"Mutter Courage und ihre Kinder" vom Staatsschauspiel Dresden

30. Mai 2020. Weil die Theater nicht mehr spielen können, stellt nachtkritik.de einen digitalen Spielplan aus Mitschnitten von Inszenierungen zusammen. Am 30. Mai 2020 zeigen wir ab 18 Uhr Bertolt Brechts Antikriegsstück "Mutter Courage und ihre Kinder" in der Regie von Armin Petras mit Ursula Werner in der Titelrolle. Die Premiere der Produktion am Staatsschauspiel Dresden war am 27. September 2019.

20 NAC Stream Courage Anmo

 

Über die Inszenierung von Armin Petras heißt es auf der Webseite des Staatsschauspiels Dresden:

"Ganz Europa ist verwüstet, der Dreißigjährige Krieg hat den Kontinent schon vor Jahren ins Chaos befördert. Doch mittendrin bleibt die Marketenderin Mutter Courage mit ihrem Planwagen unverwüstlich und zieht von Heereslager zu Heereslager. Trotz aller Mühen will sie sich den Krieg nicht madig machen lassen, sie hat drei Kinder durchzubringen, und der drohende Frieden ist lediglich eine Gefahr fürs gut laufende Geschäft. …

Bertolt Brecht schrieb 'Mutter Courage und ihre Kinder' kurz vor Beginn des Zweiten Weltkrieges im schwedischen Exil. Darin fand er anhand des historischen Dreißigjährigen Krieges nicht nur starke Bilder für die hässlichen Seiten einer damals erneut unmittelbar bevorstehenden Verwüstung Europas. Er führte genauso vor, dass Kriege vordergründig 'aus Gottesfurcht und für alles, was gut und schön ist' geführt werden, dass letztlich aber die Gewinne in der Kasse und nicht auf dem Schlachtfeld zählen.

Die Songs von Paul Dessau wurden für die Aufführung des Staatsschauspiels Dresdens bearbeitet von Michael Fuchs, Thomas Kürstner und Sebastian Vogel."


Lesen Sie hier über die Autobiographie der Schauspielerin Ursula Werner, die die Mutter Courage in dieser Dresdner Inszenierung spielt.

 

Mutter Courage und ihre Kinder
von Bertolt Brecht
Regie: Armin Petras, Bühne: Olaf Altmann, Kostüme: Cinzia Fossati, Choreografie: Denis Kooné Kuhnert, Musikalische Einrichtung: Michael Fuchs, Thomas Kürstner, Sebastian Vogel, Musikalische Einstudierung: Thomas Mahn, Licht: Norman Plathe-Narr, Dramaturgie: Katrin Schmitz.
Mit: Ursula Werner (Mutter Courage), Maria Tomoiagă (Kattrin, stumme Tochter der Courage), Yassin Trabelsi (Eilif, der älteste Sohn), David Kosel (Schweizerkas, der jüngste Sohn), Matthias Reichwald (Der Koch), Philipp Lux (Der Feldprediger), Nadja Stübiger (Yvette Pottier).
Klavier: Thomas Mahn, Klavier alternierend: Michael Fuchs, Trompete: Bert Brauer, Gitarre: Lars Kutschke, Schlagzeug: Florian Lauer.
Premiere am 27. September 2019
Dauer: 2 Stunden und 40 Minuten

www.staatsschauspiel-dresden.de

 

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Kommentare  
nk-Stream, Mutter Courage: Ursula Werner!
Danke, das ist wohl die spannendste und wunderbarste Inszenierung der Mutter Courage! Und Ursula Werner hat wieder zeigen können, was in ihr steckt, ganz wunderbar. Die Modernität und Frische der Inszenierung spiegelt den freien, offen und kreativen Geist von Armin Petras wider, ein realistisch-fantastischer Magier. Die Führung des Chores, die Musik, es stimmt einfach alles. Ich freue mich in diesen Zeiten so gutes Geistesfutter zu bekommen, es wird rar. Danke auch nachtkritik.de für die Auswahl!
nk-Stream, Mutter Courage: gehemmtes Spiel
1 Das ist für mich alles nicht wahr.Leider. Mutter Courage habe ich schon
oft und immer gut gesehen. Zu diesem Stück gehört eine natürliche Art der Darstellung (wenn nicht experimentiert wird). Nichts weiter als altmodischer Naturalismus. Das war hier nicht der Fall. Die Darsteller bewegten und spielten nicht natürlich genug. Sie wirkten gezwungen und unfrei. Nicht übermäßig unfrei in ihrem Spiel, aber doch. An solchen doch gehemmten Schauspielen habe ich keine Freude.
nk-Stream, Mutter Courage: Vergleich 1
Aus meinen ATB:
(...)
Gestern Mutter Courage vom Petras nach letzter Woche die alte Aufnahme der erarbeiteten Inszenierung unter Brechts Leitung. Das war sehr bemerkenswert… Der Text ist uns Heutigen schnell pädagogisch durchsichtig und er hat seine Schönheit trotz allem. Die pädagogische Durchsichtigkeit heute macht aber, dass die Brecht-Inszenierung selbst trotz des guten bis bemerkenswert guten Spiels überaus langatmig wird. Wer zufällig in die Aufzeichnung gerät und kein spezifisches literarisches undoder theaterhistorisches Interesse hat, wird die Aufzeichnung nicht durchhalten wollen oder können.
Im Vergleich zu der Petras-Inszenierung zeigt sie jedoch heute dramaturgische Vorteile. Die Sache ist die: Historische Stoffe in Drama arbeiten hat natürlich IMMER ein didaktisches Motiv, das weitaus stärker ist, als das didaktische Motiv, aktuelle Stoffe als Drama zu arbeiten. WEIL das Motiv zur gesellschaftlichen Veränderung stärker ist, wählt der/die Autorin das historische Bild! Nicht, damit die aktuellen Verhältnisse weniger gut bei der Inszenierung wahrnehmbar werden, sondern BESSER wahrnehmbar werden als bei aktuellen Stoffen. Brecht hat also absichtsvoll bei Grimmelshausen gestöbert und nicht zufällig. Sowohl poetisch als auch dramaturgisch.
Die Petras-Inszenierung ist in mehrerer Hinsicht bemerkenswert. Ursula Werner ist eine ganz wunderbare, was die Intensität der Über-Mutter Weigel anlangt, kongeniale Darstellerin. Sie singt ganz berührend, wenn auch nicht durchgehend so, dass man ihrem Gesang die Erinnerung an Weigels Gesang, den man toppen möchte, nicht anmerkt. (was sehr schade ist, aber auch enorm schwer zu vermeiden!) Die anderen DarstellerInnen und der Chor sind zum größten Tel sehr gut und immer wieder verknüpft sich ihr dargestellter Eintritt in den Marsch-Rhythmus mit einem Motiv dafür. Der WennsiemiteinerDamesprechen-Klamauk ist leider überflüssig und verrät die Figur. Bemerkenswert ist auch ein Publikum, das eine von Nachgeborenen verratene Brecht-Figur besonders lustig findet… Das Nachwachsen der Soldaten aus den Gräbern ist eine überaus überzeugende Umsetzung für die Darstellung der unsagbaren Dauer des Krieges! Das Frühjahr gerät so zur Bildmetapher für das nachwachsende, frische Blut, das sogleich wieder geopfert wird für vollkommen aus dem Fokus – selbst aus dem der militärischen Befehlshaber - geratene Machtinteressen. – Es ist stark auf den Wagen zu verzichten und Ursula Werner zeigt, dass das geht. Allein: es geht nicht ohne Verluste…
Wo genau liegt der Verlust im Verzicht auf den Planwagen im Zusammenhang mit dem Spiel der Werner? - (Fortsetzung Teil 2)
nk-Stream, Mutter Courage: Vergleich 2
Fortsetzung ATB zu MC Brecht/Petras - Weigel/Werner:

...Ich denke, Brecht und seinen MitarbeiterInnen lag sehr daran, die ANSTRENGUNG der Arbeit mit dem Planwagen als mobiler Verkaufseinrichtung durch die direkte Darstellung zu versinn-bildlichen. Einen VORGANG, der von Dauer ist: Das endlose Bewegen einer überaus schweren Masse durch Schlamm und Dreck, über Berg und Tal, durch lebensgefährliches Kampf-Gebiet…
Er wollte die ARBEIT der Courage SICHTBAR machen, zu der ihre ökonomische Klugheit sie getrieben hat. Also ihre Mütterlichkeit sichtbar machen, die sie in ihre ökonomische Gerissenheit getrieben hat und die ökonomische Gerissenheit, die sie in ihre allein gar nicht zu bewältigende Arbeit getrieben hat und ihre eigentlich allein nicht zu bewältigende Arbeit, die sie dazu getrieben hat, ihre Kinder als ARBEITSKRÄFTE unbedingt bei sich behalten zu wollen... DAS ist das so gezeigte DILEMMA der Courage: Dass ihre Ausbeutung ihrer eigenen Kinder vor ihre Mutterliebe geht, so wie die Verhältnisse sind…
Und das ist die – dramaturgische – Aufgabe der Stummen Kathrin: Dass bei ihrem Tod die couragierte, durch den Krieg in stete Berechnung auch der Arbeitskraft ihrer Kinder gezwungene Mutter in eine ursprüngliche Mütterlichkeit zurückfällt. Eine, die die Berechnung fahren lässt und in pure Verzweiflung fällt, aus der persönliche, um das Überleben besorgte Gerissenheit ihr nicht mehr heraushilft. Eine Mutter in einem endlosen Krieg, die aus einer überaus couragiert mit Sinn versehenen Schwerstarbeit nur noch in die Dumpfheit einer Schwerstarbeit als eingeübte Gewohnheit zurückfällt…
Von Werner – und Petras – ist das anders angelegt: Hier ist stets von Anbeginn die Gerissenheit und die reine Mütterlichkeit, sozusagen die kluge Gluckenhaftigkeit der Courage, angelegt. Der realistische mütterliche Ausbeutungsaspekt gegenüber den Kindern fehlt. Die Arbeit wird als allein zu schwere lediglich behauptet, nicht aber sichtbar. Deshalb bleibt der Vorwurf der Militärs, sie würde schließlich aus dem Krieg, den sie beklagt, Kapital schlagen, abstrakt kurzsichtig. Und bleibt damit auf der Courage als berechtigter Vorwurf liegen! Deshalb ist die von Brecht angelegte Fallhöhe der Figur bei Kathrins Tod nicht mehr gegeben - und damit auch die emotionale Fallhöhe für die Courage selbst. Es ist eben kein episches, sondern – wenngleich sehr gutes! – Einfühlungstheater: Nicht die Kriegsherren, die am Krieg verdienen sind schuld am Krieg, sondern die am Krieg verdienenden kleinen Krämer selbst – so die Kernaussage, die die - auch heutigen - Krieg treibenden Machthaber schont…
Da auf diese Weise jedoch der politische Aspekt kriegerischer, bis in jedes kleine Privatleben hinein regierender Verhältnisse, dramaturgisch vernachlässigt wird, ist es vollkommen überflüssig gewesen, das Stück überhaupt zu inszenieren.
- Außer aus der Eitelkeit heraus natürlich, dass man zeigen wollte, „es“ mindestens genauso gut wie Brecht und Weigel und Berlin zu können…

(Ende der Durch-Zeige)

(...)
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