Erzählen von vergangener Zukunft

3. Juli 2019. Barbara Frey wird Intendantin der Ruhrtriennale für die Spielzeiten 2021 bis 2023. Das teilt das Ministerium für Kultur des Bundeslandes Nordrhein-Westfalen mit. In seiner heutigen Sitzung hat der Aufsichtsrat der Kultur Ruhr GmbH der Mitteilung zufolge unter dem Vorsitz von Ministerin Isabel Pfeiffer-Poensgen die neue Intendantin ernannt. Die Schweizer Theaterregisseurin und Musikerin Barbara Frey übernimmt ab November 2020 für drei Jahre die künstlerische Leitung des größten Kulturfestivals in Nordrhein-Westfalen.

Frey Poensgen Ruhrtiennale 280 TobiasKreutzer uIsabel Pfeiffer-Poensgen und Barbara Frey
© Tobias Kreutzer / MKW
Barbara Frey, 1963 in Basel geboren, studierte in Zürich Germanistik und Philosophie und spielte als Schlagzeugerin in verschiedenen Schweizer Bands. Ihre Karriere am Theater begann sie 1988 als Musikerin und Regieassistentin am Theater Basel unter der damaligen Leitung von Frank Baumbauer. Seit 1992 arbeitet Barbara Frey als Regisseurin, anfangs in der freien Szene sowie am Theater Neumarkt in Zürich, am Nationaltheater Mannheim und am Deutschen Schauspielhaus in Hamburg. Von 1999 bis 2001 war sie Hausregisseurin an der Schaubühne am Lehniner Platz Berlin, 2005 bis 2008 in gleicher Funktion am Deutschen Theater Berlin. Wiederholt inszenierte sie u.a. am Theater Basel, am Bayerischen Staatsschauspiel in München und bei den Salzburger Festspielen. Von 2009 bis 2019 war sie Intendantin des Zürcher Schauspielhauses.

"Ich freue mich sehr über meine Berufung als Intendantin der Ruhrtriennale ab 2021", wird Barbara Frey in der Mitteilung zitiert. "Die Spielorte der Ruhrtriennale sind historisch gesehen unvergleichlich. Sie erzählen von vergangener Zukunft. Wir werden danach forschen, was die Umwidmung der Räume bedeutet."

(sle)


Presseschau

Als "Konsolidiererin" stellt Dorothea Marcus die neue Intendantin Barbara Frey auf Deutschlandfunk Kultur (3.7.2019) vor. Aus ihrer Zürcher Zeit sei ihr Frey als "sehr zugänglich, uneitel und diskussionsbereit" sowie als "dezidierte Feministin" bekannt. "Bahnbrechend ist die Entscheidung zugunsten Freys aber nicht. Sie wird nicht unbedingt das Theater neu erfinden. Vielleicht fehlt ihr doch das Quäntchen Wahnsinn, das man braucht, um diese gewaltigen Hallen zu bespielen."

"Zum Kriterienkatalog gehörten Führungskompetenz, die Fähigkeit zur Teamarbeit und Kooperationsbereitschaft", zitiert Max Florian Kühlem in seinem Bericht für die Rheinische Post (4.7.2019) den ehemaligen Kulturabteilungsleiter im NRW-Ministerium Peter Landmann, der auch in der Intendanten-Findungskommission saß. Frey habe auf der Berufungspressekonferenz geäußert, dass sie "in keine Schublade 'von traditionell bis Avantgarde' passe und den Vorteil mitbringe, sich sehr unterschiedliche Handschriften anzuschauen und auch zuzulassen". Sie wolle "einen Teil ihres Programms" auch "an jene Menschen richten, die nicht zum klassischen Kulturpublikum zählen".

In der taz (4.7.201) zitiert Benjamin Trilling zur Begründung der Entscheidung für Barbara Frey die Aufsichtsratsvorsitzende der Kultur Ruhr GmbH und NRW-Ministerin für Kultur und Wissenschaft Isabel Pfeiffer-Poensgen: "In Zürich hat sie gezeigt, dass sie für ein offenes, neugieriges und lebendiges Theater auf höchstem Niveau steht."

"Ja, sie werde nach Bochum ziehen, sagt Barbara Frey und lacht. Und nein, sie habe keine Berührungsängste – weder mit Uraufführungen noch mit dem Ruhrgebiet." So schreibt Jana Stegemann in der Süddeutschen Zeitung (4.7.2019).

Einen "Stilwechsel" für die Ruhrtriennale macht Patrick Bahners von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (4.7.2019) in dieser Intendanzentscheidung aus: Vorgängerin Stefanie Carp habe "auf ein Theater des Diskurses, das die Nähe zur mehr oder weniger zeitgenössischen akademischen Theorie sucht", gesetzt. So präsentiere sie in diesem Jahr mit Homi Bhabha als Festredner einen Klassiker des Postkolonialismus. Barbara Frey habe sich dagegen jüngst in der NZZ "skeptisch über Forderungen, das Theater solle in einer Zeit der politischen Polarisierung wieder moralische Anstalt werden", geäußert. "Man lässt dem Thea­ter vieles nicht mehr durchgehen, und es tauchen neue Fetischbegriffe auf", sagte sie dort.

 

 

 

 

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