Presseschau vom 3. September 2020 – In der FAZ fordern Theaterautor*innen den staatlichen Ausgleich von Tantiemen-Einbußen während der Corona-Beschränkungen

"Wir fordern einen Bundesfonds!"

"Wir fordern einen Bundesfonds!"

3. September 2020. In der Frankfurter Allgemeinen Zeitung schildern die Theater-Autor*innen Kristof Magnusson, Ingeborg von Zadow und Ulrich Hub die schwierige Situation für Dramatiker*innen und Übersetzer*innen unter den aktuellen Corona-Schutzmaßnahmen.

Theaterautor*innen erhielten Tantiemen, also einen Anteil an jeder verkauften Karte. Aber wenn das Platzangebot wie jetzt auf weniger als auf etwa 1/5 schrumpft, dann verdienen Dramatiker*innen entsprechend weniger. "Wer für das Kinder- und Jugendtheater schreibt, ist noch schlechter dran: Schulklassen, unser Hauptpublikum, dürfen angesichts der aktuellen Situation vielerorts vorerst gar keine Theaterausflüge mehr unternehmen."

Andere künstlerische Berufe (Regie, Bühnen-, Kostümbild etc.) würden im jetzt wieder anlaufenden Betrieb "glücklicherweise" nicht für ein Fünftel des Honorars an ihren neuen Inszenierungen arbeiten. Daher fordern die Autor*innen eine "faire und angemessene Bezahlung" auch für ihre Leistungen: "Wir fordern einen Bundesfonds für Bühnenautorinnen und Bühnenautoren, aus dem eine vernünftige Aufstockung unserer Tantiemen für die Zeit der Besucherbeschränkungen finanziert wird."

(FAZ / chr)

Kommentare  
Presseschau Autor*innen: Existenzielle Schieflage
Die Forderung nach einem Bundesfonds für Bühnenautor_innen, aus dem eine vernünftige Aufstockung der Tantiemen für die Zeit der Besucherbeschränkungen finanziert wird, unterstütze ich vollends! Möchte aber ergänzend darauf hinweisen, dass die Tantiemen nicht nur durch Besucherbeschränkungen dezimiert werden, sondern durchaus auch durch den Wegfall von Inszenierungen, die pandemiebedingt nicht weitergespielt bzw. -aufgenommen werden, und nicht zuletzt durch den Ausfall verabredeter Premieren. Da die grundsätzliche Bezahlung der Autor_innen im Theaterbetrieb als eher bescheiden beschrieben werden kann, werden wohl nur wenige Autor_innen in der finanziellen Lage sein, diese Situation mit Hilfe von Rücklagen, die sie mit dem Schreiben für das Theater gebildet haben, zu überstehen. In diesem Zusammenhang ist dann auch ein Blick auf das Corona-Hilfsprogramm NEUSTART KULTUR des BKM interessant, ein Programm, mit dem Frau Grütters über die sechs Bundeskulturfonds Künstler_innen, die „so dringend darauf angewiesen sind“, unterstützen will. Als Theaterautor_innen fallen wir allerdings durch das Raster dieser „direkt(en), unbürokratisch(en) und einfach(en)“ Hilfe – weder der Fonds Darstellende Künste noch der Literaturfonds fühlen sich bislang im Rahmen von NEUSTART KULTUR für Theaterautor_innen zuständig. Insofern würde ich die Forderung der drei Kolleg_innen gerne weiter fassen: Wenn die lebendige Dramatik (oder Theaterschreiberei oder was weiß ich) diese Pandemie überleben soll, dann müssen die Theaterautor_innen jetzt dringlichst dieselbe Unterstützung bekommen, die auch anderen Menschen, die coronabedingt in eine existentielle Schieflage gerutscht sind, zuteilwerden sollte.
Presseschau Autor*innen: Zwischen Stühlen
Ich kann mich sowohl dem Aufruf von Hub / Magnusson / von Zadow in der FAZ als auch dem Kommentar von Carsten Brandau nur anschließen.
Wer hierzulande sein Geld mit Schreiben von Theaterstoffen verdient und den Förderprogrammen für Berufseinsteiger*innen vielleicht schon entwachsen ist, kennt die Situation: Man landet als Theaterautor*in gerne mal zwischen den Stühlen. Ist so ein Theatertext nun Literatur? Handelt es sich um Darstellende Kunst? Keins von beidem? Wer ist zuständig?
Diese Frage künstlerisch eindeutig zu beantworten ist schwer, denn unterschiedliche Autor*innen verorten sich an unterschiedlichen Punkten in diesem Spektrum. Die Antwort fällt also immer individuell aus.
Gerade deswegen sollte es mehr Fördermodelle geben, die Theaterautor*innen bewusst miteinschließen oder direkt ansprechen. Gerade jetzt im Moment, wo wir noch mehr zwischen den Stühlen sitzen als bislang.
Presseschau Autor*innen: Bundesfond
BUNDES THEATER PROJEKT


I Für die Dauer der Corona-Krise wird mit Beginn der Spielzeit 20/21 die ökonomische Verantwortung für die Staats- und Stadttheater vorübergehend gemeinsam von Bund und Ländern getragen. Der Bund ergänzt die coronabedingt ausfallenden Einnahmen der Häuser (im Schnitt 20-30% der Etats) zu 100% aus Bundesmitteln, die es erlauben
a) Kurzarbeit der festen Mitarbeiter zu vermeiden
b) Gastverträge zu schließen und im Rahmen der Umstände zu erfüllen
c) Ausfallhonorare in voller Höhe zu zahlen, wenn die persönliche Erbringung schon vor der Krise begann, die Leistung krisenbedingt nicht oder nur eingeschränkt erbracht werden kann, oder die Leistung im regulären Vorstellungsbetrieb über rein vertragsbezogene Honorare wie Kompositionshonorare oder Tantiemen abgegolten wird.

Alle Einzelheiten regeln die Geschäftsführungen der Theater.

II Die Hilfszahlungen aus Bundesmitteln entlasten die Länderetats. Sie ersetzen die ländergetragene „Soziale Grundsicherung“ und ersparen den Soloselbstständigen das Ausfüllen von Formularen, da sie über vorhandene Verträge finanziert werden. Die bereits ausgezahlten Bundeszuschüsse können wie reguläre Einnahmen sowohl für Betriebsausgaben (die bei Soloselbstständigen nur begrenzt anfallen) wie auch Unterhaltskosten verwendet werden, sie werden mit den Ausfallhonoraren verrechnet und zu ermäßigten Sätzen versteuert. Eine Bindung an Betriebsausgaben oder eine Rückzahlungspflicht besteht nicht.

III Die Dauer der Bundeszuschüsse für die Theater wird von der Politik der Bundesregierung bestimmt. Die Zuschüsse werden voraussichtlich mit der Normalisierung des Theaterbetriebs sinken. Das von der Bundesregierung festgesetzte Ende der Pandemie beendet das Projekt.


Frank-Patrick Steckel

13.6.2020
Presseschau Autor*innen: schließe mich an
Ich kann mich den Vorredner*innen und Kolleg*innen aus Artikel und Kommentaren nur anschließen - mir ist dabei gerade in den letzten Wochen aufgefallen, dass selbst gestandene Theatermenschen oft nicht wissen, dass wir Theaterautor*innen faktisch die einzigen sind, die nach Erfolg bezahlt werden - eben wie geschildert nach gespielten Vorstellungen oder verkauften Karten. Hinzu kommt in der derzeitigen Phase der Ungewissheit, dass die Theater nicht gerade mit Autor*innen-Aufträgen oder Nachspiel-Inszenierungen um sich werfen - die Krise wird bei uns Schreibenden erst in den kommenden Monaten ankommen. Wir sind gewohnt, chronisch prekär zu leben, aber dies wird einige Stückeschreiber*innen möglicherweise dazu zu bringen aufzugeben.
Presseschau Autor*innen: einen Wolf geigen
Auch ich bin dankbar um die Kommentare der Kolleg*innen, wennschon das mit der Dankbarkeit derzeit so eine Sache ist. Sollten wir uns freuen, wenn ausschließlich wir Dramatiker*innen einer Meinung sind? Der Missstand bleibt, was er ist. Ein Beispiel: Ich habe das Glück, dass eine meiner Übersetzungen ihren Weg auf die Bühne gefunden hat (Freilichtspiele Hall), als kurzfristigen Ersatz für das coronabedingt komplett verschobene Programm. Das tröstet zwar nicht über in die übernächste Spielzeit verschobenen Premieren hinweg, ist aber trotzdem toll, selbst dann, wenn eine Inszenierung statt vor den üblichen 1000 Besucher*innen nur vor maximal 250 gespielt werden kann – anderswo finden Vorstellungen vor maximal 30 Menschen statt, ich will mich also nicht beschweren. Die Einbußen an der Tantiemenfront sind nichtsdestotrotz beachtlich, wie die Kolleg*innen Magnusson, Zadow und Hub es vorgerechnet haben. Ich freue mich, weil überhaupt etwas fließt – für mich, für meinen Verlag, der wie die meisten Bühnenverlage derzeit ebenso zu kämpfen hat wie wir Bühnenautor*innen; ich staune, wie sehr wir, mehr denn je, zu dieser »Sei doch froh, dass überhaupt etwas geht«-Haltung genötigt werden, nicht zuletzt vom Betrieb selbst. Dankbarkeit in homöopathischen Dosen, über die kleinen Schritte; Freude über das Besser-als-Nichts, die Neustart-Hilfen (aber welcher Neustart?); dieser ganze berufsbedingte, in Selbstausbeutung geübte Optimismus: Spätestens dann, wenn draußen ohnehin nichts mehr geht und die ersten Vorstellungen kurzfristig wieder abgesagt werden müssen, dürfte sich auch das mit der Dankbarkeit erledigt haben. Um mal Anleihen bei La Fontaine zu nehmen: Wir Dramatiker*innen sind Grillen, die sich einen Wolf geigen, während die Ameisen sich am Kopf kratzen und denken: Wieso, welcher Winter. Nein, wir profitieren nicht vom Klimawandel, und ja, Augen auf bei der Berufswahl. Aber was wäre das Theater ohne den Text, die genuine, zeitgenössische Dramatik? Sich diese Paradoxie vor Augen zu führen, sie den Ameisen unter die Nase zu reiben, sich so zu vernetzen, dass niemand mehr an diesen Fragen vorbeikommt: Vielleicht müssen wir Dramatiker*innen dankbar sein dafür, Vielleicht müssen wir Dramatiker*innen dankbar sein dafür, dass die Missstände derzeit noch offensichtlicher sind als sonst.
Presseschau Autor*innen: absurd
Eine Theateraufführung beruht (meist) auf Texten, die sich Autor*innen ausdenken oder bearbeiten.
Der Text ist also die Grundlage und alle verdienen darob ihr Geld: Künstler*innen auf, vor und hinter der Bühne, Handwerker*innen, Techniker*innen und Organisator*innen. Verdienen von dienen, denn der Text dient dem Verdienen aller.
Um im Bild mit der Grund-Lage zu bleiben, gilt es jetzt den Autor*innen nicht ihr Grab zu graben. Ansonsten, liebe Künstler*innen, Organisator*innen, Techniker*innen und Politiker*innen grabt ihr euch selbst den Grund ab und damit begrabt ihr auch das Theater, was bodenlos und gründlich dumm wäre.
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