nachtkritikstream - "Seymour. Der Film" vom Staatstheater Darmstadt
Seymour. Der Film
18. Juni 2020. Weil die Theater erst allmählich wieder Türen, Tore und Bühnen öffnen, stellt nachtkritik.de noch bis Juli einen digitalen Spielplan aus Mitschnitten von Inszenierungen zusammen: An dieser Stelle lief Seymour. Der Film, Matthias Ripperts Theater-Film-Version des Stücks von Anne Lepper, das Ende März am Staatstheater Darmstadt Premiere hätte haben sollen.
Über das Projekt auf den Seiten des Staatstheaters Darmstadt:
"Als diesen März auch am Staatstheater Darmstadt der Probenbetrieb eingestellt wurde, haben wir nachgedacht: Über Anne Leppers Geschichte um isolierte Kinder, Menschen, die in sich und einem Heim fest-sitzen. Matthias Ripperts Regieansatz war es, das Stück von den tiefen Rollenprofilen ausgehend sehr statisch, mit Sinn für das Timing und den schwarzen Humor in Leppers Sprache zu erzählen. Dabei spielt das Kostümbild, das Johanna Lakner entwarf, eine zentrale Rolle. Mit einem Umfang von gut zwei Metern verunmöglichen diese Kostüme jegliche körperliche Nähe und haben installativen Charakter. Schnell kam es zum gemeinsamen Entschluss, einen Film zu drehen. Das Ergebnis ist mehr als abgefilmtes Theater. Es ist kein Theater mehr; es ist kein reiner Film. Zwei Kunstformen kommen zusammen und lassen mit den ihnen eigenen Mitteln einen literarischen Text lebendig werden, eine Geschichte:
Durchhaltewillen ist gefragt! In einem Heim in den Bergen hat der bewunderte Dr. Bärfuss akribische Regeln für eine "Kur" aufgestellt, mit deren Hilfe dicke Kinder abspecken und vielleicht wieder zu "richtigen" Menschen werden sollen. Doch Bärfuss ist nicht da. Alle Hoffnungen richten sich auf seine Ankunft. Erst wenn der Doktor den Erfolg bescheinigt, soll das eine Heimkehr ins alte Leben ermöglichen. Mit rührender Eisernheit wiederholen die Insassen Lehrsätze, ermahnen und überwachen einander. Als Leitbild dient der wunderbar schlanke Sebastian. Max, der schon lange hier ist, wünscht: "Ach wäre ich doch wieder in meiner Klasse damit es endlich weitergeht das Leben und nicht weiter sinnlos vor sich hin stagniert". Neuankömmling Leo fällt es schwer, sich in die Absurdität einzufinden. Ihm macht auch zu schaffen, dass daheim der dünne Cousin Seymour seinen Platz eingenommen hat. Ob Seymour gehen wird, wenn er selbst geläutert und verdünnt heimkehrt?
Die schräge Parabel macht Kinder zu prototypischen Leidensgestalten des modernen Seins. Obskure Handlungsanweisungen, Vorschriften und Heilsversprechen halten sie auf einem Weg, von dem sie ahnen, dass er nie zu einem selbstbestimmten Ziel oder Glück führen kann."
Seymour. Der Film
von Anne Lepper
Regie: Matthias Rippert, Director of Photography: Lavinia Moroff, Benjamin Weber, Bühne: Fabian Liszt, Kostüm: Johanna Lakner, Musik / Komposition: Robert Pawliczek, Dramaturgie: Karoline Hoefer.
Mit: Béla Milan Uhrlau, Konrad Mutschler, Thorsten Loeb, Stefan Schuster, Gabriele Drechsel, Antonia Wolf.
Film-Premiere am 18. Juni 2020
www.staatstheater-darmstadt.de
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großes Kino ♥️
danke!!!
Die Kategorie Provinz verstehe ich nicht oder anders lehne ich ab.
Den Text fand ich zu geSCHWABt . Das Orginal ist einfach besser.
provinziell ist man, glaube ich, wenn man die eigenen ästhetischen Vorlieben absolut setzt. So gesehen gibt es unheimlich viele Provinzler*innen auch und gerade in Berlin und in anderen Großstädten. So wie hier, immer und überall, so ist's gut...
Ich mochte diese formal klare, gelungene Arbeit sehr. Es war artifiziell - auch im Spiel. Gut so. Erschien mir eine absolut richtige Setzung für diesen Text.