Nach Verwaltungsratssitzung und Mitarbeiter*innen-Protesten - Peter Spuhler bleibt Generalintendant des Badischen Staatstheaters Karlsruhe
Noch ein Vertrauensvorschuss
von Georg Patzer
17. Juli 2020. "Von Haltung & Verhalten" und "Von Macht & Verführung" steht auf den letzten Spielzeitheften des Badischen Staatstheaters Karlsruhe. Stets setzte der amtierende Generalintendant Peter Spuhler auf politisches Theater, in den letzten Wochen allerdings werden die Spielzeit-Motti eher auf seinen Führungsstil bezogen.
Proteste für Neubeginn
Am heutigen Freitagmorgen standen etwa 350 Mitarbeiter*innen des Dreispartenhauses, in dem insgesamt 850 Menschen arbeiten, vor der Nancy-Halle in der Nähe des Theaters und hielten vergrößerte Fotokopien der Deckblätter der Spielzeithefte hoch. Sie bildeten ein Spalier für die Mitglieder des Verwaltungsrats, der das Staatstheater kontrollieren soll. Sollte. Der Verwaltungsrat ist aus Mitgliedern des Gemeinderats und des baden-württembergischen Landtags, aus allen Parteien, besetzt, Vorsitz haben der Karlsruher Oberbürgermeister Frank Mentrup (SPD) und die Landesministerin für Wissenschaft, Forschung und Kunst, Theresia Bauer (Grüne). Das Stimmungsbild bei den Demonstrant*innen war ziemlich eindeutig: "Spuhler soll abtreten und den Weg freimachen für einen wirklichen Neubeginn", sagte ein langjähriger Opernmitarbeiter: "Auch um den ruinierten künstlerischen Ruf des Theaters wieder herstellen zu können."
Die erste interessante Information gab die Karlsruher Stadträtin Elke Ernemann (SPD), die sich vor der Sitzung den Demonstranten stellte und auf die Frage, ob der Verwaltungsrat wusste, dass aus dem Theater die dringende Bitte erging, Spuhlers Vertrag letztes Jahr nicht zu verlängern. Sie sagte: "Über diese Bitte sind wir nicht informiert worden." Sie versprach aber, sich für die Belegschaft einzusetzen, wie auch Renate Rastätter (Grüne), die sagte: "Von diesem Ausmaß der Probleme, das Klima der Angst, die Einflussnahme von oben habe ich nichts gewusst."
Mitarbeiterbefragungen und Dienstvereinbarungen
Spuhler tritt also ab? Weit gefehlt. Über den Wortlaut der Diskussionen im 16-köpfigen Rat ist natürlich erst einmal nichts bekannt geworden, das im Rahmen einer anschließenden Pressekonferenz präsentierte Ergebnis hört sich jedoch recht ernüchternd an. Ein langer Maßnahmenkatalog ist beschlossen worden, der die Stimmung im Haus wieder heben, das Arbeitsklima verbessern und nach Ministerin Bauer "die vertrauensvolle Zusammenarbeit wiederherstellen" soll. Dazu gehört, dass die Spartenleiter*innen mehr Eigenständigkeit und Eigenverantwortung bekommen sollen: Einer der Kritikpunkte war ja, dass sich Spuhler ständig in alles einmische und die Kontrolle selbst über Kleinigkeiten behalten wolle. Laut Mentrup solle Spuhler "eher anstoßende, beratende Funktion" haben.
Zu den anderen Maßnahmen, die man "umgehend in die Umsetzung bringen will" (Bauer) gehört eine engere Zusammenarbeit und engerer Austausch mit dem Personalrat: Es sollen regelmäßige Mitarbeiterbefragungen durchgeführt und ein Bericht zur Situation der Mitarbeiter erstellt werden. Das hatte man allerdings vor Jahren schon einmal gemacht, sogar eine Mediation durchgeführt, die ganz offensichtlich zu nichts geführt hat. Es scheint sich seitdem nichts gebessert zu haben am oft cholerischen Umgang Spuhlers mit seinen Mitarbeitern.
Nun sollen "geschützte Räume" entstehen, in denen Kritik am Intendanten angstfrei geäußert werden kann – dazu soll eine Art Vertrauensanwalt vom Land eingesetzt werden. Außerdem sollen Dienstvereinbarungen geschrieben werden, laut Oberbürgermeister Mentrup schon in der nächsten Zeit. Und damit die Informationen besser zu ihm fließen, denkt Mentrup darüber nach, dem Kulturbürgermeister Albert Käuflein (CDU) ein Sondermandat für das Staatstheater zu übertragen.
Spuhler: "Verantwortungsvoll gemeinsam in einen Prozess für die Zukunft"
Und Spuhler selbst? Entschuldigt hatte er sich ja schon in einer Personalversammlung, interessanterweise bei denen, "die sich verletzt gefühlt haben" – von wem, ließ er offen. Nun fügte er bei der Pressekonferenz hinzu, er werde sich einen persönlichen Coach suchen. In einem am Nachmittag von der Pressestelle des Badischen Staatstheaters verschickten Statement heißt es: "Ich bedanke mich zuallererst für das einstimmige Vertrauen des Verwaltungsrats. Ich anerkenne den Bedarf, zeitnah und nachhaltig die Maßnahmen und Veränderungen anzugehen. Das Vertrauen innerhalb des Hauses wiederherzustellen, hat oberste Priorität. Ich nehme diesen Auftrag an und werde dafür offen, respektvoll und in Demut auf alle Kolleg*Innen, allen voran den Personalrat, zugehen, auf dass wir verantwortungsvoll gemeinsam in einen Prozess für die Zukunft eintreten."
Spuhler werde "an seinen Probleme arbeiten", zeigte Ministerin Bauer sich zuversichtlich. Der Verwaltungsrat habe "einmütig und einstimmig verabschiedet" (Mentrup), dem Generalintendanten das Vertrauen auszusprechen. Man habe sich um die "bestmögliche Lösung bemüht, alles abgewogen" und sei sich auch "der Gesamtverantwortung bewusst".
Die Sitzung heute war übrigens schon lange angesetzt worden, es sollte ursprünglich um die Sanierung und den Neubau des Gebäudes gehen. Ging es auch am Rand, Gisela Splett, Staatssekretärin im Finanzministerium, verkündete, dass es Zeitverzögerungen gegeben habe und die Kosten um 51 Millionen Euro auf 389 bis 500 Millionen Euro gestiegen seien.
Georg Patzer studierte Geschichte und Literaturwissenschaft, ist freier Lektor und Autor zahlreicher Fach- und Sachbücher. Als freier Journalist arbeitet er für verschiedene regionale und überregionale Medien.
Er lebt in Karlsruhe.
Foto: privat
Seit Ende Juni erst ehemalige, dann auch aktuelle Mitarbeiter*innen des Badischen Staatstheaters gegenüber den Badischen Neuesten Nachrichten und anderen Medien harte Kritik am Führungsstil von Generalintendant Peter Spuhler übten, brodelt es in Karlsruhe – wir bilden die Berichterstattung in unserer Presseschau ab.
Im Juli kamen außerdem Vorwürfe der sexuellen Belästigung gegen einen leitenden Mitarbeiter am Badischen Staatstheater hinzu – alles dazu hier.
Der SWR2 (17.7.2020) veranstaltete noch am selben Abend unter Leitung von Marie-Dominique Wetzel eine Diskussionsrunde zum Konflikt am Badischen Staatstheater Karlsruhe. Anna Haas, stellvertretende Schauspieldirektorin in Karlsruhe, berichtet etwas von der Mitarbeiter*innen-Versammlung des Hauses, mit den Resultat, "dass ein Großteil der Mitarbeiter nicht glaubt, dass man diesen Weg weiter mit Peter Spuhler gehen kann". Laura Kiehne vom Ensemble Netzwerk kritisiert in diesem Zusammenhang den Vorgang, dass es zuerst die Verwaltungsratsitzung gab, dann die Pressekonferenz und als letztes die Mitarbeiterversammlung: "Vertrauensbildende Maßnahmen kann man ja nur einsetzen, wenn die Gegenseite, die das Misstrauen ausgesprochen hat, vorher einbezogen wurde, ob sie sich grundsätzlich dazu bereiterklärt, in welchem Maße und wie."
Bei SWR aktuell (17.7.2020) kommentiert Heiner Kunold: "In Oberbürgermeister-Wahlkampfzeiten kann sich nicht einmal ein bislang unangefochtener Frank Mentrup so ein Personaldesaster leisten. Das Problem wurde vom Verwaltungsrat nicht gelöst, sondern einfach weggewischt. Das wird sich in den kommenden Jahren rächen. Und jetzt ist nicht nur der Karlsruher Generalintendant angezählt, sondern auch der amtierende Oberbürgermeister, der gerne wiedergewählt werden möchte."
Ein "cholerischer Chef und ständige Überlastung sind kein exklusives Karlsruher Problem", schreibt Andreas Jüttner in den Badischen Neuesten Nachrichten (online 17.7.2020). "Als sehr kritisch gesehen wird, dass künstlerisch Beschäftigte durch den stets befristeten Vertrag NV Bühne nach wie vor in finanziell prekären und extrem abhängigen Arbeitsverhältnissen stehen." Zwar gebe es in Karlsruhe offiziell bereits eine Doppelspitze, "intern aber gilt der Geschäftsführende Direktor Johannes Graf-Hauber als keineswegs gleichberechtigt mit Peter Spuhler".
Im Interview mit Simon Strauß in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (18.7.2020) sagt Anna Bergmann, Schauspielchefin in Karlsruhe, dass sie die Kritik an Spuhlers kontrollierendem Führungsstil nachvollziehen könne: "Er hat viele Menschen mit seinem Kontrollzwang und cholerischen Verhalten sehr verletzt." Dass damit eine Auseinandersetzung über die Führungsstruktur des Hauses angestoßen wurde, findet sie "prinzipiell gut", warnt allerdings vor einer "Menschenjagd". Über ihre eigene Arbeit am Haus berichtet sie, dass sie und ihre Team am Anfang viele Freiheiten hatten, "aber das hat sich sukzessive verändert, weil nicht jede Produktion ein Publikumserfolg wurde. In den vergangenen anderthalb Jahren gab es immer größeren Druck auf unsere Sparte und auf uns als Leitungsteam. Die Freiheit und die Freude gingen verloren."
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Peter Spuhler tritt trotz massiver Vorwürfe freiwillig nicht zurück.
Bleibt nur noch eines: STREIK!
Liebe Mitarbeiter*innen des Staatstheaters gebt nicht auf!
Und das der Verwaltungsrat sagt, er sei sich der Problematik bis anhin nicht bewusst gewesen, zeigt deutlich das auch sie ihrer Pflicht nicht nachgekommen sind. Nicht nur P. S. sollte sich beraten lassen, sondern auch der Verwaltungsrat, damit ein besserer Austausch gewährleistet ist. Ich möchte die KollegInnen in Karlsruhe dazu ermutigen, weiter die Probleme zu benennen und sich nicht einschüchtern zu lassen. Die feudalen Strukturen am Theater müssen nun endlich aufgebrochen werden.
Das kann ein Privatfernsehsender oder ein lokales Printmedien für die Webpage machen. Meinetwegen auch als Einspieler auf einem U-Bahn Screen. Aber für einen öffentlichen Rundfunksender ist ein kurzer Schwenk über die Szenerie ohne redaktionelle Behandlung einfach zu schwach. Hier hat die (breite) Öffentlichkeit eine differenzierte Berichterstattung verdient. Hoffentlich wird das auch in anderer Form aufgegriffen.
Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch. Ob ein Coach es richten kann, ist allerdings fraglich, das müsste doch dem studierten Psychiater Dr. med. Mentrup an sich bewusst sein.
Klar, die Politiker haben dennoch versagt, und zwar alle: Grüne Ministerin Bauer, SPD-Oberbürgermeister Mentrup, CDU-Kulturbürgermeister Käuflein.
Was jetzt aus der Oper wird, ohne richtiges Führungspersonal? Wahrscheinlich wird Spuhler einfach ein paar seiner Marionetten einsetzen, und der Verwaltungsrat wird es abnicken und durchwinken.
Der Ruf des Badischen Staatstheaters, der zuletzt nur noch im Ballett gut war, ist damit endgültig hin.
Hat mal jemand auf YouTube gesehen wie Castorf zwei Schauspielerinnen anschreit? Aber anschreit minutenlang: blöde Hühner, können nicht denken, und als sie im Wasser ausrutschen schreit er ihnen hinterher, zu doof um über die Bühne zu gehen. Manche dürfen eben alles, bis heute. Der Klipp war schnell wieder gelöscht, hätte dem Gott ja geschadet. Zwischen Heiligsprechung und Kreuzigt ihn ist es in der Politik nur ein sehr schmaler Grad, am Theater ist er noch schmaler. Eine Schauspielleitung aus nur Frauen, ein Intendant, der political überkorrekt sein wollte, karrierefördernd sozusagen, sind gescheitert, was aber keiner wahrhaben will, weil es politisch nicht sein darf.
Die einen schreien, die anderen lassen ihn weiter machen. Am besten sind die, die rufen, das System ist schuld. Es gibt doch viele Unterschiede in den Systemen, Staatstheater, Stadttheater, Freie Theater, Soziotheater, private Theater, Bürgertheater, Puppentheater....
Und doch ist da, wo es funktioniert, die gleiche Geschichte und da wo nicht, auch...
Hier wird in den Foren immer so getan, als wenn das Theater ein Planet wäre, auf dem die Welt verändert würde, ist es aber nicht, es ist mitten in unserer Welt. Zur Zeit ist es weltweit geschlossen. Wann es wie wieder öffnet, steht in den Sternen. Im Moment sieht es so aus, als brauche es Gesetzesbrecher um das Theater wieder spielen zu lassen...
Aber vielleicht geht die Pandemie ja vorbei und die Aufregung um Spuhler auch...