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Simone Sterr wird Intendantin in Gießen
Ensemble stärken
2. Juli 2020. Die Gesellschafterinnen der Stadttheater Gießen GmbH haben in Absprache mit dem Vertreter des Landes Hessen Simone Sterr als neue Intendantin fürs Stadttheater Gießen ab 2022 gewählt. Sterr hatte sich im Team mit Ann-Christine Mecke beworben, die den Bereich Musiktheater leiten wird.
Sterr und Mecke hätten dabei nicht nur mit ihren konzeptionellen Vorstellungen für die Zukunft des Theaters auf ganzer Linie überzeugen können, sondern auch mit einem offenen Führungsstil mit flachen Hierarchien, heißt es in der Pressemitteilung des Stadttheaters Gießen.
Simone Sterr © Jörg Landsberg
Feste Solist*innen im Musiktheater
Simone Sterr (*1970) ist leitende Schauspiel-Dramaturgin am Theater Bremen. Als jüngste Intendantin der Republik übernahm sie 2003 die Leitung des Theaters der Stadt Aalen, 2005 wechselte sie in gleicher Funktion an das Landestheater Tübingen, das sie bis Sommer 2014 führte. Als Regisseurin hat Simone Sterr mehr als 30 Inszenierungen verantwortet, als Dramaturgin arbeitete sie u.a. mit den Regisseur*innen Armin Petras, Samuel Weiss, Klaus Schumacher, Thomas Krupa, Ralf Siebelt, Pinar Karabulut, Jenke Nordalm, Mathilde Lehmann, Nina Mattenklotz, Alize Zandwijk zusammen. Ann-Christine Mecke (*1975) ist ab September 2020 Dramaturgin an der Wiener Staatsoper im Team von Bogdan Roš, vorher war sie u.a. 2014-2018 Dramaturgin bei Jossi Wieler an der Oper Stuttgart.
Sterr will die Gießener Intendanz der Pressemitteilung zufolge nutzen um die festen Ensembles in allen Sparten und den Ausbau von festen SolistInnen im Musiktheater stärken: "Feste Ensembles haben eine große identifikatorische Bedeutung, nach außen in der Beziehung zum Publikum, aber auch innerhalb der Mitarbeiterschaft. Menschen, die eine Meinung haben und die Stimme erheben, bringen das Theater voran." Auch das Kinder- und Jugendtheaters solle stark gemacht werden, und das Theater mit der Stadt vernetzt werden, auch über Diskursreihen und Festivals.
72 Bewerbungen, 12 Frauen, 12 Teams, ein Bürgermeister, eine Beleuchtungsmeisterin
Zur Findung des neuen Teams führt die Pressemitteilung aus: Nach Ausschreibung der Intendanz im Dezember 2019 seien 72 "größtenteils hoch qualifizierter Bewerbungen" eingegangen: "Interesse, diese verantwortungsvolle Aufgabe zu übernehmen, bekundeten die Vielzahl an KandidatInnen alleine, aber auch 12 verschieden große, unterschiedlich strukturierte Teams warfen ihren Hut in den Ring. 12 Frauen bewarben sich alleine um die Intendanz, sieben weitere in Teams." Besonders breit sei das Spektrum der Berufsfelder der BewerberInnen gewesen: "Neben zahleichen amtierenden oder ehemaligen IntendantInnen und SpartenleiterInnen aus Musiktheater und Schauspiel kandidierten auch ChoreographInnen, BetriebsdirektorInnen, DramaturgInnen und Dirigenten sowie ein Bürgermeister und eine Beleuchtungsmeisterin." Direkte Hausbewerbungen seien drei eingegangen sowie vier weitere Interessensbekundungen aus dem unmittelbaren Umfeld des Stadttheaters. "Aus der regionalen Kulturszene interessierten sich sechs Theaterschaffende dafür, die Leitung des Stadttheaters zu übernehmen. Die anderen Bewerbungen gingen flächendeckend aus der ganzen BRD ein, auch aus Österreich und der Schweiz gab es jeweils mehrere KandidatInnen sowie aus eine aus Tel Aviv."
Der Findungsprozess fand in drei Runden statt und wurde von einer Findungskommission durchgeführt; dem Gremium gehörten Dietlind Grabe-Bolz (Aufsichtsratsvorsitzende), Anita Schneider (stv. Aufsichtsratsvorsitzende), Jan-Sebastian Kittel (Theaterreferent im HMWK) sowie drei externe Expert*innen an: Hajo Fouquet (Intendant Theater Lüneburg), Dr. Dirk Olaf Hanke (Dramaturg; Leiter Drei Masken Verlags München) und Birgit Lengers (Leiterin Junges DT sowie Bereich DT International am Deutschen Theater Berlin). Beratend begleitete ohne Stimm- und Vorschlagsrecht die derzeitige Intendantin Cathérine Miville den Findungsprozess.
(Stadttheater Gießen / sd)
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Unabhängig davon: In einer Findungskommission die alte Intendantin - auch nur beratend - beisitzen zu lassen, ist nicht nur innovationsfeindlich, sondern einfach nur schlechter Stil. In Bezug auf good governance gibt es diesem Sektor noch viel nachzuholen.
Natürlich erstmal herzliche Gratulation an das neue Leitungsteam.Und Glück auf!
Aber: Hatte nicht das Stadttheater Gießen die nun zu Ende gegangene Spielzeit unter das Motto RES PUBLICA gestellt, das Haus am Berliner Platz sich zum „Resonanzraum der Demokratie“ erklärt? Und dies in einer Stadt, in der die Rathauschefin mit der Forderung nach gelebter Bürgerbeteiligung einst Wahlen gewann?
Tja: „good governance“ aka Transparenz schreibt sich wirklich anders.
Warum gab man den Bewerbern, die die letzte Runde erreicht haben – waren es vier? – nicht die Möglichkeit ihre Vorstellungen in der lokalen Presse darzulegen. Welche Stadt dieser Größe hat schon zwei Zeitungen?
Warum gab es keine Veranstaltung – zum Beispiel eine von den örtlichen Kulturjournalisten moderierte Fragerunde – in welcher interessierten Bürgern die Möglichkeit gegeben wurde, die Kandidaten kennenzulernen, zu beschnuppern, zu befragen?
Warum haben die letzten Kandidaten sich nicht dem gesamten Magistrat vorstellen können oder dürfen? Am besten in öffentlicher Sitzung?
Warum – und dies ist wohl die wesentliche Frage, reden wir über Transparenz und demokratische Kultur – waren in den Entscheidungsprozeß keine Mitarbeiter des Stadttheaters aka der Betriebsrat miteinbezogen? Wo doch die scheidende Intendantin – ohne Stimmrecht, aber doch ständig präsent -an allen Vorgängen beteiligt war?
Hat man nicht die Chance verstreichen lassen anlässlich des kleinen oder großen Umbruchs am Stadttheater – man wird es sehen – in Gießen eine Debatte darüber anzustoßen, warum man überhaupt Theater machen will, kann und wird in diesen in jeder Hinsicht heiklen Zeiten?
Hat nicht die Chance genutzt das Theater, welches es in Coronazeiten schwer genug hat überhaupt wahrgenommen zu werden, auf die öffentliche Agenda zu setzen? Offensiv, auch um alle Gerüchte (berechtigt?)und Gerüchle (ganz gewiß!) bezüglich schlecht durchlüfteter Hinterzimmerentscheidungen zu vermeiden?
Geschadet, denke ich, hätte das sicherlich nicht. Und die Zeit wäre es wert gewesen.