Aus Gründen realistischer Vorsorge

Recklinghausen, 25. März 2020. Die Ruhrfestspiele 2020 werden wegen der aktuellen Entwicklungen im Zusammenhang mit dem Coronavirus abgesagt. Sie sollten ursprünglich vom 1. Mai bis 13. Juni 2020 in und um Recklinghausen stattfinden.

Hintergrund ist, dass der Kreis Recklinghausen "aus Gründen realistischer und nicht nur äußerster Vorsorge" eine Absage der Ruhrfestspiele 2020 empfohlen hat. Außerdem sei es wegen der derzeitigen Bestimmungen zum internationalen Reiseverkehr, zu Grenzschließungen, zur Einschränkung der öffentlichen Versammlungsmöglichkeiten, zu Theaterschließungen und der Notwendigkeit der Beendigung des Probenbetriebes "unmöglich, die rund 90 Produktionen von 760 Künstler*innen und Künstlern aus 4 Kontinenten und 20 Ländern verantwortungsvoll und verlässlich vorzubereiten und umzusetzen", so die Mitteilung.

Momentan prüfe das Team der Ruhrfestspiele intensiv verschiedene Möglichkeiten, Teile des diesjährigen Programms in den Herbst 2020 zu verschieben. Informationen zur Rückgabe gekaufter Eintrittskarten gebe es auf ihrer Homepage. Allerdings weisen die Ruhrfestspiele Karteninhaber*innen ausdrücklich auf die Möglichkeit hin, auf eine Rückerstattung oder teilweise Rückerstattung des Kartenpreises zugunsten der Ruhrfestspiele zu verzichten. Dafür werde eine Spendenbescheinigung ausgestellt.

(Ruhrfestspiele / geka)

Kommentare  
Ruhrfestspiele: nicht solidarisch
Als vor Jahren die Ruhrtriennale gegründet wurde, war es Thema an den NRW-Bûhnen, dass das Festival im Spätsommer sein muss und nicht zu weit in den Herbst gehen soll, weil es sonst den vielen Bühnen der Region Konkurrenz macht. Es ging auch mal bis Oktober, wenn ich mich richtig erinnere, die Theater bekamen die Auswirkungen zu spüren. Die Stadttheater haben in diesen Monaten mit großen Einnahmeverlusten zu kämpfen und man muss davon ausgehen, dass im Herbst das Publikum nur zögernd wiederkommt und besonders die älteren Abonnenten Angst haben. Machen wir uns nichts vor: wenn jemand schon vom Sommer seine drei Karten für Lesungen und Vorstellungen mit Fernsehstars in der Schublade hat, wird er lieber zum Festival gehen und den Besuch im lokalen Stadttheater aufschieben. Die Ruhrfestspiele werden den Bühnen das dringend benötigte Publikum und die Aufmerksamkeit entziehen. Für ein Festival, das aus dem Geist der Solidarität entstanden ist, ist das sehr unsolidarisch gedacht.
Ruhrfestspiele: Konkurrenzdenken
Verehrte Dramaturgin, war es Thema an den NRW-Bühnen, dass die hoch subventionierten Bühnen zwei Tage in der Woche schließen, damit den Kleinbühnen und Freien Gruppen keine Zuschauer entgehen? Haben sie jemals auf auf irgendetwas zugunsten der ökonomisch Schwächeren verzichtet? Der Verdacht drängt sich auf: das Gerede von der Solidarität zielt leider nur auf den eigenen Anteil am Markt. Es wäre schön, wenn es anders wäre. Ist es aber nicht. Das Konkurrenzdenken verhindert Solidarität. Die prekäre Lage des Personals an den Stadttheatern ist bedauerlich. Die der Mitarbeiter von Kleintheatern ist es auch. Und was ist mit den arbeitslosen Schauspieler*innen? Selbst bei der Ruhrtriennale arbeiten nicht nur Fernsehstars. Sogar die Zuschauer, die diese sehen wollen, verdienen Solidarität. Wer sie einfordert, sollte sie auch erkennbar leisten. Alles andere ist Heuchelei.
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