Orchester in Halle stellt sich gegen Opernchef
Mit großer Sorge
Halle / Saale, 6. Februar 2019. Der Orchestervorstand der Bühnen Halle und der Betriebsrat der Staatskapelle Halle sprechen sich gegen die Verlängerung des Intendantenvertrags von Florian Lutz aus. Wie MDR Kultur aus einem Brief an den Aufsichtsrat der Theater GmbH entnimmt, der auch nachtkritik.de vorliegt, halte man einen personellen Wechsel in der Opernintendanz für notwendig.
Zur Begründung heißt es in dem Brief, die musikalischen Leistungen von Sängern und Musikern verkämen zur Nebensächlichkeit. Das jeweilige Bühnenwerk diene oft als bloße Vorlage für die Vermittlung politischer und persönlicher Botschaften des Regisseurs. Auch hätte ein beträchtlicher Teil der Zuschauer der Oper den Rücken gekehrt – darunter langjährige Abonnenten. "Auch mit Blick auf die Sicherheit unserer Arbeitsplätze bereitet uns diese Entwicklung große Sorge, da finanzielle Defizite und geringe Auslastungszahlen kritische Fragen nach der Sinnhaftigkeit von Oper in Halle provozieren könnten", heißt es weiter in dem Schreiben.
Ende Februar stehen im Aufsichtsrat der Bühnen Halle GmbH Verhandlungen über Vertragsverlängerungen von Opernintendant Florian Lutz an. Lutz war 2016 als Intendant an die Oper Halle engagiert worden, um mit einem zeitgemäßen Repertoire ein jüngeres Publikum für die Oper zu gewinnen. Für seine bisherige Arbeit gab es viel überregionale Beachtung und auch den wichtigsten deutschen Theaterpreis, den FAUST. Zuletzt hatte sich ein Streit um finanzielle Defizite und der Konflikt mit Geschäftsführer Stefan Rosinski zugespitzt.
Update 8. Februar 2019: Auf Nachfrage von nachtkritik.de teilt die Oper Halle für die vergangenen Spielzeiten folgende Besucher-/Auslastungszahlen mit:
2015/16 (Intendanz Axel Köhler): 70.574 Besucher*innen, ca. 80 Prozent Auslastung
2016/17 (Intendanz Florian Lutz): 60.289 Besucher*innen
2017/18 (Intendanz Florian Lutz): 63.216 Besucher*innen
2018/19 (Intendanz Florian Lutz): bislang 57.709 Besucher*innen
(MDR / geka)
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(Werte Aida, ein Halbsatz Ihres Kommentars wurde nachträglich gelöscht, weil er nicht den Kommentarregeln entsprach. Unüberprüfbare Behauptungen werden diesen Regeln entsprechend nicht veröffentlicht. Freundliche Grüsse aus der Redaktion, Esther Slevogt, 24.2.2019)
Aber das Angstmachen haben die StimmungsmacherInnen im Hallenser Orchester scheinbar als wirksames politisches Instrument für sich erkannt und schrecken nun gezielt die KollegInnen auf, indem sie die Albernheit vom Arbeitsplatzverlust durch falsche Regiearbeiten herausposaunen. Diese Propagandastrategie erinnert an finisterste andere Akteure. OrchestermusikerInnen von Halle, fallen Sie da nicht drauf rein! Die im Rüskpiegel nun angeblich erfolgreicheren früheren Zeiten in der kulturellen Provinz haben Sie in keiner Weise vor den nun zum Abschluss gekommenen Sparmaßnamen (Strukturreform) geschützt. Das sollte auch der Orchestervorstand wissen!
Nach Aussage von OB Wiegand sind die Zuschauerzahlen, die im Wirtschaftsplan stehen, erreicht, und auch der Wirtschaftsplan ist eingehalten. Da geht das Argument des Orchesters, hier würde ein Theater leergespielt, ins Leere.
Übrigens lese ich auch gerne und mit Gewinn die Mitteldeutsche Zeitung aus Halle. Da wird für meinen Geschmack ausgewogen berichtet. Die Kritiken sind oft positiv. Hier gibt es also auch ein regionales Feuilleton, das die neue Ausrichtung der Oper beobachtet und ihr gute Seiten abgewinnen kann. Insofern ist dieses ewige Argument vom überregionalen Feuilleton wirklich ein reines Scheinargument.
Noch was: Ich finde auch nicht alles gut, was Lutz macht. Er könnte noch etwas mehr den alten Geschmack bedienen. Trotzdem finde ich es gut, daß er neuen Schwung in die Bude bringt. Schade, dass es jetzt mit IM STEIN nicht in dieser Spielzeit klappt. Aber toll, daß Konwitschny im Frühling nochmal einen Händel macht. Es war ja eine große Zeit in den 80ern, als Konwitschny Händel neu erfunden hat. Diese Traditionspflege auf heutige, moderne Weise, die Lutz hier initiiert hat, steht der Händelsstadt Halle gut zu Gesicht!
Wir sind gespannt auf den nächsten Akt!
Mehr davon!
Vielleicht könnte der Pförtner jetzt noch eine Empfehlung abgeben.
Endlich wieder richtiges Theater!
(Zahlen der Oper incl. Ballett und Koproduktionen mit dem Schauspiel wie die "Dreischgroschenoper"):
2015/16 noch unter Köhler: 70.574 Besucher*innen, ca. 80% Auslastung
2016/17 Lutz: 60.289 Besucher*innen
2017/18 auch Lutz: 63.216 Besucher*innen
2018/19 bis jetzt: 57.709 Besucher*innen
Mit freundlichem Gruß
sd/Redaktion
die Besucherzahlen in der Oper mit seinen Musiktheateraufführungen, wäre die korrekte Anfrage. Sich mit seinen Zahlen hinter Ballett, Schauspiel und Kindertheater zu verstecken, ist nicht sehr nobel, oder Preisverdächtig!
Zitat Jesus: "Selig sind, die nicht sehen und doch glauben."
Wenn die Oper mit anderen Sparten koproduziert, sind sie Teil der Aufführungen. Und das Ballett ist Teil des Musiktheaters und sogar in Opernaufführungen auf der Bühne (habe ich mit eigenen Augen gesehen).
An Kindertheater finde ich im Spielplan ausschließlich Ballett- und Musikproduktionem.
Schauspiel nur im Rahmen der Raumbühnen-Projekte.
Insofern kann ich nicht sehen, wer sich da hinter wem versteckt.
Ich sehe nur einen bei Leitungswechseln nicht unüblichen Verlust von Publikum und langsame Eroberung neuer Zuschauer.
Eure Enkelin
neben dem Sprechtheater hat sich das Musik-, das Tanz- und Figurentheater entwickelt. Alle profitieren voneinander.Trotzdem sollte man differenzieren. Das Problem:Das Publikum in Halle nimmt die Inszenierungen des Leitungsteams nicht an. Und es wären ohne den Streit mit dem GF auch nicht mehr gekommen. Die Lösung:weg mit dem Image der selbstverliebten Opernrebellen, hin zu all umfänglicher,verantwortungsvoller Teamarbeit. Dafür gibt es auch Geld. Aber das ist offensichtlich zu anstrengend.
Mit freundlichen Grüßen, Georg Kasch / Redaktion
leider kann ich Eurer Argumentation nicht folgen. Die Zahlen (von Herrn Rosinski!) weisen laut Formulierung
"Oper incl. Ballett und Koproduktionen mit dem Schauspiel wie die "Dreischgroschenoper" aus.
Es sind offensichtlich keine reinen Schauspielproduktionen oder Gastspiele eingerechnet, daher sehe ich immer noch nicht, wo diese Zahlen geschönt sein sollen.
Runde 60.000 Zuschauer sind für mein Dafürhalten außerdem zu viel, um davon zu sprechen, dass die Aufführungen "von den Hallensern" nicht angenommen werden.
Interessant finde ich die subjektiven Einschätzung vom "selbstverliebten Opernrebellen", was auch ein wenig ihre Interpretation der Zahlen erklärt. Ich bin sicher, dass Lutz in den Vorstellungsgesprächen relativ klar gemacht hat, für was für ein Theater er steht und dafür ist er von der Stadt engagiert worden. Nun herrscht plötzlich eine Hektik, als hätte er die Zuschauerzahlen halbiert und es würde dauernd weiter bergab gehen.
Ich persönlich sehe darin eher die Tendenz, Leitungsteams, die auf der Suche nach zeitgenössischen künstlerischen Ausdrucksformen sind, durch permanent nach außen getragene Querelen das Leben schwer zu machen. Als ich vor über 25 Jahren angefangen habe, im Theater zu arbeiten, habe ich noch gelernt, dass genau das Suchen nach aktuellen gesellschaftlichen Themen und zeitgemäßen künstlerischen Ausdrucksformen unser städtisch oder staatlich subventionierter Auftrag sei.
Aber wahrscheinlich ist diese in vielen Kommunen zu beobachtende Verschiebung hin zum störungsfreien Unterhaltungsbetrieb auch nur ein weiteres Symptom einer allgemeinen gesellschaftlichen Entwicklung, die mich sehr traurig stimmt.
Ich kenne einige junge Menschen unter 20 Jahren, gehöre sogar selbst zu ihnen, und weiß, dass sich unter ihnen auch noch viele Opern- und Kulturbegeisterte finden lassen. Begeistert ist von denen aber genau gar niemand über die Anmaßungen und Frechheiten, die sich die Regie heute glaubt heraus nehmen zu können. Ja, ich kenne sogar viele, die das Geld für eine Karte genau aufgrund des Blödsinns, den man heute auf unseren Bühnen zu ertragen bereit sein muss, einfach nicht aufbringen wollen. Dass der Versuch "JuNGeS pUbLikUM füR DiE oPeR BeGEiStErN zU WoLleN" eben das genaue Gegenteil erreicht, dürfte wohl eine der tragischsten Aspekte des im englischen Sprachraum längst als "Operacide" (in Anlehnung an "Suicide") bekannten Phänomens des fortschreitenden Untergangs der wohl besten und höchsten Form der Unterhaltung (im positiven kulturellen Sinne) sein.
Und wer sich gerne abartige Sachen angucken will - für den hält das Internet inzwischen alles bereit. Ich hingegen brauche keinen Hans Sachs der im Schlafanzug genüßlich eine Beethoven-Statur vergewaltigt und anschließend das Publikum mit Scheiße bewirft.
muss. Und Neuerungen brauchen Zeit. Ob sie nur anders oder besser sind, darüber lässt sich streiten. Letztendlich entscheidet das Publikum.
In Halle ist man einem Irrtum aufgesessen, als man glaubte, viele Studierende gewinnen zu können. Ich arbeitete stets an Theatern in Universitätsstädten, der Anteil von Studierenden, einmal abgesehen von solchen der Musikhochschule, war gering. Wer studiert, ist nicht automatisch auch an Kunst und speziell an Musiktheater interessiert, leider.
Es darf nicht sein, dass Rosinski diese Künstler verdrängt.
nun, ich spreche natürlich mit aller parteilichkeit, denn ich habe ja selbst am haus verschiedene projekte umgesetzt. ein sänger, der vorm grill und einer wurstopf-bank auf der fleißig die würste gestopft werden, wagner singt, ja warum denn nicht, marx meets wagner (war im operncafe, warn auch paar leute da)? wir wollen eine oper bauen, wir sind noch mittendrin. oder wie der alte rienäcker, gott hab ihn selig, in der raumbühne der oper halle sagte: oper muss beweglich sein im sinne eislers, das niedere neben dem hochgeistigen. nun kann man fragen, was ist denn was, aber beweglich im herzen und im geiste sollten wir sein. danke an die oper halle, die das seit lutz und v.z.mühlen versucht(!). und hoffentlich weiter die chancen bekommt.
Könnte es sein, dass inzwischen gut zwei Generationen herangewachsen sind, für die abgemixte Musik so selbstverständliche Hör-Erfahrung ist, dass es für die Musik-Anwender dieser Generation nicht mehr ohne Anstrengung denkbar ist, dass es ein Musizierproblem geben könnte, wenn z.B. ein Posaunist neben einem Bratschisten sitzen muss? Also, wenn nicht gerade Jazz, sondern Opern-Klassik gespielt werden soll...