Presseschau vom 17. November 2019 – Presseberichte über den Prozess gegen die einstige Burg-Geschäftsführerin Silvia Stantejsky

Der Burgtheater-Prozess

Der Burgtheater-Prozess

17. November 2019. Vor dem Wiener Landgericht wurde am 14. November 2014 der Prozess gegen die einstige Geschäftsführerin des Wiener Burgtheaters Silvia Stantejsky eröffnet, "ein gerichtliches Nachspiel zur Tragödie, die die gesamte Kulturbranche erschüttert und wohl, ironischerweise, auch zum Besseren verändert hat", wie die Wiener Tageszeitung Der Standard am 9.11.2019 in der Woche vor Beginn des Prozesses schrieb, für den zunächst vier Verhandlungstage anberaumt wurden.

 

9. November 2019. "Die Vorwürfe: Bilanzfälschung, Untreue (vorsätzliche Schädigung anderer) und Veruntreuung (vorsätzliche persönliche Bereicherung)", schreibt Der Standard am 9.11.2019. Silvia Stantejsky drohe eine Haftstrafe von ein bis zehn Jahren. "Für Stantejsky gilt die Unschuldsvermutung, wenngleich bekannt ist, dass sie bei der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft ein Teilgeständnis abgelegt hat."

Im Januar 2013 wurde Silvia Stantejsky entlassen. 2014 entließ der damalige Kulturminister Josef Ostermayer (SPÖ) auch Burgdirektor Matthias Hartmann, wogegen dieser klagte. 2018 einigten Hartmann und das Burgtheater sich auf einen Vergleich. Holding-Chef Georg Springer trat erst unter Druck im Juni 2014 von seinem Posten zurück. Ein Bericht des österreichischen Rechnungshofs diagnostizierte Misswirtschaft auf allen Kontrollebenen. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) ermittelte gegen Stantejsky, Hartmann und Springer, einzig Stantejsky legte (im November 2015) ein Geständnis ab. "2018 schließlich stellte die WKStA alle Ermittlungen gegen Hartmann und Springer ein", schreibt Der Standard in seinem Prozessauftaktbericht: "Übrig blieb: Stantejsky."

 

14. November 2019. Stantejsky, die von 1980 an fast ihr gesamtes Berufsleben im Burgtheater verbrachte, schilderte laut Standard, "vom Richter befragt, ihr enormes Arbeitspensum, das Sechzehnstundentage, Urlaubszeit-, Nacht- und Wochenendarbeit umfasst haben soll. Ihrem früheren Geschäftsführer-Gehalt von 7.000 Euro steht heute eine Pension von 1.800 Euro gegenüber, außerdem sitze sie auf einem Schuldenberg in sechsstelliger Höhe und sei seit 2011 in psychiatrischer Behandlung."

"Oberstaatsanwältin Veronika Standfest hielt in ihrer Anklage fest, dass Stantejsky sich einen 'luxuriösen Lebensstil' geleistet, privat über ihre Verhältnisse gelebt und daher das fragwürdige System des Bargeldverkehrs im Burgtheater 'ausgenutzt' haben soll, um sich zu bereichern", so der Standard nach dem ersten Prozesstag (14.11.2019). Stantejsky habe nicht bestritten, sich an Künstlergagen (30.000 Euro) sowie an ihr zur "Verwahrung" in bar anvertrauten Honoraren des Direktors Matthias Hartmann (273.000 Euro) und des Regisseurs David Bösch (185.000 Euro) teilweise selbst bedient zu haben.

"Dass Matthias Hartmann keine Verantwortung für Jahresabschlüsse trage, weil ausschließlich sie diese bearbeitet habe, bestätigte Stantejsky zwar; die Angeklagte hielt aber fest, dass der Direktor immer mehr Aufgaben auf sie abgewälzt und kein Ohr für Finanzbelange gehabt habe: "Ich habe händeringend versucht, ihn in Kenntnis zu setzen, aber er hat gesagt: 'Lass mich mit deinen Excel-Listen in Ruhe.'"

 

15. November 2019. In einem Bericht nach dem zweiten Prozesstag gibt der Wiener Standard u.a. verschiedene Aussagen von Zeugen wieder, darunter Stantejskys ehemaliger Mitarbeiter Hans Peter Prusa. Prusa zufolge sei Stantejsky der Lage auch wegen psychischer Probleme nicht mehr gewachsen gewesen, "das habe er nicht nur dem künstlerischen Direktor Matthias Hartmann, sondern auch Holding-Prokurist Othmar Stoss mitgeteilt – ohne Folgen".

Von Silvia Stantejsky selbst wird berichtet, "sie habe sehr wohl versucht, Bilanzen vorzulegen, in denen die negative Finanzlage dargestellt wird, sie sei aber von der Holding wieder 'nach Hause geschickt' worden, mit dem Auftrag 'eine schwarze Null zu machen'. 'Einmal noch', dann bekomme man mehr Geld vonseiten der Politik, soll Holding-Chef Georg Springer zu Stantejsky gesagt haben. (...) Mit einer direkt erbetenen Terminanfrage bei der damaligen Kulturministerin Claudia Schmid (SPÖ) sei Stantejsky mit den Worten abgewimmelt worden, sie solle sich an Holdingchef Springer wenden, dafür hätte man ihn ja."

Urteil möglicherweise erst im Januar

Detailliert nahm sich das Gericht am Freitag laut Bericht des Standard (15.11.2919) den Fall des Regisseurs David Bösch vor, der als Zeuge erschien. "Ihm einst zustehende Honorare in Höhe von rund 185.000 Euro sind bis heute unauffindbar. Dass er sie Stantejsky zur 'Verwahrung' überließ, stellte Bösch in Abrede, er habe das Geld ja nie gesehen."

Einem Prozessbericht der Wiener Tageszeitung Die Presse (15.9.2019) zufolge sagte Silvia Stantejsky aus, dass sie mit den Honoraren von Bösch "nur intern 'Löcher gestopft', also Außenstände des finanziell schwer angeschlagenen Theaters beglichen habe."

Das ursprünglich für Dienstag angekündigte Urteil über Stantejsky wird es, wie am Freitagnachmittag mitgeteilt wurde, nicht geben, so der Standard am 15.11.2019. "Aufgrund der Verschiebung von Zeugenaussagen wird eine Vertagung nötig. Das Urteil wird frühestens in der Woche vor Weihnachten oder möglicherweise erst im Jänner fallen."

 

20. November 2019. Auch Ex-Intendant Hartmann hat inzwischen ausgesagt. Er habe angedeutet, dass die Finanz-Schwierigkeiten an der Burg schon vor 2008 begonnen haben könnte, so der Wiener Standard. Stantejskys Zahlen habe Hartmann laut eigener Aussage undurchsichtig gefunden.

Der Ex-Holdinchef Georg Springer hingegen beschrieb die Angeklagte vor Gericht hingegen als "kompetentes, fachlich hervorragendes, Arbeitstier", allerdings auch als "delegationsfeindlich bis zum Exzess". Sie sei mit dem eigenen Arbeitspensum überfordert gewesen.

Aus Springers Aussagen werde laut Standard klar: "Die in den Jahren der Misere zuständigen Minister hatten sich in der Frage, entweder die Subvention zu erhöhen oder den künstlerischen Auftrag zu reduzieren, für weitgehende Untätigkeit entschieden." 

Der Prozess wurde auf den 27. Jänner vertagt.

(sle)

 

Hier der Link zu unserer Chronik des Skandals im Jahr 2014.

 

 

 

 

 

 

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