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Ruhrtriennale: Christoph Marthaler kritisiert Absage

Chance verspielt

28. April 2020. In einem Offenen Brief an NRW-Kultusministerin Isabelle Pfeiffer-Poensgen hat der Regisseur Christoph Marthaler die Absage der Ruhrtriennale kritisiert. Es sei "enttäuschend, dass die Kulturpolitik kein Zeichen zu setzen vermag, die Bewältigung zukünftiger Aufgaben Hand in Hand mit den Kunstschaffenden realisieren zu wollen", heißt es darin unter anderem.

Man habe sich im Kontext der Pandemie-Eindämmung umfassende Gedanken gemacht über die künstlerische Anpassung der Inszenierungen an die zentralen Vorgaben der Kontaktvermeidung, des Abstandhaltens, der Hygiene sowie einer sinnvollen Infrastruktur für Publikum und Darsteller*innen. Denn wo wäre "ein zukunftsweisendes Ausweichmanöver denkbar gewesen, wenn nicht in den riesigen Industriehallen des Reviers, in denen man Publikum und Künstler*innen problemlos in behördlich verordnete Abstände (und deutlich darüber hinaus) hätte bringen können?", schreibt Christoph Marthaler.

Vorreiterfunktion

Dieses Engagement aber werde negiert und die Ruhrtriennale, "die im Bereich des Theaters/Musiktheaters eine bedeutsame Vorreiterfunktion für die kommenden Monate und Jahre im Zeichen des Corona-Virus hätte erlangen können, ohne weitere Rücksprache mit den Künstler*innen abgesagt. "Große Teile der Öffentlichkeit sehen kein Problem in diesem Vorgang – schließlich werden ja derzeit alle Veranstaltungen abgesagt." Es sei ein Problem, "wenn Politik und Verwaltung in Krisenzeiten allein agieren", so Marthaler. "Nachhaltige Lösungen für die Zukunft sind nur unter Einbezug derjenigen zu erreichen, die die Kunst erfinden und gestalten. Im Fall der Ruhrtriennale wäre noch Zeit gewesen. Zeit für das Erwägen von Möglichkeiten. Jetzt ist diese Chance verspielt. Sie wird so schnell nicht wiederkehren."

Christoph Marthaler ist Artiste associé der Ruhrtriennale. Seine Inszenierung Die Verschollenen sollte die Ruhrtriennale am 14. August in der Bochumer Jahrhunderthalle eröffnen. Stattgefunden hätte die Ruhrtriennale vom 14. August bis 20. September 2020. Bund und Länder hatten sich jedoch Mitte April auf Grund der Corona-Krise darauf verständigt, Großveranstaltungen bis einschließlich 31. August 2020 zu untersagen. Am 22. April wurde die Ruhrtriennale abgesagt. Auch Festivalintendantin Stefanie Carp kritisierte diese Entscheidung als verfrüht.

(sle)

 

Mehr zum Thema: Presseschau zur Debatte um Vorwürfe gegen den geplanten Eröffnungsredner Achille Mbembe und Ruhrtriennale-Intendantin Stefanie Carp.

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Kommentare  
Offener Brief Marthaler: Ethik-Code
Das ist eine schöne und wichtige Reaktion von Christoph Marthaler. Es gibt viele künstlerische und innovative Lösungen, auch mit der vorhandenen Problemstellung. Aber die Politik muss nun Hand reichen, aber auch der Bühnenverein, der den Theatern empfehlen muss, das technisches Inventar der Kunst und temporären Festivals zur Verfügung zu stellen, aber auch die öffentlich rechtlichen TV-Sender, die mehr als genug Kameras, Lautsprecher, Funkstrecken besitzen - müssen nun helfen, dass Kunst im Real-Raum stattfinden kann, klug gestützt/gestärkt durch diese gemeinnützige Technologie. Oder müssen wir zu Google gehen? (im Gegensatz zu den öffentlich rechtlichen Sendern haben die nämlich einen Ethik-Code, vorausgesetzt, es nützt auch ihnen was). Nein, schlechte Idee. Wir schaffen das auch ohne US-Technik. Wenn wir es versuchen.
Marthaler zu Ruhrtriennale-Absage: richtig + gut
Eine richtige und gute Einlassung von Christoph Marthaler. Abwarten und alles daran setzen, die Ruhrtriennale durchzuführen, hätte das Zeichen sein müssen. So wurde es zu einem Armutszeugnis für die verantwortliche Politik und ihre Mutlosigkeit.

Oder sollte es andere Gründe geben?
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