in infantiler Albernheit und slapstickhafter Ironisierung eher. Und so kommt es, dass Michael Thalheimer am Ende tatsächlich ein echtes Theaterkunststück schaft: aus unzähligen Litern Kunstblut einen Abend zu bauen, der so blutleer daherkommt, dass Vampir-Malcolm als Schlussbild dann wieder perfekt passt. Alles Leben hat er seinem Stoff ausgesaugt, alle Erkenntnis dem Müllerschen Ansatz. Der Rest ist viel Arbeit für den Wischmop.

Komplette Rezension: https://stagescreen.wordpress.com/2018/11/30/blutsauger-im-nebel/
Macbeth, Berlin: Bühnenbild aus Köln?
Frage an den Kritiker: Ist das Bühnenbild vom Schauspiel Köln? Hamlet, Bühne: Olaf Altmann.
https://www.schauspiel.koeln/spielplan/monatsuebersicht/hamlet/
Macbeth, Berlin: Bühne nicht aus Köln
Ne, @2. Das Kölner Plateau hatte ein eingebautes Drehelement, das in Berlin ist eine einzige grosse Drehplatte. Ausserdem geweisst, nicht poliert. Und auch kein Vorhang hinten, sondern ganze Reihen von Scheinwerfern. Und der Nebel, der nicht nur den Bühnenraum sondern das ganze Theater füllt, gehört wohl auch dazu.

Nachbau ist es keiner, trotzdem aber eine Bühne, die den Spielern viel, viel mehr Raum läßt, als das meistens bei Thalheimer der Fall ist, und das ist ein Problem. Genauso wie die Körper nicht in Haltungen und Positionen gezwungen werden, fühlt sich der ganze Abend merkwürdig ungezwungen, unverdichtet, unrhythmisch, an. Ein kurios zwangloser Thalheimer, zumindest in der Form.
Macbeth, Berlin: ökologisch
Ein resycelter Bretterboden ist doch ganz ökologisch. Wenn's weiter nichts zu meckern gibt.
Macbeth, Berlin: nihilistischer Kreislauf
Das Ungezwungene finde ich gar nicht so schlimm. Thalheimer hat auch nicht zum ersten Mal auf leerer Bühne gespielt. Man nehme zum Beispiel den Wallenstein an der Schaubühne. Da gab es halt noch einen Thron und ein Pferdekadaver hing von der Decke. Wallenstein ist allerdings nicht Macbeth und Schiller nicht Shakespeare und erst recht nicht Heiner Müller. Und auch Ingo Hülsmann nicht Sascha Nathan. Da liegt vielleicht der Hund begraben. In der Darstellung und Zuspitzung allein auf die Hauptfigur. Die anderen rennen da halt so nebenbei mit, was die Sache dann eben auch etwas ungezwungen erscheinen lässt. Ansonsten ist das sehr ähnlich aufgebaut. Wie bleibe ich an der Macht? Was ist mein Schicksal? Bei Wallenstein sind es die Sterne, bei Macbeth die Hexen. Eine fixe Idee wird zur Ideologie. Unausweichliches Schicksal halt. Wallenstein sitzt es stoisch aus. Macbeth beklagt es angstbesessen und wünscht sich zurück in den Mutterleib. Es gibt aber keinen Weg zurück zur Unschuld. Und das ist Heiner Müller. „Die Welt hat keinen Ausgang als zum Schinder / Mit Messern in das Messer ist die Laufbahn“ Da Thalheimer aber den kapitalismuskritischen Ansatz von Müller weginszeniert, bleibt da nur ein nacktes, wimmerndes Würstchen, dem nichts übrigbleibt, als weiter durch den Blutsumpf zu waten, den er mit angelegt hat. Und so dreht sich gemäß Thalheimer/Müller der nihilistische Kreislauf der Gewalt (und die Bühne) bis der nächste Kind-König kommt und Gefallen an der Macht findet. Eine Apotheose des Bösen. Das ist sehr einfach, aber mit der Wucht von Thalheimers Inszenierung und Müllers Text auch folgerichtig. Formal passt beides gut zusammen, auch wenn es in der Stringenz doch auch recht spannungsarm ist. Müller selbst hat das 1982 an der Volksbühne mit drei Macbeth-Darsteller gemacht, wie man lesen kann. Nicht ohne Grund, nehme ich an. Das löst sicher auch die strenge Form. Thalheimer steht sich hier formal oft selbst im Weg.
Macbeth, Berlin: immer das Gleiche
Thalheimer macht das Übliche. Er hat eine mächtige Bühne jedoch meist kalt und klar, er hat keine /bzw. wenige Requisiten, kürzt den Text auf das Grundgerüst des Stückes und lässt seine Schauspieler in ausgestellten Posen agieren und meist im Stakkato sprechen. Dieses Konzept verfolgt er nun über Jahre hinweg und manchmal entsteht etwas wundervolles (siehe die Ratten damals) oder halt auch nicht. Mich persönlich ärgert es langsam, da ich das Gefühl habe eigentlich jedes Mal die gleichen Ideen und somit auch das gleiche Stück zu schauen. Und so ging es mir auch beim gestrigen Abend. Unweigerlich wird man irgendwann dann doch in den Sog des Stückes gezogen, was jedoch mit dem Stück Macbeth zu tun hat und leider nicht mit der Inszenierung. Es wurden viele Horroraspekte verwendet wie man sie unter anderem aus “The Ring“ kennt und ich kann mich nur anschließen : trotz des vielen Blutes wirkte der Abend blutleer und gähnend.Sobald ein Spiel zwischen den Schauspielern zustande kam, wirkte es grotesk und deplatziert.
Macbeth, Berlin: hoffnungslos
Nebel, Blut, Grimassen, Wahnsinn. Und Thalheimer erzählt uns mit diesen Mitteln jetzt schon seit Jahren, wie schlecht, hoffnungslos, vergeblich und zynisch alles menschliche Treiben ist. Alle Achtung, wie man dieses Pferd durch die Theatergenerationen peitscht, ohne dass jemandem was auffällt... oder zumindest etwas langweilig wird.
Macbeth, Berlin: bitte wegbleiben!
Liebe Saskia, lieber Hoffnungslose, sie wissen, dass Thalheimer seit Jahren seine nur wenig variierende Ästhetik immer wieder inszeniert, sitzen dann aber in der Premiere, um anschließend darüber hier zu meckern. Warum bleiben sie nicht einfach weg? Sie wussten doch vorher, welche Hölle sie erleiden werden. Kommt mir wie eine Therapie vor, in welcher sie immer und immer wieder ihre Ängste verarbeiten müssen. Wovor denn? Vielleicht, dass sie es nie soweit wie Thalheimer geschafft haben? Versagensängste? Ich bin jedenfalls froh um die Konsequenz dieses Künstlers und seines Ensembles, auch vor dem Hintergrund der fehlenden Handschriften vieler anderer Theatermacherinnen und Macher in Berlin.
Macbeth, Berlin: Getue
Sehr verehrter Dr. Freund , herzlichen Dank für den Therapietipp Sie haben vollkommen Recht . Ich bin erkrankt. Und wissen Sie , was mich krankt macht ? Dieses überraschungslose, eitle Theatergetue , das Sie als Konseqenz eines Künstlers verkaufen. Ok , ich gehe zum Therapeuten , wenn Sie sich im Gegenzug vielleicht ein bissschen mehr in der Theaterlandschaft umschauen. Da gibt es nämlich einige Handschriften mehr zu bewundern - auch in Berlin.
Macbeth, Berlin: fehlende Stringenz
Ich bin schon etwas überrascht, diesen Abend als Thalheimer as usual beschrieben zu lesen. Es stimmt doch einfach nicht, er habe "den Text auf das Grundgerüst des Stückes" zusammengekürzt -- ganz im Gegenteil wurde ja Monolog nach Monolog in voller Länge ausgewalzt; erst in letzten Drittel des Stückes wurde dann energisch der Stift angesetzt. Auch die "ausgestellten Posen" waren recht limitiert, oft nicht bis in letzter Konsequenz gehalten; und von Sprechen im "Stakkato" kann überhaupt keine Rede sein. Man kann Thalheimer sicher vorwerfen, in seinen Mitteln hartnäckig unflexibel zu sein, aber diese Inszenierung ist sicher kein Beispiel dieser Unveränderlichkeit. Im Gegenteil ist es wohl eher so, dass die fehlende Stringenz und Konsequenz eines ihrer Probleme ist. Da wäre mir ein scharf kürzender Thalheimer wesentlich lieber gewesen.
Macbeth, Berlin: Stilmittel verbraucht
@#8
Lieber Dr. Freud
Hier tut tatsächlich etwas Differenzierung not. Meine Unzufriedenheit mit der Aufführung hängt ebenfalls nicht damit zusammen, dass sie früheren Arbeiten desselben Regisseurs ähnelt, sondern damit, dass gerade diese Ähnlichkeit ihre Schwäche gegenüber diesen Arbeiten betont: die altbekannten Mittel kommen zu Versatzstücken und Stilmitteln herab, verlieren ihre Notwendigkeit. Sie, Dr. Freud, kennen das: hier ist ein Komplex abgearbeitet, die Gültigkeit einer Methode ist verbraucht. Der Künstler muss sich auf die neuerliche Suche nach sich selbst machen. Mögen Dramaturgen und Theaterleiter ihn dabei unterstützen.
Macbeth, Berlin: eben nicht as usual
Stimme Holger Syme komplett zu. Das Problem des Abends ist nicht, dass er "Thalheimer as usual ist", sondern dass er genau das eben nicht ist.
Macbeth, Berlin: düster
In einem lesenswerten Esssay für das Programmheft wird Müllers Weltanschauung sehr anschaulich erklärt: er sieht die Geschichte als Abfolge blutiger Gemetzel und als Aneinanderreihung von Klassenkämpfen. Der Staat dient nur als Repressionsinstrument, um die Audgebeuteten und das Proletariat in Schach zu halten. Diese düstere, marxistische Philosophie prägt auch Thalheimers Abend.

Dies bringt einen großen Nachteil mit sich: die Figuren wirken austauschbar. Ohne scharfe Konturen ihrerr Persönlichkeit metzeln sie sich gegenseitig nieder. Ihre Beweggründe und Charakterzüge verschwinden schemenhaft im Nebel. Trotz der nur 110 Minuten hat dieser „Macbeth“ einige Längen: ein Befund, der gerade bei Thalheimer, dem großen Sezierer und Skelettierer der Dramen auf ihren Kern, ungewohnt ist.

Dennoch hat dieser „Macbeth“ seinen Reiz. Allein schon wegen Constanze Becker als Lady Macbeth lohnt sich dieser Theaterabend. Die schneidende Verachtung und Eiseskälte, die aus jedem ihrer Sätze spricht, ist ihre große Stärke, in dieser Tragödie kann sie ihre Begabung nach einigen schwächeren Auftritten und Rollen, die nicht optimal zu ihr passten, wie in „Caligula“ und „Griechische Trilogie“ endlich wieder voll ausspielen. Thalheimer lässt seine Star-Schauspielerin, mit der er seine größten Erfolge feirte, umso heller leuchten, weil sein „Macbeth“ bei Sascha Nathan von vornherein die Karikatur eines armen Würstchens ist. Mit Pappkrone und schwerfälligen, schläfrigen Bewegungen ist er eher Marionette als handelnder Akteur. Mit seinem Jammern wirkt er oft kindisch wie ein verwöhnter Junge. Die Tragödie wird zur Farce.

Auch die stilisierte Gewaltorgie aus Kunstblut und Bühnennebel mit den drei Hexen (Ingo Hülsmann, Niklas Kohrt, Kathrin Wehlisch) hat ihre starken Momente. Das Regiekonzept ist zwar sehr plakativ, sorgt aber für Bilder, die sich einprägen, wie z.B. die Clowns-Fratze von Kathrin Wehlisch als Thronerbe Duncan mit herausgestreckter Zunge vorne an der Rampe, bevor die Welt hoffnungsvoll im Dunkel versinkt.

Komplette Kritik: https://daskulturblog.com/2018/12/06/macbeth-michael-thalheimer-berliner-ensemble-theater-kritik/
Macbeth, Berlin: Heiner Müller als Klassiker
Heiner Müller als Klassiker
Mit Heiner Müllers MACBETH bin ich 1983 in der Volksbühne bekannt geworden. Ich kann mich an wenig erinnern: In Macbeths Brust schienen gleich 3 "Seelen" zu wohnen, die miteinander im Widerstreit lagen und von 3 Schauspielern verkörpert wurden. Immerhin, eine war das Gewissen, an das man appellieren konnte. Der Ausweglosigkeit von Machtstreben, Mord und Krieg fühlte ich mich als Teil einer in Ost und West um sich greifenden Friedensbewegung überlegen. Die Machthaber in Ost und West gerieten immer wieder in die Doppelbinderfalle der Kriegstreiberei, wir aber würden den Teufelskreis durchbrechen.
Im Publikum saß die Schriftstellerin Christa Wolf, auch Angehörige einer Generation, die wohl ganz entscheidend vom Chaos am Ende des Zweiten Weltkriegs geprägt wurde, als fast jeder bis zum Anschlag mit dem eigenen Überleben ausgelastet war, die Entwertung des Menschenlebens täglich vor Augen. Als noch Halbwüchsige mochten Müller und Wolf Zeugen gewesen sein von Szenen, von denen MACBETH überquillt.
"Die Welt hat keinen Ausgang als zum Schinder. / Mit Messern in das Messer ist die Laufbahn." Es sei anmaßend von Heiner Müller, mit solcher Auffassung Shakespeare zu bemühen, schrieb die JUNGE WELT, was mich damals nicht interessierte, aber was man noch heute im Netz findet.
Michael Thalheimer inszeniert nun Heiner Müllers MACBETH so klassisch, dass es der Royal Shakespeare Companiy zur Ehre gereichen könnte. Er nimmt einige der übertreibenden sadistischen Quälereien Müllers zurück und gibt zudem acht auf betriebswirtschaftliche Effizienz: keine Ausgaben für Bühnenbild, das Personal so geschrumpft, dass das Stück von sechs Darstellern zu bewältigen ist. Ein handwerklich sauberes Kunststück, allerdings ohne dass die Inszenierung wirklich überrascht!
Macbeth in Berlin: Effekthascherei
Nach dem Besuch freut man sich, mal wieder aus dem Alltag des täglichen Einerleis rausgekommen zu sein, aber kann man deshalb auch gleich zufrieden damit sein, was das BE mit Macbeth 2018 auf die Beine gestellt hat, nein. Hauptrolle Blut dominiert über weiter Strecken und soll offenbar mit Effekthascherei Qualität ersetzen.
(...) Vor lauter männlicher und weiblicher Geschlechtsmerkmale inmitten von Blut in Massen, zeitweise mutet billig an wie auf dem Kiez in St. Pauli, können dann vor allem die schauspielerische Leistung von Sascha Mathan als Hamlet gefallen, immerhin, sowie die von Kathrin
Wehlisch in ihren 3 unterschiedlichen Rollen.

Reese muss aufpassen, dass er sich nicht zu weit von der dem BE typischen Qualität entfernt, um mit billig gemachten Inszenierungen sich auf billigen Zeitgeist und vor allem klingelnde Kassen einzuschießen.

Unter Peymann wäre so eine qualitative Billiglieferung undenkbar gewesen.

Stattdessen Blut in Massen, um die Erwartung an schauspielerische Qualität zu verdrängen.

Immerhin steht ja noch das Theater so wie es war.
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