Das Theater und sein digitales Double

12. April 2020. Das Streaming von Theatervorstellungen ist umstritten. Dabei kann es Kanäle öffnen, die der Bühnenwelt bis dato verschlossen waren.

Von Christian Rakow

12. April 2020. Kennen Sie den Moment, wenn es auf Partys gesellig wird und ein spontanes Stegreifspiel anhebt: "Hasta la vista, Baby" brummt jemand mit kernig österreichischem Englisch. Und alle posaunen blitzschnell raus, woher das Filmzitat stammt. Oder "Ich habe Dinge gesehen, die Ihr Menschen niemals glauben würdet, brennende Schiffe, draußen vor der Schulter des Orion…". Na, Sie wissen, wie solche Ratespiele ablaufen. Es ist ein Turnen in den Schatzkammern unseres populärkulturellen Wissens. Man zeigt sich gegenseitig Vorlieben, man teilt, man performt ein wenig. Ich habe mir immer vorgestellt, wie wunderbar es wäre, wenn es in solcher Runde auch einfach heißen könnte: "Wenn wir Schatten Euch missfielen, denkt zum Trost von diesen Spielen…" – und zwar ganz selbstverständlich, ohne Bildungsdünkel, einfach weil man weiß, dass andere wissen.

Das Glühen der Router

Wir sind jetzt einen knappen Monat im Corona-Shutdown der Theater und also einen Monat inmitten eines ungekannten Rushs von Theaterstreams im Netz. Inszenierungen, die aktuell nicht live gezeigt werden können, brechen über die Bildschirme herein. "Corona-Reflex"-haft (Katja Grawinkel-Claasen) werde "gestreamt, bis die Router in die Knie gehen" (Uwe Mattheiss). So winken die ersten kritischen Stimmen lautstark ab. Mich irritiert diese Rasanz, mit der gerade geöffnete Türen sogleich zugeschlagen werden sollen. Natürlich irritiert sie mich. Unsere Website nachtkritik.de tut ja mit dem #nachtkritikstream an vorderster Front mit und zeigt allabendlich eine in Proben- oder Aufführungsmitschnitten festgehalte Theaterproduktion, aus großen und kleinen Häusern, Stadttheatern und freier Szene. Von der Rampe in den Router, dass er glühe.

 

 

 

Bis vor kurzem waren solche Vorgänge ein Ding der Unmöglichkeit. Die komplexe Rechtelage zwischen Theatern, Verlagen und beteiligten Künstler*innen stand einer breiteren Sekundärverwertung im Netz entgegen. Die Exklusivität des Live-Ereignisses war bei allem offensiv zur Schau getragenen Verständnis für Öffnungsdiskussionen sakrosankt. (Veteranen der Livestream-Diskussionen in der Heinrich Böll Stiftung oder bei der Böll-Nachtkritik-Konferenz "Theater und Netz" wissen ein Lied zu singen.) Die Corona-Krise aber, in der riesigen kulturellen Sektoren ihr Gegenstand schlagartig abhandenkommt, zwingt jetzt zum Umdenken und zum Vollzug lange angedachter Experimente. Die Rechteinhaber setzen angesichts der Ausnahmesituation auf Kulanz.

Die Schrumpfungsdiagnose

"Das alles hat mit Theater nichts zu tun!“, tönt es allenthalben selbst von klügsten Köpfen, die sich in der Krise nicht scheuen, das Offensichtlichste vorzutragen. Es ist nicht live, nicht ko-präsent (also mit Spieler*in und Publikum in einem gemeinsamen physischen Raum), es ist nicht sozial (also ohne Cappuccino und Schwatz im Foyer) und so fort. Das Netzabbild hat eine andere "Materialität" (Mattheiss).

Ja, nun, wer hätte wohl auch anderes angenommen? Selbst wenn das im Netz Gezeigte nicht Konserven wären, sondern genuine Livestreams (also in Echtzeit abgefilmte Proben oder Aufführungen) käme das digitale Ergebnis in seinem Repräsentationscharakter wenig näher an das Gesamtereignis Theater heran. Die Frage nach Abbildhaftigkeit und Adäquatheit führt vollkommen in die Irre. Wir befinden uns online in einem anderen Raum: und der verweist auf den Ausgangspunkt Theater in höchst reduzierter Form. Er bietet – wie auch immer gut gefilmt – ein Zitat des Abwesenden. Der Regisseur Christopher Rüping sagte in den letzten Tagen verschiedentlich (zuletzt im Theaterpodcast #24): Streams verengen das Theater auf den "informativen Wert". Was sicherlich die theoretisch prägnanteste Formulierung dieser Schrumpfungsdiagnose ist.

Etwas geht verloren, etwas entsteht

Wie aber? Was gibt es von diesen Streams mehr zu sagen als die offensichtliche Verlusterzählung? Um diese Frage zu beantworten, muss man den Blick vom Ursprung umlenken auf die Praxis, die in der Netzkultur an jedwede Erzeugnisse und also auch an das multimedial transformierte Theater anschließt. Im Zitat gewinnt das eigentlich so exklusive Ereignis eine ungekannte Mobilität. Plötzlich kann man auch in Berlin schauen, wovon in Düsseldorf die Rede ist. Das Privileg von Kurator*innen und Dramaturg*innen, selbst ohne Reiseaufwand breit zu sichten, demokratisiert sich. Alles, was Rumor war (und hier bei Nachtkritik kennen wir uns mit Rumor in der Theaterwelt ziemlich gut aus) kriegt plötzlich eine höhere Plastizität. Was Kolleg*innen in Kritiken lobten, wird nun um Grade anschaulicher. Aber eben um Grade. Es bleibt im Kern zunächst "Information" (Rüping).

 

 

 

Will man wissen, was über den Informationscharakter hinausgeht, muss man schauen, welche ästhetischen und kommunikativen Handlungen an Streams anschließen, wie Spuren des abwesenden Theaters neuen Lektüren unterworfen werden. Angeregt von Christopher Rüping selbst haben wir für den nachtkritikstream seiner Brecht-Inszenierung Trommeln in der Nacht einen parallelen Live-Chat organisiert. Zunächst einfach in dem gemeinsamen Bestreben, für das Filmschauen etwas Gemeinschaftlichkeit herzustellen, ein Theatergefühl des Miteinander zu simulieren. Alle verabreden sich auf 20 Uhr, drücken simultan auf Play, schauen und schwatzen los.

Epiphanien des Sinns

So ein Chat aber – als genuines Netzformat – hat seine eigenen Gesetze. Und die erzeugen im Zusammenstoß mit gestreamtem Theater unvermutete Effekte. Ich stimme Christopher Rüping absolut zu, dass Theater im Netz, dort wo es kontextfrei bleibt, den Touch des "Enigmatischen" hat, als connoisseurshafter Genuss für Hardcore-Nerds abgebucht werden kann (theaterpodcast #24, Minute 26:40). Der Chat aber als starkes Kontextualisierungsangebot erwies sich bisher in der Praxis als unheimlich durchlässig. Schon dank des Tempos und der aberwitzigen Fülle an Beiträgen (meist sind rund 30 Leute von etwa 200 Angemeldeten aktiv).

Nirgends wird lange getippt. Statt gelehrter Ko-Referate, wie man sie von Publikumsgesprächen kennt, gibt es kurze, prägnante Fragen, laienhafte und kennerhafte, kleine Beobachtungen und hingehuschte Interpretationsangebote, Zwischenrufe und Zwischenapplaus, im Gemenge dabei: Fans, Kritiker*innen, Macher*innen. Ein enthierarchisiertes und ziemlich ungeschütztes Sprechen, wenig distinguiert, ganz anders als man es vom Theater landläufig kennt. Kurz gesagt: Der Pop-Appeal war hoch, das eingangs beschriebene Partygefühl nicht fern.

 

 

Aber das ist nur der allgemeine Formaspekt dieses Chat-Diskurses. Zugleich gab es immer wieder Epiphanien von starker Inhaltlichkeit in der Auseinandersetzung. Der Chat bietet ganz offenbar eine Möglichkeit, wie sie bis dato dem Theater nicht zur Verfügung stand: ein performatives Close-Reading, Analysen im Schnellzeichner, sehr konkret an Szenen und Momenten der Inszenierung angepinnt. So nah kommt kein Publikumsgespräch an eine Inszenierung und ihre sinntragenden Strukturen heran.

Vom Stream zum gif

Natürlich erschöpft sich die Frage nach den "Netz-Praktiken", die an Streamings anschließen, nicht in bloß diskursiven Effekten (also in dem neuen Sprechen, das hier über Theater ermöglicht wird). Die Netzaktivistin Tina Lorenz (die bereits 2014 in einem Essay für nachtkritik.de länger über Livestreaming im Theater nachdachte) schoss, kaum dass der nachtkritikstream startete, das erste selbstgebastelte gif raus (zu Ersan Mondtags "Tyrannis"). Memes, gifs – solche visuellen Kleinstbotschaften, die dann irgendwo in andere Kommunikationskanäle schwappen, sind Teil jener Kultur des Zitats, der Kopie, des "Mash-Up" (Dirk von Gehlen), die dem Theater bis dato verschlossen war. Nicht zu seinem Guten.

Potenziell gif-fähig: Wiebke Puls als Frau Balicke in "Trommeln in der Nacht" an den Münchner Kammerspielen

Populärkulturelle Praktiken werten das Ursprungsereignis auf, statten es mit neuem symbolischen Kapital aus. Kennen Sie das gif, in dem Leonardo di Caprio Ihnen zuprostet, wenn Sie auf Twitter eine richtig schöne Punchline rausgehauen haben? Warum sollte das Theater in solchen Galerien fehlen? Warum zum Beispiel sollte der unsterblich cool verspannte Tanz von Wiebke Puls als angetrunkener Frau Balicke in "Trommeln in der Nacht" nicht auch solch einen ikonischen Moment abwerfen und in die Weiten des Netzes schwappen? Es wäre die Rückkehr des Theaters an die Orte, an denen heute das Gespräch über Kultur abläuft.

Den Sorgenträgern à la Mattheiss, der Live-Künstler*innen im Zeitalter ihrer digitalen Reproduzierbarkeit bereits zu Uber-Taxifahrern degradiert sieht, sei einstweilen zur Beruhigung mitgegeben: Ein Streaming für maximal 24 Stunden, das momentan die gängige Vereinbarung ist, nimmt dem Live-Event noch kaum etwas von seiner Exklusivität (und Profitabilität, sofern dieser Begriff im unterfinanzierten Theaterbereich überhaupt greift). Und der strukturelle Zitatcharakter des Ganzen verweist jede Kopie selbstredend auf das Real-Life-Event.

Pioniere des Streams

Die Netzpraktiken (Chat, Mash-up), die das visuelle Zitat des Theaterereignisses aufladen, statten es mit neuem Kontext aus, verwandeln die Repräsentation (das bloße Senden) in Interaktion (Spiel / Verarbeitung / Verwandlung). Und "Interaktion" ist natürlich der Schlüssel, um über Theater im Netz nachzudenken (Grawinkel-Claassen). Gesucht sind fraglos mehr Theaterstücke, die sich diesen Netzmöglichkeiten auch in der eigenen Genese bewusst sind. 2015 streamte nachtkritik live die Performancereihe Shakespeares Complete Works von Forced Entertainment (im Rahmen des Festivals "Foreign Affairs" der Berliner Festspiele).

Complete Works 560 Tim EtchellsNetzcompatible Shakespeare-Nacherzählung mit Haushaltsgegenständen von Forced Entertainment © Tim Etchells

Bis heute scheint mir diese Arbeit richtungsweisend. Weil Forced Entertainment in ihrer Inszenierung den strukturellen Zitatcharakter der gesamten Unternehmung und des Streams antizipierten. Weil Shakespares klassische Werke hier in hochgradig netzkompatiblen Paraphrasen und abkürzenden Nacherzählungen dargeboten wurden, an einem Küchentisch in lockerem Vortragston, mit Küchenutensilien, die die handelnden Figuren repräsentierten: Richard III. als Soja-Flasche. Reduktion war also schon im Ursprung Programm (hier mein Bericht von damals).

Auf Twitter formierten sich seinerzeit zwischen Sheffield und Berlin die Zuschauenden und hielten ihre Momente, Sentenzen und Beobachtungen wie im Poesiealbum fest (Twitter ist quasi das behagliche Äquivalent zum hektischeren Chat). Und tatsächlich gab es denn dort auch Sätze, die ich seit 2015 mit mir herumtrage, und die im eingangs beschriebenen Sinne absolut partyfähig wären, wenn sie denn einen größeren Echoraum bekämen. "He smiles as he kills" – Richard III., von William Shakespeare, nacherzählt von Forced Entertainment. Wer bietet mehr?

 

tt17 jury rakow text bildChristian Rakow, geboren 1976 in Rostock, ist nachtkritik.de-Co-Chefredakteur und Mitkurator der Konferenz Theater & Netz.




 

Kommentare  
Streaming: Tantiemen
Ich habe nichts gegen digitale, partizipative Theater-Formate, im Gegenteil. Und ich freue mich darauf, wenn die Krise da tatsächlich etwas aufbrechen sollte. Hier aber komplett zu verschweigen, dass der grösste Teil des online Outputs derzeit von Institutionen kommt, die damit - ohne sich in den meisten Fällen mit den freischaffenden Künstler*innen abzusprechen (geschweige denn sie dafür zu vergüten) - billige Kundenbindung und Branding zu betreiben... Das ist ziemlich dreist. Letztlich werden hier einfach Hierarchien und ökonomische Abhängigkeiten reproduziert, die ich viel lieber auf dem Müllhaufen der Krise sähe als die Liveness des Theater Vorgangs.
Streaming: jetzt voran
Sehr geehrter Herr Rakow, Sie verlangen einem an Ostern viel ab. Wäre Ihr Artikel halb so lang, hätte ich doppelt so viel Spaß daran. Die Thesen am Anfang sind es: Nutzt die Corona-Krise, lasst die Türen weit offen. Schafft Durchzug von der Rampe in den Router (bis er gülht, das haben Sie wunderbar geschrieben). Auch Ihre Streams können Sie weiter entwickeln, Live Chat gab es schon vor 100 Jahren in der Peepshow. Macht große Schritte voran, solange die Anwälte der Rechteinhaber ruhiggestellt sind. Und schöne Ostern auch!
Streaming: an die Spitze
Hallo Herr Huber, nennen Sie Ross und Reiter und kämpfen Sie dagegen. Nicht nur Kommentare schreiben und schweigen. Freischaffende Künstler gehören an die Spitze der Bewegung.
Streaming: drei Ausrufezeichen
Vielen Dank für diesen Zwischenruf, der mir aus der Seele spricht.

Die Streaming-Angebote der Theater und der sehr vielfältige Spielplan, den Nachtkritik kuratiert, präsentieren viele Inszenierungen, die ich schon länger sehen wollte, aber wegen Reise-Aufwand, Zeit und Kosten vermutlich nie gesehen hätte, oder Inszenierungen, von denen ich noch gar nicht gehört hatte. Deshalb unterstreiche ich Christian Rakows Hoffnung, dass Mitschnitte von Inszenierungen auch nach der Krise für Interessierte leichter zugänglich werden, und schließe mich dem Appell mit drei Ausrufezeichen an.

Ich bin auch dankbar für die interessante Schilderung, wie viele Möglichkeiten sich der Flüchtigkeits-Dogmatismus eines mythisch überhöhten Live-Theater-Purismus selbst abschneidet, in dem er auf Einflüsse auf Populär-Kultur und Gifs verzichtet und sich stattdessen elitär abschottet.

An einer Stelle muss ich widersprechen: Auch Streams können mehr als nur "informativen Wert" haben. Im besten Fall bietet auch die Auzfzeichnung ein tolles Erlebnis und einen intensiven Kunst-Genuss. Das schafft sicher nicht jeder Stream, genausowenig aber jeder Live-Theater-Abend.

Die Aufzeichnungen von Mehmet Atescis "Small Town Boy"-Songs oder Birte Schnöink/Mirco Kreibich als "Romeo und Julia" zählen zu meinen Highlights der Saison. Ich möchte sie genauso wenig missen wie einige Live-Theater-Erlebnisse. Deswegen kann ich mich nur Christian Rakows Mahnung anschließen, nicht das eine gegen das andere auszuspielen und Türen vorschnell zuzuschlagen.
Streaming: bereichernd
Ich möchte mich an dieser Stelle ganz herzlich bedanken für den Online Spielplan und das Zusammentragen der Angebote! Mir gibt das in dieser seltsamen Zeit echt viel. Ich bin zwar ein grosser Serienfan, aber ich bin grade heilfroh um diese Altenative zu Netflix und Co. Denn auch die allerbeste Serie hinterlässt in mir irgendwann ein Gefühl der Leere. Das geht mir mit den gestreamten Theaterstücken bisher nicht so und zwar fast gleichgültig, ob mir was gefällt oder nicht. Vielleicht gerade WEIL es einem nicht völlig reinzieht und man somit mehr Platz für eigene Gedanken hat, frei nach Brecht? Keine Ahnung, auf jeden Fall: Vielen Dank!
Streaming: Hauptsache Angebot
Sehr geehrter Herr Rakow, Ihre Behauptung "Die Rechteinhaber setzen angesichts der Ausnahmesituation auf Kulanz" mag teils wahr sein. Aber wie D. Huber sagt, bitte verschweigen Sie nicht, dass der grösste Teil des online Outputs derzeit von Institutionen kommt, und in den meisten Fällen, den freischaffenden Künstler*innen weder gefragt noch dafür vergütet werden. Sind Nachkritik, oder Sie Herr Rakow Urheberrechte egal?

(Hallo Bernd Beck -
wir wissen, dass die Theater mit viel Aufwand die Rechte klären, es sind teils Abendgagen für Schauspieler*innen im Gespräch, die Theaterverlage handeln für die Dramatiker*innen Honorare aus fürs Streaming. Welche freischaffenden Künstler*innen meinen Sie genau?
sik / nachtkritik.de)
Streaming: yt/twitch/discord zB
vielen dank für diesen artikel! alles klar, alles richtig. schön, wenn schon beinahe niedlich altbackene formate und templates (wie das leo-prost-gif) jetzt auch in den theaterdiskurs finden - aber auf anderen plattformen schon lange und in deutlich höherer qualität, dichte, komplexität und ja, coolness beacktert werden, auf twitch, discord oder good old youtube. das macht hoffnung! natürlich ist der stream schön für theatermacher*innen und liebhaber*innen, man sieht die künstlerischen mittel sogar teilweise deutlicher, weil distanzierter- und man kann den konsum eigenmächtig einteilen. wieviele menschen schauen nicht nebenbei noch andere dinge, arbeiten mit geöffneten theaterstream oder stoppen kurz, um kaffee zu machen? und warum stream, warum sich nicht vielleicht live und mit einwilligung in der eigenen bude den laptop hacken lassen und dabei zuschauen?

trotzdem wundere ich mich, dass der erste impuls nicht ist, auf die straße zu gehen und für menschen am geöffneten fenster oder auf sicherer distanz theater zu machen (klar, die cops, aber da könnte es ja eine lösung geben). das wäre doch gerade jetzt spektakel, wo man digital tiger king nur schwer das wasser reichen kann.

(und der zugang zum internet auch weiterhin privileg ist, während die marginalisierten menschen, die auf der bühne so oft beschworen und konstruiert werden auf der straße oder in den geflüchtetenunterkünften ohne netzzugang leben müssen)
Streaming: zeitgemäß
Danke für diese Gedanken und für den Online-Theater-Plan. Es ist absolut zu begrüßen, dass Stücke, die eh nicht mehr auf den Spielplänen stehen, auf diese Weise wieder zugänglich werden. Was hat es für einen Sinn, diese Aufnahmen, die doch existieren, zurückzuhalten? Verdienen kann man damit doch eh nicht mehr, aber da die Theater ja größtenteils von der öffentlichen Hand leben, sollte dieser dann letztlich das auch wieder gegeben werden.

Hinzu kommt: Was ist nicht permanent die Rede von Zeitgemäßheit und Relevanz des Theaters, von dem Einfluss des Digitalen usw., das muss sich doch auch im Online-Auftritt abbilden.
Wer nun sagt, Theater sei doch etwas anderes als Netflix, der hat Recht - aber genau das wäre auch ein Argument, online zu gehen, um zu zeigen, dass es noch ganz andere Arten von Erzählung und Gestaltung gibt als endlose Serien mit dem obligatorischen Cliffhanger etc.

Und ein letzter Gedanke: Wie viele Regisseure setzen heute selbstverständlich Video im Theater ein - aber jetzt meutern sie, wenn es darum geht, Theater als Video zu veröffentlichen..?
Streaming: Transparenz
(Hallo Bernd Beck -
wir wissen, dass die Theater mit viel Aufwand die Rechte klären, es sind teils Abendgagen für Schauspieler*innen im Gespräch, die Theaterverlage handeln für die Dramatiker*innen Honorare aus fürs Streaming. Welche freischaffenden Künstler*innen meinen Sie genau?
sik / nachtkritik.de)

Ich weiss, dass einige Theater die Rechte klären, aber wieso betonen Sie "mit viel Aufwand"? Streamen ohne die Rechte vorher zu klären ist rechtswidrig, Dennoch passiert.

Welche freischaffenden Künstler*innen meine ich genau? z.B. Regisseur*innen, Bühnenbildner*innen, Kostümbildner*innen.

Sie meinen "es sind teils Abendgagen für Schauspieler*innen im Gespräch". Bitte nennen welche Theater führen solche Gespräche,
Streaming: und die Regie?
" ...wir wissen, dass die Theater mit viel Aufwand die Rechte klären, es sind teils Abendgagen für Schauspieler*innen im Gespräch, die Theaterverlage handeln für die Dramatiker*innen Honorare aus fürs Streaming. Welche freischaffenden Künstler*innen meinen Sie genau? "

Das wissen Sie also`? Es ist in der Verallgemeinerung absoluter Quatsch was Sie hier schreiben. Ich weiß von drei Staats-Theatern welche die Regieteams um tantiemenfreie Streamingrechte bitten und diese einfordern.

Es geht NICHT IMMER nur um die Darstellende Sparte, dies wird in fast allen Diskussionen vergessen.
Von den Theatern, von Nachtkritik und von den Hilfsfonds , welche als Empfehlung (Baden Württemberg) angeben: da gelten die Hartz IV Bestimmungen.
Streaming: Lesen!
Versäumte Chance, der Kostenlos-Kultur im Netz etwas abzuringen. Streamt ohne Ende, als hätten nicht alle anderen Kultur-Sparten darunter gelitten, dass der Inhalt frei im Netz herumfliegt! Inzwischen merkt ja auch Nachtkritik, dass vom Werbekuchen zu leben schwierig ist. Ich schreibe das nicht mit Häme, sondern aus Sorge: Nun gibt‘s das best of Theater kostenlos. „Kommst du mit in den neuen Ibsen?“ - „Nee, das schau ich mir in ein paar Wochen im Stream an.“

Urheberrechte haben ihren Sinn, sie zu entwerten hat seinen Preis.

Ich liebe die Idee von theaterstudent*, Straßentheater zu machen! Muss man allerdings für raus aus der Komfortzone.

Meine Vorstellung war noch viel banaler: Vielleicht nutzt man die Zeit auch einfach, um Stücke mal wieder zu lesen? Das ist natürlich etwas anstrengender, als neben dem Bügeln einen Computer laufen zu lassen. Immerhin würden für das Partyspiel des Autors auch manche Sätze herausspringen.

Fazit: Als Ablenkung, als mauer Ersatz, als Covid-Maßnahme begrenzt okay; und in der Tat ist es eine Freude, mal in alte Inszenierungen schauen zu können. Aber überhöhen muss man‘s auch nicht. Lesen!
Streaming: demokratisch
Christian Rakows Argumentation leuchtet mir ein. Er fängt ja auch die meisten möglichen Einwände gleich ab. Ohnedies wäre es sinnlos, jemandem zu widersprechen, der vom Netz euphorisiert ist und es lange vor Corona zu seiner Sache gemacht hat. Dem Verdacht der Unaufgeschlossenheit für das Neue kann man kaum entgehen. Nur zwei Nachfragen: 1. Es gibt ja Erfahrungen aus anderen Medien. Das Kunstbuch und die Schallplatte haben Ähnliches geleistet wie es heute das Streaming tut. Sie haben Bildende Kunst und Musik für breite Kreise geöffnet, denen sie zuvor vorenthalten geblieben waren, sie ökonomisch, örtlich und in der Handhabbarkeit zugänglich gemacht. Mit anderen Worten: sie sind demokratische Errungenschaften. Die gute Nachricht: sie haben nicht, wie manche befürchtet hatten, Museen und Konzerte wegrationalisiert. Die Überlegung: Museen und Konzerte müssen also etwas zu bieten haben, was Kunstbuch und Schallplatte fehlt. Ist das beim Theater im Verhältnis zum Stream anders? 2. Die Möglichkeiten des Chat hat Rakow skizziert und praktischerweise während exemplarischer Streamings vorgeführt. Meine schüchterne Frage dazu: Ist zerstreute Wahrnehmung ein wünschenswertes Ziel? Wollen wir eine Kommunikationssituation, in der - im Idealfall zu Teilnehmern verwandelte - Zuschauer nicht nur alle paar Minuten auf ihr Handy schauen, sondern ihre Meinung und ihren mehr oder weniger geistreichen Witz kundtun? Ist die permanente zwei- oder mehrkanalige Kommunikation wirklich demokratischer als konzentriertes Zuhören mit zeitversetzter Reaktion? Die meisten Menschen legen Wert darauf, dass man sie im Gespräch ausreden lässt und nicht unterbricht. Warum sollte das fürs Theater nicht gelten? Ich frag ja nur. Und ahne die Antwort. Im Chat oder im Nachhinein.
Streaming: Umfrage
Ich führe eine kleine Umfrage zum Thema Streaming durch und freue mich über jede Beteiligung. Aufwand: 3 Minuten.

Danke!

https://forms.gle/Qa6K81zFwcu6GGA28
Streaming: was vermisst wird
Ich vermisse bei den Onlineangeboten der
Theater ein neu geschriebenes Stück mit dem
Titel Home Office, welches das Drama der Gegenwart inszeniert. Der Plot Bestände aus den inszenierten Proben der Schauspieler*inn-
en im jeweiligen Home Office, bildmäßig ver-
schnitten mit deren inszeniertem Alltag.
Dieser würde sowohl privat,als auch medial
gespiegelt und gebrochen. Eine Pandemie ist ja in vielerlei Hinsicht gefährdend und gefährlich. Geprobt würde in diesem Gegen-
wartsdrama, entweder die imaginäre Theater-
Adaption eines Romans von Defoe,Camus oder
Boccacio oder ein Stück von Shakespeare,
Jelinek & Co..So etwas würde sowohl Theater-
als auch Spartenübergreifend stattfinden können. Ja,das kann man alles machen, ein instant geschriebenes Drama, welches alle
Online-Facetten nutzt und natürlich live gestreamt würde. Könnte man machen.
Streaming: Frage des Gesetzes
Das Thema „Streaming“ wird ab dann nicht mehr eine Frage des individuellen Geschmacks sein, wenn die jüngeren Menschen wieder Theater spielen und live schauen werden - die älteren Menschen aber noch zu Hause bleiben müssen (wegen Covid19). Ich kenne die deutsche Rechtslage nicht, aber in der Schweiz ist in der Kulturbotschaft 2016-2020 der (barrierefreie) Zugang von Kunst von Gesetz her vorgeschrieben (was u.a die Audiotranskriptionen von jedem produzierten Spielfilm zur Folge hat. Der Live Theater“-Stream“ könnte also sehr rasch keine Frage des Geschmacks mehr sein, sondern eine Frage des Gesetzes. Denn eine relevante Publikumsgruppe (alle über 65) auszusperren, ohne ihnen die Möglichkeit der Teilhabe zu geben, wird nicht nur unethisch sein, sondern illegal. Offene Frage ist, wer die Mahrkosten zahlen wird. Denn letzten Endes muss der Stream ermöglicht werden von ALLEM (kann ja nicht sein, dass nur die Deutsche Oper sich das leisten kann, oder?). Es würde mich interessieren, was hier das deutsche Gesetz sagt.
nk-Stream, Geld?
Wieviel zahlt eigentlich Nachtkritik den Gestreamten? Oder wird das ganz allgemein als Spende an Nachtkritik angesehen?


(Werte*r K.I., nachtkritik.de zahlt kein Geld. Die Aktion ist aus dem Gedanken entstanden, den geschlossenen Theatern weiterhin Sichtbarkeit zu verschaffen und das Gespräch über Theater auch in Zeiten des Shutdown fortsetzen zu können – und so viele Menschen wie möglich daran zu beteiligen. Viele Grüsse aus der Redaktion, Esther Slevogt).
Streaming: 1 bis 5 Euro
Kleine Anmerkung zu den Forderungen nach Straßentheater in Zeiten von Corona: Aktuell würde das gegen die Schutzverordnungen verstoßen, dh, der Aufruf hier an Schauspieler, Straßentheater zu machen, ist ein Aufruf zu einer Straftat. Das Streaming wird ja derzeit gerade gemacht, weil eine andere Form von Theater im Moment nicht möglich ist. Momentan ist es kostenlos, weil es in der Testphase steckt, weil die Verordnungen noch sehr neu sind und sowohl Nachtkritik als auch einige Theater sehr schnell gehandelt haben. In naher Zukunft wäre auch denkbar, dass jeder Viewer zwischen 1-5 Euro per Streaming zahlt ähnlich wie beim Leihen eines I tunes Filmes oder es ein Abo gibt wie ein Spotify oder Netflix - und darüber die Künstler*innen und Macher*innen der Projekte einen finanziellen Ausgleich bekommen können. Der Stream verweist auf das Original, er ersetzt das Original nicht, er hält aber zu Zeiten des Ausnahmezustandes das Original in Erinnerung, er hält es wach, es bleibt dadurch über den Umweg des Streamens lebendig, weil der Stream immer wieder auf die momentane Abwesenheit des Originals verweist.
Streaming: keine wirkliche Frage
Hey Samuel, es liegen bislang in D keine Pläne vor, eine "relevante Publikumsgruppe auszusperren" wie du schreibst. Sollte es tatsächlich Pläne geben, dass nur bestimmte Gruppen wieder am öffentlichen Leben teilnehmen können, so wird das weitereichende gesellschaftliche Debatten und rechtliche Prüfungen mit sich bringen - das wird dann eine größere Debatte werden als die Frage danach, ob diesen "Ausgesperrten" dann rechtlich ein Stream zusteht. Entweder wird das über eine Ausnahmeregelung geregelt, die alle anderen Gesetze eine Zeitlang aushebelt, dann steht auch niemandem ein Stream zu, da die geltenden Gesetze gerade außer Kraft sind, oder aber sie werden nicht ausgegrenzt, so dass sie keinen Stream brauchen ... also, das ist gerade irgendwie gar keine wirkliche Frage, die du dir da stellst. Alle Schutzmaßnahmen unterliegen doch der Logik des Ausnahmezustandes, in dem Gesetze außer Kraft sind und die übliche Rechtsgrundlage und Rechtssprechung ruht, bis die gesundheitlichen Gefahren gebannt sind.
Streaming: Wille statt Fantasie
Lieber Paul, wir sollten da schon etwas tiefer gemeinsam nachdenken. Dass wir alle wieder spielen wollen, und zwar live - steht ja ausser Frage. Aber ebenso steht ausser Frage, dass wir das vulnerable Publikumssegment nicht ausschliessen wollen. Ebenso steht ausser Frage, dass wir jüngeren durch das Virus weniger gefährdet sind. Ebenso steht ausser Frage, dass die Oeffnung der Gesellschaft in langsamen Schritten geschehen wird, also zuerst jenes Gesellschaftsgruppen "raus" dürfen, "arbeiten" dürfen etc. ... (diese Segmentierung wird nicht von den Theatern Halt machen, so viel Phantasie muss man nun schon aufbringen)

du schreibst: "Entweder wird das über eine Ausnahmeregelung geregelt, die alle anderen Gesetze eine Zeitlang aushebelt, dann steht auch niemandem ein Stream zu"

Ohne dir nun zu nahe treten zu wollen, aber hast du dir als du das geschrieben hast, ein paar Sekunden Gedanken gemacht, was genau du das schreibst? Die Logik seiner Sätze sind: "na dann, ist es halt Ausnahmezustand. Dann können sie halt nicht partizipieren, na und?"

Du schreibst: " oder aber sie werden nicht ausgegrenzt, so dass sie keinen Stream brauchen ..."

Aha.
Ist nun so, dass die "nicht Ausgegrenzten" entscheiden, was die "Ausgegrenzten" als Ausgrenzung zu verstehen haben.

Nein, da muss man nur ein bisschen tiefer nachdenken. Es braucht eine einzige Klage eines älteren Theaterfreundes, der nicht ins Theater darf, wenn wir jungen alle dürfen und er wird Recht kriegen und einen Stream erhalten. Es ist also besser, nun etwas vorauszudenken, als sich dem Denken zu verweigern, lieber Paul. Aber ich mag eigentlich nun gar nicht in den Angriffmodus wechseln, das Thema erscheint mir zu ernst.Nicht zu vergessen sollten wir aber auch die ökonomischen Potentiale. Das Durchschnittspublikum der Theater ist alt. Viele werden - wenn wie ihnen einen schönen Live-Stream von Sandra Hüllers neuer Show - als Angebot vorschlagen, auch einen guten Preis für diesen Live-Stream bezahlen. Auch das sich vorzustellen, braucht nur etwas Wille, aber keine Phantasie.
Streaming: Recht?
#18: Wenn dem so wäre, dass ein Ausnahmezustand dies alles bedeutete, was Sie über das Recht- und die Rechtssprechung sagen und dies zwingend damit verknüpfen, dass dieser Bürgerrecht-lose Zustand anhalten darf, befinden wir uns gerade in einer Diktatur. Und zwar, weil wir als Bürger kein Recht haben zu beurteilen, wann für uns die gesundheitliche Gefahr gebannt ist und öffentlich uns auszutauschen darüber, wie wir selbst die gesundheitlichen Gefahren beurteilen, die durch Isolation der Generationen voneinander, neben der Ansteckungsgefahr mit covid19, entstehen.

#19: Ich hoffe sehr, dass das alte Durchschnittspublikum (wieso schreiben Sie eigentlich nicht vom hohen Durchschnittsalter des Publikums, sondern von "Durchschnittspublikum", was genau soll das sein?) nicht bereit ist, einen guten Preis für Ihr "wir"-Angebot der neuesten Sandra Hüller-Show zu zahlen. Weil Weder Sandra Hüller noch ihre Mit- und Zuarbeiter von diesem Preis eine für das Bestreiten ihres Lebensunterhaltes relevant hohe Summe erhalten werden, sondern vor allem die bereitsstellenden Plattformen daran verdienen werden. Und das auch noch in den Ländern in denen sie beansprucht werden als Sender, steuerfrei. Sich das vorzustellen braucht es weder Fantasie noch Willen, sondern lediglich volkswirtschaftlicher Kenntnisse und solidarisches Verhalten gegenüber diktatorisch Ausgebeuteten.

Und nein, ein "bedingungsloses Grundeinkommen" ist keine Lösung des Problems. Denn die Bedingungslosigkeit für ein allgemein gültiges Grundeinkommen hierzulande hat zur Bedingung, die noch schärfere Ausbeutung der Produktivkräfte und Naturressourcen anderswo- es ist nicht nur so ein SiebzigerJahre-Hippie-Gerede, dass die Welt, in der wir leben, EINE ist. Selbst dann, wenn wir gerade gezwungen sind, mit unserem Arsch zuhause zu bleiben...
Über kurz - wohlgemerkt über kurz, nicht über lang! - führt kein Weg an der Hoch-Besteuerung der Großvermögen und der Kapitalerträge der rasant in Echtzeit digital betriebenen Finanzmarkt-Ping-Pong-An-und Verkäufe z.B. mit Wohnimmobilien oder Pharmazievoraussagen - vorbei. Niemand, wirklich NIEMAND muss Milliarden privat besitzen, um gut und sogar - wenn er es denn selbst braucht für sein Ego - luxuriös zu leben... Man muss das nur besitzen, wenn man ganze Staaten und Gesellschafts-Entwürfe, also private Welt-Macht, kaufen will... Das aber sind faschistoide Motive für Privatbesitz und keinesfalls mehr humane, ganz gleich, wie die sich öffentlich gerieren...
Streaming: die Alten
Liebe D. Rust, da zielt ja mein Input ja hin, dass dies eben keine bereitstellende kommerzielle Plattform der "Krisengewinner" sein dürfte, sondern das Bereitstellen dieses Angebots von einer solidarisch finanzierten Plattform gemacht werden müsste, Die Audiodeskription für Spielfilme (die mit sehr viel Geld hergestellt werden), sind ja auch nur für eine Minderheit produziert. Aber der Ausschluss des (ja richtig) alten Publikums ist ethisch nicht tragbar, aber auch nicht es in den Theatern einer Gesundheitsrisiko auszusetzen. Ich merke aber grad, dass ich nicht verstanden werden. Weshalb ich das Thema nun aufgebe hier. Mir scheint, die Theaterleute haben noch gar nicht verstanden, was "Inklusion" und "Teilhabe" wirklich ist. Als modischer Begriff für die Programmhefte war der Begriff ja vor Corona en vogue. Wenn es nun aber wirklich mal um "Teilhabe" geht, heisst es von vielen Seiten: ach, das ist doch kein Problem. Von was redest du da? Ach, wir werden einfach wieder spielen. Theater muss sein. Ach, die Alten, die sind doch nicht wichtig.
Streaming: existiert bereits
Lieber Samuel Schwarz, diese Plattform gibt es ja schon lange, die solidarisch finanzierte, mit den öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten. Es ist doch eine Kleinigkeit für diejenigen Alten, die selbstbestimmt ihre Gesundheit schützen wollen und auf ihre gewohnheitsmäßigen Theaterbesuche verzichten wollen und die Theater-Säle künftig mit enormen Lücken versehen werden, wieder einen ordentlichen Theaterkanal ins Programm zu installieren und ihn entsprechend ihrer Verantwortung für kulturelle Teilhabe-Absicherung darüber hinaus besser aufzustellen als je zuvor...
Mir scheint ja, dass die Öffentlich-Rechtlichen nicht verstanden haben, was Inklusion und Teilhabe bedeutet, die sollten Sie befragen! -
Und darüber hinaus wären die Öffentlich Rechtlichen Sender gut beraten ließen sie sich bei einer Neueinrichtung eines niveauvollen u.a. "Alten"gerechten Formates von so erfahrenen Kritikerpersönlichkeiten unterstützen, wie diesen, die hier seit 2009 aus eigener Initiative eine mediale Riesenlücke via Internetangebot füllen und damit herausragende Bildungs- und Informationsarbeit geleistet haben, deren Gemeinnützigkeit bisher nicht so recht angemessen vergolten wurde. Ganz anders als viele überdimensioniert in den Programmen angebotene Unterhaltung für schlichte unkritische oder eher einseitig gebildete also gleich-geschaltete Geister, für deren Unterhaltung offenbar stets genug Geld da ist. Eventuell kann die Medienministerin auf dieses Defizit im Bildungsauftrag der Öffentlich -Rechtlichen Sender diese einmal aufmerksam machen und zum Abhilfeschaffen durch kulturjournalistische und künstlerische Kräfte von deren Arbeit sie sich bereits mehrfach persönlich überzeugen konnte (z.B. auf ihrer thüringischen Theaterreise vor zwei Jahren (oder drei?)), inspirieren?
Streaming: Kläger gesucht
Sie treffen den Punkt. Genau: die öffentlich rechtlichen Sender müssten diese Aufgabe nun erfüllen. Allerdings auch Partizipation anderer Partner ermöglichen, indem sie mit Plattformen wie „Nachtkritik“ kooperieren und ihren schönen und gut gefilmten Stream embedden lassen. Wir sind aktuell in der Schweiz mit der SRG in Kontakt. Sie muss diese Aufgabe erfüllen, im Minimum bei Gala-Premieren ihrer ko-produzierten Spiel-Filme, aber evtl sogar von Theater. Die Rechtslage wird gerade von Jurist*innen geprüft. Natürlich: es braucht einen Kläger. Wenn niemand von der gefährdeten Publikumsgruppe klagt, wird es auch keine Übertragungen geben. Aber im Minimum ein theaterbegeisterte ältere Person, die evtl vorerkrankt ist, wird sich finden lassen. Sobald die Theater aufgehen, reicht eine einzige Klage - und wir haben endlich tolles Theaterangebot zum anschauen...und müssen auch wenoger rumfliegen in Zukunft... leider haben das die Theaterleute noch nicht begriffen, dass hier der blöde Spruch „die Krise als Chance“ zutrifft. Vor allem Nachtkritik würde ich es gönnen, dass es diese Chance nun begreift. Und ich mein das nicht zynisch. Wenn das Virus so gefährlich ist (wie wir alle ja hoffentlich glauben), muss man nun auch die Konsequenzen dieser Gefahr erkennen und danach handeln. Teilnahme für alle!
Streaming: das ausgesperrte Publikum dankt
Lieber Samuel Schwarz - es sollte doch prinzipiell möglich sein, dass - wenn sich schon erklärte Gründungsaufträge mit der Zeit so abschleifen, dass sie irgendwie nicht mehr aus eigenem Antrieb erfüllt werden, dass man Auftragserfüllung erst über den Rechtsweg einklagen muss, auch eine Person einer anderen Gruppe als einer betroffenen Gruppe klagt. Ich meine, als StaatsbürgerIn mit Wahlrecht IST man doch sehr wohl betroffen, wenn Institutionen an der Zementierung von Chancenungleichheiten oder Ausschluss von Bevölkerungsteilen an Etats oder öffentlichen Einrichtungen arbeiten. Indem sie zum Beispiel nicht arbeiten, wie es ihre festgeschriebene Aufgabe ist. Dann geht es doch nicht darum: ICH werde ungerecht behandelt, weil ICH nicht teilhaben kann - sondern ganz grund(ge)sätzlich darum: ICH werde ungerecht behandelt, weil ich ODER ein xbeliebiger anderer nicht so behandelt wird, wie die Verfassung des Staates es vorschreibt. Die Würde des anderen ist dann auch meine Würde. Und zwar aus Prinzip... Es ist eben NICHT natürlich, dass es einen Kläger braucht! Natürlich wäre, wenn die Einhaltung der Verfassung durch staatliche Intitutionen und PolitikerInnen eben KEINE Kläger bräuchte!

(...)

Will sagen: Sehr guter Vorschlag, Herr Schwarz! Wenn sich in drei Wochen immer noch keiner rührt von den Öffentlich Rechtlichen in dieser Theaterangelegenheit, klagen Sie! Das ausgesperrte Publikum wirds Ihnen danken, wenn es davon erfährt. Rechnen Sie aber damit, dass es nicht davon erfährt...

(Anm. Eine längere Passage, die sehr weit vom Thema wegführte, ist gestrichen worden, und damit ergeht die Bitte, den Gegenstand Streaming im Blick zu behalten. Mit freundlichen Grüßen, Christian Rakow / Redaktion)
Streaming: Treiber der Innovation ist die Krankheit
(beim thema bleiben ist immer zu begrüssen)
ich kann das noch nicht 100% bestätigen, aber es ist sehr gut möglich, dass es in der tat nur eine/n kläger/in braucht, und die streaming-infrastruktur muss ausgebaut werden, aus gründen der teilhabe und barrierefreiheit. wir sprechen kommenden montag mit einem der proflierteren medienanwälte der schweiz, dann kann ich noch genaueres dazu sagen. ich persönlich finde es äusserst beunruhigend, dass wir einerseits uns alle hier an diese massnahmen halten - und gleichzeitig scheinbar nur wenige theater und journalist*innen dran denken, dass die öffnung ja mit sehr sehr hoher wahrscheinlichkeit nur partiell sein wird - die theater aber auf anfrage immer noch "optimistisch" sind, dass es im herbst weitergeht und diesen sehr wahrscheinlichen fall nicht miteinkalkurieren, dass sie diese streamings werden einrichten müssen - aus humanitären, juristischen ethischen gründen. dass die kollateral-effekte positiv wären - neue formate entstehen würde, wäre ja dann der schöne nebeneffekt. aber der treiber der streaming-innovation wird die krankheit sein - nicht der wille der theaterhäuser. für uns künstler*innen, aber auch für das publikum - aber auch für nachtkritik wäre dieser innovationsschub zu begrüssen, weil diese neue infrastruktur von der öffentlichen hand bezahlt werden müsste. der schlimmste fall könnte nämlich auch eintreten, dass nicht gespielt werden darf, weil diese teilhabe und barrierefreiheit nicht gewährleistet ist. ich weiss mittlerweile aus stundenlangen ZOOM-diskurserfahrung, dass diese gedanken für viele wie science-fiction klingen - aber das hätte das virus und die folgen mitte februar auch. ich bin in dem sinn etwas entsetzt über die phantasielosigkeit der ganzen branche und wie sie in das nächste fiasko hineinstolpert und nicht die chancen ergreifen will, die sich durch die bitteren lehren des virus erteilt worden sind. diese lehren wären: streaming ist gesund. streaming ist ein teil der theaterzukunft. wer bei TROMMELN IN DER NACHT dabei war (aus meiner sicht ein theaterwunder, da teile ich die begeisterung und die argumente von herrn rakow) konnte eine ahnung davon erschnuppern. in keinster weise wurde da die "real"-erfahrung des theaters geschnmälert. das war was neues. aber um nun auch nachtkritik und ähnliche pioniere zu stärken, muss man nun eben auch eine konsolidierung mit den älteren und kranken machen, und dadurch auch die eigene haut retten. so profan und nüchtern sehe ich das.
Streaming: beflügelt
Es kann doch nicht immer ums Geld gehen. Aber bitte schön: Die Steuerzahler*innen Kaufen Kultur-Aktien, ermöglichen dadurch vielfältigste TheaterInszenierungen und kommen als Dividende den Livestream. Ich empfinde das als sehr demokratisch, wenn alle Menschen am Ende das bekommen wofür sie bezahlt haben. Und gerade die Inszenierungen, die interessant für das Netz sind, werden nicht schlecht bezahlt. Es kann doch nicht sein, dass man immer noch ein Euro mehr haben möchte. Im Endeeffekt denke ich, dass Theater Streaming die Kulturszene beflügelt.Wir werden uns umsehen, wenn nach der Krise Gelder in der Kultur eingespart werden. Dann haben wir ein Problem!
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