Zur versuchten Wegschaffung des Intendanten Stephan Märki aus Weimar
Ein Märchen aus Thüringen
von Nikolaus Merck
Berlin, 8. Oktober 2008. Wir lieben Weimar!
Kaum hat die Stadt das Haus der Frau von Stein (Goethe! Lotte! Werther!) an einen spanischen Kunsthändler verkauft, der dort angeblich Salvador Dali ausstellen will, was zweifelsfrei der Stadt von Klassik, Bauhaus und Buchenwald gerade noch gefehlt hat, kaum also hat sich das geistige Butzenscheibenstädtchen den Zorn der Bildungsbürger links und rechts von Elbe und Ilm zugezogen, stampft es in den nächsten Fettnapf rein.
Stephan Märki, thüringisch-schweizerischer Theater-Tell, der allein bewaffnet mit der Armbrust besserer Einsicht des Praktikers, Theatergewerkschaften und UnKulturpolitiker in die Knie zwang; der das viel gepriesene "Weimarer Modell" erfand – eigentlich nur ein Haustarifvertrag, oder? – und die böswillig ausgeheckte sowie Lichtjahre von aller Theaterpraxis entfernte Fusion der feindlichen Nachbarstädte Erfurt und Weimar quasi im Alleingang verhinderte; der obendrein dem stolzen Weimarchen sein Nationaltheater zum Staatstheater des Freistaates Thüringen aufwertete – dieser Heilige Stephan sollte nun von Neid zerfressenen Lokal-Politikern hingemeuchelt werden. Keine Vertragsverlängerung über 2010 hinaus, weil der Mann am Theaterplatz mit den Stadtmeiern nicht über die Finanzlage des nach wie vor gefährdeten Hauses sprechen wollte. Angeblich.
Uiiii, da haben sich die Weimarer Polit-Honoratioren aber tüchtig verrechnet. Denn siehe: Ein Sturm brach los, Protest, Demonstration (die größte in Weimar seit der Wende, meldet die Frankfurter Allgemeine, die wohl eigenhändig nachgezählt hat), Schuldzuweisungen, weiche Knie, Verrat und Hinterlist – großes Schabernacken und Tirritieren in Weimar mit dem Ergebnis: Märki muss bleiben. "Das Gute hat gesiegt", schreibt knapp und triumphierend Christopher Schmidt in der heutigen Ausgabe der Süddeutschen Zeitung, in der er die Weimarer Verhältnisse tagelang als Schurkenstück aufgeführt hatte. Vor Ort frohlockt Frauke Adrians in der Thüringer Allgemeinen: das Nachbeben halte an; nach allerlei Vermutungen und Verdächten in den letzten Tagen hat sie jetzt die wahrhaft Schuldigen an der versuchten Märki-Meuchelei gefunden. Nicht in der Landespolitik, wie sie eine Zeit lang öffentlich und mit Grund argwöhnte, weil Märki seinerzeit mit seinem hartnäckigem Widerstand gegen die Theaterfusion die Landeskulturverweser eben schwer verärgert hatte. Aber die Landespolitiker waren diesmal wohl wirklich nicht schuld. Sondern der doppelt böse Wolf, der eine Kreischef der CDU mit Namen Krause, Peter, der gern mit Rechtsradikalen kuschelt und deshalb nicht Kultusminister werden durfte. Und der andre Wolf von der SPD, Vornamen Stefan, seines Zeichens Weimar-Oberbürgermeister und derzeit politisch schwer am Wackeln.
Wir lieben Weimar.
Aber das Affentheater sollte jetzt wirklich nicht einfach so aufhören.
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im Theater muss, wie im Leben, das Gute siegen, wenigstens gelegentlich. Aber, bitte schön, wir sind nicht im Theater, also auf der Bühne, nur in der Wirklichkeit Weimars. Dass sich dort die Akteure aufführen wie auf einer Theaterbühne wurde angemerkt. Dass dies sehr unterhaltsam ist, wurde auch angemerkt.
Das nennen Sie zynisch? Da hören Sie mal bitte die Verbandsführer der deutschen Wirtschaft, die ungerührt davon sprechen, dass die Finanzkrise Unterhaltung auf höchstem Niveau biete, mit der Realwirtschaft aber nix zu tun habe. Gut, das nur nebenbei.
Wenn ich Sie recht verstehe, finden Sie das Schauspiel in Weimar nicht erfreulich. Wenn ich Sie weiter recht verstehe, finden Sie, dass ein Kommentar, der auf die Verdienste des Intendanten Märki hinweist, vor allem dazu verhilft, dessen Pfründe zu sichern.
Ich habe mir das Eine und das Andere im Weimarer Schauspiel angeschaut über die Jahre. Blöderweise gab es den ersten Zug nach Mitternacht immer erst um 5 Uhr morgens, also übernachteten wir im Hotel. aber auch das nur nebenbei. Iimmerhin hat Stephan Märki Leuten wie Tilmann Köhler und seiner Truppe die Chance gegeben, sich auszuprobieren. Das gab es früher und anderswo in den Provinzen auch schon, etwa in Schwerin Anfang der neunziger Jahre. Ohne Risiko sind solche Engagements nicht. Dieses künstlerische Risiko nicht gescheut zu haben ist ein Verdienst des Stephan Märki. Das, denke ich, sollte man, wenn über den künstlerischen Ertrag der Intendanz Märki diskutiert wird, nicht vergessen.
Im übrigen werde ich mich fürderhin bemühen, meine Beiträge dem allgemeinen Intelligenz-Niveau anzunähern. Versprochen.
Mit morgendlichen Grüßen
nikolaus merck
es mag in der tat durchaus zutreffen, dass an diesem haus durchaus auch schlechtes theater zu sehen ist. auch ich komme aus berlin, auch ich habe einiges dort gesehen und was ich fast immer sah, waren vor allem junge schauspieler die auf hohem niveau spielten und so häufig mängel an der regie oder dem stoff vergessen machten. was fällt ihnen denn bitte ein, sich hier derart plump und und verallgemeinernd zu äußern. wie ich erfahren habe, ist gerade erst wieder ein schwung neuer schauspieler, sowie eine neue junge regiesseurin an das weimarer theater gekommen. allesamt von der hoch renomierten ernst busch schule berlin. dies sind die nachwuchskräfte des theaters, menschen die sich dort wie auch immer ausprobieren dürfen. seltenheit genug!
und wie sich in den letzten jahren wohl auffalend genug gezeigt hat, sind diese spieler/regiesseure dort tatsächlich gewachsen. was sich auch unter theaterleuten der "hauptstadt" herumgesprochen hat. entschuldigen sie aber ich finde ihren kommentar schlicht ignorant und snobistisch. sie ignorieren den weg und scheinen daher von theater ganz allgemein wenig zu halten.