Die Auserwählten 2019
24. Januar 2019. Das virtuelle nachtkritik-Theatertreffen 2019 ist entschieden! Die Leser*innen von nachtkritik.de haben aus den 48 Vorschlägen, die ihnen die nachtkritik-Autor*innen und -Redakteur*innen vorgelegt hatten, ein Tableau aus 10 Inszenierungen gewählt. Insgesamt stimmten 5693 Wähler ab und vergaben 10.026 Stimmen. Das ist weniger als im vergangenen Jahr (11.966 Gesamt-Stimmen) und mehr als 2017 (8.363 Gesamt-Stimmen).
Wie im vergangenen Jahr war es nicht möglich, mehrfach aus demselben Netzwerk abzustimmen. Dieses Blocking macht das Ergebnis homogen. Wir wurden von verschiedenen Nutzern darauf hingewiesen, dass ihre Rechner vom System blockiert wurden. In der Kürze der Zeit ließ sich die Fehlerquelle nicht abschließend bestimmen. Wir gehen davon aus, dass von dem Fehler alle Produktionen gleichermaßen betroffen sind, zumindest gibt es keine ungewöhnlichen Ausreißer nach oben oder unten. Insofern wollen wir die zehn Arbeiten, die die meisten Stimmen auf sich vereinen konnten, noch einmal gebührlich in Bild und Ton präsentieren.
Das Ergebnis sind die folgenden zehn Inszenierungen in alphabetischer Reihenfolge (mit den Begründungen der Nominierung für die Leser*innen-Wahl).
von
Regie: Nikolaus Habjan
{slider=Nominierung: Dieser Abend ist ein Gesamtkunstwerk voller inhaltlicher Schärfe, dramaturgischer Finesse und stupendem Handwerk, (...)|closed} - in dem von der verschachtelten Bühne bis zum szenischen Rhythmus alles mit einer Behutsamkeit aufeinander abgestimmt ist, die ihresgleichen sucht. Was auf den ersten Blick fast allzu sportlich anmutet - dass Regisseur und Puppenspieler Nikolaus Habjan hier elf grundverschiedene Figuren und 15 Charaktere ganz alleine stemmt - ist rasch vergessen. Mit solch traumwandlerischer Präzision umkreisen und spiegeln seine Figuren die Geschichte der Korrumpierbarkeit der künstlerischen Seele am Beispiel des Dirigenten Karl Böhm und seiner Verbindung mit den Nazis. Das ist atmosphärisch dicht, witzig, klug, erschütternd und schön.
Sabine Leucht
von René Pollesch
Regie: René Pollesch
Deutsches Theater Berlin
{slider=Nominierung: Ein Berliner Pollesch-Neuanfang als frohgemute Theater- und Publikumsumarmung, in der Sophie Rois auf hellwache Weise unausgeschlafen ist, fechtet, singt, kokettiert und sich großschauspielerisch ereifert. (...) |closed} In der sie vor allem aber mit beneidenswerter komödiantischer Schwerelosigkeit all die verbiesterten, von schwermütigem Marihuanarauch umwehten Volksbühnen-Traumata in frische Gedankenluft auflöst. Für alle, die geglaubt haben, es ginge nicht weiter: Natürlich geht es das.
André Mumot
Nachtkritik vom 8. September 2018
Der Hamiltonkomplex
Lies Pauwels
Regie: Lies Pauwels
Schauspielhaus Bochum
{slider=Nominierung: Lies Pauwels' Performance versammelt 13 (Bochumer) Teenager, Girls, Püppchen, Barbies in schön-schnöder Kontradiktion. Sie treten aus dem Schatten junger Mädchenblüte – über die Schwelle – ins Rampenlicht: selbstbewusst, resolut, grazil, offensiv, kaltblütig. (...) |closed} Ein Initiations-Erlebnis: "Der Hamiltonkomplex" ist keine Persönlichkeitsbefragung, als vielmehr eine Rechnung aus vielen Unbekannten, die sich zur vorläufigen Ich-Summe addiert. Und zu einem berührenden, beklemmenden, verstörenden, geheimnisvollen, heiter gelösten, furchtlosen Theaterabend.
Andreas Wilink
Der zerbrochne Krug
von Heinrich von Kleist
Regie: Laura Linnenbaum
{slider=Nominierung: Machtmissbrauch, Misogynie, sexualisierte Gewalt - das ist der zerstörerische Kern von Kleists "Lustspiel". (...)|closed} Den legen Laura Linnenbaum und ihre 100 Prozent beeindruckende Hauptdarstellerin Cennet Rüya Voß in dieser scharfen, totenkomischen Inszenierung unnachgiebig frei. Der Abend lässt einen mit Schamesröte an all die herrenwitzigen, verharmlosenden Aufführungen denken, die "Der zerbrochene Krug" schon über sich ergehen lassen musste.
Cornelia Fiedler
Nachtkritik vom 8. November 2018
{slider=Nominierung: "Die Wiederholung" von Milo Rau ist eine doppelte Annäherung: an einen unbegreiflichen Mord. (...)|closed} Und an das unbegreifliche Medium Theater. Dessen Wunder in diesem Fall darin besteht, in seiner Annäherung an die Wirklichkeit keine Vollendung zu erfahren und dennoch genau darin vollendet sein zu können.
Georg Kasch
Grundgesetz
{slider=Nominierung: Am 3. Oktober 2018 hat Marta Górnicka vor dem Brandenburger Tor Berlin einen Chor das deutsche Grundgesetz sprechen, singen, überprüfen, beschwören lassen. (...)|closed} Einen Chor, so divers für die Gesellschaft, für die dieses Gesetz gilt. Wozu braucht sie einen Heimatminister?
Sophie Diesselhorst
Nachtkritik vom 3. November 2018
von Milo Rau
Regie: Milo Rau
{slider=Nominierung: Ein warmherziger Abend von ersten und letzten Dingen, von Weltende und Märtyrertum, Geburt, Tod, Sex und Gewalt. (...)|closed} Zur Eröffnung seiner Intendanz in Gent bringt Milo Rau Stadtbürger zusammen, aufs Perfekteste multi-coloured, um das kulturelle, identitätsstiftende Herzstück ihrer Stadt, den Genter Altar - und denkt zugleich darüber nach, wo die Grenzen der Repräsentation verlaufen, und ob sie überhaupt reicht, um die Welt zu verändern.
Dorothea Marcus
Nachtkritik vom 28. September 2018
Revolt. She said. Revolt again
{slider=Nominierung: Wichtig, hysterisch, nervig, klug, stolz, sexy, so sind die Frauen, so ist dieses Stück. (...)|closed} Für den Eintrittspreis gibt es gleich noch ein Konzert der Rapperin Ebow mit dazu, check!
Eva Biringer
Nachtkritik vom 13. Oktober 2018
Schuld und Sühne
nach Fjodor Dostojewski
Regie: Bert Zander
Theater Oberhausen
{slider=Nominierung: Vier Leinwände umschließen den Zuschauerraum, der zugleich auch Spielfläche ist. Die Bilder, die über einen hinweg huschen, scheinen direkt aus Raskolnikows Kopf herauszufließen. Theater und Kino, Installation und Live-Performance, (...)|closed} werden in Bert Zanders Inszenierung eins. Das Publikum verschmilzt nach und nach mit dem Mörder und sieht die Welt mit seinen Augen. Raskolnikows Bewusstseinsstrom reißt einen davon und lässt einen sein Dilemma am eigenen Leib erfahren.
Sascha Westphal
von David Foster Wallace
Regie: Thorsten Lensing, Mitarbeit Regie: Benjamin Eggers
{slider=Nominierung: Der Roman von David Foster Wallace ist lustig und traurig, es geht um Sucht, Depression, Spiel, Versuche, (...)|closed} um die tödliche existenzielle Einsamkeit der Menschen. Die Truppe um Thorsten Lensing stellt sich dieser riesigen Vorlage mit Mut und Aufrichtigkeit. Großartige Schauspieler tauchen tief in die Finsternis und sind himmelschreiend komisch. In memoriam DWF und Dirk Pilz.
Gabi Hift.
Nachtkritik vom 22. Februar 2018
Hier die Nominierungen, aus denen in diesem Jahr gewählt werden konnte, inklusive ausführliche Nominierungsbegründungen.
Mehr zu den Gewinnern der letzten Jahre: Ergebnis 2018, Ergebnis 2017, Ergebnis 2016, Ergebnis 2015, Ergebnis 2014, Ergebnis 2013, Ergebnis 2012, Ergebnis 2011, Ergebnis 2010 und Ergebnis 2009.
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