Peer-Gynt-Prinzip des Sei-du-selbst!

Hamburg, 17. Juni 2019. Der Preis des 16. Festival Körber Studio Junge Regie geht an Felix Krakau für seine Inszenierung "Peer Gynt" nach Henrik Ibsen von der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Frankfurt am Main. Den undotierten Publikumspreis erhält Milena Mönch für "Drei Schwestern" von der Universität Mozarteum, Salzburg. 

Der mit einem Produktionskostenzuschuss von 10.000 Euro dotierte Preis der Körber-Stiftung unterstützt den Gewinner bei einer neuen Regiearbeit an einem Stadt- oder Staatstheater bzw. alternativ in der Freien Szene.

Angewandt auf die Lebenswelt der Performer*innen

Die Verleihung erfolgte am Ende des Festival nach der öffentlichen Diskussion der fünfköpfigen Jury zu der in diesem Jahr gehörten: Beate Heine (Chefdramaturgin und stellvertretende Intendantin Schauspiel Köln), Necati Öziri (freier Autor & Leiter Internationales Forum beim Theatertreffen/Berliner Festspiele), Alexander Riemenschneider (Regisseur), Dagmar Schlingmann (Intendantin Staatstheater Braunschweig) und Falk Schreiber (freier Kulturjournalist). In der Begründung heißt es: "Erzählt wird Ibsens Peer Gynt, und dadurch wird das 'Prinzip Peer Gynt' – Sei du selbst! – erzählt, angewandt auf die Lebenswelt der jugendlichen Performer*innen in Zeiten von Authentischsein auf der Bühne."

FelixKrakau Krafft Angerer uFelix Krakau bei der Preisverleihung © Krafft Angerer Felix Krakau, geboren 1990 in Hamburg, studierte Theaterregie in Frankfurt am Main und als Gast Szenisches Schreiben an der Universität der Künste Berlin. Von 2016 bis 2018 absolvierte er im Rahmen des Studiums eine Regieassistenz am Düsseldorfer Schauspielhaus. Seitdem inszeniert er in Düsseldorf, am Schauspielhaus Wien und an der Neuköllner Oper Berlin.

Shortlist

Zur Shortlist der besten drei Inszenierungen zählten außerdem "leck mir die wunden" in der Regie von Meera Theunert von der Theaterakademie Hamburg, Hochschule für Musik und Theater, und "Drei Schwestern" in der Regie von Milena Mönch vom Thomas Bernhard Institut – Universität Mozarteum, Salzburg.

Insgesamt zwölf Nachwuchsregisseurinnen und -regisseure stellten während des fünftägigen Regieschultreffens von 12. bis 16. Juni im Thalia in der Gaußstraße ihre Inszenierungen vor. Neben den Theaterhochschulen in München, Hamburg, Berlin, Essen, Frankfurt, Hildesheim, Gießen, Ludwigsburg, Wien, Zürich und Salzburg nahm die Theater- und Filmhochschule Budapest als internationale Gasthochschule außer Konkurrenz teil.

Frühere Preisträger waren etwa David Bösch (2003), Julia Hölscher (2007), Heike M. Götze (2008) oder Malte C. Lachmann (2012). Im vergangenen Jahr gewann Arthur Romanowski den Preis.

(thalia-theater.de / sik)

 

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Kommentare  
Körber-Preis: falsche Kriterien
ich find's so dreist, den dotierte preis, der dafür da ist, dass man mal unter besseren bedingungen an einem größeren theater produzieren kann, an einen regisseur zu geben, der mit einer produktion gekommen ist, die unter besseren bedingungen an einem größeren theater entstanden ist. ich werf das auch gar nicht krakau oder seiner inszenierung vor. die war völlig in ordnung, ganz klassisches bürgerbühnen-theater. aber der jury schon, die scheinbar nicht gemeistert hat, sich mal strukturell gedanken um diesen preis zu machen. und dann auch noch in der moderation zu sagen, "der publikumspreis sei nicht minder wert, nur weil er undotiert ist". denn es macht für mich als produzierende ehrlich gesagt schon einen großen unterschied, ob ich für einen preis 10.000 euro bekomme ... oder eben nicht. und ob die jemand bekommt, der eh schon an einem größeren haus arbeitet. oder eben nicht.
Körber-Preis: Was ist Regie?
auch in diesem jahr war es der jury nicht möglich, sich über die "bewertung" der einzelnen "regiehandschriften" hinaus, mit der frage auseinanderzusetzen, inwiefern jede! theaterarbeit ein kollektiver prozess ist und was es bedeutet, dass sich diese plattform ewig gestrig auf den vermeintlichen kopf der truppe konzentriert.

schade!

und hier entsteht im kleinen eine ohnmacht, die das gesamte theatersystem lähmt. dass da menschen schuften und kreieren aber ihre körper sind nicht da.
Körber-Preis: falsche Kriterien
@ #1
Natürlich hat die Düsseldorfer-Produktion durch Infrastruktur und Budget möglicherweise einen Vorteil gegenüber den reinen Hochschul-Produktionen. Allerdings schwanken auch hier die Budgets für die Diplom-Inszenierungen extrem zwischen den Schulen.
Wenn man das so ökonomisch lesen will ist Körber also nie gerecht.

Felix Krakau war zwar Regieassitent in Düsseldorf, aber ich würde daraus nicht schließen, dass er automatisch nun dort eine Produktion+10.000 Euro zugestellt bekommt.
Generell sollte bei der Preisvergabe der künstlerische Wettbewerb im Vordergrund stehen und nicht die Frage wer die Kohle am ehsten braucht.
Körber-Preis: theoriefreie Jury
Die Jurysitzung (sie wurde im Livestream auf der Seite der Körber-Stiftung übertragen) wirft einige Fragen auf - vor allem nach der Weise, wie hier über Theater/ Kunst gesprochen und wonach sie beurteilt wird. Exemplarisch sei sinngemäß aus der Besprechung der preisgekrönten Peer Gynt-Inszenierung zitiert: 'Die Jugendlichen haben viel Energie über die Bühne gebracht; ich fand es sehr gut, dass der Regisseur viel Raum gegeben hat für die Persönlichkeit der einzelnen; der Abend hat mich sehr gut unterhalten; das war ein Ensemble - das war großartig; das Thema von Peer Gynt passte immer wieder auf das Thema der Jugendlichen; es war charmant, wie mit den Mitteln des Theaters gespielt wurde; die Performer*innen haben Spaß gehabt; auf verschiedenen Ebenen (Musik, Erzählung, Text) verbindet sich das Motiv 'Wer bin ich eigentlich' - so ergeben die Perspektiven ein Ganzes; dass der Abend eine Bejahung des Spielens ist, hat uns beeindruckt.' Etc.
Von den Ansprüchen von Kunstphilosophie und -wissenschaft her gesprochen (die Expert*innen doch eigentlich mitreflektieren müssten), sind dies indes in den seltensten Fällen Kriterien, die annähernd für die Beurteilung von Kunst ausschlaggebend wären. Es sind vielmehr subjektivistische, weitgehend theoriefreie und vor der Postmoderne stehenbleibende Kriterien, die hier quasi ahistorisch vorgetragen werden; verräterisch dabei der stetige Gebrauch von Formulierungen wie "Meiner persönlichen Meinung nach..." Kritikfähigkeit und Urteilsvermögen müssten hingegen implizieren, die Inszenierungen neben persönlichen Vorlieben an gegenwärtige wie historische künstlerische und vor allem theoriefähige Diskurse - und damit an etwas Überindividuelles - anzubinden.
Körber-Preis: woher der Unmut?
Schade, dass die bislang hier Kommentierenden nicht genug Mut haben, dies mit Klarnamen zu tun. Ich nehme #3 davon aus, aber die übrigen, würde ich gerne fragen: woher kommt der Unmut? Es ist eine durchaus lobenswerte Entwicklung, dass bisherige Strukturen hinterfragt werden, dass Regisseur*innen nicht mehr allein hervorgehoben werden wollen, dass nach kollektiven Arbeitsmethoden gesucht wird. Dass noch nach anderem Maßstab beurteilt wird, ist so gestrig nun aber auch wieder nicht. Wandel braucht, leider, Zeit. Dass der Wunsch nach Wandel auch bei den 'Etablierten' angekommen ist, konnte man auf dem Festival durchaus erkennen. Dass sie den Wandel noch nicht umzusetzen wissen...nun ja...sie sind in einem komplett anderen System 'gewachsen'...geben Sie ihnen doch Zeit zum Umdenken. Erinnern Sie sie unermüdlich daran, dass die Zeit für Veränderung mehr als reif ist, aber beschimofen Sie sie nicht. Das führt zu nichts. Und was die Inszenierung von Felix Krakau angeht: die ist zwar unter der Flagge vom Düsseldorfer Schauspielhaus angetreten, aber nicht mit Schauspieler*innen von dort, sondern mit Jugendlichen. Während die übrigen Institute mit Schauspieler*innen angetreten sind. Manche noch in der Ausbildung, manche, wie die aus Berlin, schon längst im Beruf. Das Bühnenbild und die Kostüme waren nun auch nicht so üppig, dass sich das die Hochschulen nicht hätten leisten können. Wo also lag der Vorteil, dass das Düsseldorfer Schauspielhaus mit seinem Namen dahinter stand? Es hat wohl keine der Hochschulen die absolut gleichen Bedingungen. Die letzten beiden Jahre haben Produktionen aus Gießen gewonnen. War das auch klassisches Bürgerbühnen-Theater #1 mit besseren Bedinungen? Man muss doch nicht gleich Schaum vor den Mund bekommen, wenn mal kein Kollektiv den Preis erhält. Und dass ihn der bekommt, dessen Inszenierung am meisten überzeugt hat und nicht der, der ihn am meisten gebrauchen könnte, um damit Zugang zum Theatermarkt zu bekommen...nun ja: ade Hochschul-Welt. Willkommen in der Arbeitswelt. Das Argument: ich bräuchte den Job aber viel mehr als einer der etablierten Regisseur*innen, die eh schon überall arbeiten dürfen, wird auch in Zukunft nicht sehr erfolgsversprechend sein.
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