Presseschau vom 19. September 2019 – Martin Kušej in der Zeit über seinen Start am Burgtheater und das kulturelle Klima in Wien

"Man muss dagegenhalten, bis sie einem die Fresse einschlagen"

"Man muss dagegenhalten, bis sie einem die Fresse einschlagen"

19. September 2019. Peter Kümmel hat in der Wochenzeitung "Die Zeit" (19.9.2019) mit dem neuen Burgtheater-Chef Martin Kušej gesprochen, der sich auf feindliche Angriffe einstellt und mit dem schlimmsten rechnet.

Angesprochen auf den Steuer- und Finanzskandal am Wiener Burgtheater sagt der neue Burgtheater-Chef Martin Kušej im Interview: "Ich will die Vergangenheit weder beurteilen noch darüber reden. Aber natürlich haben wir auch zwei Direktionen später noch immer mit den Folgen zu tun."

Flache Hierarchie

Er arbeite in einem Team mit flacher Hierarchie, das bei allen Entscheidungen mit totaler Transparenz agiere. "Effizient, klar, offen, direkt", damit hätten aber viele Leute in Wien Probleme. "Als Professor an der Universität war ich sehr überrascht, dass man relativ rasch gegen mich gearbeitet hat." In Bayern gab es zuletzt eine klare Kultur der Verständigung, "das ist hier definitiv nicht so". Bei offener Meinungsverschiedenheit werde die Sprache in Österreich rasch simpel oder schwarz-weiß, "in letzter Zeit auch tendenziell gewalttätig. Ich weiß noch nicht, wie ich damit umgehen werde".

Schwelle der Gewaltbereitschaft

Skrupel habe er keine, sich gegen Tendenzen in der FPÖ oder der AfD laut und eindeutig zu äußern, "weil ich an diesen Widerstand glaube". Er habe allerdings die Befürchtung, dass man hier richtig eins auf die Rübe kriege. "Dass man also konkret körperlich attackiert werden könnte. Ich bemerke ein deutliches Sinken der Schwelle von Gewaltbereitschaft, zur Skrupel- und Respektlosigkeit, zur Diktatur der Meinung des 'Volkes'", so Kušej. Der auch glaubt, dass man sich gegen Rechte und gegen rechte Gewaltbereitschaft "schlussendlich intellektuell nicht wehren kann". Und "rein künstlerisch gehe es auch nicht".

Zwar gebe es eine intellektuelle Opposition, "Leute, die was sagen: unter anderen André Heller, Michael Köhlmeier, Robert Menasse, Franz Schuh", so Kušej, "aber dafür, dass es so viele Künstler hier gibt, ist die Opposition viel zu leise." Man müsse konstant dagegenhalten – bis sie einem die Fresse einschlagen, und dann könne man eh nichts mehr sagen.

(zeit.de / sik)

 

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