"Die Praxis ist die Message"
12. Juni 2019. Sein Lebenstraum sei es nicht gewesen, und doch schultert er jetzt die Bürde. René Pollesch kehrt an die Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz in Berlin zurück und übernimmt die Intendanz des Hauses ab der Spielzeit 2021/2022. Gemeinsam mit "Sisters & Brothers in Crime", wie er sagt. Ein Kommentar.
Von Christian Rakow
12. Juni 2019. "Als der Wind ihnen die Brillen vom Gesicht fegte, wurde es vielerorten unscharf." Es gibt nicht viele Menschen, die solche Sätze schreiben können. So voller Witz und Schärfe und Rätsel. Jakob van Hoddis konnte es: "Dem Bürger fliegt vom spitzen Kopf der Hut." René Pollesch kann es auch. Egal ob in seinen inzwischen irgendwas bei einhundert Theaterstücken oder wie in diesem Falle auf Twitter, wo Pollesch, anders als viele andere Theaterschaffende, eigentlich nie seine Kunst fallen lässt zugunsten von Meinungsbildung, zugunsten von Selbstvermarktung. Pollesch ist Künstler durch und durch, einer, der Texte freistellt, der in seinen Ent-Äußerungen blitzartig aufscheint und verschwindet, einer der wenigen von Rang in der Welt des zeitgenössischen Theaters. Seit heute ist er nun auch offiziell designierter Intendant der Berliner Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz von 2021 bis 2026.
"Back to the roots"-Gefühl
Die Vorstellung bei der Pressekonferenz im gut gefüllten Roten Salon der Volksbühne hat etwas Gehetztes. Kultursenator Klaus Lederer rast durch sein Resümee des Findungsprozesses. Transparenz war versprochen worden, letztlich lief das Wesentliche aber doch backstage, in informellen Gesprächen mit Expert*innen und Vertrauten des Hauses. Das Tempo des Vortrags soll etwaige Bedenken, auch die eigenen, wegfegen, so wirkt's. Dann kommt Pollesch, leicht heiser, aufgeregt, keinen Deut langsamer verliest er sein "Bewerbungsschreiben", wie er es nennt; seinen Entwurf einer Volksbühne als "Autorentheater". Ein Text, so erklärbärlich und überexplizit, wie man noch keinen von Pollesch sah. Der Druck, sich zu legitimieren, scheint groß: "Ich bin ganz klar von Castorf zu unterscheiden", heißt es in dem Statement etwa.
Aber das "Back to the roots"-Gefühl weht natürlich im Raum. Pollesch hat als Leiter des Praters 2001 bis 2007 die Castorf-Volksbühne mitgeprägt, hat ihr später auch am Großen Haus durch dürre Jahre hindurchgeholfen, hat die triumphale letzte Spielzeit 2017 vor dem Intermezzo mit Chris Dercon intellektuell und inszenatorisch entscheidend mitgestaltet. Jetzt kehrt er mit Künstler*innen zurück, die dem Haus sein unverwechselbares Gesicht gaben: Kathrin Angerer, Martin Wuttke, Fabian Hinrichs, Christine Groß, ab 2022/23 auch Sophie Rois (sobald ihr Vertrag am Deutschen Theater erfüllt ist). "Sisters & Brothers in Crime" nennt Pollesch sie.
Zum Jagen getragen?
"Ich sitze hier nicht als trojanisches Pferd der alten Volksbühne", sagt Pollesch einmal. Aber die Kritiker, die nach Namen und Verfallsdaten rechnen, wird er damit nicht umstimmen. Wer in der Linearität des Gestern und Morgen denkt, wer nach Neuerungen und Neuigkeiten lugt, der feixt über die Rückkehr zur "Tradition" (wie es der für die Dercon-Berufung verantwortliche Ex-Kulturstaatssekretär Tim Renner gestern auf Twitter tat). Abstraktionen und Formalismen kennt der Volksbühnen-Streit zuhauf. Schon die auf größten Widerstand beim Volksbühnen-Publikum gestoßene Demission von Frank Castorf war ja mit dem inhaltsfreien Argument "Nach 25 Jahren ist auch mal genug" über die Bühne gegangen.
In den kargen Jahren der Volksbühnen-Intendanz vor rund einem Jahrzehnt hörte man verschiedentlich Stimmen, René Pollesch solle doch endlich das Ruder des Hauses übernehmen. Der vielbeschäftigte Dramatiker (und Regisseur ausschließlich in eigener Sache), der heute von Wien über Zürich bis Hamburg an den größten Bühnen der Lande arbeitet, gierte offenbar nicht nach dem Posten. Auch in der Pressekonferenz vermittelt sich der Eindruck, dass hier einer zum Jagen getragen werden muss. "Es ist nicht mein Lebenstraum gewesen, Intendant zu werden", sagt Pollesch. Und doch schultert er jetzt die Bürde. Er bringt mit seiner Offenheit und künstlerischen Unangefochtenheit auch genug Standing mit, um das im Berliner Theaterstreit arg vergiftete Klima rund ums Haus zu befrieden und zur täglichen Arbeit zurückzukehren. Noch die Interimspläne von Klaus Dörr (der nach 2021 das Haus komplett verlässt) wurden und werden ja aufs Heftigste angefeindet.
Im Kern von den Spieler*innen her gedacht
Pollesch habe seine "Verantwortung" für die Arbeitsprozesse am Haus wahrgenommen, sagt er. Die Freiheit und radikale Selbstständigkeit aller Abteilungen, von den Gewerken über die Schauspieler*innen bis zu Autorenschaft und Leitung wird von Lederer und Pollesch übereinstimmend als Singularität der Volksbühne beschrieben. Und dafür ist Pollesch mit seiner durch und durch kollektiven und auf Autonomie bedachten Arbeitsweise der Richtige (vgl. zu dieser Arbeitsweise sein einschlägiges Interview im Tages-Anzeiger aus dem Dezember 2018). Er will gewissermaßen seine kollegiale Regie-Idee auf den gesamten Betrieb ausweiten. "Die Praxis ist die Message", sagt Pollesch und immer wieder: "Ich bin nicht allein". Im Kern werde das Haus von den Spieler*innen her gedacht, die bei Pollesch ebenso als Autor*innen angesprochen sind wie die Textarbeiter*innen. Sie gelten ihm auch als die eigentlichen Regiekräfte. Überall sonst herrsche eine "Praxis, die den Autor an den Regisseur ausliefert", zitiert Pollesch seinen Kollegen Kevin Rittberger. Das soll an der Volksbühne anders sein.
Mehrfach nennt Pollesch seinen Kompagnon Martin Wuttke als entscheidendes Bindeglied in seinem Gefüge. Wuttke, so scheint es, wird die Ansprüche der Spieler*innen gegenüber der Leitung definieren und ähnlich wie anderswo Chefdramaturg*innen wirken (bezeichnenderweise nennt Pollesch nicht eine dramaturgische Position für sein Team). Ida Müller kommt als "Chef-Ausstatterin" in ähnlicher Rolle wie dereinst Bert Neumann. Das genialische Künstlerduo Vegard Vinge/Ida Müller kriegt zwei Arbeiten pro Saison im großen Haus, und zwar nicht als en suite gespielt, sondern fürs Repertoire. Die Choreographinnen Florentina Holzinger und Constanza Macras werden feste Säulen. Die aktivistische Szene um die Volksbühnen-Besetzer*innen aus dem Herbst 2017, mit denen Pollesch seinerzeit schon sympathisierte, soll eingebunden werden; in welcher Weise ist noch unklar.
Blick frei auf das Gemachte
Eher en passant finden Kriterien Erwähnung, die im zeitgenössischen kulturpolitischen Diskurs Konjunktur haben. "Jünger, weiblicher, diverser" solle die Volksbühne werde, hatte Klaus Lederer selbst gesagt. In der Riege der assoziierten Künstler*innen wird sie das ganz gewiss. In der jetzt festgelegten Ein-Mann-Leitung selbstredend nicht. Und doch übernimmt hier "einer der feministischsten Regisseure überhaupt", wie die Kritikerin Christine Wahl Pollesch erst unlängst nannte. Denn Pollesch denkt nicht von biologistisch fixierten Identitäten her, sondern von den Strukturen, in denen sich Gender-Rollen festschreiben. Das ist der Gewinn der Repräsentationskritik, für die Pollesch seit jeher steht. Sie gibt den Blick frei, auf das Gemachte, nicht das Überkommene, auf die Produktionsbedingungen, und nicht das vermeintlich realistische Abbild der Verhältnisse.
Offen sind viele Fragen: Wird es ohne Interpretationstheater gehen? Ohne die Klassiker auf den Spielplänen, die auch theaterfernes Publikum locken? Werden schreibende, aber nicht-regieführende Künstler*innen wie etwa Wolfram Lotz gewonnen werden können? Werden sie passen? Das Projekt des zeitgenössischen Autorenhauses ist auch ein Wagnis.
Aber Polleschs mit der Dauer der Pressekonferenz wachsende Euphorie wirkt einnehmend. Die Volksbühne solle wieder ein "Orientierungsort" werden, für Leute, die sich den skizzierten autonomen Arbeitsprozessen und den eigentümlichen "geilen" Spielweisen, die hier gepflegt werden, "familienähnlich" fühlen. Am Deutschen Theater Berlin, wo er derzeit regelmäßig inszeniert, habe er das "zweitbeste Theater, an dem ich je gearbeitet habe", erfahren. Aber es habe seine Sehnsucht nach dem "besten Theater" geweckt. Der beste Dramatiker unserer Zeit am besten Theater. Weniger hat die Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz nicht verdient.
Einen Audio-Mitschnitt der Pressekonferenz stellt der Alexander Verlag Berlin auf Soundcloud zur Verfügung.
Eine "kleinmütige Entscheidung der Berliner Kulturpolitik" sieht Christine Dössel von der Süddeutschen Zeitung (online 12.6.2019) in dieser Berufung. "Ein Schritt zurück statt nach vorn", der zudem "populistische Züge" trage. Er würden die "krakeelenden Volksbühnenbesetzer" ebenso zufriedengestellt wie jene, die "gegen traditionelle Strukturen mit 'alten weißen Männern' an der Macht wettern". Denn: "Schließlich ist der 56-Jährige seine eigene coole Marke, und als homosexueller Intellektueller auf Diskurshöhe der Zeit steht er für eine Diversität ein, an der man im Theater nicht mehr vorbeikommt. Einer wie er könnte insofern ein Versöhner sein – zwischen Alt und Neu, Gestern und Heute."
Ebenfalls in der Süddeutschen Zeitung (online 11.6.2019) schrieb Peter Laudenbach tags zuvor: "Die Volksbühne wieder zu einem politisch-sozialen Ort zu machen und sich und anderen Künstlern des Hauses damit eine künstlerische Heimat zu organisieren, ist ihm offenbar wichtiger als die Solo-Karriere. Gleichzeitig liegt zwischen dem Beginn seiner Intendanz und dem Ende der Castorf-Jahre so viel Zeit, dass alle Vorwürfe, seine Berufung sei ein Akt der Nostalgie, ins Leere laufen."
"Ist diese eher restaurative Personalie wirklich die bestmögliche für eine große Zukunft der Volksbühne?", fragt Johannes Schneider in der Zeit (online 12.6.2019). Natürlich werden die Volksbühne "wieder mächtige Schauspielerinnen und Schauspieler prägen, natürlich werden Text- und Regiearbeitende mit ihnen zusammen den Stoff durchwirken, wie es sonst fast nirgendwo geschieht". Dennoch seien die Protagonisten der Castorf-Volksbühne, zu denen Pollesch und viele aus seinem Kollektiv zählen, nicht unbeschadet aus dem Volksbühnenstreit hervorgegangen: "Im Angesicht von Dercons zugegebenermaßen wabernden Plänen für ein interdisziplinäres und internationales Haus mit allerlei Kunst, Tanz und englischer Sprache wirkten die alten Herrscher nicht nur wie Marie-Antoinette, der gerade ein Sansculotte gegen den Wandteppich geschissen hatte; sie verfielen auch in einen Blut-und-Boden-Ton, der stark am linken, oder allgemeiner: emanzipatorischen, Anspruch zweifeln ließ."
"Sosehr Chris Dercon ein Anfänger auf dem Intendantenposten war, so sehr ist es nun auch René Pollesch", schrieb Peter Kümmel tags zuvor bereits in der Zeit (online 11.6.2019). "Seine Arbeitsmethode weist ihn als einen teamfähigen Eigenbrötler aus (...)." Kümmel prognostiziert die Rückkehr prägender Spieler*innen: "Eine große Retro-Fröhlichkeit wird sich breitmachen." Die Entscheidung so witzelt Kümmel mit Verweis auf eines der jüngeren Stücke von Pollesch, sei gewissermaßen von höheren Geschick getragen: "Wenn die Volksbühne ruft, hat man keine Wahl. Man muss am Ende gehorchen."
"Die Entscheidung ist wenig überraschend, sie ist auch vernünftig", schreibt Wolfgang Höbel auf Spiegel Online (12.6.2019). Aber Pollesch wird "nun sich und die Volksbühne komplett neu erfinden müssen". Als "genialer und genialischer Einzelgänger" bekannt, müsse Pollesch nunmehr "seine Unfähigkeit zur Gemeinschaft" ablegen. Mögliche Konflikte mit einem möglicherweise zurückkehrenden Frank Castorf macht Höbel auch aus. Zudem sagt er mit Blick auf die aktuelle Interimsleitung der Volksbühne: "Je größer der Erfolg des ehrgeizigen Kurzintendanten Dörr sein wird, desto höher werden die Ansprüche an seinen Nachfolger Pollesch."
"Ein Beweis für die kulturpolitische Innovationskraft des Senators ist die Entscheidung nicht", kommentiert Fabian Wallmeier auf rbb 24 (12.6.2019). "Pollesch war zuletzt immer mehr ein Theater-Nomade, der landauf landab inszenierte. Ob es ihm gelingt, den Theatertanker Volksbühne zu steuern, ist fraglich – und hängt davon ab, wen er mit in sein Leitungsteam holt." Am "zukunftsweisendsten" könnte Polleschs "radikale Akzentuierung" sein: "Der klassische Regietheaterregisseur, der Texte vorfindet und nach seinem Gutdünken umformt, wird an der Volksbühne einen schweren Stand haben."
Etwas "reichlich angemoosten Volksbühnen-Mythos, dessen Wiederauferstehung Pollesch letztlich verspricht, ohne Castorf sein zu wollen", erlebte Andreas Fanizadeh von der taz (online 12.6.2019) auf der Pressekonferenz. Pollesch werde es bald mit "Ostalgie" zu bekommen haben, progostiziert er und schließt seinen Kommentar: "Eine verunglückte Episode mit Dercon, eine stabilisierende und geglückte mit dem jetzigen Interimsintendanten Klaus Dörr später, und nun muss Pollesch, der neben Castorf wie kein anderer zuletzt die Volksbühne ästhetisch prägte, beweisen, dass da noch mehr geht. Aber Sehnsuchtsorte existieren meist nur temporär."
"Der große epische Kampf um das wichtigste Theater Berlins ist beendet. Der natürliche Kronprinz wird Intendant der Berliner Volksbühne. René Pollesch ist eine Adenauer-Lösung. Und das ist sehr gut." So hebt der Bericht von Matthias Heine in der Welt (online 12.6.2019) an. Das Adenauer-Nachkriegsmotto "Keine Experimente" scheint dem Kritiker für diese Personalie passend, denn "für ein zerbombtes Theater ist das vielleicht genauso hilfreich wie für ein zerbombtes Land".
"Klientelpolitik" wirft Rüdiger Schaper vom Tagesspiegel (online 12.6.2019) Kultursenator Klaus Lederer vor. "Denn erst einmal sind jetzt die Anhänger der alten Castorf-Zeiten glücklich. Mehr Volksbühnengeruch als bei Pollesch ist nirgendwo zu haben." Und weiter: "Lederers Kulturpolitik trägt ausgesprochen konservative Züge. Erst vor wenigen Tagen hat er Daniel Barenboims Ewigkeitsvertrag an der Staatsoper verlängert. Keine Experimente Unter den Linden – und an der Volksbühne ein Experiment, bei dem die meisten Beteiligten gute alte Bekannte sind. Begrenztes Risiko."
Das "Theater, das Pollesch vorschwebt, ist eine Kollaboration von vielen gemeinsam Theater Schaffenden: Autoren und Schauspielern zum Beispiel", schreibt Ulrich Seidler in der Berliner Zeitung (online 12.6.2019). "Klar wird jetzt auch genörgelt, werden Stillstand und Nostalgie prophezeit. Dabei lässt sich diese Personalie auch problemlos als Meilenstein der Theatergeschichte deuten", schreibt Seidler, schließlich werde sie zur "Bewährungsprobe" für die Gießener Angewandten Theaterwissenschaften und deren Kritik am etablierten Stadttheaterbetrieb. Seidler schließt: Vielleicht schaffe Pollesch es, seine "Utopie der freundschaftlichen und hingebungsvollen Produktionsverhältnisse auf das ganze Haus zu vergrößern. Es zu füllen mit fröhlichem Kopfzerbrechen, mit rauschhafter moralischer Selbstzermarterung zwischen den Verheißungen und Abgründen von Liebe, Ökonomie und Repräsentation. Was woanders unter Kopfschmerzen und Humorlosigkeit krampfhaft implementiert werden muss, steht bei Pollesch längst in der Blüte schönster Selbstverständlichkeit: Feminismus, Antirassismus, Genderfreiheit − immer dialektisch reflektiert ohne in Mutlosigkeit zu verfallen. Der Volksbühnenschlüssel kommt in gute Hände."
Im Interview mit der taz (13.6.2019) begrüßt Sarah Waterfeld, Autorin und Aktivistin der Volksbühnen-Besetzung von 2017, die Entscheidung für René Pollesch: "Unser Kollektiv setzt sich für Dehierarchisierungsprozesse und kollektive Strukturen ein. Wenn ich Polleschs Arbeit der vergangenen 20 Jahre richtig verstanden habe, sind ihm solche Forderungen nicht ganz fremd."
"René Pollesch, wird ohne Frage den Geist von Castorf wieder aufleben lassen", kommentiert Daniele Muscionico in der Neuen Zürcher Zeitung (12.6.2019). "Pollesch inszeniert seine Texte, die er mit den Schauspielern entwickelt, stets selber, und wie Dercon fehlt ihm die Erfahrung in der Leitung eines Hauses. Doch anders als der glücklose Belgier geniesst er allen Kredit des Milieus und verfügt über ein grosses Netzwerk an Schauspielern und Regisseuren, die jederzeit bereits sein werden, erneut am Projekt Volksbühne mitzutun."
Norbert Mayer schreibt in der Wiener Presse (12.6.2019): Pollesch werde beweisen können, "ob bewegte Zeiten wie jene unter Castorf dialektisch weiterentwickelt werden können". Für ihn spreche seine "enorme Produktivität", der Erfolg seiner Stücke bei Kritikern, Preisrichtern und Publikum, seine "offene Arbeitsweise", die dem Team Respekt zolle. Bei "all der Überspanntheit und Verspieltheit" einer Polleschiade spüre man: "Hier wird das gute alte Sprechtheater noch ernst genommen. Es kann so immer wieder neu entstehen."
"Gemischte Gefühle" bei Elena Philipp im Gespräch mit Deutschlandfunk Kultur (12.6.2019). Sie kritisiert die "Top-Down-Entscheidung“ des Kultursenators", und fährt fort: Obwohl Pollesch erklärtermaßen demokratischer arbeite als viele seiner Kollegen, bleibe das Gefühl: "Da hätte man sich vielleicht nochmal mehr Zeit lassen sollen." Denn so wirke die Entscheidung "wie ein reines Lippenbekenntnis zum Wunsch der Veränderung". So widerstritten in dieser Entscheidung, die Chance, "eine wirkliche Modellinstitution für die Zukunft zu bauen", und gleichzeitig die drohende Wiederholung dessen, "was als glorreiche Vergangenheit wirklich gewünscht wird".
Polleschs Berufung, die "als kleine Hauslösung nicht unbedingt visionär erschien, könnte durch solch einen entschiedenen Fokus auf die Autoren und Schauspieler helfen, sich vom Schatten des Übervaters Castorf zu lösen und ein neues Extra-Zimmer im großen Haus des Theaters einzurichten", schreibt Irene Bazinger in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (13.6.2019). "Nach dem langen Marsch durch die Theaterinstitutionen kennt Pollesch den Leerlauf des Betriebs. Er will diesen ganz im Sinne Brechts nun denjenigen zurückgeben, die ihn machen. Die Idee mit der Praxis ist gut – wie gut, wird die Praxis beweisen."
Interviews mit René Pollesch in der
- Süddeutschen Zeitung am 14. Juni 2019 (Paywall)
- auf Deutschlandfunk Kultur am 15. Juni 2019
- Der Freitag am 19. Juni 2019
- Frankfurter Allgemeinen Zeitung am 23. Juni 2019
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