Angeblicher Deckname IM Lautaro

Heilbronn, 26. September 2008. Der chilenische Regisseur Alejandro Quintana, der seit letztem Jahr Schauspieldirektor des Theater Heilbronn ist, steht unter dem Verdacht, zwischen 1978 und 1982 inoffizieller Mitarbeiter der DDR-Staatsicherheit gewesen zu sein.

Wie Welt Online mit Bezug auf dpa meldet, gehe aus den Akten der Birthler-Behörde "zweifelsfrei hervor, dass es eine wissentliche und willentliche Zusammenarbeit Quintanas mit dem Geheimdienst gab". Der 57-jährige Regisseur, der 1973 nach dem Militärputsch gegen Salvador Allende in die DDR floh und mit anderen Exilchilenen in Rostock eine Theatergruppe gründete, bestreitet den Vorwurf. Auch die Stadt und das Theater Heilbronn warnten, so dpa, "vor einer Vorverurteilung".

In der Regionalzeitung Heilbronner Stimme indessen schreibt Martin Ferber in der heutigen Ausgabe:

"Nach den unserer Redaktion vorliegenden Akten der von Marianne Birthler geleiteten Stasi-Unterlagenbehörde erhielt der heutige Heilbronner Schauspieldirektor unter der Registernummer 'Rostock / I / 527 / 78' vom MfS zunächst den Decknamen 'IM Lautaro', benannt nach der Theatergruppe 'Teatro Lautaro', der Quintana mit chilenischen Landsleuten in Rostock angehörte, seit dem 29. Januar 1980 führte ihn das Mielke-Ministerium unter dem Decknamen 'IM Juan'. Seine Aufgabe: Er sollte alles über seine chilenischen Landsleute am Rostocker Theater berichten. Und das tat er zur Zufriedenheit seines Führungsoffiziers. 'Er war bemüht, die gestellten Fragen ausführlich zu beantworten', heißt es in einem Bericht vom 9. Mai 1978, im August 1978 lobte ihn der Führungsoffizier, weil er versucht habe, 'selbständig für das MfS interessierende Sachverhalte offen darzulegen'."

In einem weiteren Artikel informiert die Zeitung darüber, dass Quintana erklärt hat, Einsicht in seine Akte zu beantragen, "um zu den erhobenen Vorwürfen konkret Stellung nehmen zu können und diese zu entkräften". Auch die Stadt selbst hat Akteneinsicht beantragt, aber seit der "der Novellierung des Stasi-Unterlagen-Gesetzes sei es 'Dienstherren nicht mehr möglich, Akteneinsicht in die Unterlagen ihrer Mitarbeiter zu bekommen'", erklärte Kulturbürgermeister Harry Mergel. Theaterintendant Axel Vornam gebe an, von den Vorwürfen nichts gewusst zu haben.

Vor zwei Jahren war Alejandro Quintana als Nachfolger von Johanna Schall für den Posten des Schauspieldirektors am Volkstheater Rostock fest im Gespräch gewesen. Im Mai 2007 ging er aber dann ans Theater Heilbronn.

(peko)

Nach dem Stand vom 28. Oktober 2008 ist der Stasi-Verdacht gegenüber Quintana entkräftet. Lesen Sie mehr dazu hier.

 

mehr meldungen

Kommentare  
Zu Quintana: Sind Stasi-Akten verläßliche Quellen?
Sicherlich ist es (noch) zu früh, Herrn Quintana zu verteidigen oder auch zu verdammen. Leider aber drehen sich die Diskussionen, die solche Meldungen auslösen, immer nur um das eine: schuldig oder nicht schuldig. Was dabei immer im Hintergrund bleibt, sind doch die Fragen nach den eigentlichen Problemen - und auch von der Birthler-Behörde scheint mir da nicht genügend Aufschluss zu kommen. Also: Wie zuverlässig sind die Unterlagen als historische Quelle? Wie sehr waren die Führungsoffiziere unter Druck und haben "Erfolgsmeldungen" produziert? Konnten Aussagen von sogenannten IMs in die Akten kommen, ohne dass diese davon wussten? Das sind Fragen, die in den Fällen Gröllmann, Gysi, jetzt Quintana immer wieder aufgeworfen werden, deren erschöpfende oder auch nur plausible Behandlung ich aber an noch keiner Stelle gefunden habe. Statt dessen: scharfrichterliche Urteile! Wer hilft?
Zu Quintana: Konservierter Hass
Das mit "dem Finger zeigen" auf den Anderen schafft positiven Selbstwert. Nun ist die DDR leider weg, aber manchmal kann man trotzdem noch mit "dem Finger zeigen"...
Solange die BRD Selbstwert (nur) aus der Differenz bezieht, braucht sie den (konservierten) Hass auf die/Schauder vor der Vergangenheit.
Zu Quintana: Zeitung schlachtete Unterlagen aus
Es ist eigentlich schon gleichgültig, was eine genaue Prüfung der Unterlagen und ein eventueller Gerichtsbeschluss erbringen werden.
Eine Zeitung hat Geheimdienstunterlagen ausgehändigt bekommen, die sie ohne zu hinterfragen zum Nennwert ausschlachten durfte. Was auch immer passiert, Quinatana ist in der Öffentlichkeit für immer diskreditiert.
Zu Quinatna: Nicht in meiner Akte
ich war von 1983-86 an der schauspielschule in rostock student und bin anfang 86 exmatrikuliert worden, was mit der ausreise meiner mutter 1983 nach westberlin zusammenhing. natürlich habe ich in den 90ern meine akte eingesehen und so manchen gefunden der jetzt noch u.a. in rostock tätig ist, aber nicht alechandro quinatana.
zu Quintana: es riecht nach Boykott
Das riecht doch geradezu nach Boykott.
Quintana eröffnet in Heilbronn seine erste Spielzeit, und schwups tauchen Anschuldigungen auf?
Davon abgesehen, WAS ein Mensch WAR wird in der Stasi-Frage völlig überbewertet, wichtig: WAS hat er tatsächlich GETAN?
Und wie die Stasi Leute geworben hat sollte eigentlich langsam bekannt sein.
Zu Quintana: stromlinienförmiges Verhalten
Leider ist Herr Quintana schon häufiger durch stromlinienförmiges Verhalten und Gedächnislücken aufgefallen! Schade bei der guten künstlerischen Leistung, zu der er im Stande ist!
Zu Quintana: Diktatur & Erpressbarkeit
Ich selber bin Jahrgang 1930 und habe noch eine Diktatur, die des Nationalsozialismus miterlebt. Als Dreizehnjährige hatte mich das brutale Regime verblendet genug abgerichtet, daß ich beinahe meine eigene Patentante angezeigt hätte, weil sie behauptet hat, wir würden den Krieg verlieren - was schon abzusehen war. Ich weiß, was Diktaturen mit einer reinen Seele machen können.
Dieser Teil der Verblendung trifft nun auf Herrn Quintana sicher nicht zu. Aber Diktaturen machen auch erpreßbar!
Einmal angenommen, Herr Quintana hätte andere chilenische Emigranten aus seinem überschaubaren Bereich Theater beobachten müssen...
Es ist ein Unterschied, ob solches des schnöden Materialismus wegen oder des nackten Überlebens willen geschieht.
Mit Sicherheit ist man erpreßbar, wenn man als ganz junger Mann dem Allende-Terror entkommen ist, und die DDR einem Asyl gewährt hat. Muß man doch befürchten wieder abgeschoben zu werden - wenn man nicht willig ist. Bekannt ist, daß die Staatssicherheit der ehemaligen DDR nicht zimperlich mit den Menschen umging, und schon gar icht mit Ausländern.
Soweit zu den noch erst zu beweisenden unterstellten "Fakten", die der Journalist zitiert. Aber wie soll so ein Beweis erbracht werden?
Auf jeden Fall ist der Teufel nicht wie hier Herr Quintana, sondern ganz entschieden die STASI!
Zu Quintana:
Kommentar zurückgezogen
Kommentar schreiben