Das Theater spielt sich selbst

von Jeff Thoss

Luxemburg, 11. Februar 2020. Ein "zersprungenes Irgendetwas" kündigt der Chor zu Beginn von Dea Lohers "Das letzte Feuer" an. Anna-Elisabeth Fricks Luxemburger Inszenierung wird bestimmt von der Frage, wie sich das auf die Bühne bringen lässt, ohne dass der Abend dabei selbst zerspringt. Der Unfalltod eines Kindes stellt den abwesenden Mittelpunkt von Lohers Stück dar. Chorische Passagen wechseln sich mit kurzen Szenen ab, in denen eine Nachbarschaftsgemeinde den Unfallhergang umkreist und Verluste beklagt – eines Sohns, des Gedächtnisses, Verlust von Arbeit, von Körperteilen, der allgemeinen Sicherheit und Ordnung.

Bühne auf der Bühne

Frick hat sich für eine schlüssige, aber wenig originelle Herangehensweise entschieden: klassisches Metatheater. Am Anfang schauen sich die Figuren einen Sitcom-Vorspann ihres eigenen Stücks an, der auf einen großen gefliesten Kasten projiziert wird. Im Anschluss öffnet sich dieser und gibt den Blick auf eine hell erleuchtete Bühne-auf-der-Bühne frei. Einzeln oder in kleine Gruppen steigen die Schauspieler*innen in den Kasten und legen los. Der Rest sitzt draußen auf kleinen Stühlen und schaut zu. Um den Chor zu bilden, treten sie zwischendurch alle gemeinsam an den Bühnenrand. Beobachtet werden sie derweil fast durchgängig von Rabe, der ortsfremden Zeugin des Unfalls, vom Balkon aus.

DasLetztFeuer2 560 Boshua uKara Schröder, Brigitte Urhausen, Josiane Peiffer, Matthias Breitenbach, Nora Koenig © Boshua

Bad Taste-Party

Innerhalb dieses Rahmens bietet Anna-Elisabeth Frick ein Potpourri aus Szenen, in etwa so bunt zusammengewürfelt wie die Kostüme, die aus den morgendlichen Überresten einer Bad Taste-Party zu stammen scheinen. Durchsichtige Fummel und T-Shirts mit Neonaufdruck künden – ebenso wie die Musikeinlagen, die grellen Leuchtstoffröhren oder das geloopte Video eines Sonnenuntergangs am Strand – von einer Vorliebe für Kitsch und Trash der 80er und 90er, die die Inszenierung aus nicht unbedingt nachvollziehbaren Gründen aufzeigt.

DasletzteFeuer4 560 Boshua uKitsch und Trash! © Boshua

Es wird getanzt, gerungen, gezappelt und wie ein Vogel geschrien auf der Bühne. Dabei kann man vielen gelungenen Szenen beiwohnen. Obwohl der Abend als Ensembleleistung angelegt ist, stechen einzelne Schauspieler*innen hervor. Kara Schröder führt als Karoline Publikum und Mitspieler wiederholt hinters Licht, wenn sie blitzartig die Maske der dümmlichen Reinigungshilfe ablegt. Josiane Peiffer gibt die an Alzheimer erkrankte Rosmarie in naiver Erhabenheit. Matthias Breitenbach sorgt als dauerzuckender Selbstmörder Ludwig für ein spätes Highlight. Und Catherine Elsen stiehlt, wenn sie als Rabe denn einmal ihren Balkon verlässt, sowieso allen im wahrsten Sinne des Wortes die Show.

Tonlage mit Variationen

Rabes überraschende Eingriffe in das Bühnengeschehen, als Showmaster oder Chansonsängerin, bilden wichtige Kontrapunkte im gelegentlich etwas richtungslosen Abend. Man kann kaum behaupten, dass wenig geboten wird in dieser Aufführung von "Das letzte Feuer", die mit Musik, Tanz und Schauspiel geschickt umgeht und die Tonlage beständig variiert. Das Premierenpublikum hat dies mit Bravorufen quittiert. Nur mangelt es eben am Gesamtkonzept, wird alles von der Klammer des Spiels-im-Spiel zusammengehalten, die wie eine Verlegenheitslösung wirkt, ein alter Theaterkniff, so lehrbuchmäßig angewandt, dass man ihn sich gleich wieder dorthin zurückwünscht.

Das letzte Feuer
von Dea Loher
Regie: Anna-Elisabeth Frick, Bühne, Kostüme & Licht: Lynn Scheidweiler, Mariam Haas, Musik: Max Thommes, Choreografie: René Alejandro Huari Mateus, Ton/Video: Joël Mangen, Dramaturgie: Anna-Sophia Güther.
Mit: Matthias Breitenbach, Catherine Elsen, Nora Koenig, Josiane Peiffer, Konstantin Rommelfangen, Kara Schröder, Max Thommes, Brigitte Urhausen, Finn Bösenberg.
Premiere am 11. Februar 2020
Dauer: 1 Stunde 50 Minuten, keine Pause

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