Der Löwe aus der Kiste

von Henryk Goldberg

Eisenach, 2. Februar 2019. Häh? Die vier Menschen tragen schwarze Anzüge, die Anzüge tragen ihre Namen: Schnauz, Squenz, Schnock, Zettel. Aber auf dem Zettel steht doch Beat Fäh? Und jetzt ist da dieser Löwe, der will jetzt auch spielen. Und dann, etwas später, führt der gute Zettel einen Diskurs über posttraumatisches Theater, Zeitgeist und so. Und erklärt, sie als Handwerker machten natürlich Arbeitertheater. Da wird’s dem Impresario, er heißt Puck, dann doch zu blöde. "Was für ein Esel" stellt er treffend fest und zaubert, hastdunichtgesehn, dem Trottel einen Eselskopf.

Die Abbreviatur, die Beat Fäh aus Shakespeares "Sommernachtstraum" fertigte, macht Karriere seit 1989, mit allem Recht der Theaterwelt. Reduziert auf die beiden Paare und den Puck, wird die Fassung viel gespielt von jungen Theatern für junges Publikum. Natürlich ist das ein Verlust, mit dem Traum verliert der Text Zauber und Magie, die Handwerker, wer mag das nicht bedauern, können nicht schmieren, der Schnee von Thisbes Busen nicht leuchten, die Wand wird nicht gespielt und der Esel nicht gevögelt. Aber der Erfolg des Textes ist gerade seine schlichte Geradlinigkeit, die hilft Darstellern und Zuschauern, die es nicht ganz so komplex können oder mögen.

Rose und RegenSchwert und Wunde 560 EnsembleA.KleukerDSF7005Sommernacht in Eisenach © Achim Kleuker

Wenn also das Junge Theater Eisenach "Rose und Regen, Schwert und Wunde" sich vornimmt, ist das sehr nachvollziehbar. Das Theater Eisenach besteht, was auch den kulturpolitischen Volten der Kommunalpolitik geschuldet ist, noch aus einem leistungsfähigen Ballett und eben dem Ensemble, sechs Schauspieler des Jungen Theaters, Kooperationen mit Rudolstadt und Meiningen ergeben dennoch ein Repertoire. Diese Inszenierung, so hieß es, solle eine Art Brücke schlagen zwischen der zielgerichteten Arbeit für ein jugendliches Publikum und dem Abendspielplan.

Und das ist die Crux.

Denn irgendjemand, vermutlich die Regisseurin Christine Hofer im Verbund mit ihrer Dramaturgin Isabelle Küster, fand wohl, dass die Fassung von Beat Fäh etwas unterkomplex sei und man Erwachsenen etwas mehr bieten müsse. Und schrieben also doch die Handwerker hinein und die Elfen und selbst den Esel. Man darf das eine dramaturgische Eselei nennen. Denn die Handwerker-Ebene ist hier so sinn- wie witzlos, der Esel kommt, wie der eingeklagte Löwe, wie der Kasper aus der Kiste. Wer, von den jungen Zuschauern, nie etwas vom "Sommernachtstraum" gehört hat, und wer hat das schon, der mag sich fragen, woher das Zettel-Zotteltier kommt, was es mit den merkwürdigen Mosjöhs Bohnenblüte, Spinnweb und Senfsamen auf sich hat. Und wer es weiß, dem fällt dadurch erst so recht auf, dass das nicht ganz das traumhafte Stück ist, das er erinnert.

Rose und RegenSchwert und Wunde 560 EnsembleA.KleukerR3 7440Ob im Frack oder im Overall, es gilt eine gute Figur zu machen © Achim Kleuker

Die Leidtragenden dieser dramaturgischen Maßnahme sind, wie so oft, die Darsteller. Denn die machen das gar nicht schlecht. Dirk Seesemann hat ihnen einen leeren Raum gebaut, in dem die alten Textbücher aus dem Schnürboden hängen, den manchmal ein fetter gelber Mond beleuchtet, und wenn Puck mit einem riesigen Grammophon nach vorne rudert und dazu Musik erklingt, dann hat das sogar etwas Sommernachtträumerisches.
Puck, Alexander Beisel, das ist der etwas melancholisch gestimmte Impresario der Truppe, er hätte auch in Hogwarts, wo die Zauberer zur Schule gehen, gut der Assistent des Professors für schwarze Magie sein können.

Hilflos in der Schule

Und seine Schüler haben wohl alle ihren festen Platz in der schulischen Hierarchie. Hermia, Kristin Heil, ist die Beauty Queen der Schule, Helena, Friderike Fink, vermutbar die Klassenbeste, deshalb wohl trägt sie Brille und ist so unglücklich verliebt. Lysander, Roman Kimmich, ist der Nerd und Demetrius, Michael J. Mayer, der Sunny Boy der Jungs. Die beiden Herren liefern einander eine hübsche Fechterei mit einiger Eleganz, die beiden Damen zetern und zerren sich auf das Allerliebste. Sie machen das selbfünft sehr ansehbar, sie können einen Abend ganz gut tragen und den Applaus erwarben sie mit allem Recht. Aber da wo sie nichts zu spielen haben, wenn sie spielen müssen, was im Umfeld dieses Abends sinnfrei fremdelt, da sind sie hilflos, wie auch nicht. Mit der Konzentration der Regisseurin auf das, was dieser Text im Ursprung kann und ist, wäre die Geschichte der Liebe wohl noch ein wenig deftiger geraten und poetischer auch.

"Ich hab geträumt", sagt Zettel hier, "keiner kann’s sagen, was mein Traum gewesen ist." Das ist verständlich, aber nicht ganz richtig, denn Zettels Traum hier war: ein Irrtum.

 

Rose und Regen, Schwert und Wunde. Ein Sommernachtstraum
Schauspiel von Beat Fäh nach William Shakespeare
Deutsch von Erich Fried
Regie: Christine Hofer, Bühne und Kostüme: Dirk Seesemann, Dramaturgie: Isabelle Küster.
Mit: Roman Kimmich, Michael Johannes Mayer, Friederike Fink, Kristin Heil, Alexander Beisel.
Premiere am 2. Februar 2019
Dauer: 1 Stunde 30 Minuten, eine Pause

www.landestheater-eisenach.de

 

 

Kritikenrundschau

Hofer inszeniere Fäh und Shakespeare "und wird leider beiden nicht gerecht", findet Michael Helbing in der Thüringischen Landeszeitung (6.2.2019). "Überspitzt gesagt, müsste man mit Fäh wohl so arbeiten, als wüsste man von Shakespeare nichts." Stattdessen sei die Inszenierung "ein bisschen zu künstlich mit dieser Jugendtheaterenergie aufgeladen, zu schnell, zu ambitioniert. Wem das Herz voll ist, dem geht der Mund zwar über. Das ist aber etwas anderes als Übereifer".

mehr nachtkritiken