Kunstfreiheit schlägt Neutralitätsgebot

München, 29. Dezember 2018. Der Intendant der Münchner Kammerspiele Matthias Lilienthal muss wegen seiner Unterstützung der #ausgehetzt-Demonstration im Juni 2018 in München keine arbeitsrechtlichen Konsequenzen befürchteten. Das meldet der Bayerische Rundfunk auf seiner Website.

Die Münchner CSU hatte seinerzeit im Juni Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) in einem Antrag dazu aufgefordert, den Kammerspielen die Teilnahme an der Demonstration gegen den Rechtsruck in der Gesellschaft zu untersagen und "dienstaufsichtsrechtliche Maßnahmen gegen die Verantwortlichen" einzuleiten. Begründet wurde der Antrag mit dem parteipolitischen "Neutralitätsprinzip" kultureller Einrichtungen. Zu der Demonstration, zu der auch das Münchner Volkstheater aufgerufen hatte, waren mehrere zehntausende Menschen gekommen, unter den Redner*innen waren Oberbürgermeister Dieter Reiter und Matthias Lilienthal selbst.

Die Stellungnahme des Münchner Kulturdezernenten

In der jetzt vorliegenden Stellungnahme von Münchens Kulturdezernent Hans-Georg Küppers (hier in der Rathaus Umschau ab S. 13), die der Bayerische Rundfunk zitiert, heißt es zur Causa: "Man kann den Münchner Kammerspielen also nicht grundsätzlich untersagen, auf ihrer Bühne gesellschaftskritische oder politische Werke aufzuführen, selbst wenn diese sich gegen nur in einzelnen, bestimmten politischen Parteien vertretene Strömungen richten. Ebenso ist nicht immer dann ein Einschreiten angezeigt, wenn die Kammerspiele für die politische und gesellschaftskritische Ausrichtung ihres Hauses werben und mit dieser Ausrichtung in der Öffentlichkeit in Erscheinung treten."

Küppers argumentiert für die Einzelfallprüfung, der es obliege, "zwischen den konkurrierenden Verfassungsprinzipien (Kunstfreiheit auf der einen Seite sowie Gebot der Sachlichkeit und Neutralität auf der anderen Seite) einen gerechten Ausgleich im Sinne einer praktischen Konkordanz herzustellen". In seiner Zurückweisung des CSU-Antrags spricht er dezidiert den politischen Auftrag zur "Öffnung des Hauses" in die Stadtgesellschaft hinein an, der bei Lilienthals Berufung erteilt wurde, und verweist auf zahlreiche politische Demonstrationen, an denen die Kammerspiele unter Lilienthal auch vor der #ausgehetzt-Demo teilnahmen, ohne Proteste aus der Politik. "Im Übrigen enthält der vom Münchner Stadtrat beschlossene Sonderdienstvertrag mit dem Intendanten der Kammerspiele keine Vorgaben zur parteipolitischen Neutralität", heißt es in Küppers' Stellungnahme.

(br.de / Rathaus Umschau München / chr)

 

Kommentare  
Keine Strafe für Lilienthal: nur zum Schein
Das ist ganz großartig: Lilienthal und mit ihm alle TheatermacherInnen, die gesellschafts- undoder systemkritisch agieren möchten und dies sogar als Aufgabe des Theaters sehen, zu deren Übernahme sie sich berufen fühlen, bekommt nun von der Politik schriftlich: Dass sein über die Bühne hinausragendes Engagement nichts als Werbung ist für das, wozu er als Fachmann eigekauft wurde: Nämlich zur Veranstaltung von Politik-Theatralik, die gefälligst Schein zu bleiben hat - Gekauft! Und dabei nicht einmal bemitleidenswertes Theater OST!...
Herzlichen Glückwunsch.
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