Wie viel Spaß muss sein?

von Georg Kasch

Frankfurt / Main, 25. August 2020. Roberto Blanco, na klar. Wenn es um Schwarze Unterhaltung in Deutschland geht, darf Blanco nicht fehlen. Der Schunkelkönig. Der Ehren-CSUler ("Wir Schwarzen müssen zusammenhalten"). Der Klassenclown noch in der bitterbösen Selbstironie. In ihm manifestiert sich so vieles von dem, was sich über das schwierige Verhältnis der deutschen weißen Mehrheitsgesellschaft und den Schwarzen deutschen Künstler*innen zwischen den 1950ern und 2005 sagen lässt: Viele von ihnen wurden von deutschen Produzenten in ein Format und eine Rolle gepresst, die dem Massengeschmack taugte. Zugleich wurden sie gewogen und für zu leicht befunden.

Drei Gernationen Schwarzer Unterhaltungskünstler*innen

Wen wundert's, wenn einem an vielen Stationen des Deutschen Museums für Schwarze Unterhaltung und Black Music ein Hauch von Skandal, Trash, Peinlichkeit umweht? Die Theatermacher*innen Joana Tischkau, Anta Helena Recke, Elisabeth Hampe und Frieder Blume haben das Museum gegründet, um zu schauen, was an möglichen Vorbildern da ist – und sind, nach einer ersten Recherche, auf 250 Namen Schwarzer Unterhaltungskünstler*innen gestoßen zwischen Billy Mo und Detlef D. Soost, Leila Negra und Tic Tac Toe, Donna Summer und Jessye Norman. Wichtigstes Auswahlkriterium: Sie mussten ihren Lebens- oder Arbeitsschwerpunkt zumindest vorübergehend in Deutschland haben. Dafür haben die Museumsgründer*innen Plattencover arrangiert, Biografien gesammelt, ein Jugendzimmer mit Stars aus drei Generationen tapeziert – in einer zurückhaltend designten Ausstellungsarchitektur aus Pressholzwänden und Metall. Viele Namen sind nahezu vergessen, einige – wie der Moderator Ricky Harris, der einst das deutsche Talk-Format revolutionierte – endete im Dschungelcamp, andere haben bald ihre Karrieren an den Nagel gehängt.

Deutsches Museum Schwarze Unterhatlung 1 560 c Justus GelbergPorträts Schwarzer Stars: Untiefen unter der Oberfläche © Justus Gelberg

Auch wenn die vom Künstlerhaus Mousonturm koproduzierte Ausstellung unter dem Dach des Frankfurter Museums Angewandte Kunst nicht eben riesig ist, wirkt die Fülle der Exponate beeindruckend, die rasant sprudelnde Führung von Joana Tischkau oft witzig. Im zweiten Teil scheinen die Devotionalien selbst mit Ironierand versehen – der Bamby von Jessica Wahls ("No Angels"), ein Kuschelhund, aus dem wackelnd "Coco Jambo" von Mr. President dröhnt, das abgewetzte "Rickys Popsopfa", auf dem Anke Engelke in den 1990ern in der Comedy-Sendung "Wochenshow" Ricarda Wältken von Tic Tac Toe parodierte.

Abgründe öffnen sich oft nebenbei. Dass es sich bei Engelkes Performance um Blackfacing handelte, fällt einem jetzt erst auf – und wird auch vom Guide Jan Gehmlich nicht erwähnt. Überhaupt stellen Tischkau und Gehmlich eher Bezüge her, liefern Hintergründe. Denken muss man schon selbst. Wenn Tischkau etwa die politische Botschaft der Blanco-Single Schwarze Engel von 1965 betont, klingt das erst mal nachvollziehbar. Im Song wendet sich Blanco an weiße Künstler: "Warum denkt ihr denn nie daran, dass auch ein Engel schwarz sein kann? Die vielen schwarzen Kinder sehen euch bittend an." Das ist rassismuskritisch – aber zugleich auch schlimmer Kitsch. Welchen Anteil hatte die Schnulzensehnsucht jener Zeit am schwer erträglichen Duktus, an seiner Unterwürfigkeit? Zumal die zitierten Verse die Version sind, die Chantal Yancey später zur Museums-Eröffnung singt. Im Original benutzt Blanco das N-Wort. War das noch kulturelle Anpassung? Oder schon Selbstverleugnung?

Zur Kenntlichkeit verzerrt

So lauern unter der Oberfläche der Ausstellung zahllose Untiefen. Jeder Name ein Schicksal, jeder Zeitungsausschnitt eine Zumutung, die das Othering, die Verclownisierung, die Exotisierung auf die Spitze treibt. Kaum eine Karriere, die ohne Brüche, keine, die ohne Rassismus auskäme. Um bei Blanco zu bleiben: Eine seiner Shows wurde mit Hinweis auf seinen deutlichen Akzent abgesägt – während zeitgleich weiße Showmaster wie Rudi Carell für ihr imperfektes Deutsch geliebt und gefeiert wurden. Bezeichnend, dass sich auch die Künstlerin Nima Séne in ihrer Videoarbeit "Kubanerin" mit Blanco auseinandersetzt und zu giftig schrillen Bildern von Erotik und Exotik Blanco-Textstellen zur Kenntlichkeit verzerrt. Das Erbe deutscher Schwarzer Unterhaltung ist ein oft ambivalentes. Aber niemand hier macht den Künstler*innen daraus einen Vorwurf. Eher fragt das Museum: Warum haben die Produzierenden, die Rezipierenden das so gewollt?

plakat 560 c georg kaschAusstellungsplakat © Georg Kasch

Mit "Deutsches Museum für Schwarze Unterhaltung und Black Music", das im Dezember ans Berliner HAU weiterwandert, setzen Recke und Tischkau ihre bisherigen Arbeiten der Aneignung und Blickveränderung fort: Recke hatte in der so genannten "Schwarzkopie" von Josef Bierbichlers "Mittelreich" eine bestehende Inszenierung übernommen und ausschließlich mit Schwarzen Schauspieler*innen besetzt, in Die Kränkungen der Menschheit eine Ausstellungssituation zum Anlass genommen, über Perspektivwechsel nachzudenken. Tischkau thematisierte schon in "Being Pink Ain't Easy" und "Playback" die Projektionen der weißen Mehrheitsgesellschaft auf Schwarze Künstler*innen. Mit ihrer temporären Museumsgründung allerdings greifen sie aus dem Theaterraum weit in die Realität. Sie performen etwas, das gefehlt hat und das es dauerhaft geben sollte. Sie liefern Vorlagen für unzählige Forschungsarbeiten, auch theater- und filmwissenschaftliche.

Dass vieles fehlt, etwa der Bereich der klassischen Musik so gut wie völlig ausgeblendet wird und nur Jessye Norman, nicht aber Grace Bumbry erwähnt wird, die als "schwarze Venus von Bayreuth" einst die konservative Opernwelt erschütterte, lässt sich auf die relativ kurze Forschungs- und Umsetzungszeit von acht Monaten schieben. Das Museum sammelt weiter Exponate und Geschichten. Vielleicht ja wirklich mal mit festem Ort, Team, Etat? Es wäre Zeit.

Deutsches Museum für Schwarze Unterhaltung und Black Music
Konzept und Realisation: Joana Tischkau, Anta Helena Recke, Elisabeth Hampe und Frieder Blume, Support: Nuray Demir, Yannick Alassane Niang, Corporate Design: Justus Gelberg, Ausstellungsdesign: Jonas Droste / Simon Stanislawski (und.studio), Produktionsleitung: Lisa Gehring, Guides: Jan Gehmlich, Katharina Linnepe.
Eröffnung: 25. August 2020
Dauer der Führung: 40 Minuten, keine Pause

www.mousonturm.de
www.hebbel-am-ufer.de

 


Kritikenrundschau

"Man kommt aus dem Bauklötze Staunen überhaupt nicht mehr heraus", schreibt Eva-Maria Magel in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (27.8.2020) und meint etwa das Staunen über "die Mischung aus aufgesetztem Wohlwollen, Feiern des Exotismus unter größtmöglicher Aussparung der Frage, wer denn da spricht und worüber" in der Boulevardpresse. "Und auch darüber, wie viele N- und Z-Worte die Kuratorinnen noch in Zeitungsausschnitten der Nuller Jahre überkleben mussten." Das Museum "eröffnet anhand einer Vielzahl von Objekten neue Räume für Fragen, Bedeutungen, Bezüge. Einzig die 40 Minuten pro Führung seien "ziemlich kurz bemessen", weil auf Beschriftungen und erläuternde Tafeln verzichtet wurde.

Über diese "unbedingt sehenswerte Arbeit" berichtet Stefan Michalzik in der Frankfurter Rundschau (27.8.2020). Die Sammlungsobjekte schaue man sich mit "jener amüsierten Faszination an, die aus der Wiederbegegnung mit solchen zeitgeschichtlichen Objekten resultiert. Was aber dahinter steckt, erschließt sich erst durch die Kontextualisierung, die hier mündlich geleistet wird." Auch für den FR-Kritiker ist es "bedauerlich", "dass man doch sehr, sehr zügig durch die Ausstellung geschleust wird" und so "kaum Zeit zum Verweilen und für die individuelle Betrachtung findet".

Ein "Teaser" bzw. "künstlerischer Brühwürfel", der sich in einem noch zu installierenden dauerhaften Museum auflösen muss, ist diese Produktion für Matthias Dell im Bericht für "Fazit" auf Deutschlandfunk Kultur (25.8.2020). Dell interpretiert, dass die Ausstellung die Institution Museum "parodiert", in der es "diesen Ort, diese Geschichtsschreibung" sonst nicht gebe. Dell hatte die Produktion im Vorfeld bereits in der ZEIT (6.7.2020) umfangreich vorgestellt.

"Die flotte 30-Minuten-Videoführung der Co-Kuratorin Joana Tischkau zeigt zwar einen rasanten Ritt durch die Highlights von dem populären Tiroler-Hut-Trompeter Billy Mo bis zu Frank Farians Fake-Band Milli Vanilli, greift auch die rassistischen Implikationen weißer Produzenten von schwarzen Künstlern auf, bleibt aber zu behauptend", schreibt Doris Meierhenrich in der Berliner Zeitung (14.12.2020) zum Online-Gastspiel im HAU Berlin. "Dennoch – und das ist das grandiose Initiationsritual dieses halb imaginierten Museums auf Zeit – es fängt erstmals an, die schwarze Geschichte der weißen Unterhaltung überhaupt zu sehen. Zu sehen, wie blind Produzenten, Zuschauer und die Künstler teils selbst dem eingefleischten Rassismus freundliche Gesichter gaben. Deutsche Geschichte."

Kommentare  
DMSUBM, Frankfurt: Filter zu klein
Macht diese "Ausstellung" wirklich weiße Projektionen sichtbar oder ist sie am Ende selber eine? Ist das nicht ein ausgesprochen ungutes Racial Profiling, was hier vorgenommen wird? Gut, Rudi Carell wurde für seinen Akzent geliebt, Vivi Bach auch - aber auch Billy Mo. Gleichzeitig wurden alle ausgestellt und geothert. Ich glaube nicht, daß hier die Farbe eine Haupt-Rolle spielte. Die ganze westdeutsche Popindustrie war unfassbar verlogen und hat unter der seichten Oberfläche ihres spießigen Gamours sehr viel Unglück produziert. Es hat sich ja nicht nur der Milli-Vanille-(Nicht)-Sänger Rob Pilatus umgebracht, sondern auch Rex Gildo. Das wäre in der ganzen Komplexität zu untersuchen. So, wie es in Regina Schillings Film "Kuhlenkampfs Schuhe" zum Bespiel geschieht, die den NS-Untergrund der Westdeutschen Unterhaltungsbranche untersucht. Auch müsste zumindest mal thematisiert werden, wieso Leute wie Xavier Naidoo oder Delef D. Soost (Attila Hiltmann lassen wir mal weg) rechtsextreme Positionen vertreten. Verhält sich die Ausstellung dazu? Mir scheint, der Filter von DMSUBM ist etwas zu klein, um hier wirklich aussagekräftige Ergebnisse statt Klischees zu produzieren. Das ist sehr bedauerlich.
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