Sechs Jahre Haft für Kirill Serebrennikow gefordert
Bittere Ironie
23. Juni 2020. Die Moskauer Staatsanwaltschaft hat für den Regisseur und Leiter des Moskauer Gogol-Centers Kirill Serebrennikow sechs Jahre Haft in einem Straflager sowie die Zahlung einer Geldstrafe von 800.000 Rubel (etwa 10.300 Euro) gefordert. Dies geht aus einer Presseaussendung des Gogol-Centers hervor. Serebrennikow wird vorgeworfen, zwischen 2011 und 2014 etwa 1,6 Milionen Euro Fördergelder veruntreut zu haben.
Nicht nur Serebrennikow selbst, auch drei Mitglieder seiner ehemaligen Theatergruppe "Das siebte Studio" waren 2017 verhaftet worden. Auch sie wurden beschuldigt, an der Veruntreuung der Gelder beteiligt gewesen sein. Statt in Serebrennikows Inszenierung "Ein Sommernachtstraum" sei die Förderung in die Finanzierung des Projekts "Platforma" geflossen. Tatsächlich wurden beide Projekte realisiert.
Das Verfahren wird international seit langem wegen mangelnder Rechtsstaalichkeit kritisiert und als politischer Schauprozess gegen die liberale Kunstszene in Russland bewertet. Viele internationale Künstler*innen, Vertreter*innen internationaler Kulturinstitutionen und auch Bundeskanzlerin Angela Merkel haben sich seit 2017 für den prominenten Regisseur eingesetzt. Serebrennikow selbst beteuerte stets seine Unschuld.
Allerdings hatten ihn Aussagen der ehemalige Buchhalterin der Gruppe belastet. Serebrennikow bezeichnete diese Äußerungen wiederholt als Lügen. Ein Gutachten hatte Serebrennikow im vergangenen Sommer entlastet, Maßnahmen gegen ihn (so ein verhängter Hausarrest) wurden gelockert. Nun hat der Staatsanwalt überraschend drakonische Strafen nicht nur für Serebrennikow selbst, sondern auch für die drei einstigen Mitabeiter*innen gefordert: fünf Jahre Haft für Alexej Malobrodsky und jeweils vier Jahre 4 Jahre Haft für Juri Itin und Sophia Apfelbaum.
"Platforma" sei der Idee der Freiheit der künstlerischen Äußerung, "der Vielfalt der Lebensarten, der Behauptung der Komplexität der Welt, ihrer Vielfalt, ihrer Jugend und des Charmes, den diese Vielfalt erzeugt", gewidmet gewesen, zitiert die Pressemitteilung aus Serebrennikows Schlusswort zur Verhandlung. In den Jahren 2011 bis 2014 seien über 340 Veranstaltungen von den staatlichen Zuschüssen finanziert worden. Die Behauptungen des Kulturministeriums und der Staatsanwaltschaft, die staatlichen Zuschüsse seien veruntreut worden, bezeichnete er als lächerlich. "Die bittere Ironie unserer Situation ist, dass die Strafverfolgung auf dem Zeugnis der Buchhalterin und ihrer Bekannten basiert, die das Geld in Bargeld umgewandelt haben. Die Ermittlungsbeamten drängten sie und sie hatten Angst um sich selbst, so dass sie falsches Zeugnis gegen uns ablegten."
Das Urteil soll in den kommenden Tagen verkündet werden.
(sle)
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