Zensur?

7. März 2019. Philipp Ruch vom Künstlerkollektiv Zentrum für politische Schönheit (ZPS) wurde von einem Bundeskongress der Bundeszentrale für politische Bildung ausgeladen, bei dem er über die Arbeit des ZPS hatte sprechen sollen. Das berichten verschiedene Medien, u.a. die taz (6.3.2019). Die Bundeszentrale ist dem Bundesinnenministerium unterstellt. Dieses hatte Ruchs Ausladung per Erlass veranlasst.

Hintergrund ist  laut taz die umstrittene Aktion "Soko Chemnitz" des ZPS, die "unter dem Schutz der Kunstfreiheit zu Denunziationen und zu Eingriffen in das allgemeine Persönlichkeitsrecht" aufgerufen habe, wie die taz eine Sprecherin des Innenministeriums zitiert. Eine Einladung an den politischen Aktionskünstler könne als "staatlich finanzierte Legitimierung von  Aktionen des Zentrums" missverstanden werden, so das Ministerium. Da die Bundeszentrale für politische Bildung eine Behörde im Geschäftsbereich des Innenministeriums ist,  sei die Abstimmung über Redner größerer Veranstaltungen "allgemeines Verwaltungshandeln", zitiert die taz weiter.

Zuerst hatte das Wochenmagazin Der Stern (5.3.2019) einen Bericht über die Ausladung veröffentlicht. Gegenüber dem Magazin nannte das Ministerium als Grund der Ausladung ein "laufendes Verfahren" gegen Philipp Ruch. Auch in der Absage an Ruch heißt es laut Stern, die unmittelbare oder auch mittelbare Einwirkung der staatlichen Behörde auf laufende Verfahren sei zu vermeiden. Ruch wisse auf Nachfrage allerdings von keinen Ermittlungen.

Auf Deutschlandfunk Kultur warf daraufhin der Landesbeauftragte für politische Bildung in Schleswig-Holstein, Christian Meyer-Heidemann, der die Aufgaben der früheren Landeszentrale für politische Bildung wahrnimmt, dem Bundesinnenministerium Zensur vor. Die Aktionen des ZPS seien ganz bewusst provokativ und zeigten bestehende Polarisierungen und Missstände in der Gesellschaft auf, sagte Meyer-Heidemann. "Ganz unabhängig davon wie man den künstlerischen Gehalt bewertet, muss es immer möglich sein, das kritisch zu diskutieren. Dieser Diskurs wird aber durch die Ausladung unterbunden."

(taz.de / stern.de / eb)

 

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Kommentare  
BPB-Kongress: nichts passiert
Aber interessant: Das ist so eine Meldung, hinter der man ein enormes Erregungspotential wittert, und dann passiert: nichts.
BPB-Kongress: Wer spaltet die Gesellschaft?
"Aktionen wie diese tragen dazu bei, eine weitere Polarisierung der politischen Debatte voranzutreiben und einer Spaltung der Gesellschaft Vorschub zu leisten“. Diese Worte des Innenministeriums zur" Soko Chemnitz" sind wirklich lustig. Ich frage mich, ob ein Künstlerkollektiv wirklich die Macht besitzt, die Gesellschaft zu spalten. Dieses Geschäft betreiben doch nun wirklich andere, oder?
BPB-Kongress: keine Zensur
Wer hier "Zensur" ruft, hat nichts kapiert. Oder will es nicht. Zensur wäre, wenn jemand wie Herr Ruch sich GAR NICHT mehr äussern dürfte. Dass man ihn nun auf einem Forum nicht sprechen lassen will, das ja bekanntlich der Sachlichkeit und Neutralität verpflichtet sein will, ist nur zu logisch, da Herr Ruch - was im übrigen sein gutes Recht ist - sich diesen ja eben nicht verpflichtet fühlt. Es ist ja eher die Frage, warum man ihn - dort - ursprünglich eingeladen hatte. Herr Ruch hat ja wie alle anderen Aktivisten gleich welcher politischer Ausrichtung genügend Möglichkeiten seine Standpunkte kund zu tun, und tut dies ja auch ausführlich. Falls Herr Höcke dort aus irgendwelchen unerfindlichen Gründen eingeladen wäre, würde man es ja auch nicht Zensur nennen, wenn man plötzlich merken würde, dass er in der Bundeszentrale für politische Bildung völlig fehl am Platz ist, und ihn auslüde. Und dann eben bitte gleiches Recht für alle.
BPB-Kongress: Doch Zensur!
@Liberta: Doch, das ist Zensur. Denn da hat sich ein Ministerium - und genauer: dessen politische Führung - in die Programmgestaltung einer Institution eingemischt, die dem Pluralismus verpflichtet ist und nicht zuletzt dafür da ist, Grundrechte wie dasjenige der freien Meinungsäußerung oder der Freiheit der Künste und der Wissenschaften zu schützen. Das muss man scharf kritisieren, ganz egal, ob man die Aktionen von Philipp Ruch mag oder nicht.
BPB-Kongress: Presselinks
"Ich fühle mich nicht zensiert, sondern verboten.", so lese ich es in einem jüngsten Interview, das der Stern mit Philipp Ruch geführt hat.
Nun ja, es finden sich, Thea Tertier, sehr wohl diverse Beiträge zu diesem Vorgang, die auch leicht zugänglich sind, und bei denen ich es auch seltsam finde, daß nachtkritik de., oft gute Pressespiegel beibringend, an dieser Stelle hinsichtlich eines solchen Presse- bzw. Rundfunkspiegels eher sparsam agiert. Nicht nur das obige Interview könnte sich in einem solchen finden, sondern auch der lesenswerte Beitrag von Michael Laages unter dem Titel "Ritterschlag für Provokateure" (Deutschlandfunk vom 7.3.2019) oder auch der Hinweis darauf, daß die Zeitung "Die Welt" dann in der Freitagsausgabe (8.3.2019) jene Rede abgedruckt haben will, die Philipp Ruch bei dem Kongress zu halten gedachte..
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